Titel:
Dauerhafte Rückgabe eines elektronischen Aufenthaltstitels
Normenketten:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 2 S. 2, § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 38a Abs. 1, § 48 Abs. 1 S. 1, § 51 Abs. 1 Nr. 1
VwVfG § 52
Leitsatz:
Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur dauerhaften Rückgabe eines elektronischen Aufenthaltstitels ist die allgemeine verwaltungsrechtliche Regelung in Art. 52 BayVwVfG. Die spezialrechtlich geregelte Vorlagepflicht nach § 48 Abs. 1 S. 1 AufenthG ist nicht anwendbar, da diese sich nur auf eine vorübergehende Abgabe des Aufenthaltstitels bezieht. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Verpflichtung zur Abgabe eines elektronischen Aufenthaltstitels, Abschiebungsandrohung., Befristung einer Aufenthaltserlaubnis, Daueraufenthaltserlaubnis-EU, dauerhaften Rückgabe eines elektronischen Aufenthaltstitels, Familiennachzug, Erlaubnis zum Daueraufenthalt EU, Arbeitgeberwechsel
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 08.09.2022 – 10 C 22.896
Fundstelle:
BeckRS 2022, 23695
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
1
Der am ... in … geborene Antragsteller zu 1) ist nordmazedonischer Staatsangehöriger und reiste am 15. März 2021 visumsfrei aufgrund einer ihm in Italien ausgestellten Daueraufenthaltserlaubnis-EU in das Bundesgebiet ein. Die Antragstellerin zu 2) ist seine Ehefrau. Die Antragstellerinnen zu 3) und zu 4) sind ihre gemeinsamen 2014 und 2018 geborenen Kinder. Die Antragstellerinnen zu 2) - 4) sind ebenfalls nordmazedonische Staatsangehörige und derzeit in Besitz von italienischen Aufenthaltstiteln.
2
Am 3. Mai 2021 beantragte der Antragsteller zu 1) die Zustimmung der Agentur für Arbeit für eine Tätigkeit als Maler und Verputzhelfer bei der Fa. … in …
3
Nach erteilter Zustimmung durch die Agentur für Arbeit für die beantragte Tätigkeit wurde dem Antragsteller zu 1) mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Mai 2021 eine bis 10. Mai 2022 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1 AufenthG erteilt. In den Aufenthaltstitel wurde folgende Nebenbestimmung aufgenommen: „Jede Änderung/Aufgabe der Beschäftigung ist vorher und unverzüglich der Ausländerbehörde anzuzeigen. Selbständige Tätigkeit nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet. Die Aufenthaltserlaubnis erlischt mit Bezug von Sozialleistungen nach dem SGB II oder SGB XII. Es wird in diesem Fall eine Ausreisefrist von zwei Wochen eingeräumt“.
4
Nach Kündigung des genehmigten Arbeitsverhältnisses am 29. Juni 2021 nahm der Antragsteller zu 1) zum 1. Juli 2021 eine Beschäftigung als Servicemitarbeiter bei dem Hotel ... in … auf.
5
Am 1. August 2021 reisten die Antragstellerinnen zu 2) bis 4) von Italien nach Deutschland ein und stellten am 8. September 2021 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug.
6
Am ... November 2021 teilte der Antragsteller zu 1) der Antragsgegnerin mit, dass er beabsichtige, eine Nebenbeschäftigung anzunehmen. Im weiteren Schriftverkehr wurde der Antragsgegnerin bekannt, dass der Antragsteller zu 1) bereits seit dem 1. Juli 2021 eine andere Beschäftigung als die in der Aufenthaltserlaubnis aufgeführte ausübte. Er wurde durch die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass diese ohne entsprechende Erlaubnis ausgeführt werde.
7
Mit E-Mail vom ... Dezember 2021 übersandte der Antragsteller zu 1) den Arbeitsvertrag sowie die Stellenbeschreibung für die Beschäftigung bei dem Hotel ... an die Antragsgegnerin. Die Agentur für Arbeit stimmte der Beschäftigung nicht zu, da der ortsübliche Mindestlohn von 10,92 EUR nicht eingehalten wurde.
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Mit Schreiben vom 14. Dezember 2021 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu 1) und dessen Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
9
Mit einem weiteren Schreiben vom 14. Dezember 2021 wurde der Antragsteller zu 1) zur beabsichtigten nachträglichen Befristung der Aufenthaltserlaubnis sowie der Folgemaßnahmen angehört.
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Mit Schreiben vom 17. Dezember 2021 führte der Bevollmächtigte der Antragsteller aus, die Antragsteller lebten in … und hätten den Wohnsitz in Italien bereits aufgegeben.
11
Nach Vorlage eines neuen Arbeitsvertrags des Antragstellers zu 1) mit dem Hotel ... vom 20. Dezember 2021, in dem als Stundenlohn 11 EUR vereinbart wurde, erteilte die Agentur für Arbeit diesem am 27. Dezember 2021 die Zustimmung zur Beschäftigung.
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Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Januar 2022 wurde die dem Antragsteller zu 1) am 11. Mai 2021 erteilte und bis 10. Mai 2022 gültige Aufenthaltserlaubnis auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheids befristet (Nr. 1) und der Antragsteller zu 1) aufgefordert, seinen elektronischen Aufenthaltstitel bis zum 18. Februar 2022 bei der Antragsgegnerin vorzulegen und abzugeben (Nr. 2). Der Sofortvollzug der Ziffer 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Verpflichtung aus Ziffer 2 des Bescheids wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250 EUR angedroht (Nr. 4). Die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerinnen zu 2) - 4) wurden abgelehnt (Nr. 5). Die Antragsteller wurden aufgefordert, das Bundesgebiet bis zum 21. Februar 2022 zu verlassen (Nr. 6). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Nordmazedonien oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rücknahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 7). Für den Fall einer Abschiebung wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von einem Jahr erlassen (Nr. 8).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die nachträgliche Befristung der Aufenthaltserlaubnis stütze sich auf § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Demnach könne vorliegend die Frist nachträglich verkürzt werden, da eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen sei. Der Antragsteller zu 1) habe illegal eine Beschäftigung im Hotel ... ausgeübt. Da eine andere Beschäftigung ohne Erlaubnis ausgeübt worden sei, lägen die grundsätzlichen Erteilungsvoraussetzungen nach § 38a Abs. 1 AufenthG nicht mehr vor. Zwar sei Mitte Dezember 2021 die Beschäftigung im Hotel ... beantragt und auch Ende Dezember 2021 durch die Bundesagentur für Arbeit genehmigt worden, jedoch lägen weiter nicht mehr die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen im Sinne des § 5 AufenthG lägen nicht vor. Es scheitere bereits an der Sicherung des Lebensunterhalts i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Die Antragstellerinnen zu 2) - 4) seien im September ohne Visum mit einem italienischen Aufenthaltstitel nachgezogen. Dies sei zwar grundsätzlich nach § 39 Satz 1 Nr. 6 AufenthV möglich, im Falle der Antragstellerinnen zu 2) - 4) jedoch nicht einschlägig, da der Lebensunterhalt nicht gesichert sei und somit kein strikter Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehe. Alle Voraussetzungen hätten spätestens 90 Tage nach Einreise erfüllt sein müssen. Da die 90 Tage bereits abgelaufen seien, hätten die Anträge der Antragstellerinnen zu 2) - 4) abgelehnt werden müssen. Auch die wirtschaftliche Prognose sei nicht positiv. Mit der nachträglichen Befristung bestehe keine rechtliche Grundlage für den Besitz des elektronischen Aufenthaltstitels. Zur Vermeidung einer missbräuchlichen Verwendung müsse dieser eingezogen werden. Die Verpflichtung zur Vorlage ergebe sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Die Anordnung des Sofortvollzugs dieser Verpflichtung sei im besonderen öffentlichen Interesse erforderlich. Der Antragsteller zu 1) wäre ansonsten bis zu einer eventuellen Entscheidung in der Hauptsache über einen längeren Zeitraum rechtswidrig im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Es müsse sichergestellt werden, dass die Aufenthaltserlaubnis nicht rechtsmissbräuchlich, beispielsweise zur Aus- und Einreise in das Bundesgebiet oder zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen, benutzt werde. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei zur Erreichung des Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen. Die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis für die Antragstellerin zu 2) richte sich nach § 30 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Durch die nachträgliche Befristung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers zu 1) sei dieser nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG. Die besonderen Voraussetzungen des § 30 AufenthG lägen somit bereits nicht vor. Es liege zudem kein Nachweis über die einfachen Sprachkenntnisse gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor. Ein Absehen von der Anforderung nach Satz 2 sei aus o.g. Gründen nicht möglich. Zudem sei der Lebensunterhalt nicht gesichert. Ein atypischer Fall, der ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung möglich mache, liege nicht vor. Auch die Voraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG liege nicht vor. Zwar sei die Antragstellerin zu 2) in Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels in Italien, sodass der Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 6 AufenthV und damit die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einzuholen, grundsätzlich eröffnet sei. Dies sei aber nur der Fall, wenn ein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bestehe. Dies bedeute, dass alle Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sein müssten und der Behörde kein Ermessen mehr eingeräumt sei. Da aber der Lebensunterhalt nicht gesichert sei, liege dies nicht vor. Sämtliche Voraussetzungen müssten noch während des rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland, also mit Ablauf des 90. Tages nach der Einreise erfüllt sein. Dies sei hier nicht der Fall. Der legale Aufenthaltszeitraum sei bereits abgelaufen. Eine Fristverlängerung sei auch nicht durch die rechtzeitige Antragstellung in entsprechender Anwendung nach § 81 Abs. 3 AufenthG möglich. Die Ablehnung der Anträge auf Erteilung der Aufenthaltstitel der Antragstellerinnen zu 3) und 4) richte sich nach § 32 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Mit der nachträglichen Befristung des Aufenthaltstitels des Antragstellers zu 1) sei dieser nicht mehr in Besitz eines Aufenthaltstitels, weshalb dessen Kindern kein Aufenthaltstitel mehr erteilt werden könne. Zudem sei weder der Lebensunterhalt gesichert noch die Einreise mit dem erforderlichen Visum erfolgt. Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 6 AufenthV seien nicht erfüllt. Sämtliche Antragsteller seien gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG mangels gültiger Aufenthaltstitel zur Ausreise verpflichtet. Innerhalb der gesetzten Ausreisefrist könnten die Antragsteller die Ausreise vorbereiten. Die Abschiebung werde für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise nach Nordmazedonien erfolgen. In diesem Fall sei ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von einem Jahr angemessen. Das überragende öffentliche Interesse begründe sich insbesondere in generalpräventiven Gesichtspunkten. So solle von der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auch für andere Ausländer erkennbar sein, dass im Falle einer nicht erfolgten freiwilligen Ausreise und der daraus resultierenden Abschiebung weitere Nachteile folgten. Dabei werde auch berücksichtigt, dass der Antragsteller zu 1) über einen längeren Zeitraum illegal eine Beschäftigung ausgeübt habe und der Lebensunterhalt seit längerer Zeit nicht gesichert gewesen sei.
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Mit Schriftsatz vom ... Februar 2022, bei Gericht am selben Tag eingegangen, hat der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und u.a. beantragt, unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Januar 2022 die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragstellerinnen zu 2) - 4) eine Aufenthaltserlaubnis ab 8. September 2021 zu erteilen, hilfsweise die Anträge der Antragstellerinnen zu 2) - 4) auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden.
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Zugleich hat er beantragt,
gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen Ziffer 2 des Bescheides sowie die Abschiebungsandrohungen in Ziffer 7 des angefochtenen Bescheides anzuordnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller zu 1) sei von einer ordnungsgemäßen rechtmäßigen Arbeitstätigkeit und dem darauf gestützten rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland ausgegangen. Er habe aus seiner Sicht unter Berücksichtigung der fehlenden Erfahrung mit behördlichen Obliegenheiten in Deutschland alles getan, um die Voraussetzungen für den Aufenthalt in Deutschland und die Rechtmäßigkeit der Arbeitstätigkeit zu erfüllen. Der Lebensunterhalt sei zu jedem Zeitpunkt gesichert gewesen. Der Antragsteller zu 1) habe sich nicht strafbar gemacht. Dem Bescheid sei keine ermessensfehlerfreie Abwägung im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG zu entnehmen. Insbesondere die Folgen der Entscheidung für die Antragstellerinnen 2) - 4) würden gänzlich außer Acht gelassen. Die Antragstellerin zu 3) besuche erfolgreich die Volksschule. Der Antragsteller zu 1) habe den Aufenthalt in Deutschland sorgfältig vorbereitet und die Familienmitglieder nachziehen lassen, als Wohnraum zur Verfügung gestanden habe. Insgesamt habe der Antragsteller ca. 8.000 EUR in eine Mietwohnung und deren Möblierung investiert. Im Falle der Aufrechterhaltung des angefochtenen Bescheids müsse der Antragsteller zu 1) die Kündigungsfrist einhalten und für weitere drei Monate Miete i.H.v. jeweils 1.127 EUR entrichten. Die Versagung der von den Antragstellerinnen zu 2) - 4) beantragten Aufenthaltstitel sei rechtswidrig und verletze diese in ihren Rechten. Sie hätten Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bereits ab August 2021, da der Familienunterhalt auch zu diesem Zeitpunkt gesichert gewesen sei. Die für die Antragsteller sprechenden Gesichtspunkte inklusive eines erforderlichen Schulwechsels und dem Verlust der Schulfreunde der Antragstellerin zu 3) sei auch bei offenen Erfolgsaussichten der Klage vorrangig. Die sofortige Vollziehung der Abgabe des elektronischen Aufenthaltstitels unter Androhung eines Zwangsgeldes sei nicht geboten. Die hierfür aufgeführten Gründe seien nicht überzeugend. Die Befristung der Aufenthaltserlaubnis beruhe auf unzutreffenden Erwägungen. Der Antragsteller zu 1) habe in den 14 Jahren, die er zuvor in Italien gelebt habe und auch in Deutschland zu keinem Zeitpunkt Sozialleistungen in Anspruch genommen. Gleichwohl sei die finanzielle Situation der Familie nunmehr an Grenzen gestoßen. Den allgemeinen Lebenshaltungskosten und der nicht unerheblichen Monatsmiete stehe das Verbot der Erzielung jeglicher Einnahmen entgegen.
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Mit Schriftsatz vom ... Februar 2022 hat der Bevollmächtigte der Antragsteller bean tragt, den Antragstellern unter seiner Beiordnung Prozesskostenhilfe zu gewähren.
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Mit Bescheid vom 17. Februar 2022 wurde der Antragsteller zu 1) unter entsprechender Abänderung des Bescheids vom 28. Januar 2022 aufgefordert, seinen elektronischen Aufenthaltstitel bis zum 21. März 2022 bei der Antragsgegnerin vorzulegen und abzugeben (Ziff. 1). Die Antragsteller wurden aufgefordert, das Bundesgebiet bis zum 25. März 2022 zu verlassen und nach Italien auszureisen (Ziff. 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Italien, andernfalls Nordmazedonien, angedroht.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, durch die nachträgliche Befristung der Aufenthaltserlaubnis sei der Antragsteller zu 1) ohne rechtliche Grundlage im Besitz dieses Aufenthaltstitels. Daher sei erforderlich, diesen einzuziehen, damit er nicht rechtsmissbräuchlich verwendet werden könne. Die Verpflichtung zur Vorlage ergebe sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Die Verpflichtung zur Überlassung ergebe sich aus Art. 52 BayVwVfG. Die Wirksamkeit des Aufenthaltstitels sei im Zeitpunkt der Bekanntgabe der nachträglichen Befristung nicht mehr gegeben. Bei der Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen des Antragstellers zu 1) überwiege das öffentliche Interesse an der Rückforderung. Das Interesse des Antragstellers zu 1) liege darin, weiter im Besitz des bereits befristeten Aufenthaltstitels zu sein, um diesen weiter im deutschen Rechtsbereich verwenden zu können. Diesen benötige er z.B. für Kindergeld oder den Antritt der geforderten Arbeitsstelle. Demgegenüber bestehe ein öffentliches Interesse an der Wiederherstellung der rechtmäßigen Ordnung. Zur Verhinderung einer rechtsmissbräuchlichen Verwendung - für die Öffentlichkeit sei nicht offenkundig ersichtlich, dass der Aufenthaltstitel nachträglich befristet sei - sei eine Einziehung geboten. Der Antragsteller zu 1) habe bereits in der Vergangenheit über mehrere Monate eine Beschäftigung ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeübt. Es sei anzunehmen, dass er - sollte er weiter im Besitz der Aufenthaltserlaubnis sein - weiter ohne Genehmigung eine Arbeit ausübe bzw. jetzt sogar ohne gültigen Aufenthalt für das Bundesgebiet. Das öffentliche Interesse an der Einziehung des Aufenthaltstitels sei eindeutig höher zu werten als die privaten Interessen des Antragstellers zu 1). Die Einziehung sei zudem verhältnismäßig. Ziel der Maßnahme sei es, eine rechtsmissbräuchliche Verwendung zu verhindern. Die Maßnahme sei geeignet, da durch das Einziehen dies verhindert werde. Ein milderes Mittel als die Einziehung komme nicht in Frage. Für die Öffentlichkeit sei nicht ersichtlich, dass eine nachträgliche Befristung erfolgt sei und dadurch der Aufenthaltstitel seine Wirksamkeit verloren habe. Die Maßnahme sei auch angemessen. Die Antragsteller seien zur Ausreise verpflichtet, da sie mit Bekanntgabe des Bescheids vom 28. Januar 2022 nicht mehr im Besitz einer erforderlichen Aufenthaltserlaubnis wären. Die Ausreisefrist sei im Hinblick auf den bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet und den sonstigen Umständen angemessen. Der Antragsteller zu 1) halte sich seit ca. 11 Monaten in Deutschland auf, seine Familie seit ca. sechs Monaten. Zwar müsse vor der Ausreise die Wohnung gekündigt werden, dies sei aber innerhalb der Ausreisefrist möglich. Die Arbeitsstelle im Hotel ... könne ebenfalls im Rahmen der Frist gekündigt werden. Der Antragsteller zu 1) könne derzeit nicht legal arbeiten und sei sozialversicherungspflichtig abgemeldet. Eine offizielle Kündigung stelle daher kein Problem dar. Die Ausreisepflicht sei vollziehbar, wenn die nachträgliche Verkürzung bzw. die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnisse vollziehbar sei. Da die Antragsteller vorher in Italien gelebt hätten und für Italien noch unbefristete Aufenthaltserlaubnisse besäßen, werde eine Abschiebung nach Italien erfolgen.
20
Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2022 hat die Antragsgegnerin beantragt, die Klage abzuweisen.
21
Außerdem hat sie beantragt,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
22
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid vom 28. Januar 2022 sei rechtmäßig und verletze die Antragsteller nicht in ihren Rechten. Die Antragsteller zu 2) - 4) hätten keinen Anspruch auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, da der rechtmäßige Aufenthalt von 90 Tagen bereits abgelaufen sei und die notwendigen Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht vorgelegen hätten bzw. bis heute nicht vorlägen. Eine Fristverlängerung im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei nicht möglich. Daher sei eine Aufenthaltserlaubnis zwingend abzulehnen. Ein problemloses Zusammenleben sei derzeit ausschließlich in Italien oder im Heimatland möglich. Die Punkte der Kosten für die Wohnungseinrichtung seien zwar zu berücksichtigen, könnten aber diese Entscheidung ebenfalls nicht verhindern. Dem Antragsteller zu 1) könne im eigenen Verschulden unterstellt werden, dass er sich vor der Einreise der Familie darum hätte kümmern müssen, dass alle notwendigen Voraussetzungen für deren Aufenthalt, darunter die Sicherung des Lebensunterhalts, vorlägen. Die Einreise sei ohne Visum erfolgt, weshalb bis zum Ablauf der 90 Tage alle Voraussetzungen hätten erfüllt sein müssen. Somit liege es durchaus im eigenen Verschulden, wenn voreilig gehandelt werde. Die Kosten der Mietzahlungen seien im Privatrecht begründet und könnten nicht als ausschlaggebender Grund gewertet werden. Die Vorlage bzw. Abgabe des Aufenthaltstitels sei zwingend notwendig, da durch die getroffene Entscheidung der rechtmäßige Aufenthalt des Antragstellers zu 1) in Deutschland beendet worden sei. Für außenstehende Personen sei nicht ersichtlich, dass eine nachträgliche Befristung des Aufenthaltstitels vorgenommen worden sei. Zur Verhinderung einer rechtlich möglichen Verwendung, zum Beispiel zur Beantragung von Sozialleistungen, sei es im öffentlichen Interesse unerlässlich, selbigen einzuziehen.
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Mit Schreiben vom … Februar 2022 führte der Bevollmächtigte der Antragsteller weiter aus, die Klage richte sich nunmehr gegen die Fassung von Ziffer 2, 6 und 7 gemäß des Änderungsbescheids vom 17. Februar 2022. Ergänzend zu den rechtlichen Bedenken in der Klagebegründung sei die Entscheidung im Änderungsbescheid bereits wegen Ermessensausfalls rechtswidrig. Die Antragsgegnerin habe die nach Art. 6 Abs. 4 und Abs. 5 der RL 2008/115/EG gebotenen Erwägungen außer Acht gelassen und weder Überlegungen angestellt, ob von einem Härtefall oder dem Absehen von einer Rückkehrentscheidung aus humanitären oder sonstigen Gründen auszugehen sei, noch sich dazu geäußert, ob für die Dauer des Verfahrens vom Erlass einer Rückkehrentscheidung bis zu dessen Abschluss abzusehen sei.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
25
I. Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO haben keinen Erfolg, da sie teils unzulässig und teils unbegründet sind.
26
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziff. 2 des Bescheids vom 28. Januar 2022 in Form des Änderungsbescheids vom 17. Februar 2022 ist zulässig, aber unbegründet.
27
a) Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt die grundsätzlich nach § 80 Abs. 1 VwGO bestehende aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage, wenn die Behörde - wie vorliegend - die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse besonders angeordnet hat. Aufgrund der Anordnung des sofortigen Vollzugs der Verpflichtung zur Abgabe des elektronischen Aufenthaltstitels entfaltet die Klage gegen diese Verpflichtung keine aufschiebende Wirkung. In einem solchen Fall ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft.
28
b) Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 5 des Bescheides erfüllt in formaler Hin sicht die Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Danach ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Diese Anforderung ist umso bedeutsamer, je schwerwiegender die dem Bürger auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt. Der Antragsgegnerin war der Ausnahmecharakter des Sofortvollzugs ersichtlich bewusst. Der Begründung lässt sich entnehmen, dass sie aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hielt. Die Antragsgegnerin begründet die sofortige Vollziehung damit, dass der Antragsteller zu 1) ohne die Anordnung des Sofortvollzugs bis zu einer eventuellen Entscheidung in der Hauptsache über einen längeren Zeitraum rechtswidrig im Besitz der elektronischen Aufenthaltserlaubnis wäre. Es sei sicherzustellen, dass eine rechtsmissbräuchliche Verwendung der elektronischen Aufenthaltserlaubnis, deren Erlöschen nicht offenkundig erkennbar sei, vermieden werde. Die Begründung vermag die Anordnung des Sofortvollzugs zu tragen.
29
c) Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung unter Abwägung des von der Behörde geltend gemachten Interesses an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und des Interesses des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei der Interessenabwägung.
30
Vorliegend überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, da zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts die Klage nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hat. Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. Februar 2022 erweist sich vielmehr als voraussichtlich rechtmäßig. Da keine außergewöhnlichen schützenswerten Interessen des Antragstellers zu 1) vorliegen, überwiegt das Interessen der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids.
31
(1) Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur dauerhaften Rückgabe des elektroni schen Aufenthaltstitels durch die Antragsgegnerin ist die allgemeine verwaltungsrechtliche Regelung in Art. 52 BayVwVfG (vgl. auch VG München, U.v. 16.7.21 - M 4 K 21.2318 - juris). Demnach kann die Behörde für den Fall, dass ein Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen worden oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist, die auf Grund dieses Verwaltungsakts erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückfordern. Die spezialrechtlich geregelte Vorlagepflicht nach § 48 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist nicht anwendbar, da diese sich nur auf eine vorübergehende Abgabe des Aufenthaltstitels bezieht (so auch VG Schleswig-Holstein, B.v. 24.1.22 - 1 B 10002/21 - juris).
32
Der Tatbestand des Art. 52 BayVwVfG ist vorliegend erfüllt. Durch die nachträgliche Befristung des Aufenthaltstitels des Antragstellers zu 1) ist dieser mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheids bereits erloschen (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).
Die Anfechtungsklage gegen die nachträgliche Befristung des Aufenthaltstitels entfaltet zwar aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 1 VwGO, da weder ein Fall des § 84 Abs. 1 AufenthG vorliegt noch insoweit der Sofortvollzug angeordnet wurde. Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist jedoch die nachträgliche Befristung als Verwaltungsakt, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unbeschadet der aufschiebenden Wirkung der Klage wirksam. Folge der Wirksamkeit der nachträglichen Befristung ist das Erlöschen des Aufenthaltstitels nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.
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(2) Das der Antragsgegnerin eingeräumte Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt. Die Antragsgegnerin hat das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Verhinderung von Missbräuchen gegenüber den privaten Interessen an der Nachweisführung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu gewichten. Es soll ausgeschlossen werden, dass behördliche Urkunden verfügbar bleiben, die eine in Wahrheit nicht mehr bestehende Befugnis dokumentieren (vgl. Decker in BeckOK MigR, Stand: 15.1.22, § 52 VwVfG Rn. 2). Dies stellt auch ein gewichtiges öffentliches Interesse dar. Demgegenüber besteht kein besonderes privates Interesse des Antragstellers zu 1), weiterhin über den elektronischen Aufenthaltstitel als Verkörperung der bereits wirksam erloschenen Aufenthaltserlaubnis zu verfügen. Da tatsächlich kein Aufenthaltsrecht mehr besteht, ist das Interesse daran, dessen Fortgeltung durch ein Dokument tatsachenwidrig zu dokumentieren und den Aufenthaltstitel im Rechtsverkehr weiter zu nutzen, nicht schützenswert. Ein milderes Mittel, wie beispielsweise ein Vermerk auf dem Aufenthaltstitel, ist aufgrund der Beschaffenheit eines elektronischen Aufenthaltstitels nicht verfügbar. Ein Ermessensfehler ist daher nicht ersichtlich.
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2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung in Ziff. 7 des streitgegenständlichen Bescheids in Form des Änderungsbescheids ist hinsichtlich des Antragstellers zu 1) bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
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a) Zwar hat die Klage gegen die die Abschiebungsandrohung als Maßnahme der Ver waltungsvollstreckung gem. Art. 21a BayVwZVG keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist aber mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da der Vollzug der Abschiebung gem. § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG stets die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht voraussetzt, die im Fall des Antragstellers zu 1) gem. § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG aber erst mit der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts eintritt, durch den er nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig wird. Dies ist im Fall des Antragstellers zu 1), der im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, bis zum ursprünglich verfügten zeitlichen Ablauf der Aufenthaltserlaubnis die nachträgliche Befristung dieser Aufenthaltserlaubnis. Die Anfechtungsklage gegen die nachträgliche Befristung des Aufenthaltstitels entfaltet jedoch aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 1 VwGO, da weder ein Fall des § 84 Abs. 1 AufenthG vorliegt noch der Sofortvollzug angeordnet wurde. Der Suspensiveffekt der erhobenen Anfechtungsklage steht derzeit dem Vollzug der Abschiebung entgegen, so dass es keiner Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bedarf, um den Antragsteller vor einer (vorzeitigen) Durchsetzung der Ausreisepflicht durch Abschiebung zu schützen (vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2019 - 10 CS 19.639 - juris). Mehr kann der Antragsteller zu 1) auch im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung nicht erreichen, so dass dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
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b) Im Übrigen ist der Antrag hinsichtlich sämtlicher Antragsteller unbegründet, die Ab schiebungsandrohung nach § 59 AufenthG ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten.
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Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung ist § 59 AufenthG. Demnach ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist für die freiwillige Ausreise anzudrohen, § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden darf, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist, § 59 Abs. 2 AufenthG. Voraussetzung für eine Abschiebungsandrohung ist das Bestehen der Ausreisepflicht. Als Vollstreckungsmaßnahme setzt die Abschiebungsandrohung auch nicht die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung voraus. Erforderlich ist lediglich, dass die entsprechende Grundverfügung wirksam ist (BVerfG v. 7.12.1998 - 1 BvR 831/89 - juris).
38
Die Voraussetzungen des § 59 AufenthG sind nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung erfüllt. Der Antragsteller zu 1) ist durch die gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG wirksame nachträgliche Befristung seines Aufenthaltstitels nicht mehr im Besitz eines Aufenthaltstitels und somit nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig. Die Antragstellerinnen zu 2) bis 4) sind ebenfalls ausreisepflichtig, da mit Ablehnung der Anträge auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse eine ggf. zuvor bestehende Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 AufenthG entfallen ist. Nach Ablehnung eines Antrags ist der Aufenthalt eines Ausländers während des behördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahrens rechtswidrig und der Ausländer zur Ausreise verpflichtet (vgl. Kluth in BeckOK AuslR, § 81 AufenthG, Stand: 1.10.2020, Rn. 49). Eine Abschiebungsandrohung setzt nicht zusätzlich voraus, dass die Ausreisepflicht vollziehbar ist (BayVGH, B.v. 19.9.20 - 10 CE 20.1914 - juris).
39
Den Antragstellern wurde zudem eine angemessene Ausreisefrist gewährt.
40
Die Antragsgegnerin ist auch dem Erfordernis des § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nachgekommen, wonach der ausreisepflichtige Ausländer für den Fall, dass ihm in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Schengen-Staat die Einreise und der Aufenthalt erlaubt sind, aufzufordern ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.
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Für das Vorliegen eines Härtefalls i.S.d. Art. 6 Abs. 4 RL 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Zudem ist kein Verfahren anhängig, in dem über die Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu entscheiden war, da es sich bezüglich der Antragstellerinnen zu 2) bis 4) um die erstmalige Beantragung eines Aufenthaltstitels gehandelt hat.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 30.5./1.6.2012 und am 18.7.2013 beschlossenen Änderungen.
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II. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.
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Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält auf Antrag diejenige Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Prozesskostenhilfe ist bereits dann zu gewähren, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich. Es genügt eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolges.
Maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (stRspr; vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2016 - 10 C 15.724 - juris Rn. 14 m.w.N.). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ein (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.2007 - 10 C 39.07 u.a. - juris Rn. 1; BayVGH, a.a.O.).
Gemessen an diesen Vorgaben besteht für die Rechtsverfolgung der Antragsteller vorliegend keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Januar 2022 in Form des Änderungsbescheids vom 17. Februar 2022 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten (s.o. Ziff. I). Somit ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.