Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 20.06.2022 – AN 13b DS 22.00598
Titel:

Aussetzung der vorläufigen Einbehaltung von Ruhegehaltsbezügen wegen Fernbleibens vom Dienst

Normenketten:
BayDG Art. 13, Art. 14 Abs. 1 S. 1, Art. 39, Art. 61 Abs. 1, Abs. 2
BeamtStG § 34 Abs. 1, § 47
BayBG Art. 95 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Art. 39 Abs. 2 S. 2 BayDG setzt für die Anordnung der Einbehaltung von bis zu 30% des Ruhegehalts - im Unterschied zu Satz 1 der Vorschrift, die für Beamten im aktiven Dienst gilt - die voraussichtliche Aberkennung des Ruhegehalts voraus. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nur die absolute Dienstunfähigkeit rechtfertigt ein nicht genehmigtes Fernbleiben vom Dienst. Im Fall relativer Dienstunfähigkeit, dh eingeschränkten Dienstfähigkeit, hat der Dienstvorgesetzten zu entscheiden, ob er die eingeschränkte Dienstleistung in Anspruch nimmt, gegebenenfalls durch Übertragung eines anderen Dienstpostens. Der Beamte darf von sich aus die Dienstleistung nicht verweigern. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Verstoß gegen die Dienstleistungspflicht - etwa durch Fernbleiben vom Dienst - als eine Grundpflicht des Beamten schwer wiegt, wobei ein gröblicher Verstoß den Beamten hinsichtlich eines Verbleibs im Dienst untragbar machen kann. (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Einbehaltung von Bezügen, Ruhestandsbeamter, Frage der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Dienstvergehens wegen Fernbleibens vom Dienst, Frage der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Aberkennung des Ruhegehalts, Antrag, Aussetzung, vorläufige Einbehaltung von Bezügen, hinreichende Wahrscheinlichkeit, Dienstvergehen, Fernbleiben, Dienst, Aberkennung, Ruhegehalt, summarische Prüfung, ernstliche Zweifel, Prognoseentscheidung, wirtschaftliche Verhältnisse, rechtliches Gehör, Coronapandemie, Homeoffice, Präsenzunterricht, Lehrer, Schule, voller persönlicher Einsatz, Dienstfähigkeit, Dienstunfähigkeit, Attest, Höchstmaßnahme, Nebentätigkeit, Schmuckhandel
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 05.09.2022 – 16a DS 22.1703
Fundstelle:
BeckRS 2022, 23719

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Antragsgegners, wonach 30% seiner monatlichen Ruhegehaltsbezüge einbehalten werden.
2
Der am … geborene Antragsteller ist verheiratet und hat … Er war als Lehrer tätig und trat mit Ablauf des … aufgrund Erreichens der Regelaltersgrenze in den Ruhestand. Bei dem Antragsteller ist seit dem 14. Juni 2017 ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt, wobei keine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen erfolgt ist.
3
Nachdem der Antragsteller … die Este Prüfung für das Lehramt an Volksschulen abgelegt hatte, war er Zeitraum … bei dem Landesamt für Denkmalschutz, … tätig. In diese Zeit fiel ein dienstlicher, … Aufenthalt in verschiedenen Ländern … Mit Urkunde vom … wurde der Antragsteller in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen und zum Lehramtsanwärter für den Volksschuldienst ernannt. Nachdem der Antragsteller er seine Zweite Prüfung für das Lehramt an Volksschulen abgelegt hatte, wurde er mit Urkunde vom … unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Lehramtsanwärter für den Volksschuldienst ernannt. Er gehörte zunächst der sog. mobilen Reserve an Grund- und Hauptschulen an. In der Folge wurde der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen nicht in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Stattdessen wurde er mit seinem Einverständnis mit Ablauf des … aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen und unterrichtete ab dem Schuljahr … als angestellter Lehrer. Als eine medizinische Nachuntersuchung … die gesundheitliche Eignung für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ergab, wurde der Antragsteller mit Urkunde vom … erneut in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Mit Wirkung zum … wurde er zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Vom … wurde dem Antragsteller auf seinen Antrag Urlaub ohne Bezüge gewährt.
4
Im Zeitraum 2002 bis 2008 erhielt der Antragsteller insgesamt drei Leistungsprämien. Die Leistungen des Antragstellers wurden im Jahr 2000 mit 10 Punkten (periodische Beurteilung), 2009 im Rahmen einer Anlassbeurteilung und 2010 im Rahmen einer periodischen Beurteilung sowie 2011 im Rahmen einer Zwischenbeurteilung jeweils mit EN beurteilt (Leistung, die den Anforderungen insgesamt entspricht).
5
Bereits vor seinem Eintritt in den Ruhestand aufgrund Erreichens der Regelaltersgrenze (mit Ablauf des …*) war der Antragsteller mit Bescheid vom … aus gesundheitlichen Gründen wegen dauernder Dienstunfähigkeit mit Ablauf des … in den Ruhestand versetzt worden. Allerdings ergab … eine Nachuntersuchung, dass bei dem Antragsteller wieder eine vollständige tätigkeitsbezogene Leistungsfähigkeit für seine früher ausgeübte Diensttätigkeit bestehe. Entsprechend wurde der Antragsteller mit seinem Einverständnis reaktiviert und mit Wirkung zum … unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Lehrer ernannt (Besoldungsgruppe A 12). Der Antragsteller wurde der … … zugewiesen. Nach Übergabe der Urkunde am … knickte er beim Verlassen des Schulamts auf einer Kastanie - später als Dienstunfall anerkannt - um und wurde krankgeschrieben. In der Folge wurde der Antragsteller mit Bescheid vom … mit Wirkung zum … in den Ruhestand versetzt. Insoweit war der Antragsgegner von Dienstunfähigkeit ausgegangen, da der Dienstunfall die langjährigen … Beschwerden des Antragstellers verschlimmert habe. Nachdem der Antragsteller gegen den Bescheid Widerspruch und Klage erhoben hatte, wurde dieser mit Bescheid vom … aufgehoben. Eine weitere amtsärztliche Untersuchung am … kam zu dem Ergebnis, es bestehe keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate. Auch zu einem späteren Zeitpunkt sei dies nicht zu erwarten. Der Antragsteller solle jedoch ab dem 20. April 2020 eine stufenweise Heranführung an die Dienstfähigkeit mit dem Ziel einer begrenzten Dienstfähigkeit von 14 Unterrichtsstunden pro Woche beginnen. Mit Schreiben vom 10. März 2020, dem Antragsteller zugestellt am 12. März 2020, teilte die … dem Antragsteller sinngemäß im Kern mit, es sei beabsichtigt, seine Unterrichtspflicht zu ermäßigen und eine begrenzte Dienstfähigkeit mit 14 Wochenstunden bei einem Regelstundensatz von 27 Wochenstunden festzusetzen. In diesem Fall würden die Dienstbezüge verhältnismäßig gekürzt. Bis zur Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit werde die Unterrichtspflichtzeit ausnahmsweise reduziert vom 20. April bis 17. Mai 2020 auf 6 Wochenstunden, vom 18. Mai bis 14. Juli 2020 auf 9 Wochenstunden und vom 15. Juni bis 31. Juli 2020 auf 12 Wochenstunden. Ermäßigungs- und Anrechnungsstunden seien hierbei bereits berücksichtigt. Sollte die stufenweise Heranführung an die Diensttätigkeit nicht angetreten werden, scheitern oder sollten direkt im Anschluss wieder längere krankheitsbedingte Fehlzeiten auftreten, werde eine sofortige Wiedervorstellung an der medizinischen Untersuchungsstelle notwendig.
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Hierauf teilte der Antragsteller mit E-Mail vom 22. März 2020 mit, er sei gerade aus … zurückgekehrt und widerspreche der angenommenen begrenzten Dienstfähigkeit. Er befinde sich in einem uneingeschränkt robusten Gesundheitszustand, sodass einer weiteren Dienstfähigkeit im vollen Stundenumfang nichts im Wege stehe. Der Antragsteller beantragte die Fortführung der Weiterbeschäftigung im vollen Stundenumfang.
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Jedenfalls nach dem 22. März 2020 leistete der Antragsteller keinen Dienst mehr. Zuletzt - im Dezember 2021 - erhielt er Ruhestandsbezüge in Höhe von 2.935,48 EUR (brutto) bzw. in Höhe von 2.072,93 EUR (netto). Eine simulierte Bezügemitteilung, in der das (gesamte) Ruhegehalt des Antragstellers um 30% gekürzt ist, weist Ruhestandsbezüge in Höhe von 1.934,91 (brutto) bzw. 1.494,19 EUR (netto) aus.
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Mit E-Mail vom 5. September 2020 teilte der Antragsteller der … … (künftig: Schule) sinngemäß mit, er danke für die Einladung zur Lehrerkonferenz. Aufgrund seines Alters von über 65 Jahren, seiner Schwerbehinderung von 40% und zwei anstehenden Operationen gehöre er zur Risikogruppe in Sachen Corona, sodass er sich hinsichtlich der Lehrerkonferenz entschuldige. Gleichzeitig wolle er sein Erstaunen zum Ausdruck bringen, von der … über seinen bevorstehenden Einsatz in keinster Weise informiert worden zu sein. Mit E-Mail vom 7. September 2020 teilte der Antragsteller der Schule sinngemäß mit, er sei in den vergangenen Monaten dreimal auf seine Dienstfähigkeit medizinisch untersucht worden. Auch eine neue Untersuchung würde feststellen, dass sein zweites Hüftgelenk ebenfalls operiert werden müsse. Diese notwendige Operation werde erfolgen, sobald eine Impfung gegen das Coronavirus auf dem Markt sei. Er orientiere sich an einem Zitat des Bayerischen Kultusministeriums, wonach Lehrkräfte im Alter von über 60 Jahren durch das Coronavirus sehr gefährdet seien und weiter kein Einsatz im Präsenzunterricht und in der Notfallbetreuung erfolge. Die Lehrkraft habe diesen Umstand der Schulleitung durch formloses Schreiben mitzuteilen, die Vorlage eines ärztlichen Attests sei nicht erforderlich.
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Hierauf teilte der Fachliche Leiter der Staatlichen Schulämter … (künftig: Schulamt) dem Antragsteller mit E-Mail vom 8. September 2020 sinngemäß mit, seine Interpretation der „FAQ‘s des Kultusministeriums“ sei für ihn nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller werde für den nächsten Tag zu einem Gespräch im Schulamt gebeten. Zu diesem Gespräch führte der Fachliche Leiter des Schulamts in einer E-Mail vom 9. September 2020 an die … sinngemäß im Kern aus, der Antragsteller habe sehr schnell erklärt, er fühle sich vom „System“ ungerecht behandelt. Im Jahr 2013 habe es eine Beurteilung und auch Entscheidungen des Schulamts gegeben, die er als ausgesprochen unangebracht empfunden habe. Seither führe er einen „Rachefeldzug“ gegen das System. Dass er sein Gehalt weiterhin beziehe, ohne dafür in der Schule zu arbeiten, empfinde er als „Reparationsleistungen“. Der Antragsteller habe auch eine Reihe von Erkrankungen - … - genannt, die es ihm nicht erlaubten, aktiv Dienst zu tun. Trotz der gesundheitlichen Einschränkungen wolle er aber nicht in Pension gehen, weil er sein Geld weiterhin bekommen wolle.
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Mit E-Mail vom 10. September 2020 teilte der Antragsteller dem Schulamt insbesondere sinngemäß mit, er wolle in dieser besonderen Zeit öffentliche Gebäude meiden. Deshalb komme ein mehrstündiger Aufenthalt in Gebäuden mit Publikumsverkehr für ihn nicht infrage. Er biete jedoch Korrekturarbeiten zu Hause an. Eine wöchentliche Anfahrt nach … sei denkbar, um Arbeiten zu bringen und abzuholen. Auch eine Unterstützung des Gesundheitsamts käme sicherlich in Betracht.
11
Mit E-Mail vom 14. September 2020 teilte die Rektorin der Schule dem Antragsteller sinngemäß mit, er sei seit diesem Schuljahr mit 13 Stunden an ihrer Schule eingesetzt. Leider sei er bis heute noch nicht zum Dienst erschienen und habe auch keine Krankmeldung vorgelegt. Er werde gebeten, bis morgen, 15. September 2020, eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen oder den Dienst anzutreten.
12
Hierauf erwiderte der Antragsteller mit E-Mail vom 14. September 2020 sinngemäß im Kern, im November 2019 sei sein … ersetzt worden. Darauf habe Herr Amtsarzt Dr. … von der … eine reduzierte Stundenzahl empfohlen. Im März sei die Coronapandemie gekommen, wobei er als 65-jähriger Risikopatient gegolten habe. Als jetzt angehender 66-Jähriger mache die … Probleme. Auch sie werde mit Abklingen der Pandemie ersetzt. Ein erneuter Präsenztermin für ein Attest sei nicht schnell zu erhalten. Deswegen schlage er eine erneute Vorstellung beim Amtsarzt vor, um die aktuelle Situation zu dokumentieren.
13
Hierauf teilte das Schulamt den Antragsteller mit E-Mail vom 17. September 2020 mit, er sei in dem Gespräch vom 10. September 2020 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er seiner Unterrichtsverpflichtung im Umfang von 13 Wochenstunden nachkommen müsse. Seine begrenzte Dienstfähigkeit mit stufenweiser Wiedereingliederung sei im Umfang von 14 Wochenstunden festgelegt. Falls dies nicht möglich sei, müssten entsprechende ärztliche Bescheinigungen vorgelegt werden. Auch liege kein ärztliches Attest vor, wonach der Antragsteller aufgrund einer individuellen gesundheitlichen Risikobewertung nicht im Präsenzunterricht eingesetzt werden könne. Im Fall der Vorlage eines entsprechenden Attests könne der Antragsteller an der Schule zu Verwaltung- und Korrekturarbeiten eingesetzt werden. Da keine Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsstunden erforderlich sei, sei für die Unterrichtsverpflichtung von 13 Wochenstunden eine Präsenzzeit von 19 Stunden an der Schule einzusetzen. Entsprechend den organisatorischen Rahmenbedingungen seien diese von Montag bis Donnerstag von 8:30 bis 12:30 Uhr und am Freitag von 8:30 bis 11:30 Uhr zu erbringen. Der Antragsteller erhalte einen gesonderten Zugang zur Schule und könne versetzt zu den Anfangs- und Schlusszeiten des Unterrichts die Schule betreten. In der Schule erhalte er einen separaten Raum für seine Korrektur- und Verwaltungsarbeiten. Die Schule habe ein umfassendes Hygienekonzept. Er erwarte, dass der Antragsteller seiner Dienstverpflichtung unverzüglich nachkomme.
14
Hierauf teilte der Antragsteller mit E-Mail vom 7. September 2020 sinngemäß mit, ihm sei es gelungen, für den 23. September 2020 an der … in … einen Termin für ein Attest zu erhalten. Mit E-Mail vom 17. September 2020 teilte das Schulamt dem Antragsteller mit, es würden disziplinarische Schritte eingeleitet werden, sofern der Antragsteller seinen Dienst morgen nicht antrete. Hierauf antwortete der Antragsteller am selben Tag, auch wenn er die Entscheidung nicht gutheiße, respektiere er sie doch. Am 23. September 2020 legte er per E-Mail eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum 23. bis 30. September 2020 vor. Die Bescheinigung enthält keine Diagnosen.
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Mit E-Mail vom 1. Oktober 2020 teilte das Schulamt dem Antragsteller sinngemäß mit, es sei nicht nachvollziehbar, dass er am heutigen Tag nicht zum Dienst erschienen sei, da seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur bis zum 30. September 2020 reiche. Er werde nochmals aufgefordert, unverzüglich seinen Dienst an der Schule anzutreten.
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Hierauf führte der Antragsteller mit E-Mail vom 1. Oktober 2020 aus, das zuletzt vorgelegte Attest stamme von dem … Dr. … in …, während er eigentlich in … behandelt werde. Dort sei im November 2019 sein … ersetzt worden. Jetzt müsse das … durch ein … ersetzt werden. Darüber hinaus habe er auch Probleme mit der … In Zeiten von Corona sei die Operation aktuell in seinem angehenden 66. Lebensjahr wohl nicht angezeigt. Er werde somit abwarten, bis sich die Lage entspannt habe oder eine Impfung angeraten werde. Das weitere Anfertigen von Röntgenaufnahmen lehne er aus gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gründen ab. Der Zustand seiner beiden … sei bei der … ausreichend dokumentiert. Wenn dieses Konzept nicht plausibel oder akzeptabel erscheine, müsse er eine disziplinarrechtliche Vorgehensweise wohl oder übel akzeptieren.
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Mit Verfügung vom 14. Dezember 2020 leitete die Landesanwaltschaft … (künftig: Landesanwaltschaft) gegen den Antragsteller wegen des Verdachts eines Dienstvergehens ein Disziplinarverfahren ein. In der Verfügung ist im Wesentlichen der hier dargestellte Sachverhalt dargestellt. Darüber hinaus wird ausgeführt, der Antragsteller solle seit … einen gut gehenden Schmuckhandel im Internet betrieben haben, wobei ein Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit weder gestellt noch eine Nebentätigkeit genehmigt worden sein solle. Treffe der Sachverhalt mit Blick auf ein etwaiges Fernbleiben vom Dienst zu, hätte der Antragsteller innerdienstlich gemäß Art. 95 Abs. 1 Satz 1 BayBG und § 34 Abs. 1 BeamtStG (unerlaubte Fernbleiben vom Dienst, ordnungsgemäße Diensterfüllung) verstoßen. Zudem hätte er gegen seine Pflicht verstoßen, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Durch die Ausübung einer Nebentätigkeit ohne Beantragung einer Genehmigung hätte er innerdienstlich gegen seine Pflicht zur Beachtung der Gesetze verstoßen (§ 83 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. Art. 81 Abs. 2 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 BayBG, § 6 Abs. 1 BayNV).
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Mit Schreiben vom 14. Dezember 2020, dem Antragsteller zugestellt am 17. Dezember 2020, teilte die Landesanwaltschaft mit, sie habe wegen des Verdachts eines Dienstvergehens ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Hinsichtlich des Sachverhalts wurde auf die beigefügte Verfügung vom 14. Dezember 2020 Bezug genommen. Der Antragsteller könne sich zu den Vorwürfen mündlich oder schriftlich äußern oder auch nicht zur Sache aussagen. Zudem könne er sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands bedienen. Der Personalrat werde nur dann beteiligt, wenn der Erlass einer Disziplinarverfügung oder die Erhebung einer Disziplinarklage beabsichtigt sei und der Antragsteller die Mitwirkung des Personalrats beantrage.
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Auf Bitte der Landesanwaltschaft gab der Direktor und Fachliche Leiter des Schulamts mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 eine Stellungnahme zum Persönlichkeitsbild des Antragstellers ab. Er führte sinngemäß im Kern aus, der Antragsteller habe in der Kommunikation mit ihm keine Bereitschaft gezeigt, seinen Dienstpflichten wieder nachzukommen. Mehrfach habe er sich auf Aussagen des Kultusministeriums zur aktuellen Covid-19-Situation geäußert, die er so interpretiert habe, dass es ihm nicht zuzumuten sei, in der Schule zu arbeiten. Seine Richtigstellungen habe er nicht angenommen. Jedwede organisatorischen Rahmenbedingungen, die er ihm für die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit an der Schule angeboten habe, habe er abgelehnt. Seine Hinweise, dass eine Arbeitsverweigerung zu Unterrichtsausfall für Schüler und Mehrarbeit für andere Lehrkräfte führe, habe er nicht angenommen. In seinem Selbstverständnis habe sich der Antragsteller mit dem Hinweis auf „Unverschämtheiten“ gerechtfertigt, die ihm das System angetan habe. Der Antragsteller sei der Ansicht, er habe als Lehrkraft überdurchschnittlich gut gearbeitet und innovative Projekte der Erlebnispädagogik umgesetzt. Dies sei von Schulleitung und Schulaufsicht nicht gewürdigt, gar negativ wahrgenommen und sanktioniert worden. Mit dieser Grundeinstellung rechtfertige der Antragsteller seiner Haltung und seine Arbeitsverweigerung. Wiederholt habe er Vorfälle angesprochen, die bis in das Jahr 2013 und davor zurückreichten. Da er erst seit Mai 2020 als Fachlicher Leiter des Schulamts tätig sei, habe er den Schulleiter … der … kontaktiert.
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Dieser führt in seinem Schreiben vom 17. Dezember 2020 insbesondere sinngemäß aus, der Antragsteller sei an der … … von … eingesetzt gewesen. Seit seiner Übernahme der Praxisklasse im Schuljahr … sei deutlich bemerkbar gewesen, dass er seinen Unterrichtsstil und seine Unterrichtsinhalte zunehmend entsprechend seiner privaten Interessen ausgerichtet habe. Exemplarisch stehe hier eine Exkursion mit seiner Praxisklasse nach …, die er erlebnispädagogisch begründet habe. Im Nachgang habe es mit der Stadt … Auseinandersetzung gegeben, da die Abrechnungen der Ausgaben Unstimmigkeiten ergeben hätten und der Antragsteller die zuständige Sachbearbeiterin massiv beleidigt habe. Für die jeweils beteiligten pädagogischen Fachkräfte der Praxisklasse und der Berufskooperationsklasse sei es durchweg sehr schwierig gewesen, mit dem Antragsteller zusammenzuarbeiten. Dies sei durch nicht eingehaltene Terminabsprachen und das sehr dominant und kompromisslose Auftreten des Antragstellers verursacht gewesen. Der Antragsteller habe während der letzten sechs Dienstjahre an der … ein sehr unkooperatives Verhalten gezeigt. Sowohl mit der damaligen Schulleitung, dem Sachaufwandsträger als auch mit den Kooperationspartnern in der Praxisklasse und der Berufsorientierungsklasse habe es vielfältige Konflikte gegeben, in denen sich der Antragsteller sehr uneinsichtig gezeigt habe und in Entgegnungen, Stellungnahmen bzw. Briefen zum Teil sehr despektierliche und äußerst beleidigende Äußerungen getätigt habe. Durch die Ernennung … habe er an eine andere Schule versetzt werden müssen. Sein Widerstand dagegen habe in der Drohung gegenüber der Schule gegipfelt, dann mache er ihnen das Leben zur Hölle. Als ihm die Schulleitung angezeigt habe, ihn für das Schuljahr … nicht mehr als Klassenleiter einzusetzen, habe er gegenüber Schulamt und Schulleitung gedroht, seinen Dienst nach den Sommerferien nicht anzutreten und in … zu bleiben. Der Antragsteller habe im Schuljahr … an keiner der vier großen Konferenzen teilgenommen, ohne dass ein triftiger Grund oder eine Entschuldigung vorgelegen hätte. Im Zusammenhang mit der Notengebung für das Zwischenzeugnis 2013 habe es Unstimmigkeiten gegeben.
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Mit Schreiben vom 23. Januar 2021 nahm der Antragsteller zu dem eingeleiteten Disziplinarverfahren Stellung. Sinngemäß im Kern führte er aus, aktuell erwarte er den … nach Ende der Coronapandemie. Außerdem stehe die Operation eines seit zwei Jahren bestehenden … aus. Sowohl … als auch das … und eine … seit seinem Ausrutscher im Schulamt reduzierten seine Leistungsfähigkeit derzeit erheblich. Mit seinem attestierten … gehöre er als fast 66-Jähriger auch zur risikobehafteten Coronagruppe. Die aufgeführten Einschränkungen verhinderten den vom Schulamt geforderten Schulbesuch. Seine aktuell festzustellende krankheitsbedingte Fehlanzeige bitte er die jahrzehntelange Treue und Zuverlässigkeit gegenüberzustellen, was seinen Dienst angehe. Jahrzehntelang sei bei ihm ein Krankenstand von weniger als zwei Arbeitstagen pro Kalenderjahr festzustellen gewesen. Erst jetzt im Alter komme vieles zusammen. Als …student sei er Mitte der 70er Jahre erstmals nach … gekommen und von Landschaft und Tradition neben seinen eigentlichen Arbeiten sehr fasziniert gewesen. In wiederholten Reisen dorthin habe in der Folgezeit immer wieder auch Schmuck mitgenommen. In den Folgejahren habe er sich eingehend mit der zugehörigen Literatur beschäftigt und sein Fachwissen sei gewachsen. In den 80er Jahren habe er eng mit … vom … Museum in … zusammengearbeitet. Sie hätten gegenseitig ihre Kenntnisse ergänzt und seien die Museumssammlung Stück für Stück durchgegangen. Er betreibe dieses Hobby jetzt seit über vier Jahrzehnten. Ja, er verkaufe auch, aber noch mehr kaufe er dazu, um seine einzigartige Sammlung authentischen Schmucks der … … zu erweitern.
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Mit Verfügung vom 24. März 2021 setzte die Landesanwaltschaft das Disziplinarverfahren aus, um den Ausgang einer amtsärztlichen Untersuchung des Antragstellers im Hinblick auf seine Dienstfähigkeit abzuwarten.
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Mit Schreiben vom 28. April 2021 teilte die … der Landesanwaltschaft mit, bis Mitte … werde kein Untersuchungstermin für den Antragsteller festgesetzt werden. Damit sei eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit nicht mehr möglich, da der Antragsteller mit Erreichen der Regelaltersgrenze mit Ablauf des … regulär in den Ruhestand versetzt werde.
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Mit Verfügung vom 10. Mai 2021 setzte die Landesanwaltschaft das Disziplinarverfahren fort.
25
Am 5. Juli 2021 wurde der Antragsteller bei der Landesanwaltschaft persönlich angehört. Hierbei führte er insbesondere sinngemäß aus, es treffe zu, dass bei ihm ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt sei, er aber einem Schwerbehinderten nicht gleichgestellt sei. Im Schuljahr 2019/2020 habe er nicht entsprechend der festgelegten Wiedereingliederung gearbeitet. Ältere Beamten hätten sich wegen Corona von der Arbeit fernhalten sollen. Auf Vorhalt seiner Ausführungen zu seinem uneingeschränkt robusten Gesundheitszustand führte der Antragsteller aus, als „Hauptschullehrer“ hätten sie ja ohnehin eine niedrige Besoldung. Er habe diese in seinem letzten Jahr nicht noch reduzieren wollen. Im Schuljahr 2019/2020 habe er gar nicht gearbeitet, auch keine Arbeit von zu Hause angeboten. Es sei zutreffend, dass er betreffend das Schuljahr 2020/2021 bis auf den Zeitraum 23. bis 30. September 2020 keine Krankschreibungen und auch keine fachärztlichen Atteste zur Befreiung vom Präsenzunterricht eingereicht habe. Auf Hinweis, nach dem für das Schuljahr 2020/2021 geltenden Schreiben des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus sei entweder eine aktuelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder ein Attest mit einer individuellen Risikobewertung erforderlich, um aufgrund gesundheitlicher Disposition nicht im Präsenzunterricht eingesetzt zu werden, erklärte der Antragsteller, er habe ja ein Attest für den Zeitraum 23. bis 30. September eingereicht. Auch habe er keinen Hausarzt, da dieser seit Januar 2020 im Ruhestand sei. Er sei ja mehrfach zu Untersuchung bei der medizinischen Untersuchungsstelle gewesen, Herr Dr. … kenne seine gesundheitliche Situation. Zutreffend sei, dass das Schulamt einen separaten Raum in der Schule zur Verfügung gestellt hätte, allerdings hätte sich dieser im Schulgebäude befunden, wo es zu Virenzirkulation gekommen wäre. Auch sei es zutreffend, dass er in dem Gespräch vom 9. September 2020 erklärt habe, er fühle sich von dem „System“ ungerecht behandelt. Ob er von einem „Rachefeldzug gegen das System“ gesprochen habe, könne er nicht mehr genau bestätigen, er sehe sich aber in Konfrontation mit dem System und dem Schulamt. Er wisse nicht mehr, ob er das Wort „Reparationsleistung“ erwähnt habe, befinde sich jedoch derzeit in der lukrativsten Phase seines Berufslebens. Über die Krankheiten hole er sich etwas zurück. Seitens des Schulamt sei er darauf hingewiesen worden, Unterricht von 13 Wochenstunden halten zu müssen.
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Den Schmuck habe er im Zuge seiner Reise nach … nach und nach erworben, zuletzt etwa im Jahr 2010. Für ein Schmuckstück erhalte man zwischen 10,00 EUR und im Extremfall etwa 800,00 EUR. Auf Vorhalt, ein Screenshot weise 1.811 bzw. 1.795 Verkäufe und im „Schaufenster“ Schmuckstücke im Wert von 170,00 EUR bis 950,00 EUR aus, führte der Antragsteller aus, es seien auch eine ganze Menge für 10,00 EUR oder 12,00 EUR dabei. Manche Schmuckstücke wurden auch zurückgegeben. Er habe die Tätigkeit als Hobby und nicht als Nebentätigkeit angesehen. Auf … sei er seit 2012. Er habe kein Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit gestellt. … Im Herbst 2009 sei er mit seiner Klasse nach … geflogen und habe den Schülern … gezeigt sowie Landschaften wie etwa das … und die … In der Klasse hätten sich viele rechtsradikale Schüler befunden, deren Perspektive er habe erweitern wollen. Im Nachhinein sei ihm ein Strick daraus gedreht worden. Aus seinem eigenen Geldbeutel habe er 2.500,00 EUR vorgestreckt. Nach der Fahrt habe er massive Probleme mit Schulleitung und Sachaufwandsträger gehabt. Es sei um Förderungsvoraussetzungen für die von Brüssel geförderte Fahrt gegangen. Er habe angeblich die Förderungsvoraussetzungen nicht eingehalten. Zu den Schülern habe er nach der Fahrt ein hervorragendes Verhältnis gehabt, sie hätten ihn als „Guru“ gesehen.
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Mit E-Mail vom 5. Juli 2021 fügte der Antragsteller hinzu, er habe 2015 eine Stellenausschreibung betreffend die … … gesehen. Es sei ein Lehrer gesucht worden, der bei der Eingliederung in das Berufsleben mit der Vermittlung elementarer Qualifikationen helfen könne, also genau sein Spezialgebiet. Auch habe die … auf Nachfrage Interesse an ihm bekundet, er habe lediglich eine Bestätigung seines letzten Arbeitgebers über seine Unterrichtschwerpunkte einreichen sollen. Genau dies sei ihm vom Schulamt mit dem Hinweis verwehrt worden, solche Bestätigungen seien bei Beamten nicht üblich.
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Auf Nachfrage der Landesanwaltschaft teilte das Schulamt mit Schreiben vom 15. Juli 2021 sinngemäß mit, der Antragsteller sei nur formal in der sog. mobilen Reserve geführt worden. Es sei von ihm nicht erwartet worden, flexibel an allen Schulen im Schulamtsbezirk Dienst zu tun. Während seiner geplanten Wiedereingliederung hätte er sich in … bei der …schule einbringen können. Trotz mehrfacher Einladungen und telefonischer Kontaktaufnahme durch Schulleitung und Schulamt sei er dort nicht erschienen.
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Mit Schreiben vom 2. November 2021 teilte die Landesanwaltschaft dem Antragsteller mit, es sei beabsichtigt, die Ermittlungen abzuschließen und Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts zu erlassen. Hinsichtlich des zugrundeliegenden Sachverhalts wurde auf einen beigefügten Vermerk verwiesen. Dem Antragsteller wurde abschließend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Des Weiteren - so die Landeanwaltschaft - sei beabsichtigt, einen Einbehalt von Ruhegehalt anzuordnen. Vorliegend sei die Prognose gerechtfertigt, dass dem Antragsteller im weiteren Disziplinarverfahren das Ruhegehalt aberkannt werde. Da es hinsichtlich der Höhe des Einbehaltungssatzes auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ankomme, werde die Rücksendung der beigefügten Aufstellung über die wirtschaftlichen Verhältnisse anheimgestellt. Auch im Übrigen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
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Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 26. Januar 2022 ließ der Antragsteller sinngemäß im Wesentlichen ausführen, rückblickend und mit heutigem Wissen erkenne er, dass er nicht optimal gehandelt habe, was er zutiefst bereue. Er wolle jedoch betonen, dass er im fraglichen Zeitraum nicht vorsätzlich gegen Dienstpflichten verstoßen habe. Einleitend sei darauf hingewiesen, dass er … 65 Jahre alt gewesen sei, was ihn unabhängig von zahlreichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu einer Risikoperson in der Coronapandemie mache. Er habe große Angst vor einer Infektion, da er einen schweren Verlauf befürchte. Zudem leide er an einer seit langem bestehenden und anhaltenden … behandelt werde. Über seine Wiedereingliederung an der … sei er weder offiziell noch inoffiziell informiert worden. Bereits zu dieser Zeit habe er seine Bedenken hinsichtlich des Einsatzes in der mobilen Reserve mitgeteilt. Von diesem Tage an habe er keinerlei Rückmeldung mehr bezüglich der geplanten Wiedereingliederung erhalten, sodass er davon ausgegangen sei, dass man ihn aufgrund seiner geäußerten Bedenken momentan nicht einsetzen wolle. Die Notwendigkeit der Beibringung eines ärztlichen Attests sei ihm nicht in den Sinn gekommen, da er davon ausgegangen sei, sein Dienstherr kenne seine gesundheitliche Situation. Das Gesundheitszeugnis vom 12. Februar 2020 habe noch nicht die heranrückende Coronapandemie berücksichtigt. Der erste Lockdown sei am 16. März 2020 beschlossen und am 22. März 2020 in Kraft getreten. Er sei davon ausgegangen, sein Dienstherr wolle auf keinen Fall, dass er bei den bekannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie bei seinem fortgeschrittenen Alter von 65 Jahren die geplante Wiedereingliederung tatsächlich durchführe. Dieser Gedanke habe sich bei ihm aufgrund des Umstands, dass sich niemand mehr bei ihm gemeldet habe, erheblich verstärkt. Als das Schuljahr 2020/2021 begonnen habe, seien im Herbst 2020 die zuvor gesunkenen Inzidenten wieder erheblich gestiegen. Da zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit einem Impfstoff zu rechnen gewesen sei und eine Coronainfektion für ihn ein erhöhtes Risiko eines schweren Verlaufs bedeutet hätte, sei er in Panik verfallen. Er habe befürchtet, es sei nur eine Frage der Zeit, bis er sich infiziere, wenn er sich in die Schule begebe und seine Arbeit wiederaufnehme, die den Kontakt mit hunderten von Schülern zur Folge gehabt hätte. Dies habe er mit E-Mail vom 5. September 2020 als auch mit E-Mail vom 7. September 2022 gegenüber der für ihn zuständigen Schulleitung mitgeteilt. Sein Vorschlag, Korrekturarbeiten im Homeoffice durchzuführen, sei ihm allerdings ohne weitere Begründung verwehrt worden. Die ihm vorgeschlagene Möglichkeit, Verwaltungs- und Korrekturarbeiten im Schulgebäude samt gesonderten Zugang zum Schulgebäude durchzuführen, sei für ihn nicht in Frage gekommen, da er seine Angst vor einer Coronainfektion nicht habe überwinden können. Nachdem von beiden Seiten keine Lösung gefunden worden sei, habe er das Attest betreffenden Zeitraum 23. der bis 30. September 2020 übermittelt. Da sich über den September hinaus bis Ende des Jahres 2020 niemand mehr bei ihm gemeldet habe, um mögliche Einsatzmöglichkeiten zu besprechen, und die Inzidenzen immer weiter gestiegen seien - was ab 2. November 2020 zu einem erneuten Lockdown geführt habe - sei er erneut davon ausgegangen, man wolle ihn nicht mehr einsetzen.
31
Hinsichtlich des Vorwurfs des Schmuckhandels ließ der Antragsteller ausführen, er habe sich auf die … … begeben, um andere Sammler zum Erfahrungsaustausch zu erreichen, und insbesondere, um seine Schmucksammlung zu erweitern. Dort sei es ihm möglich gewesen, doppelte oder weniger interessante Schmuckstücke an andere Sammler abzugehen, um sich selbst die für ihn interessanten Stücke anzueignen. Eine Sammlung lebe stets davon, dass über die Jahre eine Veränderung durch Zu- oder Verkäufe stattfinde. Da es in Deutschland lediglich … weitere Sammler dieser Schmuckstücke gebe, stelle … die einzige Möglichkeit dar, mit Sammlern aus der ganzen Welt in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen. Wirtschaftliche Aspekte der vereinzelten Verkäufe hätten zu keinem Zeitpunkt eine Rolle gespielt. Der Verkaufspreis der von ihm selbst erworbenen Sammlerstücke habe stets dem Einkaufspreis entsprochen, sodass nie ein signifikanter Gewinn erzielt worden sei. Zusammenfassend bestehe bei ihm eine seit 40 Jahren bestehende Sammelleidenschaft. … ein idealer Treffpunkt für Sammler der fraglichen Schmuckstücke. Dass er für das Ausleben seines Hobbys eine Genehmigung seitens des Dienstherrn habe einholen müssen, sei ihm nicht in den Sinn gekommen, da nie ein nicht nur unerheblicher Verdienst erzielt worden sei und er den „Shop“ einzig und allein ins Leben gerufen habe, um andere Sammler zu finden und seine eigene Sammlung zu erweitern. Er bereue sein Verhalten sehr und entschuldige sich für die durch sein Verhalten entstandenen Unannehmlichkeiten.
32
Mit streitgegenständlicher Verfügung vom 2. Februar 2022 ordnete die Landesanwaltschaft - hinsichtlich des Vorwurfs des Fernbleibens vom Dienst auf Grundlage des bereits dargestellten Sachverhalts - die Einbehaltung von 30 v.H. der monatlichen Ruhegehaltsbezüge an.
33
Angesichts der Corona Pandemie sei mit Allgemeinverfügung des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 13. März 2020 mit Wirkung ab 16. März 2020 bestimmt worden, dass an allen Schulen Bayerns der Unterricht und die sonstigen Schulveranstaltungen entfielen und Schülerinnen und Schüler die Schule nicht betreten dürften. Die Lehrer seien ab diesem Zeitpunkt gehalten gewesen, Schülerinnen und Schülern - mit Ausnahme der vom 6. bis 17. April 2020 währenden Osterferien - ein „Lernen zu Hause“ zu ermöglichen. Mit Schreiben vom 11. März 2020 habe das Staatsministerium insbesondere ausgeführt, es bestehe kein Betretungsverbot für Lehrkräfte. Sie befänden sich weiterhin im Dienst. Neben außerunterrichtlichen Aufgaben könnten Lehrkräfte in Absprache bzw. auf Anordnung der Schulleitung u.a. dazu herangezogen werden, Unterrichtsmaterialien an die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel per E-Mail oder über ein Schulportal zu erstellen und zu verteilen, Schülerinnen und Schüler insbesondere der Oberstufen zu unterstützen, die sich auf die Abschlussprüfungen vorbereiten müssten. Außerdem könnten administrative Aufgaben wahrgenommen werden.
34
Im Schreiben des Staatsministeriums vom 21. April 2020 heiße es u.a., da ab dem 25. April 2020 Unterricht nur in geringem Umfang stattfinde, sei es vorerst nicht erforderlich, Lehrkräfte und sonstiges Schulpersonal im Alter von über 60 Jahren an der Schule im Präsenzunterricht sowie in der Notbetreuung einzusetzen. Einer (fach-)ärztlichen Bewertung bedürfe es insoweit nicht. Dies vorausschickend würden für die Schulen folgende Regelungen gelten: Es werde festgestellt, dass die staatlichen Lehrkräfte und das sonstige Personal nach wie vor im Dienst seien und grundsätzlich auch vor Ort tätig werden müssten.
35
Im Schreiben des Staatsministeriums vom 22. Mai 2020 sei geregelt, der inzwischen eingetretene günstige Verlauf der Pandemie erlaube es, den Ministerratsbeschluss umzusetzen. Dieser Schritt bedeute aber auch, dass nach den Pfingstferien auf den Einsatz der Lehrkräfte und des sonstigen Schulpersonals im Alter von über 60 Jahren ohne Vorerkrankung an den Schulen auch im Präsenzunterricht oder in der Notbetreuung grundsätzlich nicht mehr verzichtet werden könne. Soweit sich eine Lehrkraft im Alter von über 60 Jahren durch das Covid-19-Virus als sehr gefährdet erachte, erfolge weiter kein Einsatz im Präsenzunterricht und in der Notfallbetreuung. Die Lehrkraft habe diesen Umstand der Schulleitung durch ein formloses Schreiben mitzuteilen, die Vorlage eines ärztlichen Attests sei in diesem Fall nicht erforderlich.
36
Weiter sei im Schreiben des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 9. Juli 2020 ausgeführt, angesichts der im laufenden Schuljahr gewonnenen medizinischen und schulorganisatorischen Erkenntnisse sowie des positiven Verlaufs des Infektionsgeschehens könnten die Schulleitungen bei der Unterrichtsplanung für das kommende Schuljahr 2020/2021 gegenwärtig davon ausgehen, dass die Lehrkräfte zum Unterrichtsbeginn wieder weitestgehend im Präsenzunterricht tätig seien. Die alleinige Zuordnung zu einer Risiko- oder Altersgruppe stehe diesem Einsatz grundsätzlich nicht entgegen. Insbesondere werde die noch bis Ende des laufenden Schuljahres gültige Regelung hinsichtlich der Lehrkräfte, die älter als 60 Jahre seien, nicht fortgesetzt.
37
Auch im Schreiben des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 24. Juli 2020 heiße es, eine generelle Zuordnung zu einer Risikogruppe sei nach RKI nicht möglich. Die noch bis Ende des laufenden Schuljahres gültige Regelung hinsichtlich der Lehrkräfte, die älter als 60 Jahre seien, werde nicht fortgesetzt. Auch eine Schwerbehinderung allein sei kein Grund, dass diese Personen nicht als Lehrkräfte im Präsenzunterricht eingesetzt werden könnten. Ausgangspunkt für die Entscheidung über den Einsatz einer Lehrkraft, die aufgrund ihrer persönlichen Disposition ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung trage, im Präsenzunterricht bzw. ggf. im Rahmen der Notbetreuung sei eine individuelle Risikofaktorenbewertung durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte, welche die besondere Schutzbedürftigkeit der Lehrkraft darzulegen und Vorschläge zu unterbreiten hätten, mit welchen Mitteln diesen im Rahmen des Einsatzes in Präsenzunterricht Rechnung getragen werden könnten.
38
Dies bedeute, dass der Antragsteller mit Beginn seiner Wiedereingliederung am 22. April 2020 zwar vom Präsenzunterricht befreit gewesen sei, nicht jedoch von seiner Dienstleistungspflicht, sei es zu Hause oder in einem anderen geschützten Bereich, ggf. auch in der Schule. In jedem Fall hätte er die Modalitäten seines Einsatzes mit dem Schulleiter der … klären müssen und hätte die Dienstleistung nicht insgesamt verweigern dürfen. Ab dem 15. Juli 2020 sei der Antragsteller grundsätzlich zur Erbringung von Präsenzunterricht verpflichtet gewesen. Wenn man die E-Mail des Antragstellers vom 28. April 2020 als Mitteilung ansehe, wonach er sich durch das Coronavirus sehr gefährdet erachte, wäre er zwar nach wie vor vom Präsenzunterricht befreit gewesen, nicht jedoch von seiner Dienstleistungspflicht, die er weiterhin nicht nachgekommen sei. Es wäre die Pflicht des Antragstellers gewesen, Bedenken gegen einen Einsatz in Präsenzunterricht im Vorfeld mitzuteilen und die näheren Modalitäten seines Einsatzes mit der Schulleitung rechtzeitig abzuklären.
39
Mit Beginn des Schuljahres 2020/2021 habe der Antragsteller den Präsenzunterricht nur noch unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, wonach er aufgrund einer individuellen gesundheitlichen Risikobewertung nicht im Präsenzunterricht eingesetzt werden könne, fernbleiben dürfen. Dies sei dem Antragsteller mehrfach erläutert worden. Ein ärztliches Attest sei nur für den Zeitraum vom 23. bis 30. September 2020 vorgelegt. Auch auf dem Vorschlag der Schule, dort im Rahmen einer Präsenzzeit von 19 Stunden Verwaltungs- und Korrekturarbeiten durchzuführen, wobei er einen gesonderten Zugang zur Schule erhalte und diese versetzt zu den Anfangs- und Schlusszeiten des Unterrichts betreten könne, sei der Antragsteller nicht eingegangen. Der Antragsteller habe vorsätzlich gehandelt. Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründe seien nicht ersichtlich. Mit Blick auf den Vorwurf des Schmuckhandels habe dem Antragsteller angesichts des Umfangs und der damit verbundenen erheblichen Einnahmen der getätigten Verkäufe klar sein müssen, dass er hierfür eine Nebentätigkeitsgenehmigung bedurft habe. Der Antragsteller habe keine Belege vorgelegt, wonach Verkäufe stets dem Einkaufspreis entsprochen hätten. Auch sofern wirtschaftliche Aspekte zu keiner Zeit eine Rolle gespielt haben sollten, handele es sich allein aufgrund des Umfangs der getätigten Verkäufe und der damit erzielten Erlöse um eine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit und kein bloßes Hobby. Auch insoweit habe der Antragsteller vorsätzlich gehandelt. Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründe seien nicht ersichtlich.
40
Ausgehend von der schwersten Dienstpflichtverletzung sei die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme. Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung sei daher der Umstand, dass der Antragsteller mit Ausnahme des Zeitraums 23. bis 30. September 2020 während des gesamten Schuljahrs 2020/2021 unerlaubt vom Dienst ferngeblieben sei. Plausible Gründe hierfür seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führe unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst regelmäßig zu Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, wenn es über Monate andauernde. Bei einer ununterbrochenen Dauer von vier Monaten und länger werde im Regelfall auf die Höchstmaßnahme erkannt. Wesentliche mildernde Umstände lägen nicht vor. Auch nachdem dem Antragsteller seitens des Schulamts die geltenden Regelungen erläutert worden seien und ihm sogar ein separater Raum für Korrektur- und Verwaltungsarbeiten zur Verfügung gestellt worden sei, sei er nicht zum Dienst erschienen. Er selbst habe erklärt, sich vom „System“ ungerecht behandelt zu fühlen. Er befinde sich derzeit in der lukrativsten Phase seines Berufslebens. Über die Krankheiten holte er sich etwas zurück. Erschwerend seien die weiteren Dienstpflichtverletzungen zu berücksichtigen. Im Schuljahr 2019/2020 habe der Antragsteller die festgesetzte Wiedereingliederung nicht angetreten und habe über viele Jahre eine unerlaubte Nebentätigkeit in erheblichem wirtschaftlichen Umfang ausgeübt. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls bei den einzelnen Dienstpflichtverletzungen sei das Dienstvergehen daher als schwer einzustufen und eine Aberkennung des Ruhegehalts angemessen und erforderlich. Anerkannte Milderungsgründe seien nicht ersichtlich. Erstmals mit Schriftsatz vom 26. Januar 2022 sei vorgetragen worden, der Antragsteller leide an einer seit langem bestehenden, anhaltenden … Nach dem beigefügten Attest sei es infolge einer … in den späten 80er Jahren zu einer … gekommen, die auch derzeit medikamentös behandelt werden müsse. Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Antragsteller deshalb im fraglichen Zeitpunkt von einer erheblichen verminderten Schuldfähigkeit auszugehen sei, ließen sich hieraus nicht entnehmen. Die geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie der Grad der Behinderung von 40 führten nicht zu einer milderen Beurteilung des Verhaltens des Antragstellers. Den gesundheitlichen Problemen sei bereits mit der Herabsetzung der Unterrichtspflicht im Rahmen der Wiedereingliederung sowie durch das Zurverfügungstellen eines separaten Raums Rechnung getragen worden. Auch habe der Antragsteller der Annahme seiner begrenzten Dienstfähigkeit deutlich widersprochen. Das Persönlichkeitsbild sei zulasten des Antragstellers zu werten. Dass der Antragsteller bislang straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei, stelle hingegen eine Selbstverständlichkeit und ein sozial zu erwartendes Verhalten dar und könne sich nicht entlastend zu seinen Gunsten auswirken. In der Gesamtschau würden die zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigenden Aspekte nicht so schwer wiegen, dass durch das schwere Dienstvergehen nicht ein vollständiger Vertrauensverlust eingetreten wäre, sondern noch ein Restvertrauen dem Antragsteller gegenüber verbliebe. Nach alledem sei ein endgültiger und unwiederbringlicher Vertrauensverlust eingetreten. Im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens, dessen Auswirkungen auf den Schulbetrieb und auch aus generalspräventiven Erwägungen sei die Verhängung der Höchstmaßnahme angezeigt. Die Aberkennung des Ruhegehalts sei auch nicht unverhältnismäßig.
41
Der Antragsteller habe das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen mit einem hinreichend Grad an Wahrscheinlichkeit begangen. Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass dieses nach Art und Ausmaß voraussichtlich die Höchstmaßnahme nach sich ziehen werde, sodass er teilweise Einbehalt des Ruhegehalts ermessensgerecht sei. Der ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen festzulegende Einbehaltungssatz richtet sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers. Die Entscheidung habe sich an den Grundsätzen der angemessen Alimentation und Fürsorge zu orientieren. Der Ruhestandsbeamte müsse sich zwar eine gewisse Einschränkung in seiner Lebenshaltung gefallen lassen, jedoch dürfe der Einbehalt nicht zu existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigungen führen. Gemessen daran sei der Einbehalt von 30% des monatlichen Ruhegehalts anzuordnen. Danach verblieben dem Antragsteller 1.494,19 EUR (netto). Er sei derzeit nicht erkennbar, dass der Einbehalt existenzgefährdende wirtschaftlichen Beeinträchtigungen zur Folge hätte. Der Abstand zum Regelbedarf nach dem SGB II in Höhe von 808,00 EUR sei gewahrt.
42
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 1. März 2022, eingegangen bei Gericht am 2. März 2022, die Aussetzung des Einbehalts von Ruhegehalt beantragt.
43
Zur Begründung lässt er über sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren hinaus mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 8. April 2022 sinngemäß im Kern vorbringen, der Antragsgegner stützte seine Entscheidung auf die Annahme, er habe mit einem hinreichend Grad an Wahrscheinlichkeit das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen begangen. Darüber hinaus sei es überwiegend wahrscheinlich, dass dieses nach Art und Ausmaß voraussichtlich die Höchstmaßnahme nach sich ziehen werde. Hierbei sei dem Antragsgegner allerdings ein Ermessensfehler unterlaufen, da er sich keinerlei Dienstvergehen schuldig gemacht oder sonst gegen keine Dienstpflichten verstoßen habe. Sein Gesundheitsbild seit dem Antragsgegner auch ohne die Beibringung weiterer Atteste zu jedem Zeitpunkt des Disziplinarverfahrens und auch vorher vollumfänglich bekannt gewesen. Insoweit werde die Vernehmung des Zeugen Dr. … angeregt. Mit Blick auf die nicht durchgeführte Wiedereingliederung sei die Notwendigkeit der Beibringung eines ärztlichen Attests nicht angezeigt gewesen, da der Antragsgegner über seine gesundheitliche Situation umfassend informiert gewesen sei. In dem medizinischen Gutachten vom 13. Februar 2020 sei unter Ziff. 9 ausgeführt, es sei unmittelbar im Anschluss eine erneute Untersuchung notwendig, sollte er die Wiedereingliederung nicht wie ursprünglich vereinbart antreten. Letzteres sei der Fall gewesen, sodass der Dienstherr verpflichtet gewesen sei, ihn während der Coronapandemie zu begutachten. Eine weitere Begutachtung sei allerdings nicht erfolgt, sodass er aufgrund der weiteren Untätigkeit des Antragsgegners davon habe ausgehen dürfen, es sei von seinem Dienstherrn auf keinen Fall gewollt, dass er mit den bei ihm feststehenden und dem Antragsgegner bekannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie seines bereits fortgeschrittenen Alters von 65 Jahren die geplante Wiedereingliederung tatsächlich durchführe. Entsprechend dem Schreiben des Staatsministeriums vom 22. Mai 2020 habe er mit E-Mail vom 28. April 2020 mitgeteilt, er sehe sich aufgrund seines Alters und den vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht in der Lage, die Wiedereingliederung wie geplant anzutreten. Er habe in der E-Mail in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit sei, seine Dienstpflichten auch anderweitig einzubringen. Insbesondere habe er sich nicht gegen Korrektur- und Verwaltungsarbeiten von zu Hause verwehrt. Vielmehr sei auf seine E-Mail keine Rückmeldung erfolgt. Aufgrund dessen habe sich der Eindruck verfestigt, sein Dienstherr wisse von seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung und sehe davon ab, ihn während der Coronapandemie als Lehrer weiter zu beschäftigen.
44
Hinsichtlich des Schuljahrs 2020/2021 habe er mit E-Mail vom 5. und 7. September 2020 vorgeschlagen, Korrekturarbeiten im Homeoffice durchzuführen. Dies sei ihm allerdings ohne weitere Begründung verwehrt worden. Es entspreche somit nicht den Tatsachen, wenn der Antragsgegner ausführe, er sei auf eine Reihe von Vorschlägen nicht eingegangen, wie er seinen Dienst wieder aufnehmen könne. Nach der zu Beginn des Schuljahrs 2020/2021 geltenden Regelungen hätte er zwar grundsätzlich ein Attest vorlegen müssen, wonach er im Hinblick auf eine Infektion mit dem Coronavirus besonders schutzwürdig sei. Allerdings sei der Antragsgegner zu jedem Zeitpunkt umfassend über seinen Gesundheitszustand informiert gewesen und habe es versäumt, die notwendige gesundheitliche Begutachtung in Auftrag zu geben, wie es im Rahmen des Gutachtens vom 13. Februar 2020 empfohlen worden sei. Durch diese erneute Untätigkeit des Dienstherrn sei er erneut davon überzeugt gewesen, dass aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf eine Weiterbeschäftigung zumindest so lange verzichtet werde, bis die Inzidenzen und damit auch die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit dem Coronavirus geringer geworden seien.
45
Die fragliche Tätigkeit hinsichtlich des Schmucks sei nicht gewinnorientiert gewesen. Im günstigsten Fall stehe nach Ausgaben und Einnahmen eine schwarze Null. Somit sei er auch nie steuerpflichtig gewesen, da es sich insoweit um eine Liebhaberei gehandelt habe, welcher jegliche Dauerhaftigkeit oder Gewinnerzielungsabsicht fehle. Es entspreche nicht den Tatsachen, wenn der Antragsgegner den „…“ … … wiederholt als lukrativen Schmuckhandel bezeichne. Der Durchschnittspreis der Schmuckstücke betrage 30,76 EUR. Hiervon abzuziehen seien globale Liefer- und Versandkosten in Höhe von durchschnittlich 8,20 EUR, welche er stets selber trage. Der tatsächliche Anschaffungswert der einzelnen Schmuckstücke gehe allerdings deutlich über dasjenige hinaus, was er pro Verkauf erziele. Sollte es sich um Nebentätigkeit im Sinne des Art. 81 BayBG handeln, sei diese als wissenschaftliche Tätigkeit nicht genehmigungspflichtig. Seine Sammlung, die er sich im Laufe der Jahre durch Zu- und Verkäufer angeeignet habe, habe hohen wissenschaftlichen, kulturellen sowie ethnologischen Wert. Dieser zeichne sich insbesondere dadurch aus, dass er immer wieder darum gebeten worden sei, seine Sammlung für Ausstellungen zur Verfügung zu stellen. Auch in naher Zukunft seien Ausstellungen geplant im … … in …, in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft … e.V. in … sowie im … … in … Dem Antragsgegner sei seit Jahren bekannt, dass er eine große Sammlung … Schmuckstücke unterhalte. So sei er in der Vergangenheit darum gebeten worden, … „…“ seine Schmucksammlung … zu präsentieren. Hierbei sei auch der … anwesend gewesen, welcher sich sehr interessiert mit ihm über sein Hobby unterhalten habe. Im Zuge dessen sei seine Sammlung über Monate hinweg in … ausgestellt gewesen, … Daraufhin sei er von der … gebeten worden, eine Ausstellung … zu organisieren.
46
Der Antragsteller beantragt zuletzt wörtlich,
die Aussetzung der mit dem Schreiben des Antragsgegners vom 02.02.2022 angeordneten Einbehaltung der monatlichen Ruhegehaltsbezüge des Antragstellers in Höhe von 30 v.H.
47
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
48
Er trägt über seine Ausführungen in der angegriffenen Verfügung sinngemäß im Kern vor, während der Antragsteller noch mit Schriftsatz vom 26. Januar 2022 habe ausführen lassen, er bereue sein Verhalten sehr und entschuldige sich für die entstandenen Unannehmlichkeiten, sei nunmehr hiervon keine Rede mehr. Da der Antragsteller gegen seine Ruhestandsversetzung aus gesundheitliche Gründen zum … Widerspruch und Klage erhoben habe und zudem nach Bekanntgabe der Wiedereingliederung die Fortführung der Weiterbeschäftigung im vollen Stundenumfang beantragt habe, könne der Umstand, dass er im Anschluss auf mehrfache Aufforderung seiner Einsatzschule den Dienst nicht angetreten habe, folglich nicht seinen gesundheitlichen Einschränkungen, sondern nur seinen Bedenken im Hinblick auf die Coronapandemie geschuldet sein. Eine erneute amtsärztliche Untersuchung mit Blick auf die Dienstfähigkeit während der Coronapandemie sei nicht veranlasst gewesen, da Anhaltspunkte für eine Verschlechterung des Gesundheitszustands weder vorgelegen hätten noch vorgetragen worden seien. Obwohl der Antragsteller zum Präsenzunterricht verpflichtet gewesen sei, habe das Schulamt versucht, ihm entgegenzukommen und eine Lösung zu finden. Dem Antragsteller sei mitgeteilt worden, er könne 19 Stunden Verwaltungs- und Korrekturarbeiten in einem separaten Raum der Schule leisten, wobei er einen gesonderten Zugang erhalte und die Schule versetzt zu den Anfangs- und Schlusszeiten betreten könne. Mit E-Mail vom 17. September 2020 sei der Antragsteller von dem Schulamt drauf hingewiesen worden, sollte er seinen Dienst morgen nicht antreten, würden disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet. Somit habe der Antragsgegner nicht davon ausgehen dürfen, man habe ihn nicht mehr einsetzen wollen, um ihn aufgrund seines Alters und seiner gesundheitlichen Situation vor einer Infektion zu schützen. Der Vortrag des Antragstellers, seine Schmuckstücke würden an verschiedenen Örtlichkeiten ausgestellt, sei für die Frage nicht relevant, ob für den Verkauf der Schmuckstücke eine Nebentätigkeitsgenehmigung erforderlich sei. Auch handele es sich insoweit nicht um eine wissenschaftliche Tätigkeit. Festzuhalten bleibe, dass bereits allein aufgrund der Fehlzeiten des Antragstellers im Schuljahr 2020/2021 voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werde. Bei ununterbrochenem Fernbleiben vom Dienst von vier Monaten oder länger werde im Regelfall auf die Höchstmaßnahme erkannt.
49
Hierauf lässt der Antragsteller über seinen bisherigen Vortrag hinaus sinngemäß im Kern erwidern, es lägen keine ausreichenden Erkenntnisse vor, welche darauf schließen ließen, dass das Ergebnis im Rahmen des Hauptsacheverfahrens die Aberkennung des Ruhegehalts darstellen werde. Er habe in der Vergangenheit bereits mehrmals seine Reue ausgedrückt und sich entschuldigt. Mit Blick auf die Frage der getätigten Verkäufe hinsichtlich des Vorwurfs des Schmuckhandels sei zu berücksichtigen, dass … unter der Rubrik „getätigten Verkäufe“ auch solche gelistet seien, die nicht bezahlt oder zurückgegeben worden seien. Die Anzahl der Verkäufe sei daher erheblich geringer. Die hochpreisigen Artikel, welche er in seinem „Schaufenster“ positioniert habe, seien dort nunmehr zehn Jahre hinterlegt. Sie hätten lediglich als Blickfänger gedient, um andere Sammler auf ihn aufmerksam zu machen. Die regulären Verkäufe beliefen sich zwischen 10,00 und 50,00 EUR, wovon allerdings noch Portokosten und Verkaufsgebühren abzuziehen seien.
50
Hierauf führt der Antragsgegner sinngemäß im Wesentlichen aus, es werde zur Kenntnis genommen, dass der Antragsteller nunmehr offenbar ein Dienstvergehen einräume, dessen Schwere aber nicht als ausreichend für die Verhängung der Disziplinarmaßnahme erachte. Das vorgeworfene Dienstvergehen verlange jedoch die Verhängung der Höchstmaßnahme. Zu der Behauptung, die auf … angegebenen Verkaufszahlen seien weitaus niedriger anzusetzen, bleibe der Antragsteller jeglichen Nachweises schuldig. Ausweislich der Internetseite seien zwischen dem 8. Februar 2021 und dem 9. Juli 2022 - also in genau 16 Monaten - 475 Verkäufe hinzugekommen, was durchschnittlich wiederum 30 Verkäufen pro Monat entspreche. Hierbei von einem gelegentlichen Schmuckverkauf zu sprechen, gehe an der Realität vorbei. Soweit der Antragsteller vortrage, er erziele in der Regel pro Schmuckstück ein Preis zwischen 10,00 und 50,00 EUR, sei darauf hinzuweisen, dass allein 66 der mit Stand vom 9. Juni 2022 angebotenen Schmuckstücke zu einem Preis von mehr als 100,00 EUR angeboten seien. Im Preissegment bis einschließlich 50,00 EUR fänden sich 150 Schmuckstücke. Insgesamt seien aktuell 290 Verkaufsangebote aufzufinden. Dies bedeute zusammengefasst, dass rund die Hälfte der angebotenen Schmuckstücke zu einem Preis von mehr als 50,00 EUR zum Verkauf angeboten werde.
51
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 2. Februar 2022, eingegangen bei dem Verwaltungsrecht Ansbach am 3. Februar 2022, Disziplinarklage mit dem Antrag erhoben, dem Antragsteller das Ruhegehalt abzuerkennen (Az. AN 13b D 22.00216).
52
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, auf die beigezogene Akte im Verfahren AN 13b D 22.00216 sowie auf die Behördenakten Bezug genommen.
II.
53
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
54
I. Der Antrag war abzulehnen, da keine ernstlichen Zweifel im Sinne von Art. 61 Abs. 2 BayDG an der Rechtmäßigkeit der Einbehaltung von 30% der monatlichen Ruhegehaltsbezüge bestehen.
55
1. Nach Art. 61 Abs. 1 BayDG kann der Beamte oder die Beamtin bei dem Gericht der Hauptsache die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen beantragen. Nach Art. 61 Abs. 2 BayDG ist die Einbehaltung von Bezügen ganz oder zum Teil auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Bei dem Antragsverfahren handelt es sich um ein summarisches Verfahren, wobei das Gericht nicht verpflichtet ist, den Sachverhalt auszuermitteln und ggf. erforderliche Beweise zu erheben. Vielmehr kann die summarische Prüfung nur auf Grundlage des dargelegten Ermittlungsstands und von präsenten Beweismitteln erfolgen (vgl. so zum Ganzen Conrad in Zängl, BayDG, Stand August 2021, Art. 61 Rn. 6). Ernstliche Zweifel bestehen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung offen ist, ob die Maßnahme rechtmäßig oder rechtswidrig ist, sodass allein die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ernstliche Zweifel ausschließt (vgl. Conrad a.a.O. m.w.N.). Mit Blick auf das zur Last gelegte Dienstvergehen genügt die gerichtliche Feststellung, dass der Beamte dieses mit einem hinreichend Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat. Dagegen ist nicht erforderlich, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (so zum Ganzen BayVGH, B.v. 16.12.2011 - 16b DS 11.1892, BeckRS 2012, 52509 Rn. 36). Nach alledem trifft das Gericht eine Prognoseentscheidung vergleichbar der Entscheidung der Disziplinarbehörde nach Art. 39 BayDG (vgl. Conrad a.a.O.).
56
Allerdings kommt es im Fall der Einbehaltung von Bezügen mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung nach Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG nicht auf eine Prognose hinsichtlich des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens an. Denn Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG setzt - im Unterschied zur vorläufigen Dienstenthebung nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG - nicht voraus, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird (vgl. Findeisen in Pdk Bay C-13, Stand November 2020, Art. 61 Ziff. 2.2; grundlegend BayVGH, B.v. 3.3.2010 - 16a DA 10.146 - juris). Stattdessen setzt Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG lediglich die vorläufige Dienstenthebung voraus. Mit dem Verzicht auf die Prüfung, ob prognostisch auf die Höchstmaßnahme erkannt werden wird, geht keine Einschränkung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG einher. Denn der Beamte kann jederzeit - nicht fristgebunden - nach Art. 61 Abs. 1 BayDG die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung beantragen, also deren Rechtmäßigkeit mit Blick auf die Frage gerichtlich prüfen lassen, ob voraussichtlich auf die Höchstmaßnahme erkannt werden wird (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 18).
57
Dagegen setzt Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayDG für die Anordnung der Einbehaltung von bis zu 30% des Ruhegehalts - im Unterschied zu Satz 1 der Vorschrift, die für Beamten im aktiven Dienst gilt - die voraussichtliche Aberkennung des Ruhegehalts voraus. Entsprechend ist diese Frage auch im Rahmen des Antrags des Ruhestandsbeamten nach Art. 61 Abs. 2 BayDG am Maßstab ernstlicher Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit zu prüfen. Insoweit trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass bei Ruhestandsbeamten eine vorläufige Dienstenthebung nicht möglich ist, sodass Ruhestandsbeamten allein im Verfahren über die Einbehaltung von Bezügen prüfen lassen können, ob sie mit einer Disziplinarmaßnahme zu rechnen haben, die schon jetzt eine Kürzung des Ruhegehalts angezeigt erscheinen lässt (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 20).
58
Die Ermessensentscheidung der Disziplinarbehörde bezüglich des Einbehalts von Bezügen ist lediglich eingeschränkt richterlicher Überprüfung zugänglich, wobei das Gericht auch im Fall von Ermessensfehlern eine eigene Entscheidung zu treffen hat. Denn aus Art. 61 Abs. 2 BayDG geht hervor, dass das Gericht die Anordnung des Einbehalts von Bezügen auch lediglich zum Teil aussetzen kann (so zum Ganzen Findeisen in Pdk Bay C-13, Stand November 2020, Art. 61 Ziff. 2.2). Maßgebendes Kriterium für die Höhe des Einbehaltungssatzes sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ruhestandsbeamten, wobei der im Einzelfall festzusetzende Einbehaltungssatz im Ermessen der Disziplinarbehörde liegt (Conrad in Zängl, BayDG, Stand August 2021, Art. 39 Rn. 47). Das Ermessen muss sich an den Grundsätzen der angemessenen Alimentation und der Fürsorge orientieren, wobei Schwere und Tragweite des Dienstvergehens lediglich Voraussetzungen des Einbehalts sind, aber keinen Einfluss auf die Höhe der Einbehaltung haben. Der Beamte muss mit der Einbehaltung der Bezüge seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten können. Zwar muss er gewisse Einschränkungen in Kauf nehmen, aufgrund des vorläufigen Charakters des Einbehalts darf es aber nicht zu existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigungen kommen. Damit ist ein Einbehalt jedenfalls dann ermessensfehlerhaft, wenn der dem Beamten für den Lebensunterhalt verbleibende Betrag keinen hinreichenden Abstand mehr zu dem Regelsatz der Grundsicherung für Arbeitssuchende bzw. der Grundsicherung im Alter aufweist. Insoweit ist ausreichender Abstand gewahrt, wenn die nach der Einbehaltungsanordnung für den Lebensunterhalt verbleibenden Einkünfte einen Mindestabstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau von 15% aufweisen (vgl. so zum Ganzen Conrad a.a.O. Rn. 36). Schließlich obliegt es dem Beamten, seine wirtschaftlichen Verhältnisse offenzulegen und ggf. nachzuweisen, soweit er die Angemessenheit des Einbehalts der Höhe nach bestreitet (Findeisen in Pdk Bay C-13, Stand November 2020, Art. 61 Ziff. 2.2).
59
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen hier im Sinne von Art. 61 Abs. 2 BayDG keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung des Einbehalts von 30% der monatlichen Ruhegehaltsbezüge.
60
a) Zunächst bestehen keine formellen Bedenken hinsichtlich der Einbehaltungsanordnung. Insbesondere wurde der Antragsteller vor der Anordnung gemäß Art. 3 BayDG i.V.m. Art. 28 BayVwVfG angehört. Eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 Satz 1 a.F. bzw. § 178 Abs. 2 Satz 1 n.F. SGB IX war nicht erforderlich. Zwar ist bei dem Antragsteller ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt. Die Schwerbehinderung im Sinne des SGB setzt aber nach § 2 Abs. 2 SGB X einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 voraus. Auch ist - bestätigt durch die eigenen Angaben des Antragstellers im Rahmen seiner Anhörung bei der Landesanwaltschaft - keine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX erfolgt. Eine Mitwirkung des Personalrats im Rahmen der Einbehaltungsanordnung sieht Art. 76 Abs. 1 Nr. 3 BayPVG nicht vor (vgl. Conrad in Zängl, BayDG, Stand August 2021, Art. 39 Rn. 52).
61
b) Auch in materieller Hinsicht liegen die Voraussetzungen der Einbehaltungsanordnung vor.
62
aa) Bei dem Antragsteller handelte es sich im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Anordnung gemäß Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayDG um einen Ruhestandsbeamten. Denn der Antragsteller trat mit Ablauf des … aufgrund Erreichens der Regelaltersgrenze in den Ruhestand ein, während die streitgegenständliche Anordnung am vom 2. Februar 2022 erging. Unerheblich ist, ob sich die Anordnung auf den Vorwurf eines Dienstvergehens vor oder nach der Ruhestandsversetzung bezieht (vgl. Conrad in Zängl, BayDG, Stand August 2021, Art. 39 Rn. 44). Auch war im Zeitpunkt der angegriffenen Anordnung das Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller bereits eingeleitet (vgl. Conrad a.a.O.) Die Einleitung des Verfahrens wurde dem Antragsteller am 17. Dezember 2020 bekanntgegeben.
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bb) Bei summarischer Prüfung ist auch davon auszugehen, dass dem Antragsteller voraussichtlich das Ruhegehalt aberkannt werden wird. Denn bei summarischer Prüfung ist auf Grundlage des Sachverhalts nach derzeitigem Ermittlungsstand allein unter Berücksichtigung präsenter Beweismittel (1) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller ein einheitliches Dienstvergehen begangen hat (2), das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in formeller (3) und materieller Hinsicht (4) zu der Höchstmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts führen wird.
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(1) Beim derzeitigen Ermittlungsstand unter Berücksichtigung allein präsenter Beweismittel ist jedenfalls von einem Sachverhalt auszugehen, wonach der Antragsteller zumindest nach dem 22. März 2020 keinen Dienst mehr geleistet hat. Letzteres ist in objektiver Hinsicht zwischen den Beteiligten jedenfalls unstreitig, soweit Präsenzunterricht durch den Antragsteller in Frage steht. Aber auch im Übrigen ist davon auszugehen, dass der Antragsteller jedenfalls ab dem 22. März 2020 keinen Dienst mehr geleistet hat. So hat der Antragsteller Entsprechendes nicht geltend gemacht, obwohl dies - hätte er Dienst verrichtet - zu erwarten gewesen wäre.
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Auch ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller nach dem 22. März 2020 stets in der Lage war, überhaupt Dienst zu leisten, wenn auch ggf. in geringem Umfang. Zwar mag sein Widerspruch mit E-Mail vom 22. März 2020 gegen die beabsichtigte Ermäßigung seiner Unterrichtspflichtzeit bzw. sein Antrag auf Weiterbeschäftigung im vollen Stundenumfang, da er sich in einem uneingeschränkt robusten Gesundheitszustand befinde, allein dadurch motiviert gewesen sein, Besoldungseinbußen zu vermeiden. Hierfür spricht auch, dass der Antragsteller auf Vorhalt im Rahmen seiner persönlichen Anhörung gegenüber der Landesanwaltschaft sinngemäß erklärt hat, als „Hauptschullehrer“ mit niedriger Besoldung habe er diese in seinem letzten Jahr nicht noch reduzieren wollen. Allerdings kann kann aus etwaigen Übertreibungen des Antragstellers betreffend seinen ausgezeichneten Gesundheitszustand umgekehrt nicht gefolgert werden, dass zu keiner Dienstleistung imstande gewesen wäre. Vielmehr hat der Antragsteller gegenüber Schule und Schulamt - wenn auch verbunden mit dem Hinweis auf Vorerkrankungen - stets darauf verwiesen, er könne aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Risikogruppe während der Coronapandemie keinen Dienst in der Schule verrichten. Zudem hat er Arbeiten aus dem Homeoffice angeboten. Nicht zuletzt geht aus den Angaben des Antragstellers der Sache nach hervor, dass dieser gesundheitlich in der Lage war, eine Reise nach … zu unternehmen. All dem ist zu entnehmen, dass sich der Antragsteller grundsätzlich in der Lage gesehen hat, jedenfalls teilweise Dienst zu verrichten. Andernfalls wäre jedenfalls bei dem derzeitigen Stand des Verfahrens - in dem der streitgegenständliche Einbehalt angeordnet wurde und im Hauptsacheverfahren der vollständige Verlust des Ruhgehalts in Frage steht - zu erwarten, dass der durch Bevollmächtigte vertretene Antragsteller - sollte dies den Tatsachen entsprechen - geltend machen würde, zu keiner Dienstleistung imstande gewesen zu sein. Dies ist indes nicht der Fall. Vielmehr hat der Antragsteller zuletzt im Kern vorgebracht, er sei davon ausgegangen, sein Dienstherr habe ihn angesichts seines Alters und seiner Vorerkrankungen während der Coronazeit nicht zum Dienst heranziehen wollen. Danach steht der Antragsteller auf dem Standpunkt, seine Dienstleitung sei nicht verlangt worden, nicht aber, dass er diesen nicht (teilweise) hätte leisten können. Überdies geht auch das ärztliche Gutachten vom 13. Februar 2020 bei erfolgreichem Abschluss der stufenweisen Heranführung an die Diensttätigkeit im Anschluss von einer begrenzten Dienstfähigkeit aufgrund 14 zu haltender Unterrichtsstunden aus. Dabei spricht allein der Umstand der ärztlich vertretenen stufenweisen Heranführung an die begrenzte Diensttätigkeit, dass der Antragsteller imstande war, Dienst zu leisten, wenn auch in geringerem Umfang. Da es sich schließlich bei dem sachverständigen Zeugen Dr. … nicht um ein präsentes Beweismittel handelte, konnte der entsprechenden Beweisanregung des Antragstellers nicht nachgegangen werden.
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Bei summarischer Prüfung ist beim derzeitigen Stand des Verfahrens auch davon auszugehen, dass der Antragsteller mit hinreichender Wahrscheinlichkeit jedenfalls seit dem 22. März 2022 vorsätzlich in dem Sinne gehandelt hat, dass er in dem Wissen, in der Lage zu sein, jedenfalls teilweise Dienst zu verrichten, keinen Dienst verrichtet, insbesondere keinen Präsenzunterricht gehalten hat. So ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Kläger - vermutlich sogar am besten - um seine eigene, ggf. eingeschränkte Leistungsfähigkeit wusste. Zur Überzeugung des Gerichts steht auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass dem Antragsteller jedenfalls ab dem 17. September 2020 bewusst war, dass sein Dienstherr keinesfalls auf seine Dienste verzichtet, sondern diese unmissverständlich gefordert hatte. So wurde der Antragsteller mit E-Mails des Schulamts vom 17. September 2020 zum einen darauf hingewiesen, er müsse seiner Unterrichtsverpflichtung von 13 Wochenstunden nachkommen. Am gleichen Tag wurde dem Kläger ebenfalls per E-Mail unmissverständlich eröffnet, sollte er morgen seinen Dienst nicht antreten, würden disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet. Dass der Kläger dies auch zur Kenntnis genommen hat, belegt seine Antwort per E-Mail noch am 17. September 2020, er respektiere die Entscheidung, auch wenn er sie nicht gutheiße. Aus dieser Antwort geht zudem hervor, dass der Antragsteller, die - ohnehin unmissverständliche - Aufforderung, er solle seinen Dienst antreten, verstanden hatte. Zudem steht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass dem Kläger jedenfalls seit 17. September 2020 bewusst war, es werde von ihm verlangt, ein entsprechendes ärztliches Attest vorzulegen, sofern er als Risikoperson im Rahmen der Coronapandemie keinen Präsenzunterricht halten könne. Denn auch hierauf wurde der Antragsteller mit E-Mail vom 17. September 2020 hingewiesen.
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Rechtfertigungsgründe abseits der Frage der Dienstunfähigkeit sind nicht ersichtlich. Genauso wenig sind Umstände ersichtlich, die zur eingeschränkten Schuldfähigkeit des Antragstellers oder gar dessen Schuldunfähigkeit führen könnten. So ist weder vorgebracht noch ersichtlich, dass die antragstellerseits vorgebrachten Krankheiten im fraglichen Zeitraum die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Antragstellers beeinträchtigt hätten.
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(2) Auf Grundlage dieses Sachverhalts hat der Antragsteller jedenfalls seit dem 18. September 2020 (einem Freitag) bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des … - mit Ausnahme der Zeit vom 23. bis 30. September 2020 - mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein einheitliches Dienstvergehen jedenfalls nach Art. 95 Abs. 1 Satz 1 BayBG und § 34 Abs. 1BeamtStG i.V.m. § 47 BeamtStG begangen.
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Der Tatbestand der bezeichneten Normen ist in den genannten Zeiträumen erfüllt. So dürfen Beamte und Beamtinnen nach Art. 95 Abs. 1 Satz 1 BayBG dem Dienst nicht ohne Genehmigung ihrer Dienstvorgesetzten fernbleiben. Genauso verlangt § 34 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, dass sich Beamtinnen und Beamte mit vollem persönlichen Einsatz ihrem Beruf zu widmen haben. Auch danach begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er zumindest bedingt vorsätzlich ungenehmigt vom Dienst fernbleibt (vgl. Reich in Reich, BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 34 Rn. 2).
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Die Tatbestandsverwirklichung entfällt auch nicht mit Blick auf die Frage der Dienstfähigkeit des Antragstellers. Genauso wenig liegt nach dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellten Sachverhalt insoweit eine Rechtfertigung vor. Zwar ist der Beamte im Fall der Dienstunfähigkeit von der Dienstleistungspflicht auch ohne Genehmigung des Dienstherrn befreit, da er sie nicht erbringen kann (Heizer in Beckscher Online-Kommentar Beamtenrecht, 25. Edition Stand 1.4.2022, Art. 95 BayBG Rn. 16.1). Das Fernbleiben von Dienst ist nicht pflichtwidrig, wenn der Beamte wegen Erkrankung oder sonstigen Gründen dienstunfähig ist (Zängl in Zängl, BayDG, Stand August 2016, MatR/II Rn. 207). Allerdings rechtfertigt nur die absolute Dienstunfähigkeit ein nicht genehmigtes Fernbleiben vom Dienst. Im Fall relativer Dienstunfähigkeit, d.h. eingeschränkten Dienstfähigkeit, hat der Dienstvorgesetzten zu entscheiden, ob er die eingeschränkte Dienstleistung in Anspruch nimmt, ggf. durch Übertragung eines anderen Dienstpostens. Der Beamte darf von sich aus die Dienstleistung nicht verweigern (so zum Ganzen Zängl a.a.O.). Fühlt sich ein Beamter hinsichtlich eines Teils seiner dienstlichen Aufgaben dienstunfähig, so hat er auf eine entsprechende Klärung hinzuwirken, darf allerdings nicht nicht eigenmächtig den Dienst verweigert (vgl. Zängl a.a.O.). Schließt eine Erkrankung die Dienstfähigkeit des Beamten nicht vollständig aus, muss der Beamte seine Dienste in zumutbarem Umfang anbieten (Heizer in Beckscher Online-Kommentar Beamtenrecht, 25. Edition Stand 1.4.2022, Art. 95 BayBG Rn. 17.2).
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Hier hat der nach dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellten Sachverhalt teilweise dienstfähige Antragsteller seinen Dienst nicht in zumutbarem Umfang angeboten. So ist der Antragsteller im fraglichen Zeitraum überhaupt nicht zum Dienst erschienen. Insoweit wäre es dem Antragsteller entweder zumutbar gewesen, Dienst zu leisten, oder aber ein Attest vorzulegen, aus dem sich nach entsprechender Risikobewertung mit Blick auf die Coronapandemie ggf. ergeben hätte, dass ihm Ansteckungsrisiken im Präsenzunterriecht nicht zumutbar seien. Auch ist weder substantiiert geltend gemacht noch bei summarischer Prüfung ersichtlich, dass der Antragsgegner ohne gesondertes ärztliches Attest davon hätte ausgehen müssen, dass dem Kläger Präsenzunterricht in der Coronapandemie unzumutbar gewesen wäre. Dies gilt umso mehr, als das ärztliche Zeugnis vom 12. Februar 2020 - wie auch der Antragsteller geltend gemacht hat - Umstände mit Blick auf die Coronapandemie zeitlich noch nicht berücksichtigen konnte. Jedenfalls aber wäre es dem Kläger zumutbar gewesen, auch ohne Vorlage eines Attests seinen Dienst entsprechend dem Vorschlag des Schulamts mit E-Mail vom 17. September 2020 anzubieten, also in einem gesonderten Raum in der Schule bei gesondertem Schulzugang, zudem versetzt zu den Anfangs- und Schlusszeiten des Unterrichts Verwaltungs- und Korrekturarbeiten zu erbringen. Denn bei summarischer Prüfung waren nach menschlichem Ermessen insoweit relevante bzw. unzumutbare Ansteckungsrisiken mit dem Coronavirus hinreichend ausgeschlossen. Dagegen hat der Antragsteller seinen Dienst auch insoweit nicht angeboten, sondern ist bei summarischer Prüfung weit hinter dem Zumutbaren zurückgeblieben, indem er allein Korrekturarbeiten von zu Hause angeboten hat.
72
Rechtfertigungs-, Schuldaufhebungs- oder Schuldminderungsgründe liegen nach dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellten Sachverhalt nicht vor. Ein etwaiger Verbotsirrtum des Antragstellers war bei summarischer Prüfung aufgrund der vielfachen Hinweise auf seine Dienstpflicht jedenfalls vergleichsweise leicht vermeidbar (vgl. § 17 StGB).
73
(3) Formale Gesichtspunkte stehen der Annahme nicht entgegen, dass das bei summarischer Prüfung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begangene Dienstvergehen zur Höchstmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts nach Art. 13 BayDG führen wird. Ungeachtet des Umstands, dass die Anordnung nach Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayDG bereits mit Einleitung des Disziplinarverfahrens möglich ist (vgl. Conrad in Zängl, BayDG, Stand August 2021, Art. 39 Rn. 44), bestehen auch mit Blick auf die vorliegend bereits erhobene Disziplinarklage keine Bedenken in formeller Hinsicht. Insbesondere wurde dem Antragsteller gemäß Art. 32 BayDG die Möglichkeit eingeräumt, sich abschließend zu äußern. Zudem wurde er mit Blick auf Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayPVG darauf hingewiesen, dass er die Mitwirkung der Personalvertretung beantragen könne. Eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung war aus den oben genannten Gründen nicht erforderlich.
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(4) Auch in materieller Hinsicht ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Antragsteller gemäß Art. 13 BayDG das Ruhegehalt aberkannt werden wird.
75
(a) Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayDG ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen. Zu bemessen ist die Disziplinarmaßnahme gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten.
76
Im Fall der Disziplinarklage kann das Gericht, sofern es von der Begehung eines Dienstvergehens überzeugt ist, im Hauptsachverfahren auf die im Einzelfall gebotene Disziplinarmaßnahme erkennen (vgl. Findeisen in PdK Bay C-13, Stand November 2020, Art. 58 BayDG Ziff. 3.1). Nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG ist Ruhestandsbeamten und -beamtinnen das Ruhegehalt abzuerkennen, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen. Entsprechend gelten für Ruhestandsbeamte grundsätzlich keine anderen Maßstäbe als für aktive Beamte. Insbesondere begründet der Eintritt in den Ruhestand keine mildernden Umstände. Der Zweck der Disziplinarmaßnahme gegen Ruhestandsbeamten dient der Generalprävention, der Gleichbehandlung zwischen Ruhestandsbeamten und aktiven Beamten sowie der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch für Beamte, die ein Dienstvergehen noch während ihres aktiven Dienst begehen, eine vorhersehbare und deshalb zurechenbare Rechtsfolge (so zum Ganzen Findeisen in PdK Bay C-13, Stand November 2020, Art. 13 BayDG Ziff. 2.1 m.w.N.).
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Auf dieser Grundlage ist anerkannt, dass ein Verstoß gegen die Dienstleistungspflicht - etwa durch Fernbleiben vom Dienst - als eine Grundpflicht des Beamten schwer wiegt, wobei ein gröblicher Verstoß den Beamten hinsichtlich eines Verbleibs im Dienst untragbar machen kann. Einem Beamten, der ohne triftigen Anlass nicht zum Dienst erscheint, kann grundsätzlich nicht das Vertrauen entgegengebracht werden, dass für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässlich ist. Für die Maßnahmebemessung ist sowohl der Grund als auch die Häufigkeit und Dauer des Fernbleibens von Bedeutung. Ein häufiges oder längere Zeit dauerndes schuldhaftes Fernbleiben ohne triftigen Grund macht den Beamten für den öffentlichen Dienst untragbar, auch dann, wenn der Beamte durch psychische Erkrankungen in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt und damit seine Schuldfähigkeit vermindert ist oder das Fernbleiben aus einer hypochondrischen Grundhaltung folgt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wurde jedenfalls bei einer ununterbrochenen Dauer von vier Monaten oder länger stets auf die Höchstmaßnahme erkannt. Wer ohne triftigen Grund für einen längeren oder für mehrere jeweils kürzere Zeiträume nicht zum Dienst erscheint, offenbart ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit, Pflichtvergessenheit und Mangel an Einsicht in die Notwendigkeit einer geordneten Verwaltung. Allerdings sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Bei wesentlichen mildernden Umständen, etwa der fahrlässigen Annahme der Dienstunfähigkeit, kann von der Höchstmaßnahme abgesehen werden, wenn das unberechtigte Fernbleiben Folge einer zwischenzeitlich abgeschlossenen negativen Lebensphase war und eine konkrete Aussicht auf ein künftiges, pflichtgemäßes Verhalten besteht (vgl. so zum Ganzen Conrad in Zängl, BayDG, Stand August 2021, MatR/II Rn. 219).
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(b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier - ohne dass es auf den Vorwurf betreffend einen etwaigen Schmuckhandel ohne Beantragung einer Nebentätigkeitsgenehmigung ankäme - jedenfalls überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller das Ruhegehalt aberkannt werden wird. Zwar hat der Antragsteller das Dienstvergehen teilweise eingeräumt. Nach dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellten Sachverhalt war der Antragsteller zudem lediglich eingeschränkt dienstfähig. Gewichtig ist allerdings, dass der Antragsteller dem Dienst über einen ganz erheblich langen Zeitraum ferngeblieben ist. Zwar handelte der Antragsteller im Zeitraum vom 23. bis 30. September 2020 aufgrund des eingereichten Attests nicht pflichtwidrig. Allerdings erstreckt sich allein der Zeitraum vom 1. Oktober 2020 … auf (ununterbrochen) zehn Monate. Hinzu kommt, dass der Antragsteller vorsätzlich handelte. Erschwerend ist bei summarischer Prüfung zudem zu berücksichtigen, dass der Antragsteller vielfach gewarnt war. Insbesondere wurden ihm bereits mit E-Mail vom 17. September 2020 unmissverständlich disziplinarrechtliche Schritte angedroht. Entsprechend stellt sich die Pflichtverletzung als beharrlich dar. Der Antragsteller hat seine Dienste auch nicht entsprechend dem Vorschlag des Schulamts ebenfalls vom 17. September 2020 angeboten, wonach er in der Schule Korrektur- und Verwaltungsarbeiten in einem gesonderten Raum hätte erbringen können, wobei er einen gesonderten Zugang zur Schule erhalten hätte und es ihm zusätzlich gestattet gewesen wäre, das Schulgebäude zeitversetzt zu den Anfangs- und Schlusszeiten des Unterrichts zu betreten bzw. zu verlassen. Bereits ausgeführt ist, dass dem Antragsteller jedenfalls ein solches Angebot seiner Dienste zumutbar gewesen wäre, ggf. auch ohne Vorlage eines Attests. Zum Nachteil des Antragstellers fällt wirkt sich auch das Persönlichkeitsbild aus. Danach stellt sich das hier streitgegenständliche, bei summarischer Prüfung pflichtwidrige Verhalten des Antragstellers nicht als wesensfremd oder als erstmaliges Fehlverhalten dar. Auch die Äußerung des Antragstellers vor der Landesanwaltschaft, er hole sich über Krankheiten etwas zurück, erscheint bei summarischer Prüfung nicht geeignet, ein Restvertrauen des Dienstherrn in den Antragsteller zu rechtfertigen. Schließlich würde sich auch ein etwaiger - hier vermeidbarer - Verbotsirrtum nicht im Sinne von § 17 Satz 2 StGB mildernd auswirken, da sich die Maßnahmebemessung nach den BayDG, nicht aber dem StGB richtet (BVerwG, U.v. 15.12.2021 - 2 C 9/21 - NVwZ-RR 2022, 423).
79
c) Auch der angeordnete Einbehalt in Höhe von 30% ist nicht zu beanstanden. Insoweit hätte das Gericht auch im Fall von Ermessensfehlern eine eigene Entscheidung zu treffen. Der Antragsteller hat den Einbehalt der Höhe nach nicht angegriffen und entsprechend auch seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht offengelegt. Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller, dem monatliche Nettobezüge in Höhe von 1.494,19 EUR verbleiben, seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten könnte. Auch ist weder geltend gemacht noch mit Blick auf die Regelbedarfsstufen gemäß Anlage zu § 28 SGB XII ersichtlich, dass der erforderliche Mindestabstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau nicht mehr eingehalten wäre.
80
II. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG gerichtsgebührenfrei.