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VG München, Urteil v. 04.05.2022 – M 9 K 19.1332
Titel:

Einfriedungssatzung, Festsetzung Höhe und Gestaltung, Ablehnung Abweichung

Schlagworte:
Einfriedungssatzung, Festsetzung Höhe und Gestaltung, Ablehnung Abweichung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 24381

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihres Antrags, in ihrem Vorgartenbereich in Abweichung von der gemeindlichen Einfriedungssatzung einen Bretterzaun errichten zu dürfen.
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Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 156/ … (...) das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Das Grundstück der Kläger liegt in der K.-Straße am Ende einer T-Kreuzung mit der A.- Straße, in der in einer Entfernung von etwa 80 m der Eingang einer Schule befindet.
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Bei einer Baukontrolle im Oktober/November 2016 wurde festgestellt, dass die Kläger im Vorgartenbereich einen neuen Zaun als Einfriedung errichtet haben, der inklusive Sockel 1,80 m hoch ist und aus zwei hintereinanderliegenden, engstehenden Bretterreihen besteht. Im Rahmen der Anhörung teilten die Kläger der Gemeinde am 22. August 2018 mit, dass es sich hier um den Ersatz für einen alten Zaun handele. Der Sockel habe bereits 1994 beim Kauf des Hauses bestanden. Maßgeblich sei die Höhe ab Sockel und der Umstand, dass ihr Grundstück 30 cm höher läge als der Straßengrund und die Nachbargrundstücke. Der Zaun sei wegen der Kreuzungssituation und dem Verkehrslärm erforderlich. Ein Abweichungsantrag wurde bei der Gemeinde gestellt.
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Mit Beschluss vom 11. Dezember 2018 lehnte die Gemeinde den Abweichungsantrag von der gemeindlichen Gestaltungssatzung ab, da hier keine Härte erkennbar sei, die eine Abweichung rechtfertige.
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Mit Bescheid vom 21. Februar 2019 wurde der Antrag auf Abweichung mit der Formulierung, dass dem Antrag nicht zugestimmt werde, abgelehnt. Es fehle an einer Atypik, die nach Art. 63 Abs. 1 BayBO eine Abweichung rechtfertige. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 12. März 2019 erhob der Bevollmächtigte der Kläger Klage und beantragte,
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Aufhebung des Bescheides vom 21. Februar 2019 und 
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Verpflichtung, den Antrag auf Abweichung von der Einfriedungssatzung zur Errichtung einer geschlossenen, 1,80 m hohen
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Einfriedung für das Grundstück zu genehmigen.
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Hilfsweise:
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Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag neu zu entscheiden.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Grundstück der Kläger bereits seit dem Hausbau im Jahre 1988 ca. 30 cm höher als die Grundstücke der Umgebung sei. Die Lage an der T-Kreuzung 80 m vom Eingang der Schule entfernt erfordere einen Sichtschutz. Der Zaun sei ein Ersatz für den früheren Zaun und vom Grundstück aus gesehen auf 1,50 m erhöht worden mit 9 cm breiten Latten. Die Satzung der Gemeinde sei rechtswidrig, da die Regelung über das Verhältnis „offen- „geschlossen: 4:1“ in § 2 S.2 unbestimmt sei. Es bestehe wegen einer Ermessensreduzierung auf Null ein Anspruch auf Abweichung wegen der vorhandenen Atypik (Art. 63 Abs. 1 BayBO). Durch die senkrecht zulaufende A.-Straße gäbe es Lichtimmissionen im Wohn- und im Kinderzimmer, nachdem die alte Hecke durch eine naturnahe Hecke ersetzt worden sei. Tatsächlich sei der Zaun nur 1,50 m hoch, da das Grundstück 30 cm über dem öffentlichen Verkehrsgrund läge. Es gebe eine erhebliche Belastung durch den Bring- und Holverkehr der Schule.
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Die Bevollmächtigten der Beklagten beantragten,
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Klageabweisung.
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Eine Atypik liege nicht vor und die Satzungsregelungen seien nicht unbestimmt. Hier bestehe eine ortsübliche Situation des Straßenverkehrs, der eine Vielzahl von Grundstücken mit Wohnhäusern im Gemeindegebiet vergleichbar ausgesetzt sei. Die Kläger seien keine Anlieger der Schule und der Bring- und Holverkehr finde nicht an ihrer Grundstücksgrenze statt. Der Eingang zur Schule sei etwa 80 m entfernt und in einer anderen Straße. Der Bezugspunkt für die Höhe von Einfriedungen sei nach der Satzung der Straßengrund; da der Satzungsgeber dafür eine Regelung getroffen habe, bestünde auch insoweit keine Atypik.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
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Der Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten (§ 113 VwGO). Die Einfriedung der Kläger verstößt gegen die Einfriedungssatzung (1.). Gegen die Regelungen der Einfriedungssatzung vom 1. Mai 2014 in der Fassung der ersten Änderung vom 1. Mai 2019 bestehen keine rechtlichen Bedenken (2.). Eine Atypik, verbunden mit einer Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor (3.).
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1. Nach der Satzung über Art, Gestaltung und Höhe von Einfriedungen (Einfriedungssatzung) vom 8. April 2014, erste Änderung in Kraft seit dem 1. Mai 2019, sind gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Einfriedungen entlang öffentlicher Straßen, Wege und Plätze sowie seitliche Einfriedungen der Vorgärten offen herzustellen. Nach Abs. 2 Satz 2 gilt eine Einfriedung als offen, deren Geschlossen-Offen-Verhältnis in der Ansichtsfläche nicht größer als 4:1 ist. Abs. 2 Satz 3 bestimmt, dass unter anderem geschlossene Bretterwände, Sichtschutzzäune und ähnliches nicht zulässig sind. In § 2 Abs. 4 ist angeordnet, dass die Gesamthöhe von Einfriedungen 1,50 m nicht überschreiten darf. Bezugspunkt für die Ermittlung der Einfriedungshöhe entlang der Grundstücksgrenzen zu öffentlichen Verkehrsflächen ist die direkt anliegende Geländeoberfläche des öffentlichen Gehwegs, falls nicht vorhanden, der Bankettstreifen oder der öffentlich wirkende Raum.
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Die Kläger haben diese Satzungsvorgaben unstrittig nicht eingehalten. Ausgehend vom Bezugspunkt der öffentlichen Verkehrsfläche ist ihr Zaun inklusive Sockel 1,80 m - 1,90 m hoch. Es handelt sich um einen Zaun mit engstehenden Brettern, hinter dem auf dem Grundstück der Kläger ein weiterer enganliegender Bretterzaun steht. Der Bretterzaun die Höhenvorgabe der Einfriedungssatzung von 1,50 m ab Straßengrund nicht ein, § 2 Abs. 4 Satz 1. Maßgeblich ist nach der eindeutigen und klaren Bestimmung der Einfriedungssatzung für die Festsetzung der Höhe der Straßengrund und nicht das Vorhabensgrundstück. Insoweit entspricht die Zaunhöhe ebenfalls nicht der Einfriedungssatzung. Losgelöst davon sind nach dem Ergebnis des Augenscheins in der Umgebung rechts und links des Grundstücks der Kläger und auf der gegenüberliegenden Straßenseite alle Einfriedungen niedriger, unabhängig davon, ob es sich um Altbestand oder um Einfriedungen handelt, für die bereits die Einfriedungssatzung gilt. Eine Ausnahme davon bildet lediglich der Maschendrahtzaun um das Schulgelände. Nach dem Ergebnis des Augenscheins handelt es sich zweifelsfrei auch nicht ansatzweise um eine offene Einfriedung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 der Einfriedungssatzung. Die einzelnen Bretter sind etwa 9 cm breit, der Abstand zwischen ihnen beträgt ca. 1 cm und dahinter wurde eine weitere Bretterverschalung errichtet.
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2. Soweit der Bevollmächtigte der Kläger vorträgt, dass die „4:1-Bestimmung“ in § 2 Abs. 2 Satz 2 nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz genüge, ist dies unerheblich. Zum einen handelt es sich dabei lediglich um eine klarstellende Erläuterung der Abstände zwischen den Zaunelementen, damit dieser noch als offene Einfriedung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 gilt. Zum anderen ist hier zweifelsfrei nicht annähernd eine offene Gestaltung iSd. § 2 Abs. 2 Satz 1 getroffen worden, da die einzelnen Bretter etwa 9 cm breit sind und der Abstand dazwischen geschätzt lediglich die Größenordnung von 1 cm hat und zusätzlich dahinter eine weitere Bretterverschalung errichtet wurde. Deshalb besteht unabhängig von den Abständen der 4:1 Regelung und deren Wirksamkeit eine geschlossene Wand, die unter keinem Gesichtspunkt die Voraussetzungen für eine offene Einfriedung erfüllt.
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Sonstige rechtliche Bedenken gegen die Regelungen der Einfriedungssatzung bestehen keine. Die Regelung der Höhe ist ebenso wie die Regelung, dass Einfriedungen offen herzustellen sind aus sich heraus klar und unmissverständlich. Es ist bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ersichtlich, dass eine Bretterwand keine offene Einfriedung darstellt und der Begriff „offen“ ist bereits aus sich heraus nach dem Wortlaut unmissverständlich. Die in § 2 Abs. 2 Satz 2 der Einfriedungssatzung vorgenommene Erläuterung ist bereits aufgrund ihrer Stellung als Satz 2 vor dem Hintergrund des Satzes 1 zu lesen und ist insoweit eine Auslegungshilfe im Interesse der Rechtsklarheit für Zäune und ihre typischen Zaunelemente. Da nach § 2 Abs. 2 Satz 3 geschlossene Bretterwände, Betonwände, Mauern, Gabionen, Sichtschutzzäune und ähnliches sowie verkleidete und bespannte offene Einfriedungen ausgeschlossen sind, geht die Annahme der Klägerseite fehl, dass das Verhältnis „4:1“ auch eine Wand aus Brettern mit Latten in unbestimmter Breite betrifft. Es entspricht der Rechtslage und ständiger Rechtsprechung, dass die Festsetzung von Einfriedungshöhen durch eine Einfriedungssatzung rechtlich zulässig ist und dass eine Bezugnahme für die Höhenfestsetzung auf den Straßengrund technischem Standard entspricht.
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3. Eine Atypik, aufgrund derer nach Art. 63 Abs. 1 BayBO ein Anspruch auf Abweichung von der Einfriedungssatzung nach den Grundsätzen über eine Ermessensreduzierung auf Null besteht, ist hier auch im Übrigen nicht erkennbar. Die Situation der Kläger entspricht dem ihrer Nachbarn. Der Eingangsbereich zur Schule befindet sich in einer anderen Straße. Die Situation der Lage gegenüber einer auf ihr Grundstück zuführenden Straße besteht seit dem Bau und ist in einem typischen innerstädtischen Bereich - wie hier - kein Einzelfall, der wegen einer bei Erlass der Satzung nicht berücksichtigten Grundstückssituation eine Abweichung rechtfertigt. Auf die rechtliche Einordnung, ob und inwieweit Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1 BayBO der geltenden Fassung ebenso wie nach der früheren Rechtslage eine Atypik voraussetzen, kommt es wegen dem hier vorliegenden Normalfall ebenfalls nicht an. Die Situation der Kläger ist typisch für Wohnhäuser innerorts. Sie haben nach eigenen Angaben die nach der Einfriedungssatzung zulässige und mögliche Hecke entfernt, die bisher offenbar als Sicht- und Lichtschutz diente. Sie sind auch im Übrigen auf Selbsthilfe zu verweisen. Es ist ohne weiteres möglich, die Lichter von Fahrzeugen - zum Beispiel durch Vorhänge - aus Schlafräumen auszuschließen. Die allgemeine Verkehrssituation war nach dem Ergebnis des Augenscheins nicht ungewöhnlich für eine vergleichbare innerörtliche Lage in Wohnumgebung. Der LKW-Verkehr war Baustellenverkehr. Bezugsfälle in der Umgebung für Einfriedungen mit vergleichbarer Höhe gibt es - mit Ausnahme des Maschendrahtzauns um das Schulgelände herum - keine. Der Bretterzaun auf dem Nachbargrundstück war nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung der Gemeinde bis dahin unbekannt und sie hat dazu erklärt, dass eine Überprüfung stattfinde
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Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung nochmals ihre Erwägungen ergänzt und dargelegt, warum im an einer anderen Stelle im Bereich des Bahnhofs im Zusammenhang mit einer Änderung der Straße wegen der damit verbundenen, für eine Vielzahl von Menschen einsehbaren Grundstückssituation eine Abweichung erteilt wurde und dies im Falle der Kläger und ihrer Nachbarschaft nicht in Betracht kommt.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.