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OLG München, Endurteil v. 24.01.2022 – 19 U 2499/21
Titel:

Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschaltvorrichtung

Normenkette:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
Leitsätze:
1. Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand beachtet werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Behauptung ist dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten. Im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen eines Käufers eines Fahrzeugs gegen den Fahrzeughersteller wegen (behaupteter) Verwendung einer unzulässigen Abschaltvorrichtung ist entscheidend, ob der Käufer ausreichend greifbare Anhaltspunkte zur Begründung seines Vorwurfs, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug komme unzulässige Abschalttechnik zum Einsatz, vorbringt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Motorsteuerung, Anhaltspunkte, unzulässige Abschalttechnik, Typgenehmigungsverfahren
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 22.04.2021 – 18 O 13272/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2022 – VIa ZR 220/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 23862

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 22.04.2021, Az. 18 O 13272/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz aus Delikt in Anspruch, mit der Behauptung, dass das von ihm erworbene und von der Beklagten hergestellte Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei.
2
Der Kläger kaufte mit Vertrag vom 20.06.2016 bei der nicht am Rechtsstreit beteiligten … Automobile GmbH& Co. KG einen gebrauchten Audi Q7 3.0 TDI Quattro tiptronic, Kilometerstand 23.800 km, Erstzulassung 18.09.2015 zu einem Kaufpreis von 62.500,- €. In das Fahrzeug ist ein Turbodieselmotor 3,0 Liter V6 mit dem Motorkennbuchstaben CRTC, einem Hubraum von 2.967 ccm und einer Leistung von 200 kW (272 PS) eingebaut. Es verfügt über einen SCR-Katalysator. Zugelassen ist das Fahrzeug für die Schadstoffklasse EU 6.
3
In Höhe von 50.000,- € finanzierte der Kläger den Kaufpreis über ein Darlehen der I. Die Finanzierungskosten betragen 6.112,22 €.
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Bei Klageerhebung betrug der Kilometerstand 71.500, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 13.12.2021 betrug er 75.135 km.
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Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 ZPO.
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In erster Instanz beantragte der Kläger zuletzt:
1. Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 56.922,38 Euro abzüglich eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Vorteilsausgleichs, höchstens aber in Höhe von 9.417,34 Euro, für die von der Klägerseite gezogenen Nutzungen nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.10.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Herausgabe des Kfz des Typs Audi Q 7 3.0 TDI Quattro, 4L, FIN: …246 zu zahlen;
sowie die Klägerseite von den restlichen Verpflichtungen gegenüber der I. Bank aus dem Darlehensvertrag vom 13.07.2016 mit der IBAN: …675 freizustellen, und festzustellen, dass die Beklagtenseite im Falle der vorzeitigen Tilgung der Darlehensschuld zum Ersatz der sodann anfallenden Vorfälligkeitszinsen verpflichtet ist, Zug um Zug gegen Herausgabe des Kfz des Typs Audi Q 7 3.0 TDI Quattro, 4L, FIN…246.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenseite mit der Rücknahme des im Klageantrag zu Ziffer 1. genannten Pkw in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagtenseite wird verurteilt, die Klägerseite von den außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwaltskanzlei Ö., … in Höhe von 1.905,18 Euro freizustellen.
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Das Landgericht hat die Klage auf Antrag der Beklagten mit Urteil vom 21.04.2021 abgewiesen. Es führt zur Begründung aus, dass der Kläger nicht hinreichend substantiiert zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug vorgetragen habe, so dass eine Beweisaufnahme nicht veranlasst gewesen sei. Der klägerische Vortrag erschöpfe sich in Mutmaßungen und Spekulationen ohne Bezug zum konkreten Sachverhalt. Eine unzulässige Abschalteinrichtung könne insbesondere nicht aus erhöhten Abgaswerten im RDE hergeleitet werden. Auch die Pressemitteilung des KBA, die als Anlage K 8 vorgelegt wurde, belege nicht das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug. Der Kläger habe keine greifbaren Umstände im Sinne der Entscheidung des BGH vom 28.01.2020 (VIII ZR 57/19) für das Vorhandensein von unzulässigen Abschalteinrichtungen angeführt. Es fehle nicht nur ein amtlicher Rückrufbescheid. Das KBA habe auch eine Negativauskunft erteilt.
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Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 29.04.2021 eingelegte und mit Schriftsatz vom 22.06.2021 begründete Berufung des Klägers. Sie verfolgt die erstinstanzlichen Anträge weiter und führt zur Begründung aus, dass der gesamte Vortrag der Klagepartei nebst Beweisanträgen unberücksichtigt geblieben sei. Die Substantiierungsanforderungen seien überzogen.
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Der Kläger beantragt,
das am 22.04.2021 verkündete Urteil des Landgerichts München I, Az.: 18 O 13272/20 abzuändern und die Beklagtenseite nach Maßgabe der Schlussanträge der Klägerseite in erster Instanz zu verurteilen.
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Die Beklagte beantragt,
Zurückweisung der Berufung.
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Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt zur Begründung aus, dass das Klägerfahrzeug weder von der bei Motoren des Typs EA 189 bekannt gewordenen Thematik erfasst sei, noch von einem anderen verbindlichen Rückruf des KBA wegen seines Emissionsverhaltens im Hinblick auf eine unzulässige Abschalteinrichtung. In ihm sei eine solche nicht enthalten. Das streitgegenständliche Fahrzeug weise lediglich einen technischen Fehler beim Sensor zur Erkennung und Warnung vor einer Falschbetankung des AdBlue-Tanks auf, der mittels Update behoben worden sei. Diese Konformitätsabweichung stelle jedoch keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Das habe das KBA auch ausdrücklich für Motoren mit den Motorkennbuchstaben „CRT“, wie beim Klägerfahrzeug bestätigt.
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Die Klagepartei hat repliziert, dass jedes Fahrzeug individuell zu beurteilen sei. Das streitgegenständliche Fahrzeug habe die Motorkennbuchstaben CRTC und nicht nur CRT. Das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung sei im Übrigen nicht abhängig von einem KBA-Rückruf.
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Der Senat hat über den Rechtsstreit am 13.12.2021 mündlich verhandelt. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13.12.2021, Bl. 178 ff. d.A., Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
15
Die Berufungsbegründung hat nicht aufzeigen können, dass das angefochtene Urteil auf einer durchgreifenden Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht oder dass die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
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Das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§§ 826, 31 BGB) hat die Klagepartei nicht nachvollziehbar dargelegt.
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Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 Rn. 15 m.w.N.). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, welche die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH a.a.O.).
18
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe handelt ein Automobilhersteller gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand beachtet werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (so BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19).
19
Vorliegend ist aber weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass die Motorsteuerung des hier streitgegenständlichen Pkw mit einer entsprechenden Abschalteinrichtung versehen war, so dass bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt ist.
20
Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner - hier die Klagepartei - vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 35 ff. m.w.N., zitiert nach Juris).
21
Voraussetzung ist stets ein schlüssiger und erheblicher Sachvortrag der zunächst darlegungsund beweisbelasteten Klagepartei. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten. Weiter ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -nachbehandlung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Eine Behauptung ist aber dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten (BGH, Beschluss vom 28.01.2020, Az.: VIII ZR 57/19, Rdnr. 7 ff. m.w.N., zitiert nach Juris). Entscheidend ist damit, ob die Klagepartei ausreichend greifbare Anhaltspunkte zur Begründung ihres Vorwurfs, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug komme unzulässige Abschalttechnik zum Einsatz, vorbringt. Daran fehlt es hier.
22
(1) Das streitgegenständliche Fahrzeug ist im Ergebnis nicht von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen.
23
Zunächst einmal ist festzustellen, dass, sofern das streitgegenständliche Fahrzeug von einem solchen Rückruf betroffen gewesen wäre, der Kläger hierzu eine Rückrufnachricht hätte erhalten müssen; dies ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Im Übrigen ergibt sich aus der vom Kraftfahrtbundesamt veröffentlichten, über dessen Homepage allgemein zugänglichen Übersicht zu Rückrufen (Stand 18.10.2021, abrufbar unter https://www.kba.de/DE/Marktueberwachung/Abgasthematik/uebersicht2.pdf? _blob=publication File& v=7), die der Senat als offenkundig im Sinne von § 291 ZPO bewertet, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nicht von einem Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen ist. In der Übersicht sind die von einem Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffenen Fahrzeuge genau bezeichnet u.a. nach der Handelsbezeichnung, dem Motorkennbuchstaben (MKB), der Nummer zu Typ/Variante/Version, der Leistung und dem Modelljahr/Produktionszeitraum. Nach den unstreitigen Angaben zu den genannten Kennziffern des streitgegenständlichen Fahrzeugs (Anlage K 1) unterfällt dieses nicht den dort genannten und von einem Rückruf betroffenen Fahrzeugen. Betroffen waren (nur) Q7 - Fahrzeuge mit einer Leistung von 180 bzw. 176 kW und nur mit den Motorkennbuchstaben CLZ und CCM. Das Klägerfahrzeug weist demgegenüber eine Leistung von 200 kW und die Motorkennbuchstaben „CRTC“ auf. Auch die Typbezeichnung weicht ab: Der Rückruf betrifft Fahrzeuge des Typs „4L“; das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt ausweislich seiner FIN aber über einen Motor des Typs „4M“ (siehe Art. 2 Nr. 2, Art. 3 i.V.m. dem Anhang I Teil B „Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) der Verordnung (EU) Nr. 19/2011 der Kommission vom 11. Januar 2011 über die Typgenehmigung des gesetzlich vorgeschriebenen Fabrikschilds und der Fahrzeug-Identifizierungsnummer für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 661/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeuganhängern und von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge hinsichtlich ihrer allgemeinen Sicherheit Text von Bedeutung für den EWR).
25
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Rückrufen gemäß der Rückrufdatenbank des Kraftfahrtbundesamtes, dort unter Nr. 9550 bzw. Nr. 8168.
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Der Rückruf unter der Nummer 9550 in der Rückrufdatenbank des Kraftfahrtbundesamtes zu Fahrzeugen der Beklagten bezieht sich auf die Modelle Q7, A4 und A8. In der bereits zitierten Übersicht des Kraftfahrtbundesamtes finden sich zwar zwei Einträge zu Rückrufen wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen bei Q7-Modellen. Diese beziehen sich jedoch, wie ausgeführt, auf Motoren mit abweichenden MKB, abweichender Typbezeichnung und abweichender Leistung. Außer der gemeinsamen Modellbezeichnung „Q7“ liegt damit keine Übereinstimmung zu den zurückgerufenen Fahrzeugen vor. Im Eintrag unter Nr. 9550 führt das Kraftfahrtbundesamt zudem aus, dass „in der Regel nicht alle Fahrzeuge des Typs auch tatsächlich von der Maßnahme betroffen sind“. Insgesamt fehlt es daher an Anhaltspunkten dafür, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit den dort zurückgerufenen Fahrzeugen vergleichbar wäre. Eine Indizwirkung zugunsten der Klagepartei im Hinblick auf das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen im klägerischen Fahrzeug kann daher dieser Rückruf nicht entfalten.
27
Der Rückruf unter der Nummer 8168, der das klägerische Q7-Fahrzeug mit den Motorkennbuchstaben CRTC - unstreitig - betrifft, erfolgte wiederum nicht wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen. Der Rückrufgrund wird in der Rückrufdatenbank des KBA bezeichnet als „Konformitätsabweichung von den Vorschriften des Anhang XVI, Abschnitt 4 der Verordnung (EG) Nr. 692/2008“; er ist in der o.g. Liste des KBA zu den unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht aufgeführt. Die Beklagte trägt vor, der hier einschlägige Rückruf habe (nur) die Betankung des AdBlue-Tanks betroffen. Letzteres trifft ausweislich der Beschreibung in der KBA-Rückrufdatenbank zu: Die Vorschriften des Anhangs XVI, Abschnitt 4 der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 betreffen die Erkennung eines falschen Reagens bei Fahrzeugen, die ein Reagens für ihr Abgasnachbehandlungssystem benötigen. Ein Zusammenhang mit einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung kann dabei nicht erkannt werden. Daran ändert auch die Verwendung eines einheitlichen Rückruf-Codes (23X6) nichts. Dieser Code wird von den Herstellern vergeben. Er wurde von Audi ausweislich der Rückrufdatenbank zwischen 2018 und 2021 12x vergeben, und zwar für unterschiedliche Mangelbeschreibungen (etwa „Konformitätsabweichung Antriebssteuerungssoftware“). Ein Rückschluss auf das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug ergibt sich daraus nicht.
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(2) Auch aus ggf. erfolgten sonstigen Rückrufen bzw. Feststellungen des Kraftfahrtbundesamtes gegenüber der Beklagten wegen von dieser hergestellter - anderer - 3.0 Liter Diesel-Motoren ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug, die den Vorwurf des § 826 BGB rechtfertigt. Genauso wenig wie das Bestehen eines Rückrufes des Kraftfahrtbundesamts für ein konkretes Fahrzeug zwingende Voraussetzung für einen für § 826 BGB maßgeblichen Sachvortrag ist, ist das Bestehen von Rückrufen gegenüber einem bestimmten Automobilhersteller stets als hinreichend „greifbarer Anhaltspunkt“ im Sinne der vorstehend erläuterten Rechtsprechung zu sehen. Vielmehr ist auch hier immer auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Vorliegend ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das streitgegenständliche Fahrzeug von Modell, Typ, Leistung etc. her vergleichbar wäre mit anderen Fahrzeugen der Beklagten, bei denen unzulässige Abschalteinrichtungen festgestellt wurden, so dass ein Vorhandensein auch im klägerischen Fahrzeug naheliegend oder greifbar erscheint: Der Kläger stützt seinen Vortrag zum Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug nahezu ausschließlich auf die Anlage K 6, d.h. einen undatierten Bescheid des KBA (offenbar aus 2017) betreffend Audi Q7, Typ 4L, 3,0 l Diesel Euro 6 (sog. Euro 6-Vorerfüller), der auszugsweise ein als Anlage K 7 vorgelegtes Gutachten zur „Audi-Akustikfunktion“ zitiere, sowie die Pressemitteilung des KBA vom 23.01.2018 (Anlage K 8). Leistung, Motorkennzeichen o.ä. zu den betroffenen Fahrzeugen sind in letzterer nicht angegeben. Der Bescheid (Anlage K 6) bezieht sich ausdrücklich nur auf „Typ 4L Fahrzeuge“ und mithin nicht auf das Klägerfahrzeug, das ausweislich seiner FIN - wie ausgeführt - ein Typ 4M ist.
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(3) Der Kläger trägt insgesamt keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen vorhanden sind. Es kann nicht allein aufgrund des Vortrags allgemein zur Entwicklung von Abschalteinrichtungen im Volkswagenkonzern und zu Rückrufen verschiedener Fahrzeuge der Beklagten von einem verdichteten Sachverhalt zur flächendeckenden Implementierung von unzulässigen Abschalteinrichtungen in allen Dieselfahrzeugen der Beklagten mit der Folge einer sekundären Darlegungslast oder gar einer umgekehrten Darlegungs- und Beweislast ausgegangen werden. Zu sehen ist, dass seit Bekanntwerden des Abgasskandals nunmehr einige Jahre verstrichen sind. Seither untersucht das Kraftfahrtbundesamt fortlaufend Dieselfahrzeuge auch der Beklagten auf unzulässige Abschalteinrichtungen. Dabei wurde, wie sich aus den von der Beklagten vorgelegten Auskünften des KBA (Anlage BE 1 ff.) ergibt, die Frage, ob in Fahrzeugen des streitgegenständlichen Modells „Q7“ unzulässige Abschalteinrichtungen in Bezug auf das Emissionskontrollsystem vorhanden sind, bereits an das Kraftfahrtbundesamt herangetragen. Gleichwohl konnten solche nicht festgestellt werden. Gleichzeitig lassen die unterschiedlichen Rückrufe unterschiedlich leistungsstarker Fahrzeuge unterschiedlicher Typen mit unterschiedlichen Motorkennbuchstaben einen Rückschluss darauf zu, dass eine differenzierte Untersuchung durch das KBA im Hinblick auf unzulässige Abschalteinrichtungen beim fraglichen Fahrzeugmodell Audi Q7 stattgefunden hat. Demnach ist das Klägerfahrzeug nicht betroffen.
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Es sind insgesamt keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug vorgetragen oder ersichtlich. Die entsprechende Behauptung der Klagepartei erfolgte „ins Blaue hinein“, so dass sie unbeachtlich und einer Beweisaufnahme nicht zugänglich ist. Das Landgericht hat eine Haftung aus §§ 826, 31 BGB mithin zu Recht verneint.
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Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des BGH im Urteil vom 30.07.2020 (VI ZR 5/20) wird Bezug genommen.
32
Soweit der Kläger seinen Schadensersatzanspruch auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB stützen möchte, liegt bei dem hier streitgegenständlichen Gebrauchtwagenkauf schon kein zur angestrebten Bereicherung stoffgleicher Vermögensschaden vor. Auf die Ausführungen des BGH im Urteil vom 30.07.2020 (aaO) wird wiederum Bezug genommen.
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Nachdem die Erfüllung des objektiven Tatbestands einer unerlaubten Handlung nicht zur Überzeugung des Senates feststeht, scheidet auch ein Anspruch aus § 831 BGB aus.
34
Es besteht schon dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch des Klägers. Ausführungen zur Höhe desselben erübrigen sich daher genauso wie Ausführungen zu den geltend gemachten Nebenforderungen, die das Schicksal der Hauptforderung teilen.
III.
35
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 ZPO.
36
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
37
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen. Es liegt weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vor noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zudem sind die maßgeblichen Fragen vom Bundesgerichtshof bereits entschieden.
Verkündet am 24.01.2022 … Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle