Inhalt

OLG München, Urteil v. 21.07.2022 – 29 U 1499/20
Titel:

Ansprüche im Zusammenhang mit dem Ankauf von Lebensversicherungsverträgen

Normenketten:
UWG § 3, § 3a, § 8
BGB § 307, § 308, § 309, § 320
Leitsätze:
1. Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Ankauf von Lebensversicherungsverträgen, nach denen die Abtretung an den Klauselverwender als Vorleistung des Verwendungsgegners vollzogen wird, sind wirksam, weil die Höhe des Kaufpreises bei Vertragsschluss nicht feststeht und dem Verwender eine Vorleistung – Zahlung des Kaufpreises vor Einzug des Rückkaufswerts beim Versicherer – unzumutbar wäre. (Rn. 36 – 54) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein nach § 4 Nr. 4 UWG unlauteres Ausspannen liegt nicht schon dann vor, wenn der ausspannende Wettbewerber die ausgespannten Kunden Formulare mit deren Weisung unterzeichnen lässt, der von der Ausspannung betroffene Wettbewerber möge „Schriftverkehr“ nur noch mit dem ausspannenden Wettbewerber führen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Ankauf von Lebensversicherungsverträgen, nach denen der Anlauf von Fristen, bis zu deren Ablauf die Verwendungsgegner an ihre Verkaufsangebote gebunden sind und ihr Kaufpreisanspruch nicht fällig ist, vom von den Verwendungsgegnern zu führenden „Nachweis“ des Rückkaufswerts abhängig ist, benachteiligen diese nicht unangemessen; eine Spezifizierung der Anforderungen an den Nachweis wäre für die Verwendungsgegner nachteilig, weil sie ihnen andere Nachweismöglichkeiten abschneiden würde. (Rn. 52 und 53) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Ankauf von Lebensversicherungsverträgen, nach der bei der Kaufpreisermittlung ein „Bearbeitungsentgelt“ in Abzug gebracht wird, regelt die geschuldete Hauptleistung in Form des guthabenabhängigen Entgelts für die Beendigung und -abwicklung des Versicherungsvertrags und ist deshalb als Preisklausel kontrollfrei. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
5. Einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Ankauf von Lebensversicherungsverträgen, nach der der Kaufpreis „unter Berücksichtigung gegebenenfalls anfallender Kapitalertragsteuer“ ermittelt wird, kann der durchschnittliche Verwendungsgegner ohne weiteres entnehmen, dass sie für Verträge mit Abschluss vor dem 31.12.2004 nicht gelten soll. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
6. Grds. sind im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
7. Der Begriff des Mitbewerbers in § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ist in Fällen der Verletzung verbraucherschützender Vorschriften nicht deshalb einschränkend auszulegen, weil die Verbände nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG die Verletzung verbraucherschützender Normen nur verfolgen können, wenn ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
8. Ein Verbot der Verwendung von unwirksamen AGB ist nach den § 3 Abs. 1 UWG und § 3a UWG möglich, da der Anwendungsbereich der UGP-RL aufgrund der unionsrechtlichen Grundlage der §§ 307 ff. BGB eröffnet ist. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
9. Eine Klausel, die die Verwendergegenseite abweichend von der gesetzlichen Regelung zur Vorleistung verpflichtet, ist daher nur zulässig, wenn für sie ein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist und den berechtigten Interessen der Verwendergegenseite hinreichend Rechnung getragen wird. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
10. Der für eine vertraglich geschuldete Leistung vom Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen als Gegenleistung verlangte Preis unterliegt als eine besondere Form der Leistungsbeschreibung nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB grds. nicht der Inhaltskontrolle. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versicherungsnehmer, Abtretung, Kaufpreis, Berufung, Vertragsschluss, Behinderung, Dienstleistung, Versicherer, Verletzung, Haftpflichtversicherer, Werbung, Versicherungsvertrag, AGB, Klauselkontrolle, Ankauf, Lebensversicherungsvertrag, Wettbewerbsverhältnis, Mitbewerber, richtlinienkonforme Auslegung, Rechtsbruch, Vorleistungspflicht, Vertragsguthaben, Preisnebenabreden
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Urteil vom 07.02.2020 – 2 HK O 1888/18
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – I ZR 150/22
Fundstellen:
LSK 2022, 24114
BeckRS 2022, 24114
VuR 2023, 35

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 07.02.2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit dem Aufkauf von Lebensversicherungsverträgen.
2
Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in …, das unter anderem Lebensversicherungsverträge anbietet.
3
Die Beklagte zu 1) ist eine gewerbliche Aufkäuferin unter anderem von Lebensversicherungen. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 3) war für die Beklagte zu 1) unter der Bezeichnung „Fachliche Leitung Vermögensfactoring“ tätig, ist aber bei ihr im Jahr 2020 ausgeschieden.
4
Beim Aufkauf von Lebensversicherungen schließt die Beklagte zu 1) mit den Versicherungsnehmern einen sogenannten „Kauf- und Abtretungsvertrag“ (Anlage K 3) ab, in dem alle gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche, die dem Versicherungsnehmer gegen das Versicherungsunternehmen zustehen oder künftig noch zustehen werden, insbesondere der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts nach Kündigung, in voller Höhe an sie abgetreten werden.
5
Die Beklagte zu 1) wird gleichzeitig in einem als „Abtretungsanzeige und Vollmachterteilung“ (Anlage K 4) bezeichneten Dokument mit der Korrespondenz mit dem Versicherungsunternehmen beauftragt und zu einer umfassenden außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer und sonstigen Dritten bevollmächtigt. Zudem weist der Versicherungsnehmer den Versicherer an, jeglichen Schriftverkehr im Zusammenhang mit der entsprechenden Police ausschließlich mit der Beklagten zu 1) zu führen.
6
Als Kaufpreis erhalten die Versicherungsnehmer jeweils den Rückkaufswert, der vom Versicherer gegebenenfalls abzüglich Kapitalertragssteuer, Solidaritätszuschlag und rückständiger Prämien bestätigt wird, wobei die Beklagte zu 1) ein Bearbeitungsentgelt von 7,5 % ab einem Rückkaufswert von € 3.636,37 einbehält.
7
Die verwendeten Muster des „Kauf- und Abtretungsvertrags“ (Anlage K 3) und der „Abtretungsanzeige und Vollmachterteilung“ (Anlage K 4) enthalten unter anderem die auf den Seiten 4 bis 6 des landgerichtlichen Urteils (Bl. 147/149 d.A.) wiedergegebenen Klauseln.
8
Die Klägerin ist der Auffassung, sie stehe mit der Beklagten zu 1) in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis.
9
Die von der Beklagten zu 1) bei Abschluss des jeweiligen „Kauf- und Abtretungsvertrags“ mit dem Versicherungsnehmer sowie in der „Abtretungs- und Vollmachtserteilung“ verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien unwirksam.
10
Die Klausel, durch die ein unbedingter und unwiderruflicher Rechtserwerb durch die Beklagte zu 1) unmittelbar mit Vertragsschluss erfolge, sei unwirksam, weil durch die entsprechende Vorleistung des Versicherungsnehmers dessen mögliches Leistungsverweigerungsrecht ausgeschlossen oder eingeschränkt werde. Gleiches gelte für die unwiderrufliche und unbeschränkte Vollmachtserteilung.
11
Die Klausel, durch die der Versicherungsnehmer den Versicherer anweise, jeglichen Schriftverkehr nur noch mit der Beklagten zu 1) zu führen, stelle eine unlautere Behinderung der Klägerin dar, da eine anlassbezogene Beratung in Bezug auf die Abtretung und bevorstehende Kündigung nicht erfolgen könne.
12
Die Klausel über die Definition des Vertragsgegenstandes sei unwirksam, weil der Versicherungsnehmer dadurch sein Zurückbehaltungsrecht nicht mehr nutzen könne, um die Zahlung des Kaufpreises durchzusetzen.
13
Die Kaufpreisklausel sei intransparent und weiche vom gesetzlichen Leitbild erheblich ab. Der vorgesehene Abzug anfallender Kapitalertragssteuer und eines Solidaritätszuschlags sei im Hinblick auf Altverträge unwirksam, weil es hierdurch zu einem Abzug beim Versicherungsnehmer komme, der Beklagten zu 1) der Betrag über die Körperschaftssteuer aber nachträglich wieder gutgeschrieben werde.
14
Auch die Klausel über den Vertragsschluss und die Fälligkeit des Kaufpreises sei unwirksam.
15
Die Beklagte zu 1) hafte auch auf Folgenbeseitigung. Der Beklagte zu 2) sei als Geschäftsführer, der Beklagte zu 3) als Handlungsbevollmächtigter für alle im Zusammenhang mit dem Vertragsankauf anfallenden Tätigkeiten passivlegitimiert.
16
Die Klägerin hat erstinstanzlich die aus den Seiten 8 bis 12 (Bl. 151/155 d.A.) des landgerichtlichen Urteils ersichtlichen Anträge gestellt, die den Berufungsanträgen entsprechen.
17
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.
18
Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung. Sie sind der Auffassung, die von ihnen verwendeten Klauseln seien wirksam.
19
Mit Endurteil vom 07.02.2020 (Bl. 144/166 d.A.), auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
20
Mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug wiederholt und vertieft, greift die Klägerin das Urteil des Landgerichts an und verfolgt ihr Begehren weiter.
21
Der Klägerin beantragt:
I. Das Endurteil des LG Ingolstadt vom 07.02.2020, 2 HK O 1888/18, wird aufgehoben.
II. Die Beklagten werden jeweils verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes - und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) bzw. an den Beklagten zu 2) und zu 3)) zu unterlassen, in von Verbrauchern abzugebenden Angeboten von Kauf- und Abtretungsverträgen über Rechte aus Lebensversicherungsverträgen nebst Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung die folgenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden.
1.1 Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung, Ziff. 1.
„Ich zeige/wir zeigen unserem Vertragspartner (Versicherung …) - nachfolgend Schuldner - Folgendes an:
1. Abtretung
(1) Der Zedent hat alle gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche, die ihm aus den oben genannten Verträgen gegenüber seinem Vertragspartner (Versicherungsgesellschaft/…), im Folgenden: ‚Schuldner‘, zustehen oder noch zustehen werden, in voller Höhe an die …® GmbH abgetreten, …“
Der Zedent räumt der …® GmbH hiermit unwiderruflich das alleinige Bezugsrecht sowohl für Todesfall- als auch für Erlebensfallleistungen aus der Versicherung/… ein.“
1.2 Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung, Ziff. 2. Abs. (1)
„Ich zeige/wir zeigen unserem Vertragspartner (Versicherung …) - nachfolgend Schuldner - Folgendes an:
[…]
2. Vollmacht
(1) Der Zedent bevollmächtigt die …® GmbH unwiderruflich zu seiner umfassenden Vertretung im Zusammenhang mit der Versicherung/… und dem hierzu ggf. eingerichteten Beitragskonto.“
1.3 Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung, Ziff. 2. Abs. (3)
„Ich zeige/wir zeigen unserem Vertragspartner (Versicherung …) - nachfolgend Schuldner - Folgendes an:
[…]
2. Vollmacht
[…]
(3) Der Zedent weist die …/Versicherungsgesellschaft unwiderruflich an, jeglichen Schriftverkehr im Zusammenhang mit dem …/Versicherung und dem hierzu ggf. eingerichteten Beitragskonto oder Beitragsdepot ab Vertragsannahme durch die …® GmbH ausschließlich mit dieser zu führen.“
1.4 Angebot des Verkäufers zum Abschluss eines Kauf- und Abtretungsvertrags, § 1 Abs. (1)
„Dies vorausgeschickt gibt der Verkäufer hiermit an die …® GmbH, … folgendes Angebot zum Abschluss des nachfolgenden Vertrags ab:
§ 1 Vertragsgegenstand
(1) … Der Verkäufer tritt hierzu alle gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche, die ihm aus dem Vertrag gegenüber seinem Vertragspartner (Versicherungsgesellschaft …) … zustehen oder noch zustehen werden, in voller Höhe (und in jedem Umfang) an die …® GmbH ab, soweit dies nach dem Vertrag und dem Gesetz zulässig ist und diese ohne Zustimmung des Schuldners übertragbar sind.“
„(1) Kaufpreis ist das vom Verkäufer durch Unterlagen nachgewiesene aktuelle Vertragsguthaben abzgl. des Bearbeitungsentgelts nach Absatz 3.
(2) Vertragsguthaben ist bei Versicherungen der aktuelle Rückkaufswert, der von der Versicherungsgesellschaft unter Berücksichtigung gegebenenfalls anfallender Kapitalertragssteuer, des Solidaritätszuschlags und rückständiger Prämien auf der Basis des erstmöglichen Kündigungstermins von dieser bestätigt wurde. …“
1.6 Angebot des Verkäufers zum Abschluss eines Kauf- und Abtretungsvertrags, § 4 Abs. (1)
„§ 4 Vertragsschluss und Fälligkeit des Kaufpreises
(1) Sobald der Verkäufer ein bestehendes Vertragsguthaben durch geeignete Unterlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 nachgewiesen hat, bestätigt die …® GmbH dem Verkäufer den Vertragsschluss unverzüglich durch entsprechende Annahmeerklärung.
Die …® GmbH verpflichtet sich, auf der Grundlage des nachgewiesenen Vertragsguthabens den nach § 2 dieses Vertrags ermittelten Kaufpreis innerhalb von 18 Tagen nach Eingang der kompletten Vertragsunterlagen an den Kunden zu leisten.“
III. Die Beklagten werden jeweils verurteilt
1) der Klägerin oder einem Angehörigen der zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufe, der vom Präsidenten des Oberlandesgerichts München bestimmt wird, in Form einer Auflistung Auskunft darüber zu erteilen, von welchen Versicherungsnehmer/innen, ausgenommen solchen der Klägerin, die Beklagte zu 1) formularmäßige Angeboten von Kauf- und Abtretungsverträgen über Rechte aus Lebensversicherungsverträgen nebst Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung mit den unter Ziffer II. genannten Klauseln erhalten hat.
2) gegenüber den aufgelisteten sowie betroffenen Versicherungsnehmer/innen der Klägerin binnen zwei Wochen nach Erteilung der Auskunft gemäß Ziffer III. 1) mittels Übersendung individualisierter Schreiben klarzustellen, dass die in die Kauf- und Abtretungsverträge über Rechte aus Lebensversicherungsverträgen nebst Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung einbezogenen Klauseln gemäß Ziffer II. unwirksam sind, wobei ihr vorbehalten bleibt, hinzuzufügen, dass sie zu dieser Erklärung verurteilt worden ist.
22
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
23
Sie verteidigen das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
24
Zur Ergänzung wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2022 Bezug genommen.
II.
25
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
26
1. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 1) die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. §§ 307, 308 Nr. 1 und 309 Nr. 2 BGB nicht zu.
27
a) Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) besteht zwar ein konkretes Wettbewerbsverhältnis.
28
aa) Die Eigenschaft als Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Ein solches konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen behindern oder stören kann. Auch wenn die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen versuchen, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn zwischen den Vorteilen, die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das Dritter zu erreichen sucht, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen. Grundsätzlich sind im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH WRP 2014, 1307 - nickelfrei; GRUR 2017, 918 Rn. 16, 19 - Wettbewerbsbezug; WRP 2018, 1322 Rn. 17 - Werbeblocker II; GRUR 2019, 189 Rn. 58 - Crailsheimer Stadtblatt II; GRUR 2019, 970 Rn. 23 - Erfolgshonorar für Versicherungsberater).
29
Die Mitbewerbereigenschaft eines Unternehmers ist handlungsbezogen und lässt sich nicht abstrakt feststellen. Vielmehr ist an die jeweilige konkrete geschäftliche Handlung anzuknüpfen. Sie entscheidet darüber, ob sich der handelnde Unternehmer zu einem anderen Unternehmer in Wettbewerb stellt (BGH GRUR 2001, 260, 261 - Vielfachabmahner; GRUR 2004, 877, 878 - Werbeblocker; GRUR 2007, 978 Rn. 17 - Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer; WRP 2009, 1001 Rn. 40 - Internet-Videorecorder; WRP 2014, 552 Rn. 17 - Werbung für Fremdprodukte; WRP 2017, 1085 Rn. 16 - Wettbewerbsbezug).
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Der Begriff des Mitbewerbers ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG grundsätzlich im gesamten UWG einheitlich auszulegen, so dass an die Mitbewerbereigenschaft im Sinne der mitbewerberschützenden Normen grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen sind als an die im Sinne der verbraucherschützenden Normen. Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG sind die Mitbewerber grundsätzlich umfassend zur Verfolgung von Abwehr- und Folgeansprüchen aktivlegitimiert. Die Vorschrift unterscheidet nicht danach, ob der vom Wettbewerber begangene Wettbewerbsverstoß allein die Interessen der Mitbewerber, deren Interessen und zugleich die Interessen der Verbraucher oder aber allein die Interessen der Verbraucher beeinträchtigt (BGH GRUR 2021, 497 Rn. 32 - Zweitmarkt für Lebensversicherungen).
31
Der Begriff des Mitbewerbers in § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ist in Fällen der Verletzung verbraucherschützender Vorschriften nicht deshalb einschränkend auszulegen, weil die Verbände nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG die Verletzung verbraucherschützender Normen nur verfolgen können, wenn ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die Berechtigung eines Verbands zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auf die kollektive Wahrnehmung von Mitgliederinteressen zu beschränken. Daraus folgt nicht, dass Unternehmer, die zwar keine Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, durch das Verhalten des Anspruchsgegners aber auf eine Art und Weise Nachteile erleiden, dass zu diesem ein konkretes Wettbewerbsverhältnis entsteht, nicht die Verletzung von Normen geltend machen könnten, die unmittelbar dem Schutz von Verbrauchern dienen. Daraus, dass § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG anders als § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG keine Beschränkung der Anspruchsberechtigung auf Mitbewerber vorsieht, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, folgt eher das Gegenteil (BGH a.a.O. Rn. 33 - Zweitmarkt für Lebensversicherungen).
32
Eine Ausnahme vom Grundsatz der einheitlichen Auslegung des Mitbewerberbegriffs im UWG gilt nur, soweit eine richtlinienkonforme Auslegung dies erfordert; das ist bei § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 bis 5 UWG und möglicherweise auch bei § 5 Abs. 2 UWG der Fall, nicht aber bei den übrigen Tatbeständen des UWG (BGH a.a.O. Rn. 40 ff. - Zweitmarkt für Lebensversicherungen).
33
bb) Nach diesen Grundsätzen ist unter den Umständen des hiesigen Streitfalls zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) im Hinblick auf alle angegriffenen Klauseln jedenfalls deshalb ein konkretes Wettbewerbsverhältnis anzunehmen, weil die Parteien zwar keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen versuchen, jedoch zwischen den Vorteilen, die die Beklagte zu 1) durch den Abschluss der Verträge bzw. die Einräumung der Vollmachten für ihr Unternehmen zu erreichen sucht, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb der Klägerin beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 29 - Zweitmarkt für Lebensversicherungen).
34
Durch den Aufkauf der Policen und die seitens der Beklagten zu 1) teilweise angestrebte Kündigung der Lebensversicherungsverträge samt Auszahlung des Rückkaufswertes nach Abtretung kann der Wettbewerb der Klägerin beeinträchtigt werden, weil ihr hierdurch die Möglichkeit genommen wird, die Verträge über die vereinbarte Laufzeit zu Ende zu führen und aus dem Gesamtvolumen der Verträge Gewinne zu erwirtschaften. Soweit die Kommunikation zwischen der Klägerin und den Versicherungsnehmern betroffen ist, kann der Wettbewerb der Klägerin dadurch beeinträchtigt werden, dass sie darin eingeschränkt wird, mit den Kunden Kontakt aufzunehmen, um sie zur Fortführung der Verträge oder zum Wechsel in Ersatzprodukte zu bewegen. Der wettbewerbliche Bezug der Dienstleistungen der Klägerin und der Beklagten zu 1) ergibt sich daraus, dass die Beklagte zu 1) den Aufkauf, die Kündigung und Auszahlung der bei der Klägerin geführten Lebensversicherungsverträge anstrebt und durch die Kommunikationsbeschränkungen auch der Kontakt mit der Klägerin verhindert werden kann.
35
Nach dem oben Gesagten folgt aus diesem konkreten Wettbewerbsverhältnis nicht nur die Berechtigung der Klägerin, die Verletzung mitbewerberschützender Vorschriften geltend zu machen, sondern vielmehr eine umfassende Anspruchsberechtigung.
36
b) Durch die einzelnen angegriffenen Klauseln hat die Beklagte zu 1) aber keinen Rechtsbruch im Sinne von § 3a UWG begangen. Im Einzelnen:
37
aa) Im Hinblick auf Berufungsantrag II. 1.1 (Abtretungsanzeige und Vollmachterteilung, Ziff. 1.) liegt ein Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m. § 309 Nr. 2 BGB nicht vor.
38
Die §§ 307 ff. BGB sind grundsätzlich Marktverhaltensregeln im Interesse der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer, auch wenn sie keine eigentlichen Pflichten des Unternehmers begründen (BGH GRUR 2012, 949 Rn. 49 ff. - Missbräuchliche Vertragsstrafe; Senat WRP 2018, 1125 Rn. 17). Ein Verbot der Verwendung von unwirksamen AGB ist daher nach den § 3 Abs. 1 UWG und § 3 a UWG möglich, da der Anwendungsbereich der UGP-RL aufgrund der unionsrechtlichen Grundlage der §§ 307 ff. BGB eröffnet ist (BGH GRUR 2010, 1117 Rn. 16 - Gewährleistungsausschluss im Internet; WRP 2012, 1086 Rn. 47 ff. - Missbräuchliche Vertragsstrafe; WRP 2018, 434 Rn. 41 - Klauselersetzung; Senat WRP 2015, 1154 - Preisanpassungsklausel mit Gesetzeshinweis; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 40. Aufl., § 3 a, Rn. 1.288).
39
Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 2 BGB fällt der Klägerin vorliegend jedoch nicht zur Last. Klauseln, die wie die vorliegende eine Vorleistungspflicht des Vertragspartners statuieren, führen zwar im Ergebnis dazu, dass ihm kein Leistungsverweigerungsrecht zur Verfügung steht. Solche Vorleistungsklauseln unterfallen gleichwohl nicht dem Klauselverbot. Wird die Vorleistungspflicht dem Vertragspartner erst formularmäßig auferlegt, werden die Vorleistungsklauseln vom Klauselverbot nicht erfasst, da § 309 Nr. 2 BGB ein bereits bestehendes Leistungsverweigerungsrecht voraussetzt (BeckOGK/Weiler, 1.4.2022, BGB, § 309 Nr. 2, Rn. 1, 27).
40
Auch ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht. Im Rahmen von § 307 BGB ist zunächst davon auszugehen, dass dem Gebot des § 320 BGB, gegenseitige Verträge Zug-um-Zug abzuwickeln, ein bedeutender Gerechtigkeitsgehalt zukommt. Kann ihm aus gewichtigen Gründen nicht voll entsprochen werden, muss eine Lösung gefunden werden, die ihm zeitlich und wertmäßig möglichst nahe kommt. Eine Klausel, die die Verwendergegenseite abweichend von der gesetzlichen Regelung zur Vorleistung verpflichtet, ist daher nur zulässig, wenn für sie ein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist und den berechtigten Interessen der Verwendergegenseite hinreichend Rechnung getragen wird (BGH NJW 2001, 292, 294; NJW 1987, 1931; BeckOK BGB/Becker, 62. Ed. 1.2.2022, § 309 Nr. 2, Rn. 9).
41
Ein sachlich rechtfertigender Grund für die Vorleistung in Form der Abtretung liegt vorliegend darin, dass die Versicherungsnehmer, die sich der Dienste der Beklagten zu 1) bedienen, mit der gesamten Rückabwicklung in Form einer Kündigung und Geltendmachung des Rückkaufswertes selbst nichts zu tun haben und deshalb die Beklagte zu 1) die Ansprüche gegenüber dem Versicherer geltend machen lassen wollen, wozu es der Abtretung bedarf. Eine andere Lösung würde überdies zu einer Vorleistungspflicht der Beklagten zu 1) führen, die dann den Rückkaufswert an den Versicherungsnehmer vorschießen müsste, ohne von der im Hinblick auf die Berechnung allein sachkundigen Versicherung eine Abrechnung über den Rückkaufswert oder den entsprechenden Betrag bereits erhalten zu haben. Den berechtigten Interessen der Versicherungsnehmer wird dadurch Rechnung getragen, dass für die Auszahlung nach Abrechnung durch den Versicherer eine konkrete Frist von 18 Tagen festgesetzt wird, die im Wirtschaftsverkehr angesichts der üblichen Zahlungsziele von 30 Tagen eher kurz bemessen ist und die Zeitdauer, binnen derer die Versicherungsnehmer dem Insolvenzrisiko der Beklagten zu 1) ausgesetzt sind, überschaubar hält, vorausgesetzt die Klägerin bzw. die sonstigen Versicherer rechnen ihrerseits pflichtgemäß und zeitnah über den Rückkaufsanspruch ab.
42
bb) Aus den gleichen Gründen fehlt es auch im Hinblick auf Berufungsantrag II. 1.2 (Abtretungsanzeige und Vollmachterteilung, Ziff. 2. Abs. (1)) an einem Verstoß gegen § 3 a UWG i.V.m. § 309 Nr. 2 BGB und § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Da die angegriffene Klausel eine Vorleistungspflicht erst begründen soll, unterfällt sie nicht § 309 Nr. 2 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB scheidet aufgrund eines sachlichen Grundes und einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Versicherungsnehmer aus.
43
cc) Im Hinblick auf Berufungsantrag II. 1.3 (Abtretungsanzeige und Vollmachterteilung, Ziff. 2. Abs. (3)) fehlt es sowohl an einer gezielten Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG als auch an einer wettbewerbswidrigen unangemessenen Benachteiligung nach § 3 a UWG i.V.m. § 307 BGB.
44
(1) Nach § 4 Nr. 4 UWG handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert. Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (st.Rspr.; vgl. BGH GRUR 2018, 1251 Rn. 23 - Werbeblocker II). Das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen sowie Abfangen von Kunden gehören grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs. Eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers liegt deshalb erst vor, wenn auf Kunden, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten (st.Rspr.; vgl. BGH GRUR 2017, 92 Rn. 16 - Fremdcoupon-Einlösung; GRUR 2021, 497 Rn. 51, 52 - Zweitmarkt für Lebensversicherungen).
45
(2) Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt eine Gesamtabwägung der relevanten Umstände, dass in der Klausel Ziff. 2. Abs. (3), die den Versicherer für jeglichen Schriftverkehr im Zusammenhang mit dem maßgeblichen Versicherungsvertrag an die Beklagte zu 1) verweist, keine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG zu sehen ist. Dem Versicherer wird es nicht verunmöglicht, seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung in angemessener Weise zur Geltung zu bringen, weil es ihm auch nach dieser Klausel freisteht, mit dem Versicherungsnehmer auf jedem anderen nichtschriftlichen Wege in Kontakt zu treten. Auch ein überwiegendes Interesse des Versicherungsnehmers als Verbraucher dahingehend, vom Versicherer oder von für ihn tätigen provisionsbasiert arbeitenden Vertretern nach seinem Entschluss, die Versicherung an die Beklagte zu 1) zu veräußern, weiter kontaktiert zu werden, ist nicht ersichtlich, zumal diese dazu neigen werden, ihn von seinem Entschluss abbringen zu wollen oder das erzielte Kapital anderweitig - provisionspflichtig - anzulegen.
46
(3) Auch eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB durch die Klausel ist nicht ersichtlich, da es dem Versicherungsnehmer in aller Regel nicht zum Nachteil gereicht, nach seinem getroffenen Entschluss über die Veräußerung der Versicherung vom Versicherer und dessen Vertrieb nicht schriftlich kontaktiert zu werden. Hieran ändert auch die Regelung des § 6 Abs. 4 VVG nichts, da die entsprechende Beratung, wie § 6 Abs. 4 Satz 2 VVG zeigt, ohnehin zur Disposition des Versicherungsnehmers steht.
47
dd) Im Hinblick auf den Berufungsantrag II. 1.4 (Angebot des Verkäufers zum Abschluss eines Kauf- und Abtretungsvertrags, § 1 Abs. (1)) kann wiederum auf das oben unter aa) zu § 3 a UWG i.V.m. § 309 Nr. 2 BGB und § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB Gesagte verwiesen werden.
48
ee) Soweit die Klägerin im Rahmen von Berufungsantrag II. 1.5 (Angebot des Verkäufers zum Abschluss eines Kauf- und Abtretungsvertrags, § 2 Abs. (1), (2)) moniert, der Versicherungsnehmer werde im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt, weil nicht näher definiert sei, welche Unterlagen zum Nachweis geeignet seien und kein Beweismaß erkennbar sei. kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Eine Benachteiligung ist schon deshalb nicht zu erkennen, weil die Klausel die Möglichkeit des Nachweises durch Unterlagen nicht einschränkt und den Verbraucher nicht auf einzelne Arten von Unterlagen verweist, an die er gebunden wäre. Vielmehr lässt die Klausel gerade alle Arten von geeigneten Unterlagen genügen.
49
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Korrespondenz mit Übersendung des Formulars „Abtretungsanzeige und Vollmachtserteilung“ zwischen Versicherer und Beklagter zu 1) geführt werden muss und sich der Versicherungsnehmer insoweit der Beklagten zu 1) ausgeliefert habe, da die Beklagte nach § 4 Abs. 3 des Kauf- und Abtretungsvertrages (Anlage K 3) im Innenverhältnis zum Versicherungsnehmer verpflichtet wird, bei Zweifeln über die Berechnung des Vertragsguthabens beim Versicherer eine Nachberechnung anzufordern.
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Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB durch die Klausel über ein vom aktuellen Vertragsguthaben abhängiges Bearbeitungsentgelt lässt sich ebenfalls nicht erkennen. Der für eine vertraglich geschuldete Leistung vom Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen als Gegenleistung verlangte Preis unterliegt als eine besondere Form der Leistungsbeschreibung nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle (BeckOGK/Eckelt, 1.7.2022, BGB, § 307, Rn. 192). Demgegenüber unterliegen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle solche Preisnebenabreden, die sich zwar mittelbar auf Preis und Leistung auswirken, diese aber nicht ausschließlich festlegen, und bestehende Rechtsvorschriften, insbesondere Regelungen des dispositiven Gesetzesrechts, ergänzen oder von diesen abweichen. Sie bestimmen aber nicht unmittelbar das Ob und den Umfang von Entgelten für Leistungen, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht werden. Vielmehr wälzt der Verwender durch sie nur allgemeine Betriebskosten oder Aufwendungen zur Erfüllung eigener gesetzlicher oder nebenvertraglicher Pflichten oder für sonstige Tätigkeiten, die in seinem eigenen Interesse liegen, auf den Kunden ab (vgl. BGH GRUR 2019, 317 Rn. 14, 15 - Preisnebenabreden; NJW 2015, 328 Rn. 37; NJW 2013, 995 Rn. 13; NJW 2011, 1726 Rn. 18; NJW 2010, 2789 Rn. 20; NJW 2002, 2386; NJW 2001, 2399, 2401). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Klausel etwas anderes als die geschuldete Hauptleistung in Form des guthabenabhängigen Entgelts für die Vertragsbeendigung und -abwicklung regeln soll, so dass die Klausel als Preisklausel - und nicht als Preisnebenabrede - nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht kontrollfähig ist.
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Soweit die Klägerin eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB in der Formulierung „unter Berücksichtigung gegebenenfalls anfallender Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlages“ erblicken möchte, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Formulierung unter Verwendung des Begriffs „gegebenenfalls“ lässt erkennen, dass die Beklagte zu 1) als Verwenderin der Problematik Ausdruck verleihen wollte, dass Verträge mit Abschlussdatum vor dem 31.12.2004 existieren, bei denen der Versicherungsnehmer nicht kapitalertragsteuerpflichtig ist. Dass mit der Klausel dennoch ein Einbehalt bei der Beklagten zu 1) mit entsprechenden Folgen bei der Körperschaftssteuer erfolgen sollte, lässt sich der Klausel schon nicht entnehmen. Sie wurde so, wie sie die Klägerin verstehen möchte, nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme auch nicht gelebt.
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ff) Im Hinblick auf den Berufungsantrag II. 1.6 (Angebot des Verkäufers zum Abschluss eines Kauf- und Abtretungsvertrags, § 4 Abs. (1)) ist die von der Klägerin angenommene Unwirksamkeit der Klausel nach § 308 Nr. 1 BGB, weil sich die Beklagte zu 1) unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots ausbedinge, nicht nachvollziehbar, da die Klägerin vielmehr nach § 4 Abs. (1) nach Eingang der Unterlagen „unverzüglich“ den Vertragsschluss zu bestätigen hat, was erkennbar an die Definition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB anknüpft.
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Soweit eine unangemessene Frist darin liegen soll, dass die Beklagte zu 1) nach dem Eingang der kompletten Vertragsunterlagen 18 Tage Zeit hat, an den Kunden zu leisten, lässt sich hierin ein Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB ebenfalls nicht erblicken, da eine Frist von etwas mehr als zwei Wochen zur Prüfung der Vertragsunterlagen unter Berücksichtigung der im Geschäftsverkehr weitgehend üblichen Zahlungsziele von 30 Tagen (vgl. § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB) bei abwägender Betrachtung nicht außerhalb des für entsprechende Verträge Gewöhnlichen und Angemessenen liegt.
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gg) Die mit den Berufungsanträgen III. 1) und 2) verfolgten Ansprüche auf Auskunft und Folgenbeseitigung bestehen mangels Wettbewerbsverstößen nicht.
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2. Da der Beklagten zu 1) ein wettbewerbswidriges Handeln nicht zur Last fällt, scheidet auch eine Haftung der Beklagten zu 2) und 3) aus.
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3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.