Inhalt

LArbG München, Beschluss v. 11.07.2022 – 4 TaBV 9/22
Titel:

Auskunftsanspruch des örtlichen Betriebsrats über Arbeitszeiten von Außendienstmitarbeitern - Gesamtbetriebsvereinbarung

Normenketten:
BetrVG § 29, § 33, § 50 Abs. 1 S. 1, § 80
ZPO § 259
ArbZG § 5 Abs. 1, § 7, § 16 Abs. 2
Leitsätze:
Der örtliche Betriebsrat fordert (i.E. erfolgreich) Auskunft über Arbeitszeiten von Außendienstmitarbeitern, für die nach einer Gesamtbetriebsvereinbarung Vertrauensarbeitszeit gelten soll. Gleichzeitig zur Anforderung an die Ladung des Betriebsrats zu einer Sitzung: Es genügt ein Schreiben der Assistentin des BR im Auftrag des BR-Vorsitzenden.
1. Die Überwachungsaufgabe des (örtlichen) Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 BetrVG ist allein an die Eröffnung dessen Aufgabenbereichs geknüpft; vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte ist sie unabhängig (unter Hinweis auf BAG BeckRS 2003, 41604). Demgemäß steht dem (örtlichen) Betriebsrat im Rahmen dieses Aufgabenbereichs ein Auskunftsanspruch auch dann zu, wenn mit der begehrten Information die Durchführung einer Gesamtbetriebsvereinbarung kontrolliert werden soll. (Rn. 81 – 83) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar muss nach § 29 Abs. 2 S. 1 BetrVG die Ladung zur Sitzung des Betriebsrats durch dessen Vorsitzenden geschehen. Dies bedeutet aber nicht, dass dieser eigenhändig die Einladung verfassen und versenden muss. Vielmehr kann er sich dazu auch eines Dritten bedienen; für die Eingeladenen muss nur erkennbar sein, dass Veranlassender der Einladung der dafür zuständige Vorsitzende und nicht ein Dritter ist. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auskunftsanspruch, Vertrauensarbeitszeit, Regelungszuständigkeit, Ladung zur BR-Sitzung, Gesamtbetriebsvereinbarung, Außendienstmitarbeiter, Betriebsratssitzung, Ladung
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 18.10.2021 – 29 BV 61/21
Fundstelle:
BeckRS 2022, 23840

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 18.10.2021, Az: 29 BV 61/21, unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
1. Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1) bis zum 15. des Folgemonats folgende Auskünfte über die Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers im Vertriebsaußendienst des Betriebs der Y - ausschließlich der leitenden Angestellten - zu erteilen:
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit an jedem Arbeitstag des Vormonats;
- jede Über- bzw. Unterschreitung der regelmäßigen betrieblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38.5 Stunden, bezogen auf jede Woche, die im Vormonat endet;
- jede an Sonn - und Feiertagen des Vormonats geleistete Arbeitsstunde.
2. Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1) die gem. § 16 Abs. 2 S. 1 BetrVG erforderlichen Aufzeichnungen über die über acht Stunden pro Tag hinausgehende Arbeitszeit für jeden Monat spätestens zum 15. des Folgemonats zur Verfügung zu stellen.
3. Im übrigen wird der Antrag (3) abgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten über Auskunftsansprüche.
2
Der Beteiligte zu 1) ist der zköpfige Betriebsrat in dem Betrieb „Y“ der Beteiligten zu 2), die ein Mobilfunk- und Telefonfestnetz betreibt und in ihrem Betrieb „Y“ derzeit ca. 545 Arbeitnehmer beschäftigt. In allen Betrieben - mit Ausnahme der Zentrale - sind Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst tätig.
3
Die betriebliche Organisation der Beteiligten zu 2) basiert auf einem Zuordnungstarifvertrag gem. § 3 BetrVG vom 19.09.2013 (in Anlage B2 zum Schriftsatz der Beteiligten zu 2) vom 23.06-2021, Bl. 54 ff.d.A.). Dieser sieht eine Unterteilung in Regionen vor, von denen drei in Doppelregionen zusammengefasst sind, worin eine übergreifende Leitungsstruktur in den Vertriebsorganisationen besteht.
4
Seit 20.05.2009 wird die Arbeitszeit aller Mitarbeiter der Beteiligten zu 2) im Vertriebsaußendienst durch die Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der X und dem Gesamtbetriebsrat der X über einheitliche Arbeitszeiten für Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst geregelt (in Anlage B1 zum Schriftsatz der Beteiligten zu 2) vom 23.06.2021, Bl. 62 ff. d.A. künftig: GBV). Diese regelt u.a. folgendes:
1. Geltungsbereich
5
Diese Gesamtbetriebsvereinbarung gilt:
- räumlich: für alle Betriebe und Betriebsstätten der ...
- persönlich: für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ff. Mitarbeiter) der X, des Vertriebsaußendienstes. Ausgenommen sind leitende Angestellte gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG.
(…)
5. Verteilung der Arbeitszeit
6
Die Mitarbeiter können unter Beachtung der betrieblichen Erfordernisse und der jeweiligen Kundenanforderungen (internextern) innerhalb des Arbeitszeitrahmens selbst bestimmen, wann sie die Arbeit aufnehmen und beenden. Dabei haben sie vorrangig die betrieblichen Belange zu beachten. Abweichungen von der Soll-Arbeitszeit sind durch die Mitarbeiter des Vertriebsaußendienstes eigenverantwortlich auszugleichen. Zeitguthaben ist unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange, in Absprache mit dem Vorgesetzten abzubauen. Dabei ist abteilungsbezogen sicherzustellen, dass die Erledigung der Aufgaben und die Erreichbarkeit im Sinne der gesamtbetrieblichen Erfordernisse geregelt ist. (…)
(…)
8. Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und Nachweispflicht
7
8.1 Die Mitarbeiter des Vertriebsaußendienstes sind verpflichtet, die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten. Diese lauten u.a.:
§ 3
8
Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nichtüberschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
§ 4
9
Die Arbeit ist durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehrt als neun Stunden zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.
10
8.2 Die Mitarbeiter sind verpflichtet, alle Arbeitstage aufzuschreiben, an denen sie mehr als acht Stunden - exkl. Pausen - gearbeitet haben. Die Aufzeichnungen sind vom Arbeitgeber aufzubewahren.
11
8.3 Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die vom Arbeitnehmer zu führenden Aufzeichnungen zur Verfügung stellt.
12
Seit 01.02.2021 gilt außerdem im Betrieb der Y die Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeitgestaltung in der C. Y vom 02.11.2020 (in Anlage ASt 1 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 1) vom 08.03.2021, Bl. 7 ff.d.A.; künftig: BV), die im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens zwischen den Beteiligten geschlossen wurde. Diese bestimmt u.a.:
13
Präambel Vor dem Hintergrund der geltenden Betriebsvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit zwischen der W und dem Betriebsrat der W Y vom 26. Oktober 1999 wird eine Neuregelung der Arbeitszeit eingeführt. Diese dient dem Zweck, einen bedarfsgerechten und kundenorientierten Arbeitnehmereinsatz zu gewährleisten, dabei die kollegiale Zusammenarbeit unter den Arbeitnehmern zu fördern, deren Leistungsbereitschaft im Sinne der Unternehmensziele zu nutzen sowie deren Leistungsfähigkeit durch eine faire Freizeitgestaltung und ein hohes Maß an Eigenverantwortung zu erhalten.
14
Die Betriebsparteien sind sich einig, dass diese Betriebsvereinbarung die bisherige Betriebsvereinbarung zur Gleitenden Arbeitszeit vom 26. Oktober 1999 sowie die bisherige Betriebsvereinbarung zur Einsatzplanung in den Filialen vom 25. September 2008 mit Inkrafttreten unmittelbar ersetzt.
15
Dies vorausgesetzt, vereinbaren die Parteien Folgendes:
§ 1 Geltungsbereich
16
Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Absatz 1 BetrVG des Betriebs der X Y in allen Bereichen/Abteilungen mit Ausnahme:
- der leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Absatz 3 BetrVG Besondere Arbeitszeitregelungen gelten für:
- Arbeitnehmer, die der Filialkette zugehörig sind, Anlage A1
- Außertariflichte Arbeitnehmer, (…)
- Arbeitnehmer, die im Bereich Business Customer Operations (…) tätig sind (…)
- Arbeitnehmer in der Sales Service Line (AEL) (…)
- Auszubildende und Duale Studenten (…)
- Aushilfen/Werkstudenten, Praktikanten, Bacheloranden, Masteranden sowie Diplomanden (…)“
(…)
§ 11 Nr. 2 Rechte des Betriebsrats
17
Der Betriebsrat erhält spätestens bis zum 15. jeden Monats eine Saldenliste aller Gleitzeitkonten des Vormonats in elektronischer Form.
18
Nach dem Sitzungsprotokoll des Einigungsstellenverfahrens vom 23.09.2020 (in Anlage B4 zum Schriftsatz der Beteiligten zu 2) vom 23.062021, Bl. 75 d.A.) stellten die Mitglieder der Einigungsstelle zunächst fest, „dass die Regelung der Arbeitszeit für den Vertriebsaußendienst im Hinblick auf die „GBV über einheitliche Arbeitszeiten für die Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst vom 20.5.2009“ nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Einigungsstellenverfahrens ist“.
19
Nachdem die Beteiligte zu 2) bisher keine Auskünfte zu den Arbeitszeiten der Vertriebsaußendienstmitarbeiter erteilt hatte, erbat der Beteiligte zu 1) zuletzt mit Email vom 24.02.2021 erfolglos Informationen in Umsetzung von § 11 Nr. 2 BV.
20
Im Newsletter vom Juli 2021 (in Anlage B 7 zum Schriftsatz der Beteiligten zu 2) vom 01.09.2021, Bl. 146 d.A.) teilte er der Belegschaft mit, dass Arbeitszeiterfassung für die Mitarbeiter des Vertriebsaußendienstes, für die nicht die neue BV, sondern die GBV gelte, bisher nicht erfolge.
21
In seiner Sitzung vom 24.02.2021 stellten die anwesenden Mitglieder des Beteiligten zu 1) (einschließlich zweier Ersatzmitglieder) fest, „dass der Arbeitgeber entsprechend § 11 der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit vom 02.11.2020 verpflichtet ist, nachfolgende Arbeitszeiten der Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst dem Betriebsrat zur Verfügung zu stellen“, nämlich Beginn und Ende, Saldenlisten der Gleitzeitkonten des Vormonats, und dass er dies verweigere. Mit neun Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen beschloss das Gremium „daher, das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren einzuleiten mit dem Ziel, den Arbeitgeber zur Durchführung der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit sowie zur Bereitstellung der o.g. Arbeitszeiten anzuhalten“.
22
Nachdem die Beteiligte zu 2) im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstmals die ordnungsgemäße Beschlussfassung zur Einleitung des Verfahrens rügte, wurde in der Sitzung vom 11.05.2022, zu der die Mitglieder mit Email vom 27.04.2022 (in Anlage BF7 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 1) vom 07.06.2022, Bl. 341 d.A.) durch die Assistentin des Betriebsrats auf Anweisung des Vorsitzenden eingeladen worden waren, ausweislich des Sitzungsprotokolls (in Anlage BF10 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 1) vom 07.06.2022, Bl. 350 ff.d.A.) einstimmig durch die zehn Anwesenden - darunter vier Ersatzmitglieder, eines fehlte unentschuldigt - die Tagesordnung angenommen und die Genehmigung des bereits laufenden Beschlussverfahrens mit den konkreten Anträgen beschlossen.
23
In einer weiteren Sitzung vom 08.06.2022 stimmte das Gremium erneut über die Genehmigung des Verfahrens ab.
24
Mit seinem Antrag begehrt der Beteiligte zu 1) Auskunft über die Arbeitszeiten der Vertriebsaußendienstmitarbeiter, konkret über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Über- bzw. Unterschreitungen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sowie über jede an Sonn - und Feiertagen geleistete Arbeitsstunde. Den Anspruch sieht er in seinem Kontrollrecht nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die geforderten Informationen brauche er, um die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 3 AZG zu überwachen.
25
Die in der GBV vereinbarte Vertrauensarbeitszeit schließe die Erfüllung nicht aus. Es sei schon zweifelhaft, ob diese wirksam oder nicht vielmehr die BV auch für die Vertriebsaußendienstmitarbeiter anwendbar sei. Jedenfalls sei die Erfassung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber europarechtlich durch die RL 2003/88-EG und den EuGH vorgegeben. So könne mit der GBV das Kontrollrecht des Betriebsrats entsprechend der Rechtsprechung auch des Bundesarbeitsgerichts nicht torpediert werden.
26
Vertrauensarbeitszeit und Kontrollrecht widersprächen sich außerdem nicht: Die Vertrauensarbeitszeit diene der größeren Freiheit der Arbeitszeitgestaltung, nicht der Regelung der Länge der Arbeitszeit. Die Beteiligte zu 2) könne nicht meinen, dass mit Vertrauensarbeitszeit das Arbeitszeitgesetz nicht gelte: Der Verzicht auf die Erfassung von Arbeitszeitdaten sei keine zu respektierende Ausübung betrieblicher Organisations- und Leitungsmacht der Arbeitgeberin. Umgekehrt sei die GBV wegen Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz unwirksam, wenn sie Aufzeichnungen ausschließe.
27
Der Beteiligte zu 1) verlangt außerdem monatliche Saldenlisten aller Gleitzeitkonten des Vormonats der Arbeitnehmer im Vertriebsaußendienst. Ein entsprechender Anspruch sei in § 11 BV niedergelegt, dessen Vollzug er nach § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG verlangen könne. Die Vertriebsaußendienstmitarbeiter fielen auch unter die BV, aus deren Geltungsbereich sie gerade nicht herausgenommen worden seien.
28
Erstinstanzlich hat der Beteiligte zu 1) beantragt,
I. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1. bis zum 15. des Folge monats die Auskünfte über die Arbeitszeit jedes der so genannten Arbeitnehmer im Vertriebsaußendienst des Betriebs der Y - ausschließlich der leitenden Angestellten - zu erteilen:
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit an jedem Arbeitstag des Vormonats;
- jede Über- bzw. Unterschreitung der regelmäßigen betrieblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden, bezogen auf jede Woche, die im Vormonat endet;
- jede an Sonn- und Feiertagen des Vormonats geleistete Arbeitsstunde.
II. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1. die zur Erteilung dieser Auskünfte vorhandenen Unterlagen gem. § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG erforderlichen Aufzeichnungen über die über acht Stunden pro Tag hinausgehende Arbeitszeit für jeden Monat bis spätestens zum 15. des Folgemonats zur Verfügung zu stellen.
III. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1., gem. § 11 Nr. 2 der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit vom 02.11.2020, bezogen auf die Arbeitnehmer im Vertriebsaußendienst des Betriebs der Y die Saldenliste aller Gleitzeitkonten des Vormonats bis zum 15. jeden Folgemonats in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen.
29
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Anträge des Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.
30
Sie hat gemeint, die Anträge seien unzulässig und unbegründet.
31
Der Forderung künftiger Auskünfte stehe entgegen, dass anders als in § 259 ZPO gefordert nicht die Sorge der Verweigerung von ihrer Seite bestehe, weil sie sich in der Güteverhandlung zu einem befristeten Modellversuch an 10% der Mitarbeiter bereitgefunden habe.
32
Materiell stehe dem Auskunftsanspruch des örtlichen Betriebsrats die in der GBV niedergelegte Vertrauensarbeitszeit entgegen. Die vom Beteiligten zu 1) geforderten Informationen verunmöglichten die Umsetzung der Vertrauensarbeitszeit, die mit dem zuständigen Gesamtbetriebsrat vereinbart worden und zu deren Sicherung in §§ 5, 8 GBV sogar vorgesehen sei, dass keine Arbeitszeitaufzeichnungen erfolgen sollten. Ihr sei die Erteilung der Auskunft daher unmöglich; sie verfüge über diese Informationen nicht.
33
Inhaltlich gehe es dem Beteiligten zu 2) nicht um die Auskunft, sondern darum, faktisch eine betriebliche Regelung zur Arbeitszeiterfassung der Vertriebsaußendienstmitarbeiter zu erzwingen, für die er nicht zuständig sei.
34
Soweit der Beteiligte zu 1) sich auf § 11 BV berufe, gehe dies ebenfalls fehlt. Der Antrag sei bereits unzulässig, weil er nicht zunächst das in der BV vorgesehene Schlichtungsverfahren angerufen habe.
35
Er sei auch unbegründet: Die Vertriebsaußendienstmitarbeiter seien ausdrücklich nicht Gegenstand der lokalen BV über die Arbeitszeitgestaltung in der Y gewesen, wie sich sowohl dem Einigungsstellenprotokoll wie der Präambel der BV entnehmen lasse, nach der sich die BV ausdrücklich als Nachfolgerin der BV Arbeitszeit, nicht jedoch der GBV verstehe.
36
Mit Beschluss vom 18.10.2021, auf den ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht München unter dem Aktenzeichen 29 BV 61/21 die Anträge abgewiesen. Zwar seien diese zulässig, weil die Beteiligte zu 2) offensichtlich die Erfüllung verweigert habe. Doch fehle es an ihrer Begründetheit: Ein Anspruch des örtlichen Betriebsrats scheitere an der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Regelungen der Arbeitszeit der Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst. Diese ergebe sich aufgrund der zwingend überörtlichen Regelung, die durch den betriebsübergreifenden Führungsansatz der Beteiligten zu 2) im Vertriebsaußendienst vor dem Hintergrund des betriebsübergreifenden Einsatzes und der faktisch einheitlichen Steuerung durch die Zentrale des Unternehmens bedingt sei.
37
Die Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats sei auch nicht durch die BV begründet, aus der ausweislich des Protokolls der Einigungsstelle der Vertrieb gerade ausgenommen worden sei. Ob die Regelung, wie die GBV sie getroffen habe, inhaltlich zulässig sei, sei nicht Frage des hiesigen Rechtsstreits.
38
Gegen diese ihm am 02.02.2022 zugestellte Entscheidung hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 04.02.2022, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist, Beschwerde eingelegt, die er mit solchem vom 01.03.2022, am selben Tag eingegangen, begründet hat.
39
Er rügt Rechtswie Tatsachenfehler der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.
40
Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ändere nichts an dem Überwachungsrechts des örtlichen Betriebsrats und dessen Anspruch aus § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats betreffe nur solche Angelegenheiten, die einer weiteren Ausgestaltung durch die Betriebsparteien zugänglich seien; für Kontrollrechte gelte dies nicht.
41
Ohnehin sei die Begründung des Erstgerichts für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Regelung der Arbeitszeit der Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst mit einer „betriebsübergreifenden Führungsstruktur“ der Beteiligten zu 2) nicht ausreichend und widerspreche der anderslautenden höchstrichterlichen Rechtsprechung; außerdem sei sie unter Heranziehung von Vortrag, der nicht gemacht, und Übergehen seines Vortrags, der nicht beachtet worden sei, erfolgt.
42
Der Beteiligte zu 1) beantragt daher zu erkennen:
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 04.02.2022 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 18.10.2021 - 29 BV 61/21 abgeändert.
II. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1. bis zum 15. des Folgemonats die Auskünfte über die Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers im Vertriebsaußendienst des Betriebs der Y - ausschließlich der leitenden Angestellten - zu erteilen:
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit an jedem Arbeitstag des Vormonats;
- jede Über- bzw. Unterschreitung der regelmäßigen betrieblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden, bezogen auf jede Woche, die im Vormonat endet;
- jede an Sonn- und Feiertagen des Vormonats geleistete Arbeitsstunde;
III. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1. die zur Erteilung dieser Auskünfte vorhandenen Unterlagen gem. § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG erforderlichen Aufzeichnungen über die über acht Stunden pro Tag hinausgehende Arbeitszeit für jeden Monat bis spätestens zum 15. des Folgemonats zur Verfügung zu stellen.
IV. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1., gem. § 11 Nr. 2 der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit vom 02.11.2020, bezogen auf die Arbeitnehmer im Vertriebsaußendienst des Betriebs der Y die Saldenliste aller Gleitzeitkonten des Vormonats bis zum 15. jeden Folgemonats in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen.
43
Die Beteiligte zu 2) beantragt
Zurückweisung der Beschwerde.
44
Sie bestreitet die Zulässigkeit der Beschwerde, für die es an einem wirksamen Betriebsratsbeschluss zur Einleitung des Verfahrens wie der Einlegung der Beschwerde fehle.
45
Zudem sei kein Rechtschutzinteresse erkennbar, weil das eigentliche Augenmerk des Beteiligten zu 1) auf seiner Zuständigkeit für die Arbeitszeitregelung der Vertriebsaußendienstmitarbeiter liege, diese aber Gegenstand nicht des hiesigen, sondern eines weiteren Verfahrens vor dem Arbeitsgericht sei.
46
Die Beschwerde sei zudem unbegründet. Wie erstinstanzlich ausgeführt, torpediere das geltend gemachte Auskunftsrecht die Regelung der GBV, indem die darin geregelte Vertrauensarbeitszeit durch eine Aufzeichnungspflicht ausgehebelt würde. Die Zuständigkeit über diese Entscheidung aber liege beim Gesamt- und nicht beim örtlichen Betriebsrat.
47
Ihr sei außerdem die verlangte Leistung unmöglich: es seien gerade keine Aufzeichnungen vorhanden, aufgrund derer sie dem Beteiligten zu 1) die gewünschten Auskünfte geben könne.
48
Zutreffend habe das Arbeitsgericht die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats angesichts der zentralen Vertriebsstruktur des direkten Vertriebs bejaht.
49
Ergänzend wird wegen des Vorbringens der Beteiligten und ihrer Rechtsansichten auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen, namentlich die des Beteiligten zu 1) vom 08.03.2021 (Bl. 1 ff.d.A.), 17.05.2021 (Bl. 25 f.d.A.) und 20.08.2021 (Bl. 81 ff.d.A.) in erster und vom 04.02.2022 (Bl. 189 ff.d.A.), 01.03.2022 (Bl. 215 ff.d.A.), 09.05.2022 (Bl. 274 ff.d.A.), 07.06.2022 (Bl. 320 ff.d.A.) und 09.06.2022 (361 ff.d.A.) in zweiter Instanz, die der Beteiligten zu 2) vom 21.07.2021 (Bl. 39 ff.d.A.) und 01.09.2021 (Bl. 133 ff.d.A.) vor dem Arbeits- und vom 08.04.2022 (Bl. 245 ff.d.A.), 30.05.2022 (Bl. 307 ff.d.A.), 10.06.2022 (Bl. 386 ff.d.A.), 24.06.2022 (Bl. 394 ff.d.A.), 04.07.2022 (Bl. 405 ff.d.A.) und 07.07.2022 (Bl. 409 ff.d.A.) vor dem Landesarbeitsgericht sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 26.04.2021, 06.09.2021 und 18.10.2021 (Bl. 22 f., 153 ff. und 136 ff.d.A.) erst- und vom 16.05.2022, 13.06.2022, 27.06.2022 und 11.07.2022 (Bl. 290 ff., 391 ff., 400 und 414 ff.d.A.) zweitinstanzlich.
II.
50
Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.
51
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und formwie fristgerecht i.S.v. §§ 89 Abs. 2, 87 Abs. 2 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
52
Angesichts der Zustellung des angegriffenen Beschlusses am 02.02.2022 lief die Monatsfrist nach §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 5 ArbGG, 525, 222 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 02.03.2022 ab. Der am 04.02.2022 eingegangene Schriftsatz genügt dieser Vorgabe; die Begründung erfolgte innerhalb der Zweimonatsfrist am 01.03.2022.
53
2. Die Beschwerde ist teilweise begründet: Die Anträge sind zulässig und hinsichtlich der Auskünfte über die Arbeitszeiten der Mitarbeiter des Vertriebsaußendienstes sowie die Vorlage entsprechender Unterlagen auch begründet. Insofern war die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern. Hinsichtlich des Antrags in Ziffer IV bleibt es bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts.
54
a. Die Anträge sind zulässig.
55
(1) Die Anträge sind nicht mangels ordnungsgemäßer Beschlussfassung des Betriebsrats über die Verfahrenseinleitung unzulässig.
56
(a) Die Einleitung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens durch den Betriebsrat bedarf - ebenso wie die Beauftragung des für ihn auftretenden Rechtsanwalts - eines Beschlusses des Gremiums. Ist dies unterblieben oder fehlerhaft erfolgt, ist der für den Betriebsrat gestellte Antrag als unzulässig abzuweisen (BAG v. 29.09.2020, 1 ABR 23/19 Rn. 13 - zitiert nach juris; BAG v. 06.11. 2013, 7 ABR 84/11 Rn. 50 - zitiert nach juris).
57
Der Beschluss über ein bei Gericht anzustrengendes Beschlussverfahren muss dem dort zur Entscheidung gestellten Verfahrensgegenstand inhaltlich entsprechen. Dazu muss er mit der Antragstellung nicht völlig übereinstimmen oder wortlautidentisch sein; es ist ausreichend, wenn darin der Gegenstand, über den in dem Beschlussverfahren eine Klärung herbeigeführt werden soll, und das angestrebte Ergebnis erkennbar sind (BAG v. 29.09.2020, 1 ABR 23/19 Rn. 15 - zitiert nach juris).
58
(b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein ordnungsgemäßer Beschluss über die Führung des hiesigen Verfahrens ergangen.
59
i. Der Einleitungsbeschluss vom 24.02.2021 genügt dem jedoch nicht: Er umfasst nicht die beiden ersten Anträge, die Auskunft im Rahmen der Kontrollfunktion nach § 80 BetrVG geltend machen. Vielmehr geht es darin um die Realisierung der BV.
60
Die den Beschluss einleitende Feststellung des Betriebsrats bezog sich darauf, dass der Arbeitgeber der Auskunftsverpflichtung aus der BV nicht nachkomme. Die anschließende Abstimmung erfolgte über die Einleitung eines Beschlussverfahrens „mit dem Ziel, den Arbeitgeber zur Durchführung der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit sowie zur Bereitstellung der o.g. Arbeitszeiten anzuhalten“. Nicht die Arbeitszeiten an sich, sondern die Umsetzung der BV, stand im Fokus des Beschlusses.
61
ii. Mit dem Beschluss vom 11.05.2022 ist dem Abstimmungsbedürfnis genügt. Er ist nicht zu beanstanden.
62
Der Betriebsrat kann die bereits erfolgte Einleitung eines Beschlussverfahrens (und auch die Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten) nachträglich genehmigen. Die Genehmigung durch eine nachträgliche Beschlussfassung ist bis zum Ergehen einer Prozessentscheidung, durch die der Antrag als unzulässig abgewiesen wird, möglich (BAG v. 29.09.2020, 1 ABR 23/19 Rn. 13 - zitiert nach juris; BAG v. 06.11.2013, 7 ABR 84/11 Rn. 50 - zitiert nach juris; ErfKKoch § 80 Rn. 3).
63
So liegt es hier: Der Beteiligte zu 1) hat in seiner Sitzung vom 11.05.2022 die konkreten Anträge mit den Stimmen der Anwesenden gebilligt.
64
Der Beschluss ist - entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) - nicht unwirksam, weil fehlerhaft zur Sitzung geladen worden sei. Zwar muss nach § 29 Abs. 2 S. 1 BetrVG die Ladung zur Sitzung des Betriebsrats durch dessen Vorsitzenden geschehen. Dies bedeutet aber - anders als die Beteiligte zu 2) meint - nicht, dass dieser eigenhändig die Einladung verfassen und versenden muss. Vielmehr kann er sich dazu auch eines Dritten bedienen; für die Eingeladenen muss nur erkennbar sein, dass Veranlassender der Einladung der dafür zuständige Vorsitzende und nicht ein Dritter ist. So ist auch die von der Beteiligten zu 2) zitierte Entscheidung des BAG (vom 28.07.2020, 1 ABR 5/19) zu verstehen: Das Gericht moniert darin nicht, dass der Vorsitzende nicht eigenhändig tätig geworden sei, sondern dass die Zuordnung an ihn nicht möglich und er zudem wegen Arbeitsunfähigkeit unzuständig gewesen sei (Rn.37 - zitiert nach juris).
65
Die Voraussetzung der ordnungsgemäßen Ladung ist vorliegend gegeben. Die Einladung zur Sitzung wurde von der Assistentin des Betriebsrats mit entsprechender Signatur versandt. Zwar unterschrieb sie mit eigenem Namen; doch war aus der Formulierung („wir laden euch ein“) und eben der Signaturzeile unter der Unterschrift erkennbar, dass sie als Assistentin („BR S, BR-Assistenz“) und nicht als (Ersatz-)Mitglied des Betriebsrats einlud. Für die Eingeladenen war dies erkennbar, weil sie auch in der Vergangenheit - vor ihrer Mitgliedschaft im Gremium - auf dieselbe Art die Einladungen versandt hatte.
66
Der Beschluss leidet auch nicht daran, dass ein geladenes Ersatzmitglied nicht zur Sitzung erschienen ist. Nach § 33 Abs. 2 BetrVG kommt es für die Beschlussfähigkeit auf die Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder (unter Berücksichtigung der Ersatzmitglieder) an. Diese Voraussetzung war mit der Anwesenheit von zehn Mitgliedern am 11.05.2022 erfüllt.
67
Die Rügen der unterbliebenen Mitteilung der Tagesordnung und der fehlerhaften Ladung der Ersatzmitglieder ist von der Beteiligten zu 2) zuletzt nicht aufrechterhalten worden. Der Vortrag des Beteiligten zu 1) hinsichtlich der Reihenfolge der Nachladung wie der Mitteilung der Tagesordnung ist daher als unstreitig zu unterstellen und genügt, den Beschluss insofern als ordnungsgemäß anzusehen. Dies gilt umso mehr, als die Sitzungsniederschrift die Ordnungsmäßigkeit, namentlich der Ladung und Beschlussfassung, bestätigt. Durch § 34 BetrVG ist ihr eine besondere Dokumentationsfunktion bezüglich der Beschlussinhalte, der Stimmenverhältnisse, der Anwesenheitsliste und der schriftlichen Einwendungen gegen den Inhalt zugewiesen, durch die ein für Betriebsrat und Dritte gleichermaßen bedeutsamer Nachweis über die gefassten Betriebsratsbeschlüsse bewirkt werden soll (BAG v. 30.09.2014, 1 ABR 32/13 Rn. 43- zitiert nach juris).
68
(2) Die Anträge erfüllen, insofern sie auf die Erfüllung künftiger Leistungen gerichtet sind, die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 259 ZPO.
69
(a) Ein auf die Vornahme einer künftigen Leistung gerichteter Antrag ist nach § 259 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen (BAG v. 20.03.2018, 1 ABR 66/16 Rn. 15 - zitiert nach juris; 06.05.2003, 1 ABR 13/02 Rn. 456 - zitiert nach juris). Dafür genügt, wenn dieser seine Leistungspflicht leugnet.
70
(b) Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Wie das Arbeitsgericht bereits dargestellt hat, hat die Beteiligte zu 2) in der Vergangenheit die Auskunft gegenüber dem Antragsteller unter Hinweis auf die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats verweigert. Dieselbe Auffassung hat sie bis zuletzt im hiesigen Verfahren vertreten und dem Beteiligten zu 1) einen Anspruch abgesprochen.
71
Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) ändert an dieser Besorgnis nicht, dass sie sich vergleichsweise zu einem Modellversuch bereitgefunden hätte. Diese Bereitschaft stellt gerade kein Anerkenntnis des Rechts des anderen Beteiligten, sondern eben einen Willen zum Kompromiss dar.
72
b. Die Anträge II und III sind begründet, der Antrag IV der Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
73
(1) Der Beteiligte zu 1) kann von der Beteiligten zu 2) Auskunft über die Arbeitszeiten der Vertriebsaußendienstmitarbeiter insoweit verlangen, als ihm Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Über- und Unterstunden gegenüber der wöchentlichen Arbeitszeit sowie Sonn- und Feiertagsstunden mitzuteilen sind. Der Anspruch ergibt sich aus § 80 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.
74
(a) Nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten zur Durchführung dessen gesetzlicher Aufgaben. Korrespondierend dazu besteht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats.
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(b) Vorliegend sind Aufgaben des Betriebsrats gegeben.
76
Zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört die Überprüfung, ob die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen entsprechend § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eingehalten werden. Die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben ergeben und er tätig werden muss.
77
Hier beruft sich der Beteiligte zu 1) darauf, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, namentlich §§ 5 Abs. 1, 7 ArbZG, überwachen zu wollen.
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(c) Die verlangten Informationen sind zur Durchführung dieser Überwachungsaufgabe erforderlich.
79
Zur Kontrolle der Einhaltung der nach § 5 Abs. 1 ArbZG vorgegebenen Ruhezeiten muss er um Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Mitarbeiter wissen.
80
Abweichungen von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sind mitzuteilen, um dem Betriebsrat zu ermöglichen, die Einhaltung der von ihm genannten Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden zu überwachen. Demselben Zweck dient auch die Auskunft über Sonn- und Feiertagsarbeit.
81
(d) Anders als die Beteiligte zu 2) meint, ist für die genannte Überwachung der örtliche Betriebsrat zuständig, der damit auch Inhaber des Auskunftsanspruchs ist.
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Die Überwachungsaufgabe des § 80 Abs. 1 BetrVG ist allein an das Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen, namentlich an die Eröffnung des Aufgabenbereichs, geknüpft; vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte ist sie - anders, als es das Arbeitsgericht entschieden hat - unabhängig (BAG v. 06.05.2003, 1 ABR 13/02 Rn. 47- zitiert nach juris; Fitting § 80 Rn. 4).
83
Umgekehrt ist nicht der Gesamtbetriebsrat vorliegend deshalb zuständig, weil er die GBV geschlossen hat, deren Durchführung durch die Informationen kontrolliert werden soll. Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den auf der Betriebs- und Unternehmensebene errichteten Arbeitnehmervertretungen richtet sich nach § 50 BetrVG. Dem Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Die Zuständigkeitsverteilung nach dieser Vorschrift betrifft aber nur die im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, bei denen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Regelungsbefugnis eröffnet ist. Bei Beteiligungssachverhalten, die einer weiteren Ausgestaltung durch die Betriebsparteien nicht zugänglich sind oder einer solchen nicht bedürfen, findet § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG keine Anwendung, so dass es bei der Zuständigkeit des Betriebsrats verbleibt. Dies betrifft etwa die Geltendmachung von Rechtsansprüchen, die allein vom Vorliegen der im Gesetz bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig sind. Dazu gehört auch die Wahrnehmung des Überwachungsrechts nach § 80 Abs. 1 BetrVG. Der Betriebsrat entscheidet allein, ob und auf welche Weise er seine Überwachungsaufgabe wahrnimmt. Die gesetzliche Aufgabenzuweisung an den Betriebsrat bleibt bestehen, wenn der Gesamtbetriebsrat im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit eine Betriebsvereinbarung abschließt (BAG v. 16.08.2011, 1 ABR 22/10 Rn. 30 f.- zitiert nach juris; BAG v. 16.11.2011, 7 ABR 28/10 Rn. 22 - zitiert nach juris; Fitting § 80 Rn. 12). Für dieses Verständnis spricht, dass der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht nur über die Einhaltung seiner eigenen Regelungen zu wachen hat, sondern auch über die anderer Normgeber. Auf die Frage, ob die Regelungszuständigkeit für die Arbeitszeit der Vertriebsaußendienstmitarbeiter beim örtlichen oder beim Gesamtbetriebsrat liegt, kommt es daher vorliegend nicht an.
84
(e) Die Erfüllung des Anspruchs ist der Beteiligten zu 2), anders als diese meint, nicht unmöglich. Die Tatsache, dass sie die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer nicht erfasst, steht dem Anspruch nicht entgegen.
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In der GBV ist vereinbart, dass die Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst innerhalb des festgelegten Arbeitszeitrahmens die Arbeitszeiten selbst bestimmen (Ziff. 5). Eine Arbeitszeiterfassung durch die Beteiligte zu 2) erfolgt nicht; die Mitarbeiter sind allein zur Aufschreibung derjenigen Arbeitstage verpflichtet, in denen sie mehr als acht Stunden gearbeitet haben (Ziff. 8.2.).
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Über die Pflicht der Beteiligten zu 2) als Arbeitgeberin zur Auskunft gegenüber dem Betriebsrat ist damit jedoch nichts gesagt. Zwar ist eine Information grundsätzlich nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn der Schuldner tatsächlich über sie verfügt. Doch gilt dann etwas anderes, wenn der Arbeitgeber die notwendigen Daten nur deshalb nicht hat, weil er sie nicht erheben will. Die Zurückhaltung der Erhebung im Zusammenhang mit der Vertrauensarbeitszeit ist ein Zugeständnis des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, das nicht das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis zum Betriebsrat beeinflussen kann. Dies gilt umso mehr, als die Informationen jedenfalls bei den Arbeitnehmern liegen und vom Arbeitgeber unschwer beschafft werden können (BAG v. 06.05.2003, 1 ABR 13/02 Rn. 63 ff.- zitiert nach juris; Fitting § 80 Rn. 59; ErfK-Kania BetrVG § 80 Rn. 24). In einem solchen Fall kann die den Arbeitnehmern versprochene Zurückhaltung dadurch eingehalten werden, dass eine inhaltliche Kontrolle der Angaben durch den Arbeitgeber nicht erfolgen; wie in § 16 AZG kann auch hier eine Delegation der Verpflichtung erfolgen (vgl. ErfK-Wank ArbZG § 16 Rn.5).
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Ein anderweitiger gesetzgeberischer Wille ist nicht erkennbar: zwar ist der deutsche Gesetzgeber bisher nach dem Urteil des EuGH vom 14.05.2019 (C-55/18), wonach Arbeitgeber gegenüber ihren Mitarbeitern zur Erfassung der Arbeitszeit verpflichtet seien, bisher noch nicht regelnd tätig geworden. Dies schließt aber einen Anspruch des Betriebsrats nicht aus, der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon bisher gegeben war und dessen Sinn, die Arbeitnehmer noch von anderer Seite zu schützen, nicht zu beanstanden ist.
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(2) Der Beteiligte zu 1) hat weiterhin Anspruch auf Überlassung der Unterlagen zur Arbeitszeiten, die über die täglichen acht Stunden hinausgehen. Der Anspruch ergibt sich aus § 16 Abs. 2 ArbZG, den Ziff. 8.3. der GBV wiederholt.
89
Derartige Aufzeichnungen sind vorliegend vorhanden: die GBV sieht in Ziffer 8.2. gerade eine derartige Aufschreibungspflicht der Mitarbeiter vor. Dabei ist eine Delegation der Aufzeichnung an die Arbeitnehmer möglich (ErfK-Wank ArbZG § 16 Rn.5). Die teilweise geäußerte Kritik an der Aufzeichnungspflicht nach § 16 Abs. 2 ArbZG im Fall von Vertrauensarbeitszeit betrifft nicht die Frage der Aufzeichnung an sich, sondern die, ab welcher Stundenzahl eine Aufzeichnung erfolgen solle, wenn die Tagesarbeitszeit disponibel sei und nicht notwendig acht Stunden betrage (so Schlottfeldt/Hoff, Vertrauensarbeitszeit” und arbeitszeitrechtliche Aufzeichnungspflicht nach § 16 Abs. 2 ArbZG, NZA 2001, 530). Diese Frage ist vorliegend nicht von den Beteiligten problematisiert worden und durch Ziff.8.2. GBV geregelt.
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(3) Der Beteiligte zu 1) hat hingegen keinen Anspruch auf die Überlassung von Unterlagen nach § 11 BV.
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Die BV gilt nicht für die Vertriebsaußendienstmitarbeiter. Dies ergibt deren Auslegung.
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(a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut und den durch ihn vermittelten Wortsinn. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei sind insbesondere der Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung zu beachten. Bleiben hiernach noch Zweifel, so können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte oder auch eine praktische Übung herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt der Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch handhabbaren Regelung führt (BAG 19.04.2005, 3 AZR 469/04 Rn. 21 - zitiert nach juris; BAG v. 17.11.1998, 1 AZR 221/982 RN. 20 - zitiert nach juris; Fitting § 77 Rn. 15 ff).
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(b) Vorliegend ergibt die Auslegung, dass Mitarbeiter des Vertriebsaußendienstes nicht von der BV erfasst sind.
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Der Wortlaut der BV ist noch indifferent. Danach ist einerseits in § 1 der Geltungsbereich mit „alle Arbeitnehmer“ umschrieben; andererseits verkürzt die Präambel den Kreis der Betroffenen, wenn darin die Rolle der neuen BV als Ersatz für die bisher geltenden örtlichen Regelungen zur Arbeitszeit genannt werden, die GBV jedoch nicht erwähnt wird.
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Die Historie der GBV spricht eindeutig gegen die Geltung für den Vertriebsaußendienst, über dessen Ausschluss die Einigungsstellenmitglieder sich ausweislich des Protokolls vom 23.09.2020 ausdrücklich einig waren. Damit erklärt sich auch die unterlassene Herausnahme aus dem Geltungsbereich: diese war unnötig, weil diese Gruppe gar nicht in der Einigungsstelle behandelt wurde.
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Diese Auslegung entspricht schließlich auch dem Verständnis des Beteiligten zu 1), das dieser in seinem Newsletter vom Juli 2021 geäußert hat, wenn er darin die Frage aufwarf, ob eine Arbeitszeiterfassung endlich auch für den Vertriebsaußendienst kommen solle, nachdem die BV für alle Mitarbeiter „mit Ausnahme des Vertriebsaußendienst“ entsprechendes festschreibe.
III.
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Eine Kostenentscheidung ist wegen der Kostenfreiheit des Verfahrens nach § 2 Abs. II GKG nicht veranlasst.
98
Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht zuzulassen, weil das Verfahren über die Klärung der zwischen den Beteiligten streitigen Beziehungen keine grundsätzliche Bedeutung nach §§ 92 Abs. I S. 1 und 2, 72 Abs. II ArbGG hat. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 92 a ArbGG wird hingewiesen.