Titel:
Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit - Trunkenheitsfahrt
Normenketten:
BJagdG § 17 Abs. 1 S. 2
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. b
Leitsätze:
1. Eine einzige Verurteilung wegen einer gemeingefährlichen Straftat iSd § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. b WaffG ist ausreichend, die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit zu begründen. Die Vermutungsregelung setzt zudem nicht voraus, dass außer der Verurteilung weitere nachteilige Umstände über den Waffenbesitzer bekannt geworden sind. Ebenso wenig kommt es auf einen Bezug zum Umgang mit Waffen an. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei dem Delikt der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 316 StGB handelt es sich um eine gemeingefährliche Straftat iSd § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. b WaffG. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ablehnung der Erteilung eines Jagdscheins, Ablehnung der Erteilung einer Waffenbesitzkarte, Waffenrechtliche (Un-)Zuverlässigkeit, Rechtskräftige Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, Keine Ausnahme von der Regelvermutung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 24378
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung eines Jagdscheins mit Bescheid des Landratsamts E. … (im Folgenden: Landratsamt) vom 15. März 2021.
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Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Ebersberg (1 Cs ...) vom 12. Juli 2018, rechtskräftig seit dem 24. September 2018, wurde gegen den Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß §§ 316 Abs. 2 und 2, 69, 69a StGB eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen verhängt. Dem Kläger wurde die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen. Für die Wiedererteilung wurde eine Sperre von 10 Monaten verhängt. Laut Strafbefehl fuhr der Kläger am 6. April 2018 gegen 21.30 Uhr mit dem PKW ..., amtliches Kennzeichen ..., auf der R. … Straße in A. …, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war. Eine beim Kläger am 6. April 2018 um 23.58 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,62 Promille. Seine Fahruntüchtigkeit hätte der Kläger bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen. Durch die Tat hat sich der Kläger als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.
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Der zunächst mit Schreiben der im Strafverfahren Bevollmächtigten des Klägers vom 23. Juli 2018 eingelegte Einspruch gegen den Strafbefehl wurde am 24. September 2018 wieder zurückgenommen.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 14. Februar 2019 wurden die dem Kläger erteilten Waffenbesitzkarten Nr. ... und sein Europäischer Feuerwaffenpass Nr. … widerrufen.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 18. Februar 2019 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass aufgrund der o.g. Verurteilung und der mit der festgestellten Blutalkoholkonzentration von über 1,6 Promille typischerweise einhergehenden Alkoholproblematik beabsichtigt sei, den für diesen ausgestellten Dreijahresjagdschein Nr. … (gültig bis 31. März 2021) für ungültig zu erklären und einzuziehen. In der Folge gab der Kläger seinen Jagdschein am 2. April 2019 freiwillig beim Landratsamt ab.
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Mit Antrag vom 21. Dezember 2020 beantragte der Kläger beim Landratsamt die Erteilung eines Jagdscheins für drei Jahre.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 26. Januar 2021 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass bei der Überprüfung von dessen jagd- und waffenrechtlicher Zuverlässigkeit die o.g. im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung festgestellt worden sei. Eine Erteilung bzw. Verlängerung der Gültigkeit des Jagdscheins des Klägers sei frühestens nach Ablauf von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung, vorliegend ab dem 25. September 2023 möglich, sofern es zwischenzeitlich zu keinen weiteren strafrechtlichen Verurteilungen komme. Es wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
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Mit Schreiben an das Landratsamt vom 27. Januar 2021 legte der bereits im Verwaltungsverfahren Bevollmächtigte des Klägers ein „Fachpsychologisches Gutachten zur Überprüfung der persönlichen Eignung nach § 4 A WaffG“ des Instituts für Rechtspsychologie, Prof. Dr. ..., vom 28. Dezember 2021 (richtig wohl: 2020) vor. Danach habe die u.a. durchgeführte psychometrische Persönlichkeitsdiagnostik keine Auffälligkeiten erbracht, insbesondere hätten sich keine Hinweise auf eine persönlichkeitsbedingte Unzuverlässigkeit ergeben. In der durchgeführten Begutachtung hätten die Bedenken der Behörde daher ausgeräumt werden können.
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Mit weiterem Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 9. Februar 2021 an das Landratsamt wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörde gemäß § 24 Abs. 2 VwVfG alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen hätte. In dem Schreiben der Behörde vom 26. Januar 2021 werde verschwiegen, dass das der Behörde vorliegende Fahreignungsgutachten nach dem Strafverfahren zu einem positiven Ergebnis gekommen sei. Ferner würden nicht die besonderen Umstände berücksichtigt, unter denen der Kläger in die Verlegenheit gekommen sei, in einer besonderen Ausnahmesituation sein Fahrzeug trotz Alkoholgenusses zu benutzen. Am Tattag habe der Kläger beabsichtigt, nicht mehr zu fahren. Seine am ... geborene Mutter sei damals bereits im Rollstuhl gesessen. Sie sei am ... … verstorben. Die bereits schwer kranke alte Dame hätte einen künstlichen Darmausgang wegen Enddarmkrebses gehabt, sei dement gewesen und hätte Nierenprobleme gehabt. Sie hätte sich an einem Stück Brot verschluckt und keine Luft mehr bekommen. Ihre Lippen seien blau angelaufen gewesen und sie habe gedroht, zu ersticken. Der Kläger habe seine Mutter dann nach E. … zum Arzt gefahren, der die alte Dame gerade noch dadurch habe retten können, dass er sie zum Husten gebracht habe und sie sich ähnlich eines Übergebens dieses Gegenstandes, den sie verschluckt gehabt habe, entledigt habe. Auch sei zu beachten, dass die Trunkenheitsfahrt ohne Besonderheiten abgelaufen sei und die Polizei dem Kläger den Führerschein erst abgenommen habe, als er bereits wieder zurückgekehrt gewesen sei. Ebenso sei das Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 12. August 2020 außer Acht gelassen worden. In diesem hätte er darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, ein Gutachten nach § 4 Abs. 1 AWaffV erstellen zu lassen. Dieses Gutachten liege mittlerweile vor und sei dem Landratsamt mit Schreiben vom 27. Januar 2021 übermittelt worden. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Alt. 2 WaffG sei eine Regelvermutung, von der es Ausnahmen gebe. Im gegenständlichen Fall sei diese Ausnahme dringend geboten, weil der Kläger 1. unter besonderen Umständen zur Rettung des Lebens seiner Mutter Auto gefahren sei - als Ausnahmefall, weil 2. das Fahreignungsgutachten ergeben habe, dass der Kläger geeignet bleibe zum Führen von Fahrzeugen und 3. weil das Gutachten nach „§ 4 A WaffG“ ausdrücklich zu dem Ergebnis komme, dass keine Hinweise auf eine persönlichkeitsbedingte Unzuverlässigkeit vorhanden seien.
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Mit Schreiben vom 18. Februar 2021 teilte das Landratsamt dem Klägerbevollmächtigten mit, dass besondere Umstände des Einzelfalls, die den Vorfall ausnahmsweise in ein besonders mildes Licht rücken würden, auch bei einer sehr wohlwollenden Prüfung, nicht ersichtlich seien, was näher ausgeführt wurde.
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Mit Bescheid vom 15. März 2021 lehnte das Landratsamt den Antrag vom 21. Dezember 2020 auf Erteilung eines Jagdscheins für drei Jahre ab (Nr. 1). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger auferlegt (Nr. 2) und es wurden Gebühren i.H.v. 70,- Euro festgesetzt (Nr. 3).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Versagung der Erteilung des Jagdscheins sei § 17 BJagdG. Die Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Ebersberg wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen falle unter die Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Alt. 2 WaffG. Nachdem das Urteil erst seit 24. September 2018 rechtskräftig sei, bestehe nach Sach- und Rechtslage wegen der Fünfjahresfrist derzeit auch keine Möglichkeit, dem Kläger einen Jagdschein zu erteilen. Darüber hinaus sei im Hinblick auf das vorgelegte fachpsychologische Gutachten vom 28. Dezember 2020 und die Einlassungen des Klägerbevollmächtigten noch zu prüfen, ob etwa atypische, besondere Umstände vorlägen, aufgrund derer ein Abweichen von der Regelvermutung in Betracht käme. Bei dieser Prüfung sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger bereits am 1. Juli 2004 durch das Amtsgericht Ebersberg wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen verurteilt worden sei. Durch Kurzmitteilung vom 12. September 2012 sei dem Landratsamt durch die Polizei … mitgeteilt worden, dass der Kläger am 1. September 2012 gegen 0:30 Uhr in ..., Z. … Straße, schlafend in seinem abgestellten PKW angetroffen worden sei. Das Fahrzeug sei unversperrt gewesen. Hinter dem Fahrersitz habe eine Repetierbüchse in einer Tragetasche gelegen und sei somit für jedermann zugriffsbereit gewesen. Ein freiwillig durchgeführter Alkoholtest habe seinerzeit einen Wert von 1,62 Promille ergeben. Am 2. Oktober 2014 habe das Amtsgericht Ebersberg den Kläger wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Allein aus der Abfolge von Rechtsverstößen werde bereits deutlich, dass die am 6. April 2018 erfolgte Trunkenheitsfahrt nicht für sich allein stehe, sondern in einer Reihe weiterer alkoholbedingter Vorfälle. Die geschilderte Pflegebedürftigkeit der Mutter des Klägers und die dadurch verursachte Notsituation am Tattag sei sicher bedauerlich. Eine Trunkenheitsfahrt nach dem Genuss von „etwa sieben bis acht Bier“ rechtfertigte sie jedoch in keiner Weise, da diese keineswegs alternativlos gewesen sei. Vielmehr sei es im Notfall normal und auch die Regel, dass über Notruf Notarzt und Rettungsdienst verständigt würden, die dann meist in kürzester Zeit professionelle Hilfe leisteten. Die Tatsache, dass der Kläger dann auch noch die Rückfahrt mit dem PKW durchgeführt habe, obwohl spätestens zu dieser Zeit selbst aus subjektiver Sicht keine Notsituation mehr vorgelegen habe, belege die Annahme von dessen Unzuverlässigkeit. Mit dem geschilderten Verhalten habe der Kläger nicht nur andere Verkehrsteilnehmer potenziell gefährdet, sondern auch sich selber und seine kranke Mutter unnötigerweise in große Gefahr gebracht. Dass bei der ganzen Aktion auch ein erheblicher Fahrzeugschaden entstanden sei, unterstreiche diese Einschätzung. Besondere Umstände des Einzelfalls die den Vorfall ausnahmsweise in ein besonders mildes Licht rücken würden, seien deshalb nicht ersichtlich. In Summe sei der Kläger waffenwie jagdrechtlich unzuverlässig, mit der zwingenden Rechtsfolge, dass der beantragte Jagdschein vom Landratsamt derzeit zu versagen sei. Die Kostenentscheidung beruhe auf den einschlägigen Vorschriften des Kostenrechts.
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Gegen diesen Bescheid hat der Klägerbevollmächtigten am 1. April 2021 Klage erhoben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass hier nicht der Regelfall nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Alt. 2 WaffG anzuwenden sei. Aus der Verurteilung die Versagung der waffenrechtlichen und damit jagdrechtlichen Erlaubnis zu folgern, sei nicht rechtlich zwingend. Auch sei nicht rechtlich zwingend, dass die damit gegebene jagdrechtliche Unzuverlässigkeit des vormaligen Jagdscheininhabers auch entsprechend der gesetzgeberischen Wertung 5 Jahre andauere. Auf Verlangen der Verkehrsbehörde sei ein - in der Anlage vorgelegtes - MPU-Gutachten erstellt worden am 26. April 2019. So heiße es am Ende des Gutachtens, es lägen keine Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs infrage stellten. Es sei nicht zu erwarten, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden könne. Trotz des aktenkundigen erheblichen Verstoßes gegen verkehrsrechtliche Vorschriften sei zu erwarten, dass der Kläger künftig nicht wiederholt und oder erheblich gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Der TÜV habe den Kläger als zuverlässig im verkehrsrechtlichen Sinne eingeordnet. Die verkehrsrechtliche Zuverlässigkeit sei mindestens genauso sensibel und genauso beachtlich wie die waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Im Gegensatz zum Waffenrecht könne der verkehrsrechtlich unzuverlässige Fahrzeugführer jede Sekunde der Teilnahme am Straßenverkehr größte Schäden, wie Todesfälle und schwerste Verletzungen, verursachen, was jedoch hier der TÜV als ausdrücklich ausgeschlossen dargestellt habe. Der TÜV habe gesagt, der Kläger sei verkehrsrechtlich zuverlässig. Darauf folge auch zwingend die waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die auf Seite 3 unter Ziff. 3 a) bis d) des Bescheids aufgeführten Umstände verjährt seien und keiner Berücksichtigung mehr unterliegen dürften. Es sei nicht in Ordnung, solche uralten Angelegenheiten, die längst erledigt seien, zum Gegenstand der behördlichen Entscheidung zu machen. Einzig und allein zulässig sei Gegenstand der behördlichen Entscheidung die Verurteilung vom 12. Juli 2018 zu 80 Tagessätzen. Zudem wurde das bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegte „Fachpsychologische Gutachten zur Überprüfung der persönlichen Eignung nach § 4 A WaffG“ vom 28. Dezember 2021 (wohl: 2020) im Wesentlichen unter Wiederholung der diesbezüglichen Ausführungen im Verwaltungsverfahren vorgelegt.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
Der Bescheid des Landratsamts Ebersberg vom 15. März 2021 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger einen Jagdschein und eine Waffenbesitzkarte zu erteilen und hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden und höchstvorsorglich weiter hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid vom 14. Februar 2019 rechtswidrig ist.
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Der Beklagte beantragt,
17
Zur Begründung wird im Wesentlichen auf das Anhörungsschreiben vom 26. Januar 2021, das Schreiben an den Klägerbevollmächtigten vom 18. Februar 2021, den Versagungsbescheid vom 15. März 2021 sowie den Inhalt der übersandten Akten verwiesen.
18
Während zunächst nur beantragt war, den Beklagten unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 15. März 2021 zu verpflichten, dem Kläger den beantragten Jagdschein zu erteilen, hat der Bevollmächtigte des Klägers die Klage in der mündlichen Verhandlung dahingehend erweitert, dass im Hauptantrag nunmehr auch die Erteilung einer Waffenbesitzkarte begehrt wird. Zudem hat er die Klage hilfsweise um einen Verbescheidungsantrag sowie - weiter hilfsweise - um einen Feststellungsantrag erweitert.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2022 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist im Hauptantrag nur teilweise zulässig, jedoch auch in diesem Umfang unbegründet. Auch in ihren beiden Hilfsanträgen hat die Klage keinen Erfolg.
21
Der nur zum Teil zulässige Hauptantrag ist unbegründet.
22
Soweit der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung beantragt hat, den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Waffenbesitzkarte zu erteilen, ist die Klage bereits unzulässig, da der Kläger einen entsprechenden Antrag bei der Behörde zuvor nicht gestellt hat (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 37).
23
Jedenfalls aber ist die Klage - ebenso wie die im Übrigen zulässige Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Jagdscheins - auch insoweit unbegründet.
24
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BayVGH, U.v. 29.6.2016 - 21 B 16.527 - juris Rn. 21) weder einen Anspruch auf die Erteilung des begehrten Jagdscheins noch auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
25
Denn nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG darf nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (Falknerjagdschein) erteilt werden, wenn die Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 des Waffengesetzes fehlen. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG setzt die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis - hier einer Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG - voraus, dass der Antragsteller über die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG verfügt.
26
Der Kläger verfügt jedoch - gegenüber der Feststellung im bestandskräftigen Bescheid des Landratsamts vom 14. Februar 2019 unverändert - derzeit nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG.
27
Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind.
28
Das Gesetz stellt für die in der Regel anzunehmende Unzuverlässigkeit in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen bestimmter Straftaten ab. Nach Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 WaffG soll das mit jedem Waffenbesitz vorhandene Sicherheitsrisiko möglichst gering gehalten werden. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 54). Die Behörde darf dabei grundsätzlich von der Richtigkeit der strafgerichtlichen Verurteilung ausgehen und sich auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist. Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben danach, dass die Behörde allenfalls in Sonderfällen die strafgerichtlichen Feststellungen ihrer Entscheidung nicht oder nicht ohne weitere Ermittlungen zugrunde legen darf, etwa dann, wenn für sie ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (vgl. BVerwG, B.v. 22.4.1992 - 1 B 61/92 - juris Rn. 6). Dabei ist bereits eine einzige Verurteilung wegen einer gemeingefährlichen Straftat im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG ausreichend, die Regelvermutung zu begründen. Diese ist demnach grundsätzlich nicht schon dann entkräftet, wenn der Betroffene sonst strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Die Vermutungsregelung setzt zudem nicht voraus, dass außer der Verurteilung weitere nachteilige Umstände über den Waffenbesitzer bekannt geworden sind (vgl. BVerwG, B.v. 19.9.1991 - 1 CB 24/91 - juris Rn. 7 m.w.N.). Ebenso wenig kommt es auf einen Bezug zum Umgang mit Waffen an. Wann die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit eingreift, wird nicht vorrangig nach der Art der begangenen Straftat bestimmt, sondern es wird allgemein auf die Rechtsfolgenseite, nämlich auf die Höhe der verhängten Strafe, abgestellt (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2008 - 3 B 12/08 - juris Rn. 5 unter Verweis auf BT-Drs. 14/7758 S. 128).
29
Gegen den Kläger wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Ebersberg vom 12. Juli 2018 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 2, § 69, § 69a StGB eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen verhängt, sodass der Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG erfüllt ist. Der Strafbefehl steht dabei nach § 410 Abs. 3 StPO einem rechtskräftigem Strafurteil gleich, so dass vorliegend auf den im Strafbefehl erfolgten Strafausspruch abzustellen ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2007 - 19 CS 06.2210 - juris Rn. 25). Bei dem Delikt der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 316 StGB handelt es sich um eine gemeingefährliche Straftat, wie bereits aus der Stellung im 28. Abschnitt „Gemeingefährliche Straftaten“ des Strafgesetzbuches (§§ 306 bis 323c StGB) folgt. Da der Kläger zu einer Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen verurteilt wurde, ist auch die die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit begründende Tagessatzanzahl nach § 5 Abs. 2 WaffG erreicht bzw. überschritten.
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Ein Ausnahmefall, der vorliegend ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte, ist nicht gegeben.
31
Zunächst ist bei einer rechtskräftigen Verurteilung ohnehin von der Richtigkeit der Verurteilung auszugehen und die Prüfung dahingehend zu beschränken, ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall ausgeräumt ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2007 - 21 ZB 06.2540 - Rn. 5 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 22.4.1992 - 1 B 61/92 - zum früheren § 5 Abs. 2 Satz 1 WaffG 1976). Dies betrifft nicht nur die materiell-rechtliche Richtigkeit des Urteils bzw. Strafbefehls, sondern auch die Strafzumessung. Nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn ohne weiteres erkennbar ist, dass die strafrechtliche Beurteilung auf einem Irrtum beruht oder die Verwaltungsbehörde und das Verwaltungsgericht im Stande sind, den Vorfall ausnahmsweise besser und richtiger zu beurteilen, kommt eine Abweichung von einem rechtskräftigen Urteil bzw. Strafbefehl in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 22.4.1992 - 1 B 61/92 - juris Rn. 6). Vorliegend besteht kein Anlass, an der Richtigkeit des Strafbefehls, insbesondere an der festgesetzten Tagessätzhöhe, zu zweifeln. Insbesondere vermag das Vorbringen der Bevollmächtigten des Klägers keine Zweifel hieran zu wecken, wonach der Kläger unter besonderen Umständen zur Rettung des Lebens seiner Mutter Auto gefahren sei, zu begründen. Denn der Kläger hätte ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, die Höhe der Tagessätze im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Strafbefehl, mitunter auch unter Ausschöpfung des Instanzenzuges, von den Strafgerichten überprüfen zu lassen. Hiervon hat der Kläger - der seinen zunächst eingelegten Einspruch wieder zurückgenommen hat - bewusst keinen Gebrauch gemacht. Es obliegt jedoch dem Betroffenen selbst, seine Rechte im Instanzenzug der Strafgerichtsbarkeit wahrzunehmen (vgl. z.B. VG München, B.v. 4.11.2015 - M 7 S 15.4236 - juris Rn. 20). Unerheblich ist dabei auch, aus welchen Motiven der Kläger auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet hat (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2012 - 21 ZB 12.1340 - juris Rn. 11; vgl. auch B.v. 12.2.2007 - 19 CS 06.2210 - juris Rn. 25; VG Karlsruhe, U.v. 17.9.2014 - 5 K 1333/14 - juris Rn. 46 ff.).
32
Des Weiteren kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt BVerwG, B.v. 21.7.2008 - 3 B 12/08 - juris Rn. 5 m.w.N.; vgl. auch BayVGH in st. Rspr., z.B. B.v. 4.3.2016 - 21 CS 15.2718 - juris Rn. 13) eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Maßstab für das Vorliegen eines Ausnahmefalls, der die Verfehlung des Betroffenen in einem milderen, von der waffenrechtlichen Regelwertung abweichenden Licht erscheinen lassen kann, ist allein die Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen wie sie in seinem damaligen Verhalten zum Ausdruck kommt (vgl. BVerwG, B.v. 18.9.1991 - 1 CB 24.91 - juris Rn. 5).
33
Entsprechend den dargelegten Grundsätzen sind bei der Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet werden könnte, jedoch nur tatbezogene Umstände zu berücksichtigen, so sie die abgeurteilten Verfehlungen ausnahmsweise in einem derart milden Licht erscheinen lassen könnten, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers im Regelfall begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit im konkreten Fall nicht gerechtfertigt sind. Dabei ist die Schwere der konkreten Verfehlung zu würdigen, zum Beispiel dahin, ob sie lediglich Bagatellcharakter hat sowie die Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2009 - 21 CS 09.520 juris - Rn. 4 m.w.N.). Vorliegend hat die Tat jedoch - allein schon im Hinblick auf die Strafhöhe - weder Bagatellcharakter noch erscheint sie aufgrund von Besonderheiten im Verhalten des Klägers in einem milderen Licht. Der Kläger hat vielmehr dadurch, dass er am 6. April 2018 gegen 21:30 Uhr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,62 ‰ - und damit deutlich im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit (vgl. hierzu Hecker in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 316 Rn. 8) - mit einem PKW am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat, deutlich aufgezeigt, dass er mit Gefahren, die von seinem Verhalten für Leben, Gesundheit oder Eigentum Dritter ausgehen, zu sorglos umgeht. Dass die Trunkenheitsfahrt nach Ausführungen des Klägerbevollmächtigten insoweit „ohne Besonderheiten“ abgelaufen sei, rechtfertigt im Hinblick auf die Gemeingefährlichkeit der Tat keine abweichende Beurteilung. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind aber nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen.
34
Auch soweit der Bevollmächtigte des Klägers vorgetragen hat, der Kläger habe Alkohol zuhause in der Annahme konsumiert, an diesem Abend nicht mehr fahren zu müssen, und sei einzig durch den häuslichen Notfall in die Verlegenheit geraten, in betrunkenem Zustand ein Fahrzeug führen zu müssen, lässt sich hieraus nichts ableiten, das die konkret abgeurteilte Verfehlung des Klägers seinem Verhalten oder seiner Persönlichkeit nach in einem besonders milden Licht erscheinen lassen könnte. Denn es ist nicht ersichtlich, dass für den Kläger nicht die Möglichkeit bestanden hätte, den Notruf zu wählen und so die Mutter vor dem Ersticken zu retten. Das Gericht vermag daher schon eine Notwendigkeit, sich in betrunkenem Zustand auf den Weg zum Arzt zu machen, und dadurch sich selbst, die beifahrende Mutter und unbeteiligte dritte Verkehrsteilnehmer zu gefährden, nicht zu erkennen. Erst Recht lässt sich dadurch auch das Antreten der Rückfahrt nach der Notbehandlung der Mutter nicht erklären. Nichts anderes ergibt sich schließlich auch aus den beiden vorgelegten Gutachten („Fahreignungsgutachten“ der TÜV S. L. Service GmbH vom 26. April 2019 und „Fachpsychologisches Gutachten zur Überprüfung der persönlichen Eignung nach § 4 A WaffG“ vom 28. Dezember 2021). Denn dem Kläger wurde seine jagdrechtliche Erlaubnis vorliegend nicht aufgrund von Eignungszweifeln oder Ungeeignetheit i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, § 6 WaffG, sondern aufgrund fehlender Zuverlässigkeit i.S.v. § 4 Nr. 2 Alt. 1, § 5 WaffG versagt (s.o.). Auch ist nicht ersichtlich, inwieweit die nachträgliche Begutachtung der persönlichen Eignung des Klägers - sei es im fahreignungs- oder waffenrechtlichen Sinne - geeignet sein könnte, eine Aussage über die hier - wie ausgeführt - allein berücksichtigungsfähigen tatbezogenen Umstände zu treffen, um das Verhalten des Klägers in einem besonders milden Licht erscheinen zu lassen.
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Da seit Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung am 24. September 2018 im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind, verfügt der Kläger derzeit nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG.
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Die Klage bleibt im Hauptantrag daher ohne Erfolg.
37
Auch der zulässige Hilfsantrag auf Neuverbescheidung, über den hier zu entscheiden ist, da er unter der zulässigen innerprozessualen Bedingung gestellt wurde, dass der Hauptantrag unzulässig und/oder unbegründet ist, und diese Bedingung eingetreten ist, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Verbescheidung seines Antrags auf Erteilung eines Jagdscheins durch den Beklagten, da die Ablehnung seines Antrags durch die Behörde mangels Anspruchs (s.o.) rechtmäßig war.
38
Soweit der Kläger außerdem hilfsweise die Feststellung beantragt hat, dass der Bescheid des Landratsamts vom 14. Februar 2019, mit dem die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers - bestandskräftig - widerrufen wurden, rechtswidrig ist, erweist sich der Antrag bereits als unzulässig. Der Kläger hat von der Möglichkeit, gegen den Bescheid im Wege der Anfechtungsklage fristgerecht vorzugehen, keinen Gebrauch gemacht (vgl. § 42 Abs. 1 Alt. 1, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Stellung eines Feststellungsantrags ist ihm in diesem Fall nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO verwehrt.
39
Die Klage war daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
40
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.