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VGH München, Beschluss v. 06.09.2022 – 3 ZB 21.1931
Titel:

Erwerbstätigkeit neben dem Studium keine sonstige hauptberufliche Beschäftigungszeit 

Normenkette:
BayBesG Art. 31 Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
Eine parallel zum Masterstudium ausgeübte Erwerbstätigkeit ist - unabhängig von ihrem Umfang - keine sonstige hauptberufliche Beschäftigungszeit im Sinn von Art. 31 Abs. 2 S. 1 BayBesG. Denn Zeiten einer Berufsausbildung stellen keine Berufsausübung dar, sondern dienen dem Erlernen eines Berufs. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fiktive Vorverlegung des Zeitpunkts des Diensteintritts, Sonstige Beschäftigungszeiten, Begriff der Hauptberuflichkeit, Erwerbstätigkeit neben Masterstudium, Lebensunterhalt während Studiums, Hauptberuflichkeit, Vorverlegung des Diensteintritts
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 27.05.2021 – Au 2 K 20.491
Fundstelle:
BeckRS 2022, 23725

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.545,85 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der 1987 geborene Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, seinen tatsächlichen Diensteintritt am 1. November 2019 (Kriminalkommissar, BesGr A9), der mit Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 24. März 2020 fiktiv bereits auf den 1. Januar 2017 vorverlegt worden war, nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG um folgende weitere Beschäftigungszeiten fiktiv vorzuverlegen:
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- 1. Oktober 2012 - 31. Januar 2013: Immobilienmakler in W.
3
- 1. - 20. September 2013 / 14. Oktober 2013 - 8. Februar 2014: Arbeitnehmer (Werkstudent) bei der D. eG
4
- 1. Juni 2014 - 31. Mai 2016: Arbeitnehmer bei D. eG
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- 1. November 2018 - 31. Oktober 2019: Tarifbeschäftigter beim Polizeipräsidium Sch. N.
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Mit am 16. März 2020 erhobener Klage beantragte der Kläger die Aufhebung des - auf seinen Antrag vom 4. November 2019 gemäß Art. 31 Abs. 2 BayBesG ergangenen - Bescheids vom 26. November 2019 sowie des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2020, jeweils des Polizeipräsidiums Sch. N., soweit die zuvor genannten Beschäftigungszeiten nicht zur fiktiven Vorverlegung des Diensteintritts anerkannt worden waren. Mit dem angefochtenen Urteil vom 27. Mai 2021 wies das Verwaltungsgericht die Verpflichtungsklage mit der Begründung ab, die Beschäftigungszeiten während seines Masterstudiums habe der Kläger nicht hauptberuflich erfüllt. Die Zeiten der Beschäftigung nach Abschluss des Masterstudiums (im April 2014) stellten keine „sonstigen“ Zeiten nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG, sondern allenfalls Zeiten des Qualifikationserwerbs nach Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG dar, die aber hier nicht den Streitgegenstand bildeten.
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Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger insbesondere geltend, dass seine berufliche Tätigkeit während des Masterstudiums sehr wohl hauptberuflicher Natur gewesen sei, weil keine Pflicht zur Anwesenheit in Vorlesungen und Seminaren bestanden habe und er nur mit den Tätigkeiten (im Umfang von 20 Stunden während des Semesters/40 Stunden in der vorlesungsfreien Zeit) seinen Lebensunterhalt sichern habe können. Der Beklagte hält dem entgegen, ein reguläres Hochschulstudium beanspruche den überwiegenden Teil der Arbeitskraft, sodass eine parallel dazu erbrachte Erwerbstätigkeit mangels beruflichen Tätigkeitsschwerpunkts nicht hauptberuflich sein könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Die Zulassung der Berufung ist abzulehnen, weil die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht bestehen.
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10
Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist hier nicht der Fall.
11
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Kläger parallel zu seinem Masterstudium (in den drei näher bezeichneten Zeiträumen zwischen 1. Oktober 2012 und 18. Februar 2014) ausgeübten Erwerbstätigkeiten als Immobilienmakler (in W.) und sog. Werkstudent bei der DATEV eG nicht als sonstige hauptberufliche Beschäftigungszeiten im Sinn von Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG Berücksichtigung finden können. Zeiten einer Berufsausbildung stellen typischerweise keine Berufsausübung dar, sondern dienen dem Erlernen eines Berufs. Auch Zeiten eines Hochschulstudiums fallen darunter. Dies gilt unabhängig von der vom Kläger thematisierten Feststellung, dass für ihn eine Anwesenheitspflicht im Rahmen von Vorlesungen/Seminaren nicht bestanden habe. Denn auch der Student, der im Rahmen der ihm zukommenden Eigenverantwortlichkeit während eines regulären Masterstudiums an einer Präsenzuniversität keine Veranstaltungen besucht, muss sich den Prüfungsstoff und die weiteren geforderten Fähigkeiten während der Dauer des Studiums aneignen und schließlich die Masterarbeit anfertigen. Auch beim Kläger bildete das (erfolgreich abgeschlossene) Masterstudium in den fraglichen Zeiträumen, während derer er an der Universität Augsburg immatrikuliert war, den Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Besondere Umstände, die ausnahmsweise die Annahme eines atypischen Falles nahelegen könnten - etwa die Absolvierung eines lediglich berufsbegleitenden Studiengangs -, sind nicht ersichtlich (vgl. UA S. 8, 9 Rn. 32).
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Daher ändert am Fehlen der Hauptberuflichkeit auch der Vortrag des Klägers nichts, er sei während der fraglichen Zeiträume tatsächlich 20 Stunden wöchentlich, während der vorlesungsfreien Zeit sogar 40 Stunden, seinen Erwerbstätigkeiten nachgegangen. Denn der allein von der Bestimmung des Klägers abhängige zeitliche Umfang (Verhältnis von Zeiten der Erwerbstätigkeit zu denen der Studientätigkeit) ist nicht geeignet, die nach objektiven Kriterien zu verneinende Hauptberuflichkeit zu begründen. Entsprechendes gilt für die Angabe, freiwillige Rentenversicherungsbeiträge geleistet zu haben; die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Beschäftigungsverhältnisse ist für ihre Einordnung als hauptberuflich neben einem regulären „Vollzeitstudium“ ohne entscheidende Bedeutung.
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Weiter argumentiert der Kläger, er habe schließlich seinen gesamten Lebensunterhalt während des Studiums „allein mittels der aufgeführten Tätigkeiten bestritten“; nicht hauptberuflich seien aber nur solche Tätigkeiten, die „quasi nebenbei und nicht mit dem Ziel ausgeübt werden, den Lebensunterhalt zu sichern“. Die Frage nach der Hauptberuflichkeit kann jedoch schon deshalb nicht vom Kriterium der Lebensunterhaltssicherung abhängig gemacht werden, weil diesem Ziel letztlich jegliche Erwerbstätigkeit während des Studiums in unterschiedlichem Umfang dient, ohne dass hier willkürfreie Abgrenzungskriterien vorlägen. Im Übrigen stellt sich allen Studierenden die Frage der Finanzierung ihres Studiums gleichermaßen. Ihre Beantwortung ändert nichts an der grundsätzlichen Notwendigkeit, den jeweiligen „Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit“ zu ermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2021 - 3 ZB 20.774 - juris Rn. 13; VG Bayreuth, U.v. 22.6.2021 - B 5 K 20.279 - BeckRS 2021, 46878 Rn. 22, 23). Im vorliegenden Fall sieht das Verwaltungsgericht den Schwerpunkt mit guten Gründen in der Absolvierung des Hochschulstudiums, mit dessen Abschluss dem Kläger der Qualifikationserwerb gelungen ist.
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Sein Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 1997 (2 C 38.96) führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. In der Entscheidung heißt es, dass „eine Beschäftigung mit einer geringeren Arbeitszeit als der Hälfte einer Vollbeschäftigung nicht hauptberuflich ausgeübt“ wird (BVerwG, a.a.O. juris Rn. 15). Damit ist jedoch nicht der vom Kläger gezogene Schluss zulässig, bei einer Beschäftigung mit hälftiger oder darüberhinausgehender Arbeitszeit sei allein im Hinblick hierauf in jedem Fall eine hauptberufliche Tätigkeit zu bejahen. Im Übrigen ist das vorgenannte Urteil durch ein neueres Urteil (BVerwG, U.v. 25.5.2005 - 2 C 20.04 - juris) modifiziert worden, wonach auch eine im Umfang von weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines Beamten ausgeübte Vordienstzeit unter gewissen Voraussetzungen als hauptberufliche Tätigkeit im Sinn von § 10 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG in Betracht kommt.
15
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht außerdem die nach Abschluss des Studiums zurückgelegten und ebenfalls nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG geltend gemachten Zeiten (1.6.2014 bis 31.5.2016 sowie 1.11.2018 bis 31.10.2019) als nicht streitgegenständlich bezeichnet, denn der Klageantrag bezieht sich ausschließlich auf „sonstige“, über den Qualifikationserwerb hinausgehende Zeiten nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG, nicht jedoch auf Zeiten gemäß Art. 31 Abs. 1 BayBesG. Dementsprechend befassen sich auch die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 26. November 2019 und 17. Februar 2020 ausschließlich mit der Ermittlung „sonstiger“ berücksichtigungsfähiger Zeiten (vgl. Klageantrag Schriftsatz v. 16.10.2020). Im Übrigen wurden dem Kläger offenbar die vor der Verbeamtung beim Polizeipräsidium Sch. N. als Tarifangestellter (vom 1.11.2018 bis 31.10.2019) zurückgelegten Zeiten als für den Qualifikationserwerb erforderlich im zulässigen Umfang angerechnet (Art. 39 Abs. 1 Nr. 2 LlbG; Klageakte Bl. 61 a. E.).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Der Streitwert für das Zulassungsverfahren, in dem weiterhin die Anerkennung zusätzlicher sonstiger Beschäftigungszeiträume in Höhe von insgesamt zwei Jahren und acht Monaten begehrt wird, beträgt 4.545,85 Euro. Die Festsetzung beruht auf § 40, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Differenz zwischen der im maßgeblichen Zeitpunkt der Einlegung des Zulassungsantrags (Juli 2021) erreichten Entgeltstufe 4 (3.065,72 Euro) und der nunmehr im Rechtsmittelverfahren angestrebten Stufe 5 (3.176,82 Euro) der Besoldungsgruppe A 9 beträgt 111,10 Euro. Den Streitwert bildet demnach der dreifache Jahresbetrag (36 x 111,10 = 3.999,60 Euro), dem die gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG bei Einreichung der Klage (16.3.2020) bereits fälligen Beträge (5 x 109,25 = 546,25 Euro; Antrag v. 30.10.2019) hinzuzurechnen sind. Die gesetzliche Regelung des § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG geht Empfehlungen des Streitwertkatalogs vor (BVerwG, B.v. 30.11.2018 - 2 B 40.18 - juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 12.9.2018 - 2 B 23.18 - juris Rn. 16).
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Auf eine entsprechende Korrektur des vom Verwaltungsgericht für die erste Instanz nach § 52 Abs. 2 GKG festgesetzten Regelstreitwerts (5.000 Euro) konnte verzichtet werden, weil auch bei Anwendung von § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG die Wertstufe zwischen 4.000 Euro und 5.000 Euro (vgl. Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG) nicht verlassen wird.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).