Titel:
Nutzungsuntersagung, Störerauswahl, Gleichzeitige Inanspruchnahme von Mieter und Eigentümer
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1
BayBO Art. 76 S. 2
VwZVG Art. 36
Schlagworte:
Nutzungsuntersagung, Störerauswahl, Gleichzeitige Inanspruchnahme von Mieter und Eigentümer
Fundstelle:
BeckRS 2022, 24379
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. April 2022 wird hinsichtlich Ziff. 1 insoweit wiederhergestellt als sich die Nutzungsuntersagung auf die Grundstücke Fl.Nr. … und … Gemarkung … bezieht. Hinsichtlich Ziff. 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 13. April 2022 wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Streitwert wird auf 150.000.- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagung der Antragsgegnerin für eine gewerbliche Nutzung von Lagerflächen.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke Fl.Nr. …, …, …, … und … Gemarkung … Diese wurden ehemals als Kieswerk und zum Abbau von Kies genutzt. Teil des ehemaligen Kiesabbaugeländes waren daneben auch die Grundstücke Fl.Nr. … und … Gemarkung …, die im Eigentum der Antragsgegnerin stehen und nach Angaben der Antragstellerin von ihr früher von der Antragsgegnerin angemietet worden waren. Mittlerweile bestünden jedoch keine vertraglichen Beziehungen mit der Antragsgegnerin über die Nutzung der Grundstücke Fl.Nr. … und … mehr.
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Im Rahmen einer Ortseinsicht der Antragsgegnerin am 20. September 2021 wurde festgestellt, dass das ehemalige Abbaugelände von mindestens fünf Gewerbebetrieben als Lager für Baumaterialien, Aushubmaterialien usw. genutzt wird. Mit Schreiben vom 9. November 2021 wandte sich die Antragsgegnerin daraufhin an die Antragstellerin und teilte mit, dass die festgestellte Nutzung der Grundstücke baurechtlich unzulässig sei. Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die Nutzung freiwillig aufzugeben sowie die Namen und Adressen sämtlicher Nutzer mitzuteilen. Mit Schreiben vom 10. Januar 2022 teilte der Bevollmächtigte der Antragstellerin daraufhin mit, dass die Nennung der Nutzer aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sei. Eine erneute Aufforderung der Antragsgegnerin, die Nutzer bis spätestens 25. Februar 2022 zu nennen, da ansonsten eine Nutzungsuntersagung gegenüber der Antragstellerin ausgesprochen werde, beantwortete der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 23. Februar 2022 dahingehend, dass die rechtlichen Voraussetzungen für ein Auskunftsverlangen nicht bestünden.
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Bei einer erneuten Ortseinsicht am 16. Februar 2022 stellte die Antragsgegnerin fest, dass das Gelände weiterhin durch verschiedene Baufirmen zur Lagerung von Gegenständen und Erden/Kies genutzt wird. Im Rahmen dieser Baukontrolle wurde zudem festgestellt, dass es sich bei den Nutzern um verschiedene Firmen handelt, die jeweils bestimmte Bereiche des Geländes unabhängig von den Flurstücksgrenzen für sich nutzen. Im Bereich der Fl.Nr. …, … und … wurden Lagernutzungen festgestellt, die keinem Nutzer zuzuordnen waren. Die Antragsgegnerin erließ daraufhin gegenüber sämtlichen namentlich bekannten Nutzern eine Nutzungsuntersagung (Bescheide vom 14. April 2022 und 19. April 2022).
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13. April 2022 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, die Nutzung der Grundstücke Fl.Nr. …, …, …, …, …, … und … Gemarkung … zu gewerblichen Zwecken (Lagerplatz, Abstellplatz oder sonstige ähnliche Nutzung) unverzüglich, spätestens innerhalb von 4 Monaten nach Zustellung des Bescheids zu unterlassen (Ziff. 1 Bescheids). In Ziff. 2 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung von Ziff.1 angeordnet. Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in Ziff. 1 genannten Verpflichtung wurde in Ziff. 3 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000 EUR angedroht.
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In den Gründen des Bescheids führte die Antragsgegnerin aus, es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin die Flächen Fl.Nr. … und … ohne die erforderliche Zustimmung der... vermiete. Dies sei dem Bevollmächtigten der Antragstellerin mitgeteilt worden, er habe sich hierzu nicht geäußert. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass die Nutzungsuntersagung die Pflicht enthalte, die untersagte Nutzung nicht fortzuführen oder durch Dritte fortzuführen zu lassen. Die derzeitige gewerbliche Nutzung der Grundstücke erfolge ohne Baugenehmigung und sei deshalb formell rechtswidrig, eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit bestehe nicht, da die Nutzungen bauplanungsrechtlich im Außenbereich unzulässig seien. Zwar sei die Nutzungsuntersagung grundsätzlich an die jeweiligen Mieter/Pächter der Flächen zu richten, da diese Handlungsstörer seien. Nachdem die Antragstellerin keine Namen und Adressen der jeweiligen Mieter mitgeteilt habe und auch die Vorlage von Mietverträgen nach nochmaliger Aufforderung unterblieben sei, sei die Überwachung der tatsächlichen Nutzerzahl nicht möglich bzw. verwaltungstechnisch unverhältnismäßig schwer durchzuführen. Deshalb sei die Grundstückseigentümerin zusätzlich in Anspruch zu nehmen. Dies sei bei der Störerauswahl berücksichtigt worden. Die Antragstellerin sei als Zustandsstörer der richtige Adressat. In Bezug auf die städtischen Flächen sei sie Handlungsstörer.
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Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2022, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag, hat die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid Antragsgegnerin vom 13. April 2022 erhoben (M 8 K 22.2602). Über die Klage wurde bisher nicht entschieden.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 12. Mai 2022 beantragt die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren:
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1. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 13. April 2022 wird wiederhergestellt.
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2. Hilfsantrag zu 1.: Die sofortige Vollziehung der Nutzungsuntersagungsverfügung wird aufgehoben.
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Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, dass die Grundstücke an verschiedene Mieter als Freifläche vermietet worden seien, ein Mietzweck sei nicht vereinbart worden. Die Verantwortung, öffentlich-rechtlich zulässige Nutzungen auszuüben, liege beim jeweiligen Mieter. Die Antragstellerin habe mittlerweile einen Antrag auf Nutzungsänderung zu Lagerflächen bei der Antragsgegnerin gestellt, über den bisher nicht entschieden worden sei. Die Nutzungsuntersagung sei insbesondere deshalb rechtswidrig, da sich die Antragsgegnerin an den falschen Adressaten gewendet habe. Nach der Rechtsprechung müsse sich die Behörde direkt an die Mieter wenden. Die Antragstellerin könne nur langwierige zivilrechtliche Verfahren anstrengen, während der Antragsgegnerin unmittelbar Zwangsmittel zur Durchsetzung der Nutzungsuntersagung gegenüber den Mietern zur Verfügung stünden. Hinsichtlich der Flächen, die im Eigentum der Antragsgegnerin stehen, sei die Antragstellerin keine Handlungsstörerin. Auch in Bezug auf diese Flächen stünden der Antragstellerin aufgrund mietvertraglicher Bindungen nur zivilrechtliche Mittel zur Beendigung der Nutzung zur Verfügung. Ein Ausnahmefall, der die direkte Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers rechtfertigen würde, liege nicht vor. Die Antragsgegnerin könne die Antragstellerin nicht deshalb in Anspruch nehmen, da ihr die Mieter nicht mitgeteilt worden seien. Zum einen seien die Mieter jedenfalls teilweise bekannt, zum anderen habe die Antragsgegnerin keine bußgeldbewehrte Verfügung gegenüber der Antragstellerin erlassen, die diese zur Mitteilung der Mieter verpflichtet hätte. Dies wäre ein milderes Mittel gewesen. Die Zwangsgeldandrohung in Ziff. 3 des Bescheids sei rechtswidrig, da die Höhe des Zwangsgeldes unverhältnismäßig sei und kein einheitliches Zwangsgeld für die gesamten Flurstücke angedroht werden könne. Zudem könne die Antragstellerin der Verpflichtung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommen, da gegenüber den Mietern keine Duldungsverfügungen erlassen worden seien.
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Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2022 beantragt die Antragsgegnerin,
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den Antrag abzulehnen.
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Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten sowie die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren M 8 K 22.2602 Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag ist insoweit begründet, als sich die Nutzungsuntersagung auf die im Eigentum der... stehenden Grundstücke bezieht. Ebenso begründet ist der Antrag hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Ziff. 3 des Bescheids. Im Übrigen ist er unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde oder gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO kraft Gesetzes entfällt, wiederherstellen bzw. anordnen, wenn das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Im Rahmen einer Entscheidung über einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO trifft das Gericht ausschließlich eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen (vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022 § 80 Rn. 88). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Hoppe, a.a.O., § 80 Rn. 85 ff.). Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Antragstellers aus, erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt also nach summarischer Prüfung gegenüber dem Antragsteller als rechtswidrig, besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Hat dagegen die Anfechtungsklage mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 - 14 CS 11.535 - juris Rn. 18). Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011, a.a.O.).
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Bei der nach diesen Vorgaben vorzunehmenden Prognose der Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache ergibt sich, dass die Nutzungsuntersagung hinsichtlich der im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücke voraussichtlich keinen Erfolg haben wird (1.). Soweit sich die Nutzungsuntersagung auf die Grundstücke im Eigentum der Antragsgegnerin bezieht, erweist sie sich nach summarischer Prüfung als rechtswidrig und wird im Hauptsacheverfahren voraussichtlich aufzuheben sein (2.). Dementsprechend kann auch die für die Nutzungsuntersagung insgesamt ausgesprochene Zwangsgeldandrohung in Ziff. 3 des Bescheids keinen Bestand haben (3.).
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1. Die auf die im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücke Fl.Nr. …, …, …, … und … Gemarkung … bezogene Nutzungsuntersagung kann sich in nicht zu beanstandender Weise auf Art. 76 Satz 2 BayBO stützen.
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Gem. Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung von Anlagen untersagen, wenn sie öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Die Nutzungsuntersagung ist damit tatbestandlich bereits möglich, wenn die Nutzung formell illegal ausgeübt wird. Sie verfolgt das Ziel, den Bauherrn auf das Baugenehmigungsverfahren zu verweisen, sodass eine Prüfung der materiellen Illegalität nicht erfolgen muss. Dieser Grundsatz ist nur insoweit einzuschränken, als es regelmäßig unverhältnismäßig ist, eine offensichtlich genehmigungsfähige Nutzung zu untersagen (BayVGH, B.v. 29.5.2015 - 9 ZB 14.2580 - juris Rn. 10; B.v. 23.5.2014 - 9 CS 14.451 - juris Rn. 12; B.v. 19.5.2016 - 15 CS 16. 300 - juris Rn. 21).
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1.1 Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid untersagte Nutzung der Grundstücke der Antragstellerin als gewerblicher Lager- und Abstellplatz ist formell baurechtswidrig. Die untersagte Lagerplatznutzung ist nach Art. 2 Abs. 1 Satz 3 BayBO eine bauliche Anlage, die nach Art. 55 Abs. 1 BayBO einer Baugenehmigung bedarf. Eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 15 BayBO liegt offensichtlich nicht vor. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Nutzungsuntersagung sind somit gegeben, da die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften insoweit widerspricht, als trotz der Baugenehmigungsbedürftigkeit keine Baugenehmigung vorliegt.
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Die Antragsgegnerin hat auch das ihr durch Art. 76 Satz 2 BayBO eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vor‚ muss im Regelfall nicht näher begründet werden‚ weshalb von der Eingriffsbefugnis Gebrauch gemacht wird (sog. intendiertes Ermessen; vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2016 - 15 CS 16.300 - juris Rn. 37 m.w.N.; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: Januar 2022, Art. 76 Rn. 301 m.w.N.). Die gleichwohl von der Antragsgegnerin in den Bescheidsgründen dargelegten Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden.
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Dabei ist sie insbesondere zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Nutzung als gewerblicher Lagerplatz nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist. Vielmehr ist diese als Außenbereichsvorhaben bauplanungsrechtlich offenbar unzulässig. Unabhängig davon, ob dem Vorhaben der Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB entgegengehalten werden kann, stellt die Lagerung von Materialien für gewerbliche Zwecke zweifellos eine Beeinträchtigung von in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB genannten Belangen dar. Insbesondere widerspricht die Nutzung der natürlichen Eigenart der Landschaft und verunstaltet das Landschaftsbild im Sinne der genannten Vorschrift. Schon die Beeinträchtigung eines der in § 35 Abs. 3 BauGB genannten Belange reicht für die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens aus (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1999 - 4 B 85.99 - BauR 2000, 1171; BayVGH, B.v. 30.01.2020 - 1 ZB 18.935 - juris Rn. 6).
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1.2 Die Nutzungsuntersagung hinsichtlich der im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücke richtet sich auch gegen den richtigen Adressaten.
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Bei der Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO hat die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßen Ermessen über die Inanspruchnahme eines Störers zu entscheiden, sofern mehrere Störer als Adressat in Betracht kommen (vgl. etwa BayVGH, B. v. 28.7.2014 - 2 CS 14.1326 - juris Rn. 4.). Hiervon ist die Antragsgegnerin ausgegangen und hat ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie die Antragstellerin als Grundstückseigentümerin und Vermieterin der Grundstücke Fl.Nr. …, …, …, … und … aufgrund ihrer Verantwortlichkeit als Zustandsstörerin in Anspruch genommen hat. Diese Ermessensausübung ist nicht zu beanstanden.
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Der Erlass einer Nutzungsuntersagung ist eine Form des sicherheitsrechtlichen Eingreifens zur Gefahrenabwehr. Dementsprechend muss sich die Störerauswahl wie im gesamten Sicherheitsrecht maßgeblich am Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr orientieren (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2021 - 9 ZB 19.50 - juris Rn. 26; OVG NRW, B.v. 27.5.2021 - 2 B 1867/20 - juris Rn. 15). Die Effektivität der Gefahrenabwehr und damit die Wirksamkeit der Maßnahme gebietet hier eine Inanspruchnahme der Antragstellerin. Ein Regelfall, in dem der Mieter (ausschließlich) vor dem Eigentümer in Anspruch zu nehmen ist, liegt hier nicht vor (vgl. allgemein: BayVGH, B.v. 28.7.2014 - 2 CS 14.1326 - juris Rn. 4). Neben dem von der Antragstellerin genannten Fall ständig wechselnder Mietverhältnisse ist die Inanspruchnahme des Eigentümers anstelle des tatsächlichen Nutzers auch dann zur effektiven Gefahrenabwehr geboten, wenn der unmittelbare Nutzer schwer zu fassen, weil unbekannt ist (vgl. OVG SH, B.v. 19.11.2018 - 1 MB 10/18 - juris Rn. 9 m.w.N.; VG München, U.v. 28.11.2011 - M 8 K 10.4157 - juris Rn. 36; VG Würzburg, U.v. 3.11.2020 - W 4 K 19.462 - juris Rn. 34 f.). Dies ist hier im Bereich der Eigentumsflächen der Antragstellerin der Fall, da sich trotz Ortseinsicht durch die Antragsgegnerin zum Teil keine Nutzer ermitteln ließen (vgl. Vermerk vom 22.02.2022). Zwar hat die Antragsgegnerin mehrere Mieter der baurechtswidrig genutzten Grundstücke ermittelt. Gleichwohl ist es ihr aufgrund der ausdrücklichen Weigerung der Antragstellerin nicht gelungen, für sämtliche Flächen die tatsächlichen Nutzer festzustellen. Anders als bei Wohnnutzungen kann die Antragsgegnerin auch nicht auf ein Melderegister zurückgreifen oder anwesende Bewohner befragen, um den derzeitigen Nutzer festzustellen. Nachdem trotz intensiver Bemühungen damit allein die Antragstellerin als Eigentümerin in der Lage ist, festzustellen, wem die Flächen zur Nutzung überlassen wurden, ist es zur effektiven Beendigung der Baurechtswidrigkeit der Nutzung daher zwingend erforderlich, die Antragstellerin als (Zustands-) Verantwortliche in Anspruch zu nehmen. Angesichts der unbekannten unmittelbaren Nutzer konnte eine Nutzungsuntersagung mit Aussicht auf Erfolg nur gegen die Eigentümerin gerichtet werden.
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Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin neben der Antragstellerin als Eigentümerin der Grundstücke auch gegenüber den ermittelten tatsächlichen Nutzern Nutzungsuntersagungen erlassen hat. Die Inanspruchnahme mehrerer Störer in Gleichrangigkeit ist möglich, sofern dies zur effektiven Gefahrenabwehr geboten ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2021 - 9 ZB 19.50 - juris Rn. 26; VG München, U.v. 8.11.2021 - M 8 K 19.6467 - juris Rn. 36). Nachdem die einzelnen Nutzer nur nicht genau bestimmbare Teile des mehrere Flurnummern umfassenden Bereichs in Anspruch nehmen, ist es erforderlich, dem für die gesamte Fläche verantwortlichen Eigentümer die Beendigung der baurechtswidrigen Nutzung aufzugeben, da eine Einschränkung auf einen räumlich definierten Bereich kaum möglich ist. Die aus baurechtlicher Sicht erforderliche Gesamtbereinigung der Situation kann nur erreicht werden, wenn der übergeordnet verantwortliche Eigentümer hierzu verpflichtet wird. Dies gilt umso mehr, als zu befürchten ist, dass die Freifläche jederzeit durch neue Mieter baurechtswidrig genutzt werden könnte. Es handelt sich bei der baulichen Anlage lediglich um eine Freifläche und die baurechtswidrige Nutzung wird durch das bloße Lagern von Gegenständen verwirklicht, ohne dass eine Bautätigkeit erfolgen muss. Dementsprechend ist zu befürchten, dass auch außerhalb der bestehenden Lagerbereiche neue Materialien abgelagert werden oder ein Mieter seine Materialien entfernt und unmittelbar anschließend durch einen Dritten Materialien abgelagert werden. Eine solche Entwicklung ist umso mehr zu befürchten, als es die Antragstellerin an jeder Kooperation mit der Antragsgegnerin vermissen lässt und sich weigert, die bestehenden Mieter zu benennen. Aufgrund dieses Verhaltens ist zu befürchten, dass die Flächen an andere Mieter weitergegeben werden, ohne dass der Mieterwechsel von der Antragsgegnerin festgestellt werden kann. Nachdem die Nutzungsuntersagung auch die Verpflichtung umfasst, die untersagte Nutzung durch Dritte fortführen zu lassen, ist gerade durch die Nutzungsuntersagung gegenüber dem Eigentümer die dargestellte baurechtswidrige Entwicklung zu verhindern.
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Die Inanspruchnahme der Antragstellerin im Rahmen des Auswahlermessens bei der Störerauswahl erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin vorträgt, sie sei nicht bereit, die Namen der Mieter zu nennen und halte dies für rechtswidrig (vgl. zuletzt Schreiben vom 23. Februar 2022), nun aber im gerichtlichen Verfahren erklärt, die Antragsgegnerin könne durch eine entsprechende bauaufsichtliche Anordnung auf einfachere Weise rechtmäßige Zustände herstellen. Es liegt auf der Hand, dass eine aufgrund der Weigerung der Antragstellerin voraussichtlich nur nach einem gerichtlichen Verfahren zu erlangende Auskunft über die tatsächlichen Nutzer weitaus mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als die unmittelbare Inanspruchnahme der Antragstellerin. Dementsprechend würde es dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr gerade widersprechen, den von der Antragstellerin als einfacheres und als milderes Mittel angedachten Weg über die Erzwingung der Auskunft über die Mieter zu wählen.
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1.3 Die hilfsweise beantragte Aufhebung des Sofortvollzugs scheidet ebenfalls aus. Der Hilfsantrag zielt auf die Rechtswidrigkeit der Vollzugsanordnung in Ziff. 2 des Bescheids. Eine solche ist indes nicht zu erkennen.
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Die Begründung der Nutzungsuntersagung, insbesondere auch der Anordnung der sofortigen Vollziehung, entspricht den gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Sofortvollzugsanordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. An den Inhalt dieser Begründung sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es müssen aber die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (BayVGH, B.v. 16.2.2010 - 10 CS 99.3290 - juris Rn. 17). Diesen Vorgaben wird die streitgegenständliche Begründung des Sofortvollzugs gerecht. Im Übrigen ist anerkannt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Nutzungsuntersagung in der Regel gerechtfertigt ist, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Verfügung vorliegen (vgl. BayVGH, B.v. 2.11.2011 - 2 CS 11.1558 - juris Rn. 3).
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2. Soweit der Antragstellerin in Ziff. 1 des Bescheids vom 13. April 2022 die gewerbliche Nutzung der im Eigentum der... stehenden Fl.Nr. … und … Gemarkung … untersagt wurde, wird der Bescheid im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Bestand haben.
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Es ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin bezogen auf diese Grundstücke als verantwortliche Störerin anzusehen sein könnte. Eine Zustandsverantwortlichkeit scheidet aus, da die Antragstellerin nicht Eigentümerin der Fl.Nr. … und … Gemarkung … ist. Ausreichende Anhaltspunkte für die von der Antragsgegnerin angenommene Handlungsstörereigenschaft sind nicht zu finden. Inwiefern die Antragstellerin für die Lagernutzung der Flächen verantwortlich ist, legt die Antragsgegnerin nicht dar. In der Sachverhaltsdarstellung des Bescheids wird lediglich vermutet („es ist davon auszugehen“), die Antragstellerin habe die Flächen ohne Zustimmung der Eigentümerin vermietet. Belege für die Vermutung sind dem Sachvortrag und den Akten nicht zu entnehmen. Vielmehr wird lediglich ausgeführt, dass sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin hierzu nicht geäußert habe. Auf diese Tatsachengrundlage lässt sich keine Handlungsstörereigenschaft der Antragstellerin gründen.
32
Eine Inanspruchnahme der Antragstellerin ist zur effektiven Beendigung des baurechtswidrigen Zustands auch nicht geeignet. Die Antragstellerin hat ausdrücklich klargestellt, dass derzeit keine vertraglichen Beziehungen zwischen ihr und der Antragsgegnerin als Eigentümerin der genannten Grundstücke bestehen. Sie ist damit auch nicht aufgrund eines Mietvertrags mit der Eigentümerin als Zwischenmieterin für die Fläche verantwortlich.
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Für die Grundstücke Fl.Nr. … und … Gemarkung … ist die Antragsgegnerin selbst Zustandsverantwortliche. Insofern gilt für die Antragsgegnerin nichts Anderes als für die Antragstellerin bezüglich der in Ihrem Eigentum befindlichen Flächen. Neben der bereits erfolgten Inanspruchnahme der unmittelbaren Nutzer liegt die Verpflichtung der Antragstellerin zur Durchsetzung einer Nutzungsuntersagung an Stelle der zustandsverantwortlichen Antragsgegnerin fern. Sie ist nicht geeignet, die baurechtswidrige Nutzung zu unterbinden, nachdem es der Antragstellerin an den rechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung der Nutzung fehlt. Die Antragstellerin kann weder aufgrund Eigentums noch aufgrund vertraglicher Berechtigung über die Grundstücke und deren Nutzung verfügen.
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3. Die Zwangsgeldandrohung in Ziff. 3 des Bescheids vom 13. April 2022 kann im Hauptsacheverfahren voraussichtlich ebenfalls keinen Bestand haben.
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In Ziff. 3 des streitgegenständlichen Bescheids wurde ein einheitliches Zwangsgeld für die Erfüllung der in Ziff. 1 genannten Verpflichtungen angedroht. Nachdem die Nutzungsuntersagung in Ziff. 1 nicht in vollem Umfang aufrechterhalten bleiben kann, kann auch die einheitliche Zwangsgeldandrohung nicht bestehen bleiben. Die Antragsgegnerin wird insbesondere die Höhe des angedrohten Zwangsgelds gem. Art. 36 Abs. 5, Art. 31 Abs. 2 VwZVG an den reduzierten Umfang der Verpflichtung anpassen müssen. Eine nur teilweise Aufhebung der Zwangsgeldandrohung kommt nicht in Betracht, da eine Anpassung des Zwangsgeldes an die reduzierte Verpflichtung im Rahmen einer behördlichen Ermessensentscheidung erfolgen muss (Art. 31 Abs. 2 VwZVG).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Es ist von einem annähernd gleichwertigen Obsiegen und Unterliegen der Parteien auszugehen. Das Überwiegen der Flächenanteile, für die die Nutzungsuntersagung voraussichtlich bestehen bleiben wird, wird bei der Kostenpflicht der Antragstellerin durch die bei einer Kostenaufhebung selbst zu tragenden Rechtsanwaltskosten berücksichtigt.
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5. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 9.4 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die Höhe orientiert sich an der von der Antragstellerin angegebenen Jahresmiete in Höhe von 300.000 € (vgl. BayVGH, B.v. 30.01.2019 - 15 C 18.2268 - juris; B.v. 20.08.2018 - 2 C 18.180 - juris).