Titel:
Teilunwirksamkeit eines Bebauungsplans wegen fehlender städtebaulicher Erforderlichkeit
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 2
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BauNVO § 1 Abs. 2, § 6 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche, die ein zukünftiges Baugebiet erschließen soll, ist städtebaulich nicht erforderlich im Sinn von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wenn gänzlich unbestimmt ist, ob, wann und in welchem Umfang das Baugebiet ausgewiesen werden soll. Allein der Umstand, dass sich eine Fläche auf Grund der Lage innerhalb des Gemeindegebiets für eine Bebauung anbieten mag, rechtfertigt keine andere Beurteilung. (Rn. 20)
2. Die Festsetzung eines Erhaltungsbereichs nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB kann auch kleinräumig bzw. für ein einzelnes Gebäude erfolgen. (Rn. 29)
1. Die Begründung eines Bebauungsplans ist kein Planbestandteil. Sie kann sich nicht über eindeutige zeichnerische oder textliche Festsetzungen hinwegsetzen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird ein Mischgebiet festgesetzt, obwohl der Plangeber ein Miteinander von Wohnen und Gewerbe gar nicht anstrebt, oder eine solche Entwicklung wegen der vorhandenen Bebauung oder aufgrund sonstiger Festsetzungen im Bebauungsplan faktisch nicht zu erreichen ist, dann stellt die Festsetzung des Mischgebiets einen städtebaulich nicht gerechtfertigten „Etikettenschwindel“ dar. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Bebauungsplan, in dem die Gemeinde unterschiedliche Baugebiete bzw. Regelungsbereiche festgesetzt hat, ist an den Gebietsgrenzen teilbar, wenn das jeweilige Gebiet mit den hierfür geltenden Regelungen für sich betrachtet eine sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken kann und mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde auch einen Bebauungsplan für nur eines der Baugebiete beschlossen hätte. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fehlende Erforderlichkeit der Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche, Fehlende Erforderlichkeit einer Mischgebietsfestsetzung, Voraussetzungen für die Festsetzung eines Erhaltungsgebiets, Bebauungsplan, städtebauliche Erforderlichkeit, Vollzugsunfähigkeit, öffentliche Verkehrsflächen, Mischgebietsfestsetzung, Etikettenschwindel, Teilbarkeit, Teilunwirksamkeit, Erhaltungssatzung, optisch wahrnehmbare Funktion
Fundstellen:
NVwZ-RR 2023, 95
LSK 2022, 23686
BeckRS 2022, 23686
Tenor
I. Der Bebauungsplan „Ortszentrum S. H.straße“ vom 7. Juni 2018, bekanntgemacht am 12. Juli 2018, ist hinsichtlich des Planbereichs B unwirksam. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan „Ortszentrum S. … straße“, den die Antragsgegnerin am 7. Juni 2018 als Satzung beschlossen und am 12. Juli 2018 bekannt gemacht hat.
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Das Planungsgebiet umfasst eine Teilfläche des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung O., mit einer Größe von 0,26 ha, die in der Ortsmitte von O. gegenüber dem Rathaus liegt. Im Süden wird es von der B. straße, im Westen von der S. straße begrenzt. Im Osten schließt sich eine größere Grünfläche an, die im Flächennutzungsplan als private Grünfläche dargestellt ist. Nördlich befindet sich Wohnbebauung. Das Planungsgebiet wird durch eine „Knödellinie“ (Nr. 15.14 der Anlage zur PlanZV) in einen Planbereich A (einfacher Bebauungsplan) und einen Planbereich B (qualifizierter Bebauungsplan) unterteilt.
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Der Planbereich A ist mit einer im Jahr 1819 errichteten, ehemaligen landwirtschaftlichen Hofstelle bebaut. Das Wohngebäude sowie Teile des Stalles, der an das Wohngebäude angebaut ist, weisen eine Tuffsteinfassade auf. An den Stall ist entlang der S. straße eine halboffene, in Holzbauweise errichtete Scheune angebaut. Für diesen Planbereich wird ein Erhaltungsbereich nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB und eine Fläche „für die Erhaltung von Bäumen und Sträuchern, Sicherung und Weiterentwicklung der Streuobstwiese“ festgesetzt. Der Planbereich B ist - abgesehen von Nebengebäuden - unbebaut. Es wird dort ein Bauraum für eine Bebauung mit einem Einzel- bzw. Doppelhaus und mit Garagen und Stellplätzen ausgewiesen sowie Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung getroffen. Nördlich des Bauraums wird eine in Ost-West Richtung verlaufende, rund 42 m lange öffentliche Verkehrsfläche nebst einem hieran entlanglaufenden schmalen Streifen als öffentliche Grünfläche festgesetzt, die an die S. straße angrenzt. Als Art der Nutzung wird ein Mischgebiet ausgewiesen.
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Nach der Begründung ist Ziel der Planung eine städtebaulich geordnete Entwicklung des gemeindlichen Ortskerns im Hinblick auf Infrastruktur, Art der zukünftigen Bebauung und ortsbildprägende erhaltenswerte Bausubstanz mit den dazugehörigen Grünbereichen. Neben der Bereitstellung von Wohnbauflächen ermögliche die Gemeinde durch die Ausweisung eines Mischgebiets die Entwicklung innerörtlicher Gewerbeflächen zur Sicherstellung der Nahversorgung. Ein weiteres Planungsziel sei der Erhalt ortsbildprägender Gebäude und Fassaden, vor allem mit dem Baumaterial Tuffstein. Dadurch solle die Verwendung des Baumaterials Kalktuff als geschichtliches Zeitzeugnis für die Zukunft dokumentiert werden. Die im Norden des Baugebiets geplante Straße werde als öffentliche Verkehrsfläche festgesetzt. Sie diene der inneren Erschließung des Planungsgebiets und für eventuell spätere Planungen der verkehrlichen Erschließung des östlich gelegenen Grundstücksteils sowie einer möglichen Durchquerung eines zukünftigen Quartiers entlang der B. straße.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …
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Am 23. April 2019 stellte sie einen Normenkontrollantrag und beantragte,
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Es wird festgestellt, dass der mit Satzungsbeschluss vom 7. Juni 2018 gefasste und mit ortsüblicher Bekanntmachung am 12. Juli 2018 in Kraft getretene Bebauungsplan „Ortszentrum S. straße“ der Antragsgegnerin unwirksam ist.
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Dem Bebauungsplan fehle es an der städtebaulichen Erforderlichkeit. Es handle sich um eine reine Verhinderungsplanung. Eine städtebauliche Erforderlichkeit für die 6 m breite Erschließungsstichstraße sei nicht erkennbar. Die Teilflächen des Grundstücks FlNr. … seien über die S. straße erschlossen. Die festgesetzte Verkehrsfläche ende ohne Wendehammer in der im Flächennutzungsplan als private Grünfläche dargestellten Fläche. Diese Grünfläche solle nach ihren derzeitigen Absichten keiner baulichen Entwicklung zugeführt werden. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin eine bauliche Entwicklung der Fläche plane, da sich ein entsprechender Wille nicht aus dem Flächennutzungsplan ergebe. Im Übrigen sei eine Erschließung der Grünfläche auch über die B. straße möglich. Die Planung verhindere die Realisierung der von ihr beantragten zwei Bauplätzen. Ihr werde vorhandenes Baurecht bzw. Nutzungsrecht genommen, ohne dass ein öffentliches Interesse für die geplante Erschließungsstraße erkennbar sei. Zudem werde das ehemalige Betriebsleiterwohnhaus durch die mit der Bauleitplanung verbundenen Einschränkungen deutlich entwertet. Der festgesetzte Erhaltungsbereich sei unverhältnismäßig, da auch insoweit keine städtebauliche Erforderlichkeit bestehe.
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Die Antragsgegnerin beantragte,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Bebauungsplan sei städtebaulich erforderlich. Anlass für die Aufstellung des Bebauungsplans sei der Vorbescheidsantrag der Antragstellerin gewesen. Da es sich bei dem Bauort um einen der zentralsten Punkte der Gemeinde mit Rathaus, Maibaum, Festplatz, Kindertagesstätte und öffentlichen Spielplatz handle, sei die Mehrheit des Gemeinderats der Auffassung gewesen, dass das über den Vorbescheidsantrag abgefragte Vorhaben nicht in das Gesamtgefüge des Ortes passe. Zudem sei im Rahmen eines interkommunalen Entwicklungskonzepts festgestellt worden, dass in der Ortsmitte erhebliche Mängel im öffentlichen Raum insbesondere im Hinblick auf Fuß- und Radwege beständen. Dem Gemeinderat sei bewusst gewesen, dass in Zukunft möglicherweise auch die Restfläche des Grundstücks einer ordentlichen städtebaulichen Entwicklung zuzuführen sein würde, allerdings noch nicht feststehe, welche Art von Bebauung sich hier entwickeln würde. Um sich hier alle Möglichkeiten offenzuhalten und eine sinnvolle Erschließung in Zukunft sicherzustellen, sei die Aufstellung des Bebauungsplans beschlossen worden. Eine Erschließung der bislang unbebauten Grünfläche über die B. straße sei aufgrund ihres hohen Verkehrsaufkommens und der bereits zahlreichen vorhandenen Stichstraßen nicht ausreichend. Der Bebauungsplan sei auch nicht abwägungsfehlerhaft. Zwar handle es sich bei der Restfläche des Grundstücks FlNr. … derzeit um eine nicht bebaubare Grünfläche; es sei der Gemeinde aber unbenommen, vorausschauend zu planen und verkehrsmäßige Strukturen vorzubereiten. Gerade da es sich um ein sehr zentrales Ortsgrundstück handle, sei absehbar, dass auch die Restfläche einer Bebauung zugeführt werde. Die Eigentümerbelange der Antragstellerin seien ausreichend berücksichtigt worden. Zwar könne sie die beantragten zwei Einzelhausbaukörper nicht mehr realisieren; dafür sei im Bebauungsplan ein Doppelhaus mit größerer Kubatur festgesetzt und damit dem Wunsch der Antragstellerin nach zwei Wohneinheiten entsprochen worden. Mit der Festsetzung der öffentlichen Erschließungsfläche sei zudem sichergestellt, dass in Zukunft auch für den Rest des Grundstücks der Antragstellerin ein Baurecht ausgewiesen werden könne.
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Der Senat hat am 28. Juli 2022 eine Ortseinsicht genommen. Für die dortigen Feststellungen und die gefertigten Fotos sowie den Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2022 wird auf die jeweiligen Protokolle verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten und die Normaufstellungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der zulässige Normenkontrollantrag hat teilweise Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt.
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Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Die Antragstellerin muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Eine solche Rechtsverletzung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen. Denn bei den Festsetzungen eines Bebauungsplans handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese muss der Eigentümer nur hinnehmen, wenn der Bebauungsplan rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41; B.v. 20.9.2005 - 4 BN 46.05 - BauR 2006, 352). Daran gemessen ist die Antragstellerin als Eigentümerin eines Grundstücks, die durch die Festsetzungen des Bebauungsplans unmittelbar betroffen ist, antragsbefugt.
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2. Der Antrag hat hinsichtlich des Planbereichs B Erfolg. Insoweit ist der Bebauungsplan gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 VwGO für unwirksam zu erklären (2.1). Im Übrigen hat der Antrag keinen Erfolg (2.2).
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2.1 Der im Planbereich B festgesetzten öffentlichen Verkehrsfläche sowie der Mischgebietsfestsetzung fehlt es an der städtebaulichen Erforderlichkeit.
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Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was in diesem Sinn erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt. In dieser Auslegung wird der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke gesetzt, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 - 4 BN 2.17 - juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 - 4 CN 8.14 - BVerwGE 153, 16; U.v. 27.3.2013 - 4 C 13.11 - BVerwGE 146, 137). Dabei gilt das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit für jede einzelne Festsetzung des Bebauungsplans (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2004 - 4 CN 4.03 - BVerwGE 120, 239; U.v. 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - DVBl 2001, 377).
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2.1.1 Diesen städtebaulichen Anforderungen genügt die festgesetzte öffentliche Verkehrsfläche nicht.
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Die Antragsgegnerin stützt die Erforderlichkeit dieser Festsetzung auf die Erschließung des Planungsgebiets sowie auf die Erschließung eines etwaigen Baugebiets auf der Grünfläche im Osten. Beide Gesichtspunkte vermögen die öffentliche Verkehrsfläche auf dem Privatgrundstück nicht zu tragen. Der Planbereich B, der aus einem Baugrundstück besteht, grenzt unmittelbar an eine bereits bestehende Verkehrsfläche (S. straße) an. Das Erfordernis einer Erschließung des Planungsgebiets durch die festgesetzte öffentliche Verkehrsfläche, die zudem als Sackgasse ohne Wendemöglichkeit ausgestaltet ist, liegt daher nicht vor. Auch auf die Erschließung eines etwaigen späteren Baugebiets bzw. einer späteren Querverbindung zu der bislang unbebauten Grünfläche kann die Festsetzung im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht gestützt werden. Dabei kann offenbleiben, ob die festgesetzte Verkehrsfläche den rechtlichen Anforderungen genügt, die an die „Abschnittsbildung“ einer Straße gestellt werden (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 19.9.2002 - 4 CN 1.02 - BVerwGE 117, 58). Die Erforderlichkeit der öffentlichen Verkehrsfläche scheitert jedenfalls daran, dass zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses völlig offen war, ob und wann eine Überplanung der östlich gelegenen privaten Grünfläche erfolgen wird. Zwar ist eine bauleitplanerische Regelung nicht nur dann im Sinn von § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich, wenn sie dazu dient, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Bahnen zu lenken, sondern auch dann, wenn die Gemeinde die planerischen Voraussetzungen erst schaffen will, die es ihr ihrerseits ermöglichen, einer Bedarfslage gerecht zu werden, die sich erst für die Zukunft abzeichnet (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.2002 a.a.O.). Die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche, die ein zukünftiges Baugebiet erschließen soll, ist städtebaulich nicht erforderlich im Sinn von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wenn gänzlich unbestimmt ist, ob, wann und in welchem Umfang das Baugebiet ausgewiesen werden soll (vgl. BayVGH, U.v. 6.7.2005 - 2 N 02.1114 - juris Rn. 18). Die Antragsgegnerin benennt keinen konkreten Zeithorizont, innerhalb dessen nach ihren Planvorstellungen auf der östlich gelegenen privaten Grünfläche ein Baugebiet ausgewiesen werden soll. Der Bereich ist im Flächennutzungsplan als private Grünfläche dargestellt. Allein der Umstand, dass sich eine Fläche auf Grund der Lage innerhalb des Gemeindegebiets für eine Bebauung anbieten mag, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Soweit die Antragsgegnerin im Aufstellungsverfahren zusätzlich darauf abgestellt hat, dass die Verkehrsfläche (auch) der Erschließung der landwirtschaftlich genutzten Fläche dient, hat der durchgeführte Augenschein ergeben, dass für die landwirtschaftliche Nutzung eine ausreichende Zuwegung über die B. straße besteht, die bereits jetzt zum Anfahren der Fläche genutzt wird.
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2.1.2 Der Mischgebietsfestsetzung fehlt es ebenfalls an der städtebaulichen Erforderlichkeit.
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Nach den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen bezieht sich das festgesetzte Mischgebiet ausschließlich auf den Planbereich B. Die Festsetzung MI befindet sich im Planbereich B. Die „Knödellinie“ (PlanZV 15.4) grenzt nach der Festsetzung in A 1.1 unterschiedliche Baugebiete ab. Der Begriff der Baugebiete ist in § 1 Abs. 2 BauNVO definiert. Sind die Festsetzungen im Planteil eindeutig, verbleibt kein Raum für die von der Antragsgegnerin angedachte Auslegung, wonach sich aus der Begründung ergebe, dass das Mischgebiet für das gesamte Planungsgebiet festgesetzt worden sei. Die Begründung eines Bebauungsplans ist kein Planbestandteil (vgl. BVerwG U.v. 18.9.2003 - 4 CN 3.02 - BVerwGE 119, 45). Sie kann sich nicht über eindeutige zeichnerische oder textliche Festsetzungen hinwegsetzen (BVerwG, U.v. 18.3.2004 - 4 CN 4.03 - BVerwGE 120, 239).
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Das hiernach allein für den Planbereich B festgesetzte Mischgebiet ist städtebaulich nicht erforderlich. Nach § 6 Abs. 1 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. In einem Mischgebiet soll den Belangen der gewerblichen Wirtschaft in gleicher Weise Rechnung getragen werden wie den Wohnbedürfnissen der Bevölkerung. Wohnen und gewerbliche Nutzung stehen gleichrangig und gleichwertig nebeneinander. Keine der Nutzungsarten soll ein deutliches Übergewicht über die andere gewinnen (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1996 - 4 B 51.96 - NVwZ-RR 1997, 463; U.v. 4.5.1988 - 4 C 34.86 - BVerwGE 79, 309). Ein Plangeber, der ein Mischgebiet festsetzt, muss deshalb das gesetzlich vorgesehene gleichberechtigte Miteinander von Wohnen und Gewerbe auch wollen oder zumindest sicher voraussehen, dass sich in dem fraglichen Gebiet eine solche Durchmischung einstellt. Wenn er dagegen ein Miteinander von Wohnen und Gewerbe gar nicht anstrebt oder wenn eine solche Entwicklung wegen der vorhandenen Bebauung oder aufgrund sonstiger Festsetzungen im Bebauungsplan faktisch nicht zu erreichen ist, stellt die Festsetzung des Mischgebiets einen städtebaulich nicht gerechtfertigten „Etikettenschwindel“ dar (vgl. VGH BW, U.v. 17.5.2013 - 8 S 313/11 - ZfBR 2013, 692; BayVGH, U.v. 3.4.2007 - 25 N 03.1282 - juris Rn. 17, OVG NRW, U.v. 9.10.2003 - 10a D 71/01 NE - juris Rn. 36).
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Eine Mischgebietsfestsetzung im vorgenannten Sinn für den Planbereich B entspricht nicht dem planerischen Willen der Antragsgegnerin. Ausweislich der Begründung geht sie davon aus, dass in dem Plangebiet überwiegend Gebäude zur Wohnnutzung errichtet werden. Dabei bezieht sich die Planbegründung nach dem Vortrag der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung auch auf den Planbereich A. Von einer Durchmischung im Sinn von § 6 Abs. 1 BauNVO nur im Planbereich B sei man nicht ausgegangen. Eine Mischgebietsfestsetzung für den Planbereich A liegt nach den eindeutigen Festsetzungen aber nicht vor (s.o.). Weiter hat die Antragsgegnerin dem Wunsch der Antragstellerin nach zwei Wohneinheiten durch die Aufnahme der Zulässigkeit eines Doppelhauses Rechnung getragen. Auch die sonstigen Festsetzungen des Bebauungsplans sprechen dagegen, dass im Planbereich B Nutzungen i.S.d. § 6 Abs. 2 BauNVO, wie etwa Geschäfts- und Bürogebäude, Einzelhandelsbetriebe oder sonstige nicht störende Gewerbebetriebe, in nennenswertem Umfang verwirklicht werden. Die Festsetzungen für ein Einzel- bzw. Doppelhaus mit maximal zwei Vollgeschossen, der maximal zulässigen Wandhöhe und der Grundfläche von 160 m² ist wohngebietstypisch. Eine Durchmischung innerhalb des Planbereichs B ist weder gewollt noch zu erwarten.
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2.1.3 Die Unwirksamkeit der Verkehrsflächenfestsetzung führt zur Gesamtunwirksamkeit des Planbereichs B. Die Verkehrsflächenfestsetzung mit der begleitenden öffentlichen Grünfläche stellt einen zentralen Aspekt der Planung für den Planbereich B dar. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Antragsgegnerin bei Wegfall der Verkehrsfläche den Bauraum anders (z.B. längs der S. straße) festgesetzt hätte. Ob die unwirksame Festsetzung der Nutzungsart ebenfalls die Gesamtunwirksamkeit des Planbereichs B bewirkt, kann offenbleiben.
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Die Mängel, die zur Unwirksamkeit des Planbereichs B führen, lassen die Wirksamkeit des Planbereichs A unberührt. Der Bebauungsplan ist hinsichtlich der Planbereiche A und B teilbar. Ein Bebauungsplan, in dem die Gemeinde unterschiedliche Baugebiete bzw. Regelungsbereiche festgesetzt hat, ist an den Gebietsgrenzen teilbar, wenn das jeweilige Gebiet mit den hierfür geltenden Regelungen für sich betrachtet eine sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken kann und mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde auch einen Bebauungsplan für nur eines der Baugebiete beschlossen hätte (vgl. BVerwG, U.v. 9.4.2008 - 4 CN 1.07 - BVerwGE 131, 100). Das ist hier der Fall. Die Regelungsbereiche des Bebauungsplans sind gebietsmäßig klar getrennt, es werden jeweils eigenständige städtebauliche Zielsetzungen verfolgt, die in den unterschiedlichen Festsetzungen ihren Niederschlag gefunden haben. Während im Planbereich A Gesichtspunkte der Erhaltung des Ortsbildes im Vordergrund stehen, zielt der Planbereich B auf die Entwicklung und Ordnung einer zukünftigen Bebauung in diesem Bereich ab, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Gemeinde den Planbereich A auch isoliert beschlossen hätte.
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2.2 Die Festsetzungen zum Planbereich A, insbesondere zum Erhaltungsbereich, stoßen auf keine rechtlichen Bedenken.
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§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB eröffnet den Gemeinden die Möglichkeit, zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt bestimmte Vorhaben durch Bebauungsplan einer präventiven Kontrolle dahingehend zu unterwerfen, ob sie die städtebauliche Gestalt des Gebiets wahren. Die zum Satzungserlass berechtigenden Erhaltungsziele sind in § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB abschließend geregelt. Nach der - hier allein in Betracht kommenden - Nr. 1 der Vorschrift kann die Gemeinde Gebiete bezeichnen, in denen „zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt (Abs. 3)“ der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung sowie gemäß § 172 Abs. 1 Satz 2 BauGB auch die Errichtung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen. Städtebaulicher Erhaltungsschutz zielt dabei auf die Wahrung der städtebaulichen Funktion baulicher Anlagen ab, deren Bezugspunkt die städtebauliche Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt ist. Da nur optisch wahrnehmbare Gegebenheiten gestaltend wirken und deshalb zur städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt beitragen können, muss das Gebiet - äußerlich erkennbar - Besonderheiten aufweisen und aus diesem Grund erhaltenswert sein. Auf diese optisch erkennbaren Besonderheiten müssen die aus Sicht der Gemeinde erhaltenswerten baulichen Anlagen funktional bezogen sein. Optisch nicht wahrnehmbare Funktionen können demgegenüber nichts zur städtebaulichen Gestalt eines Gebiets beitragen und rechtfertigen deshalb auch nicht den Erlass einer Erhaltungssatzung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 4.12.2014 - 4 CN 7.13 - BVerwGE 151, 27). Die Gründe für den städtebaulichen Erhaltungsschutz werden durch § 172 Abs. 3 Satz 1 BauGB weiter dahin konkretisiert, dass in dem Erhaltungsgebiet bauliche Anlagen vorhanden sein müssen, die das Orts- oder Landschaftsbild oder die Stadtgestalt prägen oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung sind. Die städtebauliche Bedeutung ist nicht auf Aspekte des sog. städtebaulichen Denkmalschutzes beschränkt, muss sich aber aus optisch wahrnehmbaren Wirkungen der baulichen Anlagen ergeben, die zur städtebaulichen Gestalt des Gebiets beitragen können (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2014 a.a.O.).
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist entscheidend, ob das festgelegte Erhaltungsgebiet eine städtebauliche Eigenart aufweist, die sich aus seiner städtebaulichen Gestalt ergibt. Im Erhaltungsgebiet müssen - objektiv - bauliche Anlagen vorhanden sein, die allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild oder die Stadtgestalt prägen (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 24.7.2020 - OVG 2 A 6/18 - juris Rn. 46) oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung sind. Die Festsetzung eines Erhaltungsbereichs nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB kann auch kleinräumig bzw. für ein einzelnes Gebäude erfolgen (vgl. VGH BW, U.v. 28.11.1991 - 8 S 1476/91 - juris Rn. 41; OVG SH, U.v. 25.11.1991 - 1 K 1/91 - juris Rn. 67).
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Nach den Feststellungen des Augenscheins sind diese Voraussetzungen erfüllt. Das Wohngebäude und Teile des Stalls wurden aus Tuffgestein hergestellt, der an den Fassaden gut sichtbar ist. Die optisch wahrnehmbare Verwendung dieses Gesteins stellt ein herausgehobenes Merkmal des landwirtschaftlichen Anwesens dar, das auch nach seinem äußeren Erscheinungsbild einen guten Erhaltungszustand aufweist. Die Ausführungen der Antragsgegnerin, dass das Gebäude ein geschichtliches Zeitzeugnis für die Verwendung von Kalktuffstein als Baumaterial und Werkstoff ist, sind für den Senat nachvollziehbar. Auch wenn Kalktuffe im bayerischen Alpenvorland weit verbreitet waren, sind die meisten Vorkommen inzwischen weitgehend erschöpft. Insoweit kommt diesem Gebäude, das nach den Angaben der Antragstellerin bereits 1819 errichtet wurde, die von der Antragsgegnerin beigemessene kulturgeschichtliche Bedeutung zu. Im Übrigen prägt dieses Gebäude mit seiner Bauweise das Ortsbild. Wie sich der Senat beim Augenschein überzeugt hat, befindet sich das ehemalige landwirtschaftliche Anwesen an zentraler Stelle im Ortsgebiet gegenüber dem Rathaus und dem Maibaum sowie in einer Sichtachse mit dem Kirchhügel. Mit seiner besonderen Steinfassade tritt es deutlich in Erscheinung und bildet mit diesen anderen Gebäuden bzw. Einrichtungen den Mittelpunkt der Gemeinde. Zusammen mit der erhöht stehenden Kirche gibt es der Gemeinde seit nunmehr knapp zwei Jahrhunderten ihr Gesicht.
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Die Antragstellerin, die das Wohngebäude mit Stall im Wesentlichen erhalten will, zieht hier letztlich auch nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB in Zweifel, sondern wendet ein, dass die Festsetzung des Erhaltungsbereichs unverhältnismäßig sei. Dies ist indes aus den vorgenannten Gründen nicht der Fall. Der fehlende Einbezug des nördlichen Bereichs der halboffenen Holzscheune in das Erhaltungsgebiet hat keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Satzung. Vielmehr hat die Antragsgegnerin nur einen Umgriff gewählt, der für das Erhaltungsziel geboten war. Der Holzscheune kommt keine prägende oder sonstige Wirkung zu.
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Die Festsetzungen zum Planbereich A begegnen auch im Übrigen keine Bedenken. Substantiierte Einwände hiergegen wurden nicht vorgetragen und sind für den Senat auch nicht erkennbar.
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Da die Beteiligten in etwa gleichem Umfang teils obsiegt haben und teilweise unterlegen sind, sind die Kosten nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeneinander aufzuheben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO hat die Antragsgegnerin die Entscheidung in Ziffer I. Satz 1 der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils in derselben Weise zu veröffentlichen wie den angegriffenen Bebauungsplan (§ 10 Abs. 3 BauGB).