Inhalt

LArbG München, Beschluss v. 20.05.2022 – 5 TaBVGa 2/22
Titel:

Kein Abbruch einer Betriebsratswahl bei "einfachen" Verfahrensfehlern

Normenketten:
BetrVG § 14a, § 19
WO § 6 Abs. 1, § 28 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Ein Abbruch der Wahl kommt nur in Betracht, wenn - bei summarischer Prüfung - die Nichtigkeit der Wahl im Falle der weiteren Durchführung des Wahlverfahrens zu erwarten ist (Anschluss an BAG 27.07.2011, 7 ABR 61/10 und LAG München 23.04.2018, 6 TaBVGa 5/18). (Rn. 23)
2. Wird in einem Kleinbetrieb das gem. § 14 a Abs. 1 BetrVG zwingend vorgeschriebene vereinfachte Wahlverfahren nicht durchgeführt, hat das keine Nichtigkeit der Wahl zu Folge, sondern lediglich deren Anfechtbarkeit. Die Verwendung der falschen Verfahrensregeln verstößt nicht offensichtlich gegen die allgemeinen Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl (Anschluss an BAG 13.03.2013, 7 ABR 70/11). (Rn. 26)
Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften handeln (Anschluss an die stRspr, s. etwa BAG BeckRS 2013, 68949 Rn. 15; BeckRS 2021, 30163 Rn. 28; jeweils mwN). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweilige Verfügung, Abbruch einer Betriebsratswahl, Verfahrensfehler, Anfechtbarkeit, Nichtigkeit
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 19.05.2022 – 36 BVGa 20/22
Fundstellen:
LSK 2022, 23841
NZA-RR 2022, 592
NZA 2022, 1558
BeckRS 2022, 23841

Tenor

Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 19.05.2022, Az.: 36 BVGa 20/22 wird abgeändert:
Der Antrag der Arbeitgeberin auf Abbruch der Betriebsratswahl wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um den Abbruch der für Freitag, den 20.5.2022 zwischen 12:00 bis 15:00 Uhr vorgesehenen Betriebsratswahl.
2
Die inhabergeführte Antragstellerin (Arbeitgeberin) betreibt ein Einzelhandelsgeschäft und beschäftigt insgesamt 26 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Der Antragsgegner ist der auf der Wahlversammlung vom 13.4.2022 gewählte dreiköpfige Wahlvorstand. Im Betrieb der Antragstellerin besteht bislang kein Betriebsrat.
3
Nachdem die Arbeitgeberin nach wiederholter Aufforderung und Fristverlängerung mit Schreiben vom 4.5.2022 die Daten zur Erstellung der Wählerliste zur Verfügung gestellt hat, gab der Wahlvorstand aufgrund seines Beschlusses vom 9.5.2022 durch Aushang im Betrieb der Antragstellerin am selben Tag mittels Wahlausschreiben bekannt, dass die Betriebsratswahl auf einer Wahlversammlung am Freitag dem 20.5.2022 von 12:00 Uhr bis 15:00 Uhr in der Betriebsstätte stattfinden wird. Das Wahlausschreiben setzte für die Einreichung von Wahlvorschlägen unter Hinweis darauf, dass nur fristgerecht eingereichte Wahlvorschläge berücksichtigt werden können, eine Frist für den 12.5.2022 um 14:00 Uhr und informierte zudem u.a. über Wahlberechtigung und Wählbarkeit, sowie die Möglichkeit von Briefwahl.
4
Am frühen Nachmittag des 12.5.2022 übergab die Mitarbeiterin F. einem Wahlvorstandsmitglied zwei schriftliche Wahlvorschläge mit jeweils zwei Stützunterschriften betreffend ihrer eigenen Person und ihres Kollegen K. (nach eigenen Angaben von Frau F. um 13:00 Uhr und nach Angaben des Wahlvorstands um 13:35 Uhr). Der Wahlvorstand zog sich daraufhin in einen Büroraum des Betriebes zur Prüfung der Wahlvorschläge zurück und teilte der Mitarbeiterin F. jedenfalls nach 14:00 Uhr (nach eigenen Angaben von Frau F. um 15:30 Uhr und nach Angaben des Wahlvorstands um 14:30 Uhr). schriftlich mit, dass die Wahlvorschläge ungültig seien, weil sie nicht von den Wahlbewerbern unterschrieben waren. Frau F. warf sodann am Vormittag des 13.5.2022 einen nunmehr unterzeichneten Wahlvorschlag jeweils für sich und ihren Kollegen K. in den Briefkasten des Wahlvorstandes ein. Der Antragsgegner teilte ihr mit, dass er um 11:30 Uhr die eingereichten Wahlvorschläge geprüft und festgestellt habe, dass diese wegen nicht fristgerechter Einreichung unheilbar ungültig seien.
5
Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Arbeitgeberin geltend gemacht, die laufende Betriebsratswahl müsse abgebrochen werden, weil die weitere Durchführung nichtig sei. Die vom Wahlvorstand gesetzten Fristen für die Einreichung von Wahlvorschlägen seien zu kurz und offensichtlich deshalb so gewählt worden, dass nur wohlgesonnene Kollegen und Kolleginnen zur Wahl zugelassen würden. So sei diesem bekannt gewesen, dass der eine Wahlbewerber bis einschließlich 11.5.2022 im Urlaub und die Wahlbewerberin F. erst ab 11.5.2022, 14:00 Uhr wieder im Betrieb anwesend war. Die fehlenden Unterschriften hätten zudem unschwer vor Fristablauf von den Wahlbewerbern nachgeholt werden können, was nicht erfolgt sei, weil diese bewusst als Wahlkandidaten verhindert werden sollten.
6
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die bereits eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen.
7
Der Antragsgegner hat erstinstanzlich beantragt,
den Antrag zurück zu weisen.
8
Der Antragsgegner hat geltend gemacht, dass die Zeit für die Einreichung von Wahlvorschlägen nicht zu kurz bemessen gewesen sei. Auch komme der Abbruch einer Betriebsratswahl nach der Rechtsprechung nur in Betracht, wenn die Wahl nichtig sei. Verfahrensmängel, die lediglich die Anfechtbarkeit der Wahl zur Folge haben, würden nicht ausreichen.
9
Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 19.5.2022 Az. 36 BVGa 20/22 dem Antrag stattgegeben und dem Wahlvorstand untersagt, die derzeit im Betrieb des Arbeitgebers laufende Betriebsratswahl fortzusetzen. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass ein Abbruch der Wahl nur bei einer Nichtigkeit in Betracht komme und eine voraussichtliche Anfechtbarkeit hierfür nicht genüge. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei eine Betriebsratswahl nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig sei. Hierfür sei ein so eklatanter Verstoß gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl erforderlich, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht, was nur bei besonders gravierenden und krassen Wahlverstößen angenommen werden könne, bei denen ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist, weil die Betriebsratswahl „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn trage“.
10
Ein solcher Ausnahmefall sei vorliegend gegeben, da die Betriebsratswahl aufgrund offensichtlicher Verstöße gegen zwingende Wahlvorschriften nichtig sei. Unstreitig seien im Betrieb der Antragstellerin 26 wahlberechtigte Arbeitnehmer:innen beschäftigt, so dass die Wahl eines Betriebsrates nach § 14a BetrVG zwingend im vereinfachten zweistufigen Wahlverfahren durchzuführen sei, da bislang im Betrieb kein Betriebsrat bestehe. Danach sei in einer ersten Wahlversammlung der Wahlvorstand zu wählen und die Wahlvorschläge seien schriftlich, aber auch mündlich einzubringen, worauf im Einladungsschreiben zu dieser ersten Wahlversammlung hinzuweisen sei. Auch könnten lediglich in dieser ersten Wahlversammlung eingereichte Wahlvorschläge Berücksichtigung finden und die zweite Wahlversammlung, in der dann der Betriebsrat selbst gewählt werde, habe sodann eine Woche später stattzufinden. Verstöße gegen diese Wahlvorschriften machten die Wahl anfechtbar, in krassen Fällen ausnahmsweise sogar nichtig,
11
Von einem derart eklatanten und schwerwiegenden Verstoß gegen die zwingenden Wahlvorschriften der §§ 14a BetrVG, 28ff WO, die zur Nichtigkeit der eingeleiteten Betriebsratswahl führe, gehe die entscheidende Kammer vorliegend aus. Der Wahlvorstand habe nämlich nicht lediglich gegen einzelne Wahlvorschriften im Rahmen des vereinfachten Wahlverfahrens nach § 14a BetrVG verstoßen, sondern habe hat vielmehr dieses zwingend einzuhaltende Verfahren völlig ignoriert und sich am Regelverfahren orientier. Ob dies bewusst oder in Unkenntnis erfolgt sei, könne dahinstehen, weil es nicht entscheidungsrelevant sei. Da es nach dem Vortrag der Beteiligten und ausweislich der Aktenlage keinen Zweifel daran geben könne, dass bei lediglich 26 wahlberechtigten Arbeitnehmer:innen in einer einzigen Betriebsstätte die durchzuführende Wahl im vereinfachten Wahlverfahren durchzuführen ist, stelle sich die Durchführung der Wahl im unzutreffenden Verfahren als eklatanter und offensichtlicher Verstoß gegen zwingende Wahlvorschriften dar. Der Verfügungsgrund folge aus der unmittelbar bevorstehenden Betriebsratswahlen am 20.5.2022.
12
Gegen diesen Beschluss, dem Wahlvorstand zugestellt am 19.05.2022, hat dieser am 19.5.2022., Beschwerde eingelegt und gleichzeitig begründet.
13
Der Wahlvorstand beruft sich mit seiner Beschwerde auf die Rechtsprechung des BAG (27.07.2011, Az. 7 ABR 61/10) und des LAG München (23.04.2018, Az. 6 TaBVGa 5/18) und macht geltend, dass ein Abbruch oder eine Aussetzung der laufenden Betriebsratswahl im Wege der einstweiligen Verfügung nur zulässig sei, wenn bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung im Verfahren zuverlässig erkennbar ist, dass die Wahl nichtig sein wird. Sollte die Wahl zuverlässig erkennbar anfechtbar sein, so sei diese nicht abzubrechen, sondern es sei maximal korrigierend im Wege der Leistungsverfügung einzugreifen. Sollte auch dies nicht möglich sein, weil beispielsweise die Wahl schon zu weit fortgeschritten ist, um noch korrigierend eingreifen zu können, so sei die gesetzliche Wertung hinzunehmen, dass die Wahl nur im Nachhinein im Wege der Anfechtung angegriffen werden kann und der gewählte Betriebsrat, solange das Anfechtungsverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, im Amt verbleibt. Denn genau dies sei die Absicht des Gesetzgebers gewesen.
14
Der Wahlvorstand vertritt die Ansicht, dass ein Grund für die Nichtigkeit der Wahl nicht vorliegt, sondern höchstens für deren Anfechtbarkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei eine nichtige Wahl des Betriebsrats nur in extremen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Dies sei entgegen der Ansicht des Ausgangsgerichts nicht gegeben. Die beabsichtigte Betriebsratswahl „trägt nicht den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn“. Auch handele es sich nicht um eine nicht nach demokratischen Grundsätzen durchgeführte Wahl. Besonders hervorzuheben sei, dass das vom Wahlvorstand nach Überlassung der Daten zur Erstellung der Wählerliste gewählte Verfahren richtig gewesen wäre, wenn der Wahlvorstand durch den Betriebsrat, den Gesamtbetriebsrat oder den Konzernbetriebsrat eingesetzt worden wäre. In einem solchen Fall könne die Wahl dieses Verfahrens nicht zur Nichtigkeit und damit zum Abbruch der Wahl führen.
15
Ebenfalls zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, dass die Arbeitgeberin der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht zur Erstellung der Wählerliste nicht nachgekommen ist und dem Wahlvorstand erst ca. einen Monat nach der ersten Aufforderung die erforderlichen Daten überlassen hat. Die Arbeitgeberin verhalte sich widersprüchlich, wenn sie nun den Abbruch der Betriebsratswahl begehre. Hier müsse der Rechtsgedanke des § 19 Abs. 3 Satz 3 BetrVG herangezogen werden. Das Ausgangsgericht habe daher dem Antrag unzutreffend stattgegeben und die für den 20.05.2022 geplante Betriebsratswahl unzulässig abgebrochen.
16
Am 19.05.2022 habe der Wahlvorstand beschlossen, gegen den Beschluss Beschwerde einzureichen und die unterfertigte Kanzlei mit seiner Vertretung im Beschwerdeverfahren zu beauftragen.
17
Der Wahlvorstand beantragt,
I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 19.05.2022, Az. 36 BVGa 20/22, verkündet am 19.05.2022, wird abgeändert.
II. Der Antrag wird zurückgewiesen.
18
Die Arbeitgeberin hat im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben und ist auch nicht zum Anhörungstermin erschienen.
19
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die erstinstanzlichen Schriftsätze und den Schriftsatz des Wahlvorstands vom 19.5.2022 Bezug genommen.
II.
20
Die Beschwerde ist statthaft und hat auch in der Sache Erfolg.
21
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist in rechter Form und Frist eingelegt und begrün det (§ 87 Abs. 1, 2, § 89 Abs. 1, 2, § 66 Abs. 1 ArbGG, 516, 518 ZPO).
22
2. Die Beschwerde ist begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht entschieden, dass die Wahl abzubrechen ist. Auch wenn im Rahmen des Wahlverfahrens deutliche Fehler - insbesondere die Wahl des falschen Verfahrens - zu erkennen sind, erreichen diese nicht die Qualität, dass eine durchgeführte Wahl nichtig wäre. Daher kann die Arbeitgeberin keinen Abbruch der Betriebsratswahl im Betrieb der Arbeitgeberin verlangen, denn selbst bei einer sicher erfolgreichen Anfechtbarkeit der Wahl hat ein Abbruch zu unterbleiben.
23
2.1 Der Abbruch des Wahlverfahrens darf nur erfolgen, wenn - bei summarischer Prüfung - die Nichtigkeit der Wahl im Falle der weiteren Durchführung des Wahlverfahrens zu erwarten ist (BAG 27.07.2011, 7 ABR 61/10, NZA 2012, 345, Rn. 25 ff.). Das Bundesarbeitsgericht verweist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass ansonsten, bei ausreichender sicherer Anfechtbarkeit, ein Antragsteller mit dem gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen Unterlassungsantrag mehr erreichen könnte als mit einer gesetzlich vorgesehenen Wahlanfechtung. Letztere wiese nach § 19 Abs. 1 BetrVG keine rückwirkende Kraft auf, sondern wirkte nur für die Zukunft. Der gewählte Betriebsrat bliebe mithin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Wahlanfechtungsverfahrens auch im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Wahl mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt. Zudem würde mit dem Wahlabbruch im Falle bloßer Anfechtbarkeit im Einzelfall verhindert, dass zumindest vorläufig eine Arbeitnehmerinteressenvertretung gewählt wird. Ein betriebsratsloser Zustand bliebe aufrechterhalten oder würde geschaffen, wie er nur bei einer nichtigen Wahl auftreten könnte und dürfte. Auch würde der vorzeitige Abbruch einer voraussichtlich nur anfechtbaren Wahl der Konzeption des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nicht gerecht, wonach die Wahlanfechtung nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig sei. Mache innerhalb dieser Frist keiner der Anfechtungsberechtigten von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch, könnten Fehler bei der Wahl des Betriebsrats - mit Ausnahme der Nichtigkeit der Wahl - nicht mehr geltend gemacht werden (LAG München 23.04.2018, 6 TaBVGa 5/18, m.w.N.).
24
2.2 Eine voraussichtliche Nichtigkeit der durchzuführenden Wahl ist vorliegend bei summarischer Prüfung nicht zu erkennen.
25
Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und einhelliger Auffassung im Schrifttum nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Es muss demnach sowohl ein offensichtlicher, als auch ein besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen (BAG 22.03.2000, 7 ABR 34/98, Rn. 16; BAG 19.11.2003, Az. 7 ABR 24/03, jeweils zitiert nach juris,). Ein solch grober Verstoß und offensichtlicher Verstoß liegt z.B. vor, wenn die Wahl ohne Bestellung eines Wahlvorstands und ohne geordnetes Verfahren i.S.d. Wahlordnung durchgeführt wird (BAG 13.03.2013, 7 ABR 70/11, Rn 18 f, NZA 2013, 738 /741)).
26
2.2.1 Die hier unstreitige Verwendung des falschen Wahlverfahrens (hier wäre das Verfahren für Kleinbetriebe gem. § 14 a Abs. 1 BetrVG zwingend gewesen) stellt zwar einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften i.S. des § 19 Abs. 1 BetrVG dar und kann mit einiger Wahrscheinlichkeit auch das Wahlergebnis beeinflussen, führt aber - genauso wie die weiteren etwaigen von der Arbeitgeberin genannten Fehler - jeweils für sich genommen nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl (so auch BAG 19.11.2003, Az. 7 ABR 24/03 zu einem Wahlverfahren, das zu Unrecht im vereinfachten Verfahren durchgeführt worden ist, in dem sich der Wahlvorstand aber auch an die hierfür geltenden Regeln nicht gehalten und weitere gravierende Verstöße gegen Wahlvorschriften hinsichtlich des Wahlausschreibens und der Bekanntmachung der anerkannten Wahlvorschläge zu verantworten hatte, die geeignet waren das Wahlergebnis zu beeinflussen). Auch bei der Verwendung der falschen Verfahrensregeln liegt grundsätzlich ein geordnetes Verfahren vor, das nicht gegen die allgemeinen Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl offensichtlich verstößt.
27
2.2.2 Auch die weiteren von der Arbeitgeberin benannten Fehler sind nicht geeignet, die Nichtigkeit der Wahl zu begründen. Es spricht zwar viel dafür, dass die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen zu kurz bemessen war (das legen die Vorschriften in § 6 Abs. 1 WO bzw. § 28 Abs. 1 S. 2 WO i.V.m. § 14 a Abs. 2 BetrVG nahe) und möglicherweise kommt auch ein Verstoß des Wahlvorstands in Betracht, wenn er- nach einem näher aufzuklärenden konkreten Zeitablauf bei der Abgabe der nicht von den Wahlbewerbern unterzeichneten Wahlvorschläge am frühen Nachmittag des 12.5.2022 - nicht rechtzeitig auf den Mangel hingewiesen haben sollte, dass dieser hätte behoben werden können. Etwaige Verstöße gegen zwingende Wahlvorschriften sind in diesem Zusammenhang aber allenfalls geeignet, eine Wahlanfechtung zu begründen, führen aber nach den oben genannten strengen Voraussetzungen nicht zu einer Nichtigkeit der Wahl.
28
2.3 Handelt es sich bei den einzelnen Verstößen um Mängel, die jeder für sich genommen zwar die Anfechtung der Betriebsratswahl rechtfertigen, nicht aber die Wahl als nichtig erkennen lassen, so kann weder die addierte Summe der Fehler noch eine Gesamtwürdigung zur Nichtigkeit führen (BAG 19.11.2003, Az. 7 ABR 24/03; LAG München 23.04.2018, 6 TaBVGa 5/18).
III.
29
Gem. § 2 Abs. 2 GKG werden im Beschlussverfahren keine Kosten erhoben.
IV.
30
Eine Rechtsbeschwerde findet nicht statt (§§ 92 Abs. 1 Satz 3, 85 Abs. 2 ArbGG).