Inhalt

VG München, Beschluss v. 21.02.2022 – M 7 S 21.80
Titel:

Widerruf des Kleinen Waffenscheins- Führern einer mit Reizstoffkartuschen geladenen PTB-Waffe mit einer BAK von 1,6 Promille

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 1 S. 1
StPO § 170 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ist eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille amtlich festgestellt, genügt bereits die einmalige und erstmalige Verfehlung, um tatsachenbegründete Zweifel an der persönlichen Eignung im Sinn des § 6 WaffG zu begründen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Amtliche Schilderungen und Bewertungen dürfen im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden; eine Beurteilung sicherheitsrechtlicher Sachverhalte anhand polizeilicher Feststellungen kann das Ergebnis einer nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Beweiswürdigung sein. Dies schließt es aber nicht aus, dass gegen die polizeiliche Sachverhaltsschilderung und Beurteilung erhobene substantiierte Einwände von der Polizei widerlegt werden müssen oder ggf. der weiteren Klärung durch die Behörde oder das Gericht bedürfen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Annahme von Tatsachen, die geeignet sind, anlassbezogene Bedenken gegen die persönliche Eignung des Waffenscheininhabers iSd § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WaffG zu begründen, steht nicht entgegen, dass es deshalb nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen ist, sondern eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgt ist bzw. von einer Strafverfolgung nach § 31a Abs. 1 BtMG abgesehen wurde. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Umstand, dass der Inhaber eines Kleinen Waffenscheins in alkoholisiertem Zustand mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille trotz des damit verbundenen Risikos eine mit Reizstoffkartuschen geladene PTB-Waffe geführt und diese auch gegen einen Menschen eingesetzt hat, rechtfertigt die Prognose, dass er auch künftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig und sachgemäß umgehen wird. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf des Kleinen Waffenscheins, Fehlende persönliche Eignung, Nichtvorlage eines angeforderten Gutachtens
Fundstelle:
BeckRS 2022, 24382

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner am 3. Januar 2021 erhobenen Klage gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnis sowie die hierzu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 2020.
2
Der Antragsteller ist Inhaber eines von der Antragsgegnerin am 19. Juni 2019 ausgestellten Kleinen Waffenscheins.
3
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2019 teilte das Kriminalfachdezernat 8 … der Antragsgegnerin mit, dass am 10. November 2019 um 01:20 Uhr Angehörige der Polizeiinspektion .. in die S. … straße 3 in … zu einer Bedrohung mit Waffe beordert worden seien. Nach polizeilichen Feststellungen habe der Antragsteller im Café S. … eine PTB-Waffe gezogen und mit dieser eine fremde Person bedroht. Bei der anschließenden Durchsuchung sei ein konsumfertiger Tabak-Marihuana-Joint (Test positiv) aufgefunden worden.
4
Mit Schreiben vom 12. März 2020 übermittelte das Kriminalfachdezernat 2 … der Antragsgegnerin weitere Informationen zu dem Vorfall und bat gegebenenfalls um Einleitung weiterer Maßnahmen. Nach den polizeilichen Feststellungen habe es zwischen dem Antragsteller und Herrn H. … einerseits und Herrn S. … andererseits eine körperliche Auseinandersetzung gegeben, in dessen Verlauf der Antragsteller eine mitgeführte Schreckschusspistole gezogen und diese auf den Kopf des Herrn S. … gerichtet habe. Nach Aussage des Herrn S. … sei es im Café S. … im Laufe des Abends immer wieder zur Provokationen durch den Antragsteller gekommen. Als Herr S. … den Antragsteller gegen 01:00 Uhr gefragt habe, was Sache sei, habe der Antragsteller plötzlich eine Schusswaffe gezogen und die Mündung der Waffe seitlich über seine rechte Augenbraue angelegt. Es sei Herrn S. … nicht gelungen, die Waffe wegzuschlagen. Unmittelbar danach habe dieser ein lautes Knallgeräusch gehört, Schmerzen im Sinne eines starken Brennens wie Pfefferspray o.ä. im Bereich des Mundes, der rechten Wange und in den Nasennebenhöhlen habe er erst nach Eintreffen der Beamten gehabt. Nach Aussage der Zeugin Frau K. …, die den Vorfall aus dem Fenster des Cafés beobachtet habe, habe es bereits zuvor im Café Auseinandersetzungen, an denen jedenfalls Herr S. … beteiligt gewesen sei, gegeben. Herr S. … habe auch die Zeugin beleidigt und sie aggressiv angesehen. Herr S. … habe im weiteren Verlauf das Café verlassen und sei von der Security nicht mehr in das Café hineingelassen worden. Sie sei mit dem Antragsteller und Herrn H. … im Café am Fenster gewesen. Herr S. … habe von draußen mit der Hand die Geste „die Kehle aufschlitzen“ in ihre Richtung gemacht. Ungefähr 15 Minuten später seien der Antragsteller und Herr H. … nach draußen gegangen, um eine Zigarette zu rauchen. Sie hätten sich nach Einlassung der Zeugin K. … etwas abseits von Herrn S. … hingestellt. Sofort sei Herr S. … hinzugekommen, habe mit der Hand ausgeholt und auf einen der beiden eingeschlagen. Der Antragsteller habe den Schlag abwehren können, die Waffe gezogen und sie Herrn S. … ca. 30 cm vor das Gesicht gehalten. Zu einer Schussabgabe sei es jedoch nicht gekommen. Nach Angabe des Antragstellers hingegen habe der Abstand zu Herrn S. … eine Armlänge betragen. Der Antragsteller habe nach eigenen Angaben mehrfach - wie oft, habe er nicht mehr gewusst - den Abzug gezogen und einen Knall gehört. Er habe jedoch eine Ladehemmung gehabt. Während der darauffolgenden Rangelei habe Herr H. … ein mitgeführtes Tierabwehrspray in das Gesicht des Herrn S. … gesprüht. Dieser habe Rötungen und Schwellungen im Mund- und Nasenbereich erlitten. Ob diese von den abgefeuerten Reizgaskartuschen oder dem Tierabwehrspray gekommen seien, habe durch die Beamten nicht geklärt werden können. Die Waffe, eine Schreckschusspistole der Marke Walther, Modell P22, schwarz, die der Antragsteller in einem Holster rückseitig rechts am Gürtel getragen habe, sei dem Antragsteller von den Einsatzkräften abgenommen worden. Bei der anschließenden Durchsuchung des Antragstellers sei ein Magazin mit sechs Knallkartuschen sowie ein Marihuana-Joint aufgefunden worden. Der Antragsteller habe angegeben, beide Magazine mit je sechs Reizstoffpatronen bzw. Schreckschussmunition vor dem Verlassen des Hauses vollgefüllt zu haben. Die Waffe sei entsichert und geladen gewesen, eine Patrone habe sich im Lauf befunden. Diese sei in das Magazin eingefüllt worden. Hierbei seien nur noch vier Reizstoffpatronen im Magazin der Schreckschusswaffe gefunden worden. Folglich hätten durch den Antragsteller zwei Patronen verschossen sein müssen. Die Waffe mit den beiden Magazinen und die insgesamt zehn Patronen seien sichergestellt worden. Die zwei fehlenden Patronen bzw. Hülsen hätten durch die Beamten vor Ort nicht mehr aufgefunden werden können. Der Antragsteller habe augenscheinlich unter dem Einfluss von Alkohol gestanden. Er habe nach Alkohol gerochen und glasige Augen gehabt. Trotz dieser massiven Alkoholisierung habe der Antragsteller angegeben, die Belehrungen verstanden zu haben und habe den Angaben der Beamten Folge leisten können. Ein um 01:40 Uhr durchgeführter freiwilliger Atemalkoholtest habe bei dem Antragsteller einen Wert von 0,80 mg/l ergeben. Herr S. … habe ebenfalls stark alkoholisiert gewirkt, einen freiwilligen Atemalkoholtest jedoch verweigert. Ein bei Herrn H. … um 02:30 Uhr durchgeführter freiwilliger Atemalkoholtest habe einen Wert von 0,50 mg/l ergeben.
5
Das gegen den Antragsteller gerichtete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung (471 Js …20) wurde am 13. Mai 2020 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Von der Verfolgung des Vergehens nach § 29 BtMG (471 Js …19) wurde gemäß § 31a Abs. 1 BtMG am 23. Juni 2020 abgesehen.
6
Mit Schreiben vom 10. Juli 2020 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass aufgrund des o.g. Vorfalls behördlicherseits Bedenken hinsichtlich seiner persönlichen Eignung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bestünden, da der Vorfall Hinweis auf das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit und ggf. auch einer Drogenabhängigkeit sein könne. Wissenschaftliche Untersuchungen belegten, dass bei einer Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille eine „allgemeine Alkoholproblematik“ vorliege. Aus diesem Grund sei beabsichtigt, den weiteren Besitz der waffenrechtlichen Erlaubnis von der Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die körperliche und geistige Eignung abhängig zu machen. Vorsorglich werde darauf aufmerksam gemacht, dass die Antragsgegnerin nach § 4 Abs. 6 AWaffV auf die Nichteignung des Antragstellers schließen dürfe, falls dieser nicht bereit sei, das geforderte Zeugnis vorzulegen. In diesem Fall müsse die Erteilung seines Kleinen Waffenscheins widerrufen und dem Antragsteller aufgegeben werden, diesen zurückzugeben. Dem Antragsteller wurde Gelegenheit gegeben, sich innerhalb von vier Wochen zu den angekündigten Maßnahmen zu äußern.
7
Hierauf äußerte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 31. Juli 2020. Es lägen keine die Nichteignung zum Umgang mit Schusswaffen begründenden Tatsachen vor. Es werde bestritten, dass bei dem Antragsteller eine geringe Menge Marihuana gefunden worden sei, Beweise hierfür lägen nicht vor. Ebenso fehlten in der Akte Beweise hinsichtlich des Atemalkoholwertes von 0,80 mg/l. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Durchführung des Atemalkoholtests fehlerhaft gewesen sei. So sei ungeklärt, welches Messgerät verwendet worden sei, ob es die Bauartzulassung durch die PTB gehabt habe und gültig geeicht gewesen sei. Unklar sei zudem, ob die Verfahrensbestimmungen hinsichtlich der Warte- und Kontrollzeiten beachtet und eine Doppelmessung durchgeführt worden sei; ebenso, ob Störfaktoren bestanden bzw. ausgeschlossen werden könnten und der AAK-Wert zutreffend berechnet worden sei. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller wiederholt auch mit weniger als 1,6 Promille im Zusammenhang mit einer Verhaltensauffälligkeit aufgefallen sei.
8
In der hierzu von der Antragsgegnerin bei der Polizeiinspektion .. eingeholten Stellungnahme vom 14. September 2020 wird ausgeführt, es sei nicht bekannt, ob ein THC-Gutachten erstellt worden sei. Der Antragsteller habe angegeben, Alkohol konsumiert zu haben, sodass ein freiwilliger Atemalkoholtest angeboten worden sei. Er habe leicht gerötete/glasige Augen gehabt und nach Alkohol gerochen. Ausfallerscheinungen seien nicht zu erkennen gewesen. Ob er zur Tatzeit unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln gestanden habe, sei unbekannt. Es sei ein Alkoholhandmessgerät der Marke AlcotrueP verwendet worden, das die Bauartzulassung durch die PTB gehabt habe und gültig geeicht gewesen sei. Der Atemalkoholtest sei einmalig um 01:40 Uhr durchgeführt worden. Eine Doppelmessung sei nicht erfolgt, da dieses Gerät für eine Mittelwertbestimmung nicht geeignet gewesen sei. Eine Blutentnahme sei nicht erfolgt. Der Antragsteller sei um 01:09 Uhr vorläufig festgenommen worden und habe sich anschließend in polizeilichem Gewahrsam befunden. Eine Einnahme von Getränken und Lebensmitteln sei nicht möglich gewesen. Andere Störfaktoren hätten nicht vorgelegen. Zwischen der Festnahme und der Durchführung des Tests seien 31 Minuten vergangen. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass die Atemalkoholkonzentration zur Tatzeit um 01:05 Uhr sogar ein wenig höher als 0,80 mg/l gewesen sei. Der AAK-Wert sei zutreffend durch das Gerät berechnet worden.
9
Mit Schreiben vom 21. September 2020 teilte die Antragsgegnerin dem Bevollmächtigten des Antragstellers den Inhalt der polizeilichen Stellungnahme mit. Zudem sei nach weiterer telefonischer Auskunft der Polizei die Einordnung des Joints anhand von Aussehen und Geruch erfolgt. Die Antragsgegnerin gehe nach wie vor von einer Blutalkoholkonzentration von über 1,6 Promille aus, sodass weiterhin Bedenken gegen die persönliche Eignung des Antragstellers zum Umgang mit Schusswaffen und Munition bestünden. Auf die im Schreiben vom 10. Juli 2020 genannten Ausführungen und Rechtsfolgen werde verwiesen. Es werde eine weitere Frist bis 31. Oktober 2020 zur Äußerung bzw. zur Nennung eines zeitnahen Untersuchungstermins für das in diesem Schreiben angesprochene Zeugnis eingeräumt.
10
Eine weitere Äußerung des Antragstellers erfolgte nicht.
11
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 19. Juni 2020 an die Staatsanwaltschaft … . erklärte sich der Antragsteller mit der form- und ersatzlosen Einziehung der Schreckschusspistole einverstanden.
12
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2020, zugestellt am 19. Dezember 2020, widerrief die Antragsgegnerin die Erteilung des dem Antragsteller ausgestellten Kleinen Waffenscheins Nr. … vom 19. Juni 2019 (Nr. I.1). Der Kleine Waffenschein sei innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids bei der Antragsgegnerin abzugeben bzw. einzusenden (Nr. I.2). Für Nr. I.2. des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. I.3). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe werde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro zur Zahlung fällig (Nr. I.4). Dem Antragsteller wurden die Kosten des Bescheids auferlegt und eine Gebühr in Höhe von 50,- Euro nebst Auslagen in Höhe von 2,49 Euro festgesetzt (Nr. I.5). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 10. November 2019 in eine körperliche Auseinandersetzung verwickelt gewesen, bei der er mit seiner PTB-Waffe geschossen habe. Im Zuge der polizeilichen Maßnahmen sei bei ihm eine geringe Menge Marihuana aufgefunden worden. Ein hierbei durchgeführter freiwilliger Atemalkoholtest habe einen Wert von 0,80 mg/l ergeben, was einer Blutalkoholkonzentration von über 1,6 Promille entspreche. Im Rahmen der Anhörung habe der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 31. Juli 2020 darauf hingewiesen, dass der vorgebrachte Sachverhalt für das Verlangen eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die körperliche und geistige Eignung nicht ausreichend sei. Die Polizei habe jedoch in dem Schreiben vom 14. September 2020 bestätigt, dass bei dem Antragsteller ein Joint aufgefunden worden sei und dass das verwendete Messgerät die Atemalkoholkonzentration zutreffend berechnet habe. Eine weitere Äußerung des Antragstellers sei nicht erfolgt, auch ein entlastendes Gutachten sei nicht vorgelegt worden. Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis stütze sich auf § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG und § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Die erforderliche persönliche Eignung besäßen Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln seien. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten belegt, dass bei Blutalkoholkonzentrationen ab 1,6 Promille eine „allgemeine Alkoholproblematik“ vorliege. Das Bundesverwaltungsgericht habe zur diagnostischen Bedeutung entsprechender BAK-Werte in seinem Urteil vom 15. Juli 1988 die Auffassung vertreten, dass Personen, die Blutalkoholwerte von über etwa 1,6 Promille erreichten, regelmäßig bereits an einer dauerhaft ausgeprägten Alkoholproblematik litten. Der geschilderte Sachverhalt begründe Bedenken gegen die persönliche Eignung des Antragstellers zum Umgang mit Schusswaffen und Munition, da er Hinweis auf das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit oder gegebenenfalls auch einer Drogenabhängigkeit sein könne. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller am 10. November 2019 tatsächlich Marihuana dabeigehabt oder konsumiert habe. Entscheidend sei der Atemalkoholwert von 0,80 mg/l. Es bestünden keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung und dem korrekten Ergebnis des Atemalkoholtests. Dieser Wert entspreche einem Blutalkoholwert von über etwa 1,6 Promille. Die Ermittlung des Alkoholwertes mittels Atemalkoholtest sei gesetzlich anerkannt (vgl. § 24a StVG). Einer zusätzlichen Blutentnahme bedürfe es nicht. Ein entlastendes Gutachten sei nicht vorgelegt worden. Da der Antragsteller aus diesem Grund als nicht persönlich geeignet im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG angesehen werde, sei die Erteilung seines Kleinen Waffenscheins zu widerrufen gewesen. Hilfsweise werde als weitere Rechtsgrundlage für den Widerruf § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG angeführt. Hiernach besäßen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei den Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie mit Waffen und Munition nicht vorsichtig oder nicht sachgemäß umgingen. Vorsichtig und sachgemäß gehe mit Schusswaffen nur um, wer sie in nüchternem Zustand gebrauche und so sicher sein könne, keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu erleiden, die zu Gefährdungen Dritter führen könnten. Dass der Antragsteller am 10. November 2019 alkoholisiert gewesen und zugleich eine Schreckschusspistole geführt habe, stehe zweifelsfrei fest. Bei der von ihm konsumierten Alkoholmenge seien Ausfallerscheinungen nicht hinreichend sicher ausgeschlossen gewesen. Der Alkoholkonsum sei vielmehr geeignet, seine Reaktionsgeschwindigkeit sowie seine Wahrnehmungsfähigkeit zu mindern und enthemmend zu wirken. Der Antragsteller sei hiermit das Risiko eingegangen, Dritte zu schädigen. Da der Antragsteller deshalb unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG sei, sei die Erteilung seines Kleinen Waffenscheins auch aus diesem Grund zu widerrufen gewesen. Rechtsgrundlage für die Verfügung unter Nr. I.2 sei § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Es solle dadurch verhindert werden, dass ungültig gewordene Erlaubnisurkunden im Rechtsverkehr missbräuchlich verwendet würden. Rechtsgrundlage für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. I.2 des Bescheids sei § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Es liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass die Anordnung, den Kleinen Waffenschein zurückzugeben, vor der, bei Ausschöpfung des Verwaltungsrechtswegs unter Umständen erst in mehreren Jahren zu erwartenden Unanfechtbarkeit dieses Bescheids, wirksam werde. Der Antragsteller werde als nicht persönlich geeignet, hilfsweise als unzuverlässig, angesehen. Das Führen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit sei jedoch nur dann unbedenklich, wenn über die persönliche Eignung und die Zuverlässigkeit des Inhabers keine Zweifel bestünden. Personen, die Schusswaffen führten, müssten hohen Ansprüchen in Bezug auf Charakter und persönlicher Integrität entsprechen. Dagegen stellten Schusswaffen in der Hand einer Person, die den strengen Anforderungen nicht genügen könne, eine ständige Gefahr für die Allgemeinheit dar. Diese Gefahr abzuwenden liege im öffentlichen Interesse. Die Abwägung des öffentlichen Interesses an einer umgehenden Erfüllung der Herausgabepflicht gegenüber dem privaten Interesse, ungültig gewordene Erlaubnisurkunden bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids zu verwenden, ergebe daher einen eindeutigen Vorrang der öffentlichen Belange. Rechtsgrundlage für die Zwangsgeldandrohung sei Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds stehe in angemessenem Verhältnis zu dem angestrebten Zweck und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers. Dabei sei insbesondere das öffentliche Interesse an der Rückgabe ungültig gewordener waffenrechtlicher Erlaubnisse zu berücksichtigen. Die nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG zu treffende Ermessensabwägung habe den Vorrang des öffentlichen Interesses an der fristgerechten Rückgabe gegenüber dem privaten Interesse am weiteren Besitz der Erlaubnis ergeben. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 50 WaffG i.V.m. Art. 1, 2 und 6 Abs. 1 KG i.V.m. Tarif Nr. 2.II.7/39 Kostenverzeichnis.
13
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers am 3. Januar 2021 Klage und stellte am 7. Januar 2021 einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.
14
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, es lägen keine die Annahme einer fehlenden persönlichen Eignung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG rechtfertigenden Tatsachen vor. Es werde bestritten, dass beim Antragsteller eine geringe Menge Marihuana aufgefunden worden sei. Beweise hierfür seien nicht vorhanden, die bloße angebliche Geruchsfeststellung des Polizeibeamten genüge nicht. Es sei festzustellen, dass nicht das THC oder das CBD rieche, sondern das Terpene. Dieses sorge auch bei unzähligen anderen intensiv riechenden Pflanzen für ihr einzigartiges Aroma. Diese Zweifel könne auch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 21. September 2020 nicht zerstreuen. Auch die Zweifel an der fehlerhaften (gemeint wohl: korrekten) Durchführung des Atemalkoholtests seien nicht ausgeräumt worden. Die Richtigkeit des Werts von 0,80 mg/l werde bestritten. Weiter lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller wiederholt auch mit weniger als 1,6 Promille Alkoholmenge im Blut mit seinem Verhalten aufgefallen sei. Es werde im Schreiben der Antragsgegnerin vom 21. September 2020 behauptet, dass das Atemalkoholmessgerät laut Polizei zum Messzeitpunkt gültig geeicht gewesen sei. Ein entsprechender Eichbericht liege jedoch nicht vor. Weiterhin werde in diesem Schreiben eingestanden, dass eine Doppelmessung nicht erfolgt sei, da dieses Gerät nicht für eine Mittelwertbestimmung geeignet sein solle. Gleichwohl hätte eine solche Doppelmessung erfolgen müssen, um Falschmessungen ausschließen zu können. Gegebenenfalls hätte eine Blutentnahme vorgenommen werden müssen, um Messfehler auszuschließen. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Auch seien die notwendigen Verfahrensbestimmungen bei der Ermittlung des Atemalkoholwerts nicht beachtet worden. Erforderlich sei ein Zeitablauf von mindestens 20 Minuten seit Trinkende. Das Einhalten dieser Wartezeit sei insbesondere bei Messungen im sogenannten Grenzbereich von gegebenenfalls entscheidender Bedeutung. Erforderlich sei zudem eine Kontrollzeit von 10 Minuten vor der Atemalkoholmessung, die in der Wartezeit von 20 Minuten enthalten sein könne. Entscheidend für die Einhaltung der Kontrollzeit sei der Beginn der Messung, nicht der Zeitpunkt des Einschaltens des Geräts. Auch aufgrund der Rechtsgrundlage des § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG sei der Widerruf des Kleinen Waffenscheins nicht rechtmäßig. Eine die Annahme der Unzuverlässigkeit begründende Tatsache i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG sei nicht ersichtlich. Richtig sei, dass der Antragsteller am 10. November 2019 Alkohol konsumiert und zugleich eine Schreckschusspistole geführt habe. Die vom Antragsteller konsumierte Alkoholmenge sei so gering gewesen, dass Ausfallerscheinungen hätten ausgeschlossen werden können. Der Antragsteller habe an diesem Tag nicht die Absicht gehabt, seine Schreckschusspistole zu benutzen, sondern sei unverschuldet in eine Notwehrsituation gelangt, die er nicht falsch eingeschätzt habe und in der er sich auch rechtmäßig verhalten habe. Dies könne durch den Zeugen Herrn … … bestätigt werden. Da der Widerruf des Waffenscheins rechtswidrig sei, seien auch die in den Nrn. I. 2, I.4 und I.5 des Bescheids getroffenen Folgeanordnungen rechtswidrig. Vorgelegt wurde eine Eidesstattliche Versicherung des Herrn H. … vom 4. Januar 2021.
15
Der Antragsteller beantragt,
1.
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 3. Januar 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 2020, Az.: KVR I/211 ku …, wird bezüglich der Nr. I.1 angeordnet.
2.
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 3. Januar 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 2020, Az.: KVR I/211 ku …, wird bezüglich der Nr. I.2 wiederhergestellt.
3.
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 3. Januar 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 2020, Az.: KVR I/211 ku … wird bezüglich der Nr. I.4 angeordnet.
4.
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 3. Januar 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 2020, Az.: KVR I/211 ku …, wird bezüglich der Nr. I.5 angeordnet.
16
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
17
Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 22. Januar 2021 auf den Inhalt der vorgelegten Waffenakte und die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen. Weiter wird ausgeführt, aufgrund der Feststellungen der Polizei, dass das verwendete Atemalkoholmessgerät am 11. November 2019 gültig geeicht gewesen und die Atemalkoholkonzentration zutreffend berechnet worden sei, sei von Seiten der Antragsgegnerin kein zusätzlicher Nachweis über die Richtigkeit der gemessenen Alkoholkonzentration erforderlich. Die Polizei gehe davon aus, dass die Atemalkoholkonzentration zum Zeitpunkt des Führens der Schusswaffe sogar über 0,8 mg/l gelegen habe. Es sei waffenrechtlich zulässig und anerkannt, bei einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l von einer Blutalkoholkonzentration von über 1,6 Promille auszugehen, ohne dass eine zusätzliche Blutabnahme erfolge. Bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei unerheblich, ob zum Zeitpunkt des Führens der Schusswaffe oder zum Zeitpunkt der Messung der Atemalkoholkonzentration körperliche Ausfallerscheinungen vorgelegen hätten. Nach den Angaben der Polizei habe der Antragsteller augenscheinlich unter Alkoholeinfluss gestanden. Er habe nach Alkohol gerochen und glasige Augen gehabt. Außerdem habe der Antragsteller die Schreckschusspistole nicht nur unter Alkoholeinfluss geführt, sondern auch damit geschossen. Weiterhin könne auch der Verdacht auf eine Drogenproblematik nicht ausgeschlossen werden, da bei ihm ein Gegenstand aufgefunden worden sei, den die Polizei für einen Joint mit einem Tabak-Marihuana-Gemisch gehalten habe, auch wenn keine Laboruntersuchung stattgefunden habe. Die vermutete Alkoholproblematik stehe klar im Vordergrund und sei ausreichend, um Zweifel an der persönlichen Eignung zu begründen. Für die Einleitung eines waffenrechtlichen Widerrufsverfahrens seien berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung ausreichend. Diese seien hier gegeben. Nicht die Antragsgegnerin sei verpflichtet, den unumstößlichen Nachweis zu führen, dass eine Alkohol- bzw. Drogenproblematik vorliege, sondern der Antragsteller sei in der Pflicht, mit einem entsprechenden amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnis die berechtigten Zweifel an der persönlichen Eignung gemäß § 6 WaffG auszuräumen. Weiterhin besitze der Antragsteller auch nicht die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Der Antragsteller räume ein, dass am 10. November 2019 eine Schreckschusswaffe unter Alkoholeinfluss geführt worden sei. Dies bestätige auch der geschilderte Eindruck der Polizei und die gemessene Atemalkoholkonzentration. Zur Bejahung einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG reiche im Übrigen auch schon eine erheblich geringere Atemalkoholkonzentration als 0,8 mg/l oder erheblich geringere Blutalkoholkonzentration als 1,6 Promille im Zusammenhang mit dem Führen einer Schusswaffe aus. Auf das tatsächliche Auftreten von Ausfallerscheinungen komme es nicht an.
18
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem und im Hauptsacheverfahren (M 7 K 21.32), die vorgelegte Behördenakte sowie die beigezogenen Strafakten (471 Js 221507/19; 471 Js 141082/20) Bezug genommen.
II.
19
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
20
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden beziehungsweise von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
21
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung bzgl. der Nr. I.2 des Bescheids vom 17. Dezember 2020 formell rechtmäßig ist und das (teilweise kraft Gesetzes bestehende) öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
22
Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung betreffend die Nr. I. 2 des Bescheids ist formell rechtmäßig. Insbesondere genügt die von der Antragsgegnerin vorgebrachte Begründung - an die keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55 m.w.N.) - formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da es sich dabei um eine auf den konkreten Fall abstellende, nicht lediglich formelhafte schriftliche Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes handelt.
23
Der Antragsteller hat nach Abwägung seines privaten Interesses mit dem öffentlichen Interesse keinen Anspruch auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, da das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis (Nr. I.1) sowie der hierzu ergangenen Folgeanordnung (Nr. I.2) das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt.
24
Nach summarischer Prüfung bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs des Kleinen Waffenscheins. Der Bescheid vom 17. Dezember 2020 dürfte rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, abzustellen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Klage in der Hauptsache kann daher nicht angenommen werden.
25
An der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Zwar bezog sich die Antragsgegnerin in ihren beiden Anhörungsschreiben nur auf die Aufforderung zur Vorlage eines Gutachtens und die Ankündigung, den weiteren Besitz des Kleinen Waffenscheins von der Vorlage eines solchen abhängig zu machen und diesen bei Nichtvorlage zu widerrufen, nicht jedoch auf den Vorwurf der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Das Versäumnis einer fehlerhaften Anhörung dürfte aber durch die Möglichkeit geheilt worden sein, im gerichtlichen Verfahren hierzu Stellung zu nehmen (vgl. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG). Hiervon hat der Antragsteller Gebrauch gemacht und die Antragsgegnerin hat sich mit seinem diesbezüglichen Vorbringen auch auseinandergesetzt. Unabhängig davon wäre ein Verfahrensfehler auch gemäß Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich, weil es sich bei dem Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis infolge einer Unzuverlässigkeit um eine gebundene Entscheidung handelt (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG).
26
Der Bescheid dürfte auch materiell rechtmäßig sein.
27
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend der Kleine Waffenschein nach § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Ein solcher Versagungsgrund liegt vor, wenn die erforderliche persönliche Eignung im Sinne von § 6 WaffG fehlt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 WaffG).
28
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche persönliche Eignung nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, psychisch krank oder debil sind. Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung nach § 6 Abs. 1 WaffG begründen, so hat die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 2 WaffG der betroffenen Person auf Kosten der betroffenen Person die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben. Näheres hierzu ist in der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung geregelt (vgl. § 6 Abs. 4 WaffG). Nach § 4 Abs. 3 AWaffV teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel oder der die Bedenken begründenden Tatsachen hinsichtlich seiner persönlichen Eignung mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und ein Gutachten beizubringen hat. Der Betroffene hat die Behörde darüber zu unterrichten, wen er mit der Untersuchung beauftragt hat. Die Behörde übersendet zur Durchführung der Untersuchung auf Verlangen des Gutachters bei Vorliegen der Einwilligung des Betroffenen die zur Begutachtung erforderlichen ihr vorliegenden Unterlagen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der zuständigen Behörde das von ihr geforderte Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht bei, darf die Behörde bei ihrer Entscheidung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV auf seine Nichteignung schließen, wenn er in der Beibringungsaufforderung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde. Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2016 - 21 CS 16.1247 - juris Rn. 16).
29
Vorliegend dürfte die Antragsgegnerin zurecht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV auf die Nichteignung des Antragstellers geschlossen haben, da die Voraussetzungen für die Anforderung eines Gutachtens erfüllt sein dürften und der Antragsteller trotz entsprechender Aufforderung durch die Antragsgegnerin das angeforderte Gutachten nicht vorgelegt hat.
30
Der der Antragsgegnerin bekannt gewordene Vorfall am 10. November 2019 dürfte in der Gesamtschau eine Tatsache darstellen, die geeignet ist, anlassbezogene Bedenken gegen dessen persönliche Eignung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG zu begründen.
31
Der Antragsteller war am 10. November 2019 unter Alkoholeinfluss in Streit geraten und hat dabei mit seiner mit Reizstoffkartuschen geladenen PTB-Waffe geschossen. Der um 01:40 Uhr durchgeführte freiwillige Atemalkoholtest hat einen Wert von 0,8 mg/l, mithin einen errechneten Blutalkoholwert von 1,6 Promille, ergeben. Von den beteiligten Beamten wurden bei dem Antragsteller Alkoholgeruch und leicht gerötete/glasige Augen, jedoch keine Ausfallerscheinungen festgestellt.
32
Nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung ist davon auszugehen, dass eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hindeutet. Insoweit nennt auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffenrecht (WaffVwV) vom 5. März 2012 als Beispiel für das Bekanntwerden von Tatsachen, die Bedenken gegen die persönliche Eignung im Sinn des § 6 WaffG begründen, die amtliche Feststellung einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille (Nr. 6.3 WaffVwV). Ist eine solch hoher Promillewert amtlich festgestellt, genügt bereits die einmalige und erstmalige Verfehlung, um tatsachenbegründete Zweifel an der persönlichen Eignung zu begründen. Denn nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Alkoholforschung ist - auch bei nur einmaligem/erstmaligem Verstoß - davon auszugehen, dass Personen mit einer derart hohen Blutalkoholkonzentration deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten haben und zur Risikogruppe überdurchschnittlich alkoholgewöhnter Kraftfahrer gehören, die im Straßenverkehr doppelt so oft alkoholauffällig werden wie andere Personen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der ähnlich gelagerten Problematik im Fahrerlaubnisrecht leiden Personen, die Blutalkoholwerte von 1,6 Promille und mehr erreichen, regelmäßig - auch wenn sie Ersttäter sind - an einer dauerhaften, ausgeprägten Alkoholproblematik, sodass die Erlaubnisbehörden in derartigen Fällen Art, Inhalt und Folgen einer möglichen Alkoholabhängigkeit des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers und ihre Auswirkungen auf sein Verhalten im Straßenverkehr mit den erforderlichen und angemessenen Mitteln aufzuklären haben (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 8.11.2012 - 22 L 1486/12 - juris Rn. 15 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 27.9.1995 - 11C 34/94 - juris Rn. 14 m.w.N. und VG Augsburg, B.v. 15.6.2011 - Au 4 S 11.793, Au 4 S 11.795 - juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 15.8.2016 - 21 CS 16.1247 - juris Rn. 20; HessVGH, B.v. 22.11.2016 - 4 B 2306/16 - juris Rn. 13).
33
Die Antragsgegnerin durfte auch von der Richtigkeit der polizeilichen Feststellungen ausgehen. Amtliche Schilderungen und Bewertungen, wie sie vorliegend von der zuständigen Polizeidienststelle abgegeben wurden, dürfen im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden; eine Beurteilung sicherheitsrechtlicher Sachverhalte anhand polizeilicher Feststellungen kann das Ergebnis einer nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Beweiswürdigung sein (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2016 - 22 CS 15.2643 - juris Rn 10 m.w.N.). Dies schließt es zwar nicht aus, dass gegen die polizeiliche Sachverhaltsschilderung und Beurteilung erhobene substantiierte Einwände von der Polizei widerlegt werden müssen oder ggf. der weiteren Klärung durch die Behörde oder das Gericht bedürfen (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2016 - 22 CS 15.2643 - juris Rn 10 m.w.N.). Solche substantiierten Einwände wurden jedoch von dem Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Die vom Antragsteller vorgetragenen erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der Messung des Atemalkoholwerts hat die Antragsgegnerin zum Anlass für eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Einholung einer zusätzlichen Stellungnahme der Polizeiinspektion genommen. In dieser Stellungnahme vom 14. September 2020 wurde der Ablauf der Messung, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, sowie der Eindruck von dem Antragsteller nochmals ausdrücklich bestätigt und mitgeteilt, dass das verwendete Atemalkoholhandmessgerät die Bauartzulassung nach PTB gehabt habe und gültig geeicht gewesen sei. Insbesondere wurde ausdrücklich bestätigt, dass zwischen der vorläufigen Festnahme und der Atemalkoholmessung 31 Minuten vergangen seien, in denen dem Antragsteller die Einnahme von Getränken/Lebensmitteln nicht möglich gewesen sei. Dem ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Aus diesem Grund bestand für die Antragsgegnerin kein Anlass, an der Richtigkeit der polizeilichen Feststellungen und an der Korrektheit der Messung zu zweifeln. Im Übrigen hat der Antragsteller auch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens keine substantiierten Einwände gegen die Richtigkeit der polizeilichen Feststellungen im Zusammenhang mit der Messung des Atemalkoholwerts erhoben.
34
Schließlich bedarf es zur Annahme von Tatsachen, die die erforderliche persönliche Eignung im Sinne des § 6 WaffG verneinen lassen, aufgrund des im Waffenrecht anzulegenden Maßstabs der Gefahrenabwehr vorliegend keiner Feststellung der konkreten Blutalkoholkonzentration des Antragstellers an dem fraglichen Tag (vgl. auch OVG Berlin-Bbg, B.v. 9.6.2021 - OVG 6 S 17/21 - juris Rn. 4). Die gemessene erhebliche Atemalkoholkonzentration deutet mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Alkoholgewöhnung des Antragstellers hin, die den Schluss auf eine bestehende Alkoholproblematik nach summarischer Prüfung rechtfertigen dürfte. Umstände, die annehmen ließen, dass die durchgeführte Atemalkoholkontrolle derart unzuverlässig gewesen sei, dass nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit von einer Alkoholisierung von mindestens 1,6 Promille auszugehen sei, wurden, wie ausgeführt, nicht dargelegt.
35
Hervorzuheben ist, dass es insbesondere auch unschädlich sein dürfte, dass eine Aussage über eine bestehende Alkoholabhängigkeit des Antragstellers aus dem bekannt gewordenen Vorfall am 10. November 2019 nicht mit Sicherheit getroffen werden kann. Denn es ist gerade nicht erforderlich, dass eine fehlende persönliche Eignung bereits sicher feststeht. Vielmehr genügen insoweit bereits - wie hier gegebene - tatsachenbegründete Zweifel an der bestehenden Eignung (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2019 - 21 CS 18.2168 - juris Rn. 13). Die Antragsgegnerin hat entsprechend den Widerruf des Kleinen Waffenscheins rechtlich auch nicht auf eine feststehende Alkoholabhängigkeit des Antragstellers gestützt, sondern darauf, dass der Vorfall Hinweis auf das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit sein könne und der Antragsteller das wegen begründeter Bedenken gegen seine persönliche Eignung zu recht angeforderte Gutachten nicht vorgelegt hat.
36
Ferner dürfte es der Annahme von Tatsachen, die geeignet sind, anlassbezogene Bedenken gegen die persönliche Eignung des Antragstellers im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG zu begründen, nicht entgegenstehen, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung des Antragstellers gekommen ist, sondern eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgt ist bzw. von einer Strafverfolgung nach § 31a Abs. 1 BtMG abgesehen wurde. Eine Bindung der Behörde an eine Einstellung des Strafverfahrens aus bestimmen Gründen sieht das Gesetz nicht vor (vgl. VG Ansbach, U.v. 12.12.2007 - AN 15 K 07.03004, AN 15 K 07.03005 - juris Rn. 26 m.w.N.). Ebenso können Delikte in die anzustellende Gefahrenprognose einbezogen werden, auch wenn diese nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt bzw. auf den Privatklageweg verwiesen wurden (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2021 - 24 ZB 20.3095 - juris Rn. 11).
37
Da die Antragsgegnerin vorliegend ihre Bedenken hinsichtlich einer möglicherweise bestehenden Alkoholabhängigkeit des Antragstellers zurecht auf den Vorfall am 10. November 2020 gestützt hat, kann vorliegend dahinstehen, ob sich aus dem Vorfall zudem auch begründete Bedenken hinsichtlich einer möglicherweise bestehenden Drogenabhängigkeit ergeben konnten. Darauf, ob es sich tatsächlich um einen Marihuana-Joint gehandelt hat, kommt es daher nicht mehr an.
38
Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller mit Schreiben vom 10. Juli 2020 auf die beabsichtigten Maßnahmen sowie auf die Folgen einer Nichtvorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die körperliche und geistige Eignung aufmerksam gemacht und ihm eine Äußerungsfrist von vier Wochen eingeräumt. Mit Schreiben vom 21. September 2020 wurde dem Bevollmächtigten mitgeteilt, dass auch nach Berücksichtigung seiner Stellungnahme weiterhin Bedenken an der persönlichen Eignung des Antragstellers bestünden und ausdrücklich auf die in dem Schreiben vom 10. Juli 2020 getätigten Ausführungen und Rechtsfolgen verwiesen sowie eine weitere Frist zur Äußerung bzw. zur Nennung eines zeitnahen Untersuchungstermins für das Zeugnis bis zum 31. Oktober 2020 gesetzt.
39
Die nicht fristgerechte Vorlage des Gutachtens hat der Antragsteller auch im Sinne des § 6 Abs. 4 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV zu vertreten. Gründe dafür, dass ihm die nicht erfolgte Vorlage des Gutachtens nicht vorzuwerfen wäre, bestehen nicht. Vielmehr hat der Antragsteller das Gutachten trotz Fristverlängerung weder vorgelegt noch erklärt, dass er eine solche Vorlage beabsichtige noch einen Untersuchungstermin mitgeteilt. Vielmehr hat er in seiner Stellungnahme vom 31. Juli 2020 dargetan, dass nach seiner Auffassung die Voraussetzungen für das Verlangen eines Gutachtens nicht vorliegen und sich auf die weitere Fristsetzung hin nicht mehr geäußert. Die Antragsgegnerin hat nach Fristablauf noch rund sechs Wochen zugewartet, bevor sie den Widerrufsbescheid erlassen hat. Weiter dürfte die behördliche Anordnung der Gutachtenbeibringung auch vor dem Hintergrund der erheblichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit, die von einer Waffe in ungeeigneten Händen ausgehen können, verhältnismäßig sein. Sie dient damit sowohl dem Schutz unbeteiligter Dritter, als auch dem Schutz des Antragstellers selbst.
40
Da der Antragsteller auf die Folgen der nicht fristgerechten Vorlage hingewiesen worden war, dürfte die Antragsgegnerin bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids zurecht auf seine Nichteignung zum Umgang mit Waffen geschlossen haben (§ 6 Abs. 4 WaffG i. V. m. § 4 Abs. 6 AWaffV) und den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis als zwingende gesetzliche Folge auszusprechen gehabt haben (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG).
41
Darüber hinaus dürfte die Antragsgegnerin den Widerruf des Kleinen Waffenscheins zudem hilfsweise zurecht auch auf § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG gestützt haben.
42
Hierbei sperrt die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG die Anwendung von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG nicht. Der Gesetzgeber hat durch § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG die Möglichkeit eröffnet, ereignisunabhängig eine waffenrechtliche Erlaubnis zu versagen bzw. zu widerrufen. Hiermit sollte nicht indirekt die Reichweite der ereignisabhängigen Unzuverlässigkeitstatbestände des § 5 WaffG eingegrenzt werden (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 - 6 C 30/13 - juris Rn. 25).
43
Nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren.
44
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 - 21 ZB 14.1512 - juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 - 21 CS 13.1969 - juris Rn. 14).
45
Nach diesen Maßstäben dürften eine Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG begründende Tatsachen hier vorgelegen haben.
46
Bei dem Antragsteller wurde über eine halbe Stunde nach dem anlassgebenden Vorfall ein Atemalkoholwert von 0,8 mg/ und damit eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille festgestellt. Der Umstand, dass der Antragsteller in diesem alkoholisierten Zustand trotz des Risikos eine mit Reizstoffkartuschen geladene PTB-Waffe geführt und diese auch - wie er selbst eingeräumt hat - gegen einen Menschen eingesetzt hat, dürfte die Prognose rechtfertigen, dass er auch künftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig und sachgemäß umgehen wird.
47
Vorsichtig und sachgemäß geht mit Schusswaffen nur um, wer sie in nüchternem Zustand gebraucht und so sicher sein kann, keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu erleiden, die zu Gefährdungen Dritter führen können. Bei der vom Antragsteller konsumierten Alkoholmenge, die zu einem Atemalkoholwert von 0,8 mg/l bzw. einer berechneten Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille geführt hat, waren solche Ausfallerscheinungen nicht hinreichend sicher ausgeschlossen. Diese war vielmehr geeignet, seine Reaktionsgeschwindigkeit sowie seine Wahrnehmungsfähigkeit zu mindern und enthemmend zu wirken. Der Antragsteller ist hiermit das Risiko eingegangen, Dritte zu schädigen. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang beim Antragsteller alkoholbedingte Ausfallerscheinungen tatsächlich eingetreten sind, ist unerheblich. Unvorsichtig und unsachgemäß ist der Gebrauch von Schusswaffen bereits dann, wenn der Betroffene hierbei das Risiko solcher Ausfallerscheinungen eingeht. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit setzt die Fähigkeit und die Bereitschaft voraus, Risiken mit dem Potential der Schädigung Dritter strikt zu vermeiden. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG fordert insoweit eine typisierende Betrachtung. Es kommt nicht auf den individuellen Risikograd an, wie er sich unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen in seiner Person tatsächlich verwirklicht hat. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der in Rede stehende Umgang mit Waffen oder Munition typischerweise bei Menschen als riskant einzustufen ist. Dies ist hier zu bejahen. Der Konsum von Alkohol führt typischerweise zur Minderung von Reaktionsgeschwindigkeit und Wahrnehmungsfähigkeit sowie zu Enthemmungen, d.h. zu Ausfallerscheinungen, die beim Schusswaffengebrauch die Gefahr der Schädigung Dritter hervorrufen. Unerheblich ist demzufolge erst recht, ob ein weiteres Fehlverhalten zum Konsum von Alkohol hinzugetreten ist. Der Schusswaffengebrauch unter Alkoholeinfluss stellt ein Fehlverhalten dar, welches bereits für sich genommen die Annahme der Unzuverlässigkeit begründet (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 - 6 C 30/13 - juris Rn. 18 f.).
48
Aus diesem Grund kommt es für die Frage der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit auch weder entscheidungserheblich darauf an, ob die Verletzungen des Herrn S. … von der vom Antragsteller verschossenen Reizstoffpatrone oder dem von Herrn H. eingesetzten Tierabwehrspray stammten noch darauf, ob der Antragsteller die Schreckschusswaffe letztlich in einer Notwehrsituation gebraucht hat.
49
Schließlich dürften auch gegen die mit dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis verbundene notwendige Anordnung in Nr. I.2 (Verpflichtung zur Rückgabe des Kleinen Waffenscheins) keine rechtlichen Bedenken bestehen. Die Folgeentscheidung dient der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis und stellt die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe der Erlaubnisurkunde sicher. Soweit der Antragsgegnerin dabei Ermessen eingeräumt ist, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich (vgl. zum diesbezüglichen Prüfungsumfang des Gerichts § 114 Satz 1 VwGO). Insbesondere erscheint die eingeräumte Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids für die Rückgabe bzw. Einsendung der Erlaubnisurkunde als angemessen.
50
Ebenfalls bestehen an der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung (Nr. I.4) keine rechtlichen Bedenken.
51
Im Übrigen würde selbst bei offenen Erfolgsaussichten der Klage bei einer reinen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Verfügungen das Interesse des Antragstellers überwiegen.
52
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nrn. 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte - neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 - juris Rn. 21 f.).
53
Im Hinblick auf Nr. I.1 des Bescheids (Widerruf des Kleinen Waffenscheins) intendiert die gesetzliche Wertung des § 45 Abs. 5 WaffG bereits ein überwiegendes Vollzugsinteresse. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges legitimes Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-)Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2018 - 21 CS 17.2459 - juris Rn. 29 unter Verweis auf BT-Drs. 16/7717, S. 33). Dies kommt hier aber nicht in Betracht. Der Antragsteller hat bezüglich des Widerrufs des Kleinen Waffenscheins keine durchgreifenden Gründe vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Der im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Widerruf dient dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen sowie Munition und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das private Interesse des Antragstellers zurückzustehen, zumal insoweit ohnehin kein besonderes, einen vergleichbaren Fall übersteigendes Interesse vorgetragen wurde.
54
Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) besteht aus Gründen der Gefahrenabwehr regelmäßig auch für die mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendige Anordnung in Nr. I.2 des Bescheids. Denn diese Folgeentscheidung stellt sicher, dass der kraft Gesetzes (§ 45 Abs. 5 WaffG) sofort vollziehbare Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis (vgl. insoweit BayVGH, B.v. 4.3.2016 - 21 CS 15.2718 - juris Rn. 17) tatsächlich umgesetzt wird.
55
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG - i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach ist für den Widerruf eines Kleinen Waffenscheins der Auffangwert von 5.000,- Euro anzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 - 21 CS 17.1519 - juris Rn. 25), der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wird.