Titel:
Obdachlosenrecht, Erledigung durch Einweisung, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis
Normenketten:
VwGO § 123
LStVG Art. 6
Schlagworte:
Obdachlosenrecht, Erledigung durch Einweisung, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 24365
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
1
Der am ... in … (Syrien) geborene Antragsteller, dem im Jahr … die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, hielt sich zuletzt im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin auf.
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Am ... 2022 stellte der Antragsteller zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts München einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO. Er beantragt sinngemäß,
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die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm ab ... 2022 eine Unterkunft zur alleinigen Nutzung zuzuweisen.
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Gleichzeitig beantragt er für das vorliegende Verfahren Prozesskostenhilfe.
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Zur Begründung seines Antrags trug er vor, sein Mietvertrag im ... werde über den ... 2022 nicht verlängert und er werde obdachlos. Ferner sei er krank und daher nicht in der Lage, allein nach einer Wohnung zu suchen. Er sei bereits zweimal am Herzen operiert worden, in ein paar Wochen folge eine weitere Operation. Vor Schmerzen könne er nachts nicht schlafen, deshalb sei ihm die Unterbringung in einem Zimmer mit einer weiteren Person nicht zumutbar.
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Nach einem Hinweis seitens des Gerichts auf die gesetzlichen Pflichten der Antragsgegnerin als Sicherheitsbehörde erklärte diese, sie werde den Antragsteller in einer Notunterkunft ab dem ... 2022 unterbringen. Es handele sich dabei um ein Einzelzimmer mit gemeinschaftlichem Bad und gemeinschaftlicher Küche im Hotel … ( …, … M …).
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Das Gericht hat dies dem Antragsteller mitgeteilt und angeregt, dass dieser seinen Eilantrag zurücknimmt, da der Antrag mit der Einweisung durch die Antragsgegnerin unzulässig geworden sei. Daraufhin erklärte der Antragsteller zur Niederschrift, den Eilantrag nicht zurücknehmen zu wollen, und legte eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Er wies gegenüber dem Gericht wiederholt daraufhin, dass er Anspruch auf die Zurverfügungstellung einer Wohnung habe, nachdem er nunmehr schon sieben Jahre in wechselnden Obdachlosenunterkünften habe leben müssen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bleibt ohne Erfolg, weil das dafür erforderliche Rechtschutzbedürfnis beim Antragsteller nicht mehr besteht und sein Antrag damit unzulässig geworden ist.
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1. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller ab dem ... 2022 ein Einzelzimmer in einer Notunterkunft zur Verfügung gestellt. Damit ist sie ihrer Verpflichtung aus Art. 6 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) als örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (hier Beseitigung einer - unfreiwilligen - Obdachlosigkeit, vgl. dazu BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 - BayVBl 1995, 729) sowie dem Antragsbegehren hinreichend nachgekommen.
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Insofern fehlt dem Antragssteller im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das Rechtschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme des gerichtlichen Rechtschutzes. Trotz gerichtlichen Hinweises hat der Antragsteller seinen hierauf gerichteten Eilantrag nicht für erledigt erklärt. Sein Antrag war daher mangels Rechtschutzbedürfnisses als unzulässig abzulehnen.
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Es wird an dieser Stelle aus Klarheitsgründen darauf hingewiesen, dass die von der Antragsgegnerin als Sicherheitsbehörde zu leistende Obdachlosenfürsorge nicht der „wohnungsmäßigen Versorgung“, sondern lediglich der Verschaffung einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2012 - 4 CE 12.1509 - juris Rn. 5) dient. Obdachlose Personen müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen, wobei freilich die Grenze zumutbarer Einschränkungen dort liegt, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung nicht mehr eingehalten sind (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2012 - 4 CE 12.1509 - juris Rn. 5). Ein Anspruch auf Vermittlung einer Wohnung besteht obdachlosenrechtlich unter keinem Gesichtspunkt.
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Das Gericht weist in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit hin, Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67 bis 69 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII -) beim zuständigen Träger der Sozialhilfe zu beantragen. Diese Leistungen umfassen gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII insbesondere auch Hilfsmaßnahmen zur Beschaffung einer Wohnung.
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Es ist dem Antragsteller weiter anzuraten, ggf. einen Antrag auf Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung (Sozialwohnung) bzw. für eine nach dem Wohnraumförderungsgesetz (WoFG/BayWoFG) einkommensorientiert geförderte Wohnung (EOF-Wohnung) oder auf Erteilung eines allgemeinen Wohnberechtigungsscheins für besondere Förderzusagen über die Antragsgegnerin als Wohnsitzgemeinde zu stellen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog.
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4. Nach allem war auch der Prozesskostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussicht des Antrags nach § 123 VwGO abzulehnen. Die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ist gerichtsgebührenfrei. Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).