Titel:
kein Anspruch auf Erteilung einer Duldung mit Beschäftigungserlaubnis
Normenkette:
AufenthG § 4a Abs. 4, § 60a Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
§ 60b AufenthG enthält keinen eigenen Duldungstatbestand, sondern eine isoliert anfechtbare Nebenbestimmung. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung, Duldung, Beschäftigungserlaubnis, Klageänderung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 17.03.2022 – M 10 K 21.3767
Fundstelle:
BeckRS 2022, 23699
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe - unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. M2. B., M3. Straße 35, 8... T. - wird abgelehnt.
Gründe
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Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine vor dem Verwaltungsgericht erfolglose Klage auf Erteilung einer Duldung samt Beschäftigungserlaubnis weiter.
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1. Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet, weil sich aus dem Zulassungsvorbringen, das allein der rechtlichen Überprüfung durch den Senat unterliegt, die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der besondere tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sowie eines Verfahrensmangels im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht ergeben.
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a) Dies gilt insbesondere für den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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aa) Derartige Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16).
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bb) Derartige Zweifel zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf.
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Nicht durchdringen kann die Klägerseite insbesondere mit dem Einwand, der Kläger habe einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hinsichtlich der Erteilung einer Beschäftigungsduldung gemäß § 60d Abs. 4 und Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, und der Beklagte habe diesbezüglich zu Unrecht sein Ermessen nicht ausgeübt. Das Verwaltungsgericht hat in den Gründen des angegriffenen Urteils darauf abgestellt, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, dass eine Beschäftigungsduldung nach § 60d AufenthG nicht ohne eine Duldung nach § 60a AufenthG erteilt werden könne und der Kläger eine solche weder besitze noch hierauf einen Anspruch habe (vgl. UA S. 5 Rn. 16). Damit setzt sich die Klägerseite nicht auseinander und dementsprechend auch nichts entgegen. Im Übrigen ist dies in der Sache nicht zu beanstanden (vgl. § 60d Abs. 1 Nr. 2 AufenthG: „im Besitz einer Duldung“).
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Soweit die Klägerseite nunmehr vorträgt, der Kläger habe jedenfalls, auch wenn er über seine Identität getäuscht hätte, einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60b AufenthG, wie hilfsweise beantragt, geht dieser Einwand ins Leere. Zwar hat die Klägerseite zuletzt beantragt, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Duldung mit Beschäftigungserlaubnis, hilfsweise eine Duldung ohne Beschäftigungserlaubnis zu erteilen (vgl. VG München, Gerichtsakte, Sitzungsprotokoll v. 17.3.2022, Bl. 3 u. UA S. 3). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der nunmehr geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60b AufenthG Streitgegenstand des angegriffenen Urteils war. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Klage, die zunächst (zulässig) gegen die erteilte Duldung nach § 60b AufenthG, mithin isoliert gegen den Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“, sowie auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis gerichtet gewesen wäre, in zulässiger Weise nach § 91 Abs. 1 VwGO in eine Klage auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG nebst Beschäftigungserlaubnis geändert worden wäre (vgl. UA S. 3 ff.). Das Verwaltungsgericht hat die Klageänderung als sachdienlich erachtet, da sich mit Ablauf der Duldung des Klägers nach § 60b AufenthG die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage erledigt habe und die Umstellung prozessökonomisch sei. Damit setzt sich die Klägerseite nicht auseinander und dementsprechend auch nichts an Substanz entgegen.
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Abgesehen davon ist § 60b AufenthG kein eigener Duldungstatbestand, sondern eine isoliert anfechtbare Nebenbestimmung (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2021 − 10 C 21.2203, 10 C 21.2204, 10 C 21.2205 − juris Rn. 28). Das Zulassungsbegehren steht im Widerspruch zu der gesamten Prozessgeschichte des Verfahrens (vgl. VG München, Gerichtsakte, Bl. 32 u. 34: „“§ 60a AufenthG“ u. „§ 4a Abs. 4 AufenthG“, Kläger, Schriftsatz v. 2.2.2022 sowie Sitzungsprotokoll v. 17.3.2022, Bl. 3). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht bei der Prüfung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bereits auf Tatbestandsseite das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses, welches Voraussetzung für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis ist, verneint, so dass es letzteres folgerichtig abgelehnt hat. Dass und inwieweit das Verwaltungsgericht zu weiteren Ausführungen veranlasst gewesen sein sollte, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf.
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b) Das Zulassungsvorbringen der Klägerseite zu dem geltend gemachten Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten beschränkt sich darauf, dass die „Entscheidung über den Ermessensfehlgebrauch“ rechtlich nicht einfach sei und das Verwaltungsgericht sich damit im Urteil nicht auseinandergesetzt habe. Wie erörtert, hatte das Verwaltungsgericht keinen Anlass, weitere Erwägungen zu der Erteilung einer Beschäftigungsduldung nach § 60d AufenthG und einer diesbezüglichen Ermessensausübung anzustellen, weil es bereits an einer Duldung im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG fehlt, welche hierfür Voraussetzung ist (s.o.).
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cc) Zu dem darüber hinaus geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels enthält die Zulassungsschrift keinerlei Ausführungen.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Für die Erteilung einer Duldung ist nach Nr. 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ein Streitwert in Höhe von 2.500,- Euro zu veranschlagen. Für die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist aufgrund des wirtschaftlichen Interesses hieran ein Streitwert in Höhe von 5.000,- Euro anzusetzen (vgl. zuletzt zum einstweiligen Rechtsschutz: BayVGH, B.v. 27.10.2021 - 10 CE 21.945 - juris Tenor u. Rn. 34).
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4. Aus genannten Gründen ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzulehnen.
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5. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.