Titel:
Verpflichtung zur Beibringung eines Fachgutachtens - Erhaltung eines Denkmals
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BayDSchG Art. 4 Abs. 2 S. 1
GG Art. 14 Abs. 1
Leitsätze:
1. Nach Art. 4 Abs. 2 S. 1 BayDSchG angeordneten Erhaltungsmaßnahmen müssen geeignet und erforderlich sein und dürfen nicht lediglich unzureichende Maßnahmen umfassen. Sie sind auf das umständehalber Notwendige zu beschränken. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Erhaltung eines Denkmals sind Kosten des in der Vergangenheit unterlassenen Bauunterhalts nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Belastungen, die auf das ungehinderte Fortwirken von Schadensursachen zurückzuführen sind. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Privatnützigkeit des Eigentums an einem Baudenkmal wird (erst dann) nahezu vollständig beseitigt, wenn selbst ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer von einem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen und es praktisch auch nicht veräußern kann. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Sicherungsmaßnahmen für ein Baudenkmal, Zumutbarkeit der Erhaltung, Fehlender Nachweis von ernsthaften Verkaufsbemühungen, Fachgutachten bezüglich der hölzernen Bauteile, Bauunterhalt, Privatnützigkeit des Eigentums
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 07.06.2022 – M 1 S 22.210
Fundstelle:
BeckRS 2022, 23685
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller den in der ersten Instanz überwiegend erfolglosen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 13. Dezember 2021 weiter, soweit er als Eigentümer eines denkmalgeschützten Wohngebäudes aus dem 18. Jahrhundert verpflichtet wurde, ein Fachgutachten bezüglich der hölzernen Bauteile, insbesondere der Decken und Wände, beizubringen (Nr. 1.1 Satz 1 des Bescheids).
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1. Die Beschwerde ist zulässig.
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Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Antragsteller nach dem Wortlaut seines Antrags in Ziffer I. die vollumfängliche Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts begehrt. Insoweit fehlt dem Antragsteller zwar die erforderliche Beschwer, soweit sich seine Beschwerde auch gegen Nr. 1.1 Satz 2 des Bescheids richtet, da das Verwaltungsgericht insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt hat. Da der Antragsteller sich in der Beschwerdebegründung auf die in Nr. 1.1 Satz 1 des Bescheids angeordnete Beibringung eines Fachgutachtens für die hölzernen Bauteile beschränkt hat, kann der Beschwerdeantrag dahingehend ausgelegt werden, dass das erkennbare Rechtsschutzziel der Beschwerde nur gegen die Nr. 1.1 Satz 1 des Bescheids gewendet ist.
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2. Die so zu verstehende Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung der Beschwerde gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die Würdigung des Beschwerdevorbringens beschränkt ist, die Ausführungen in der Beschwerdebegründung jedoch zum weitaus größten Teil nicht den sich aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ergebenden Anforderungen entsprechen. Soweit eine diesem Maßstab genügende Beschwerdebegründung vorliegt, erfordern bzw. rechtfertigen die dargelegten Gründe keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die in Nr. 1.1 Satz 1 des Bescheids angeordnete Verpflichtung zur Beibringung eines Fachgutachtens für die hölzernen Bauteile erweist sich nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig.
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2.1 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Antragsteller zur Beibringung eines Fachgutachtens für die hölzernen Bauteile (Nr. 1.1 Satz 1 des Bescheids) nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BayDSchG in Anspruch genommen werden kann. Nach dieser Vorschrift können Eigentümer verpflichtet werden, bestimmte Erhaltungsmaßnahmen im Sinn des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayDSchG ganz oder zum Teil durchzuführen, soweit ihnen das insbesondere unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Aufgaben und Verpflichtungen zumutbar ist. Die angeordneten Erhaltungsmaßnahmen müssen geeignet und erforderlich sein und dürfen daher nicht lediglich unzureichende Maßnahmen umfassen. Sie sind auf das umständehalber Notwendige zu beschränken (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2017 - 1 ZB 17.935 - juris Rn. 5 m.w.N.; Spennemann in Eberl/Spennemann/Schindler-Friedrich/Gerstner, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 8. Auflage 2021, Art. 4 Rn. 70 m.w.N.).
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Gemessen an diesen Maßstäben bestehen hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der angeordneten Beibringung eines Fachgutachtens bezüglich der hölzernen Bauteile, insbesondere der Decken und Wände, keine durchgreifenden Bedenken. Die Anordnung ist angesichts der bestehenden Feuchtigkeit und des bereits festgestellten Pilzbefalls im Haus (s. Stellungnahme des LfD vom 8. Juni 2021) erforderlich und geboten, insbesondere weil dadurch lediglich der unwiderbringliche Verfall der Teile verhindert werden soll, weitere (konkretere) Maßnahmen jedoch dem Ergebnis des Gutachten vorbehalten bleiben. Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird durch die Formulierung der Anordnung auch nicht das Ergebnis eines etwaigen Gutachtens vorweggenommen. Denn dass das Landratsamt mittels einer gutachterlichen Bewertung die Sanierungsfähigkeit und damit den Fortbestand des Baudenkmals geklärt haben möchte, ergibt sich aus den Ausführungen unter Nr. I. der Begründung des Bescheids. Die Behörde führt dazu aus, dass der Bauzustand des Hauses sanierungsbedürftig, aber nach derzeitigem Kenntnisstand sanierungsfähig sei. Darüber hinaus sind dem Bescheid die einschränkenden Äußerungen in der Stellungnahme des LfD vom 23. Februar 2021 als Anlage beigefügt. Auch daraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass das Gutachten (auch) dazu dienen soll, mögliche verborgene Mängel festzustellen, die den Aufwand für eine Sanierung nachträglich in Frage stellen würden. Die Ergebnisoffenheit des beizubringenden Fachgutachtens steht daher nicht in Frage.
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Soweit der Antragsteller in einem Satz die Unbestimmtheit der Anordnung im Hinblick auf die Formulierung „Holzschutzfachmann“ behauptet, wird dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO bereits nicht genügt. Im Übrigen lässt sich - ggf. nach einer Recherche im Internet oder mittels einer Nachfrage beim Landratsamt - bestimmen, welche Sachverständige die fachlichen Kriterien für die Beibringung des angeordneten Gutachtens erfüllen. Das Landratsamt hatte dem Antragsteller bereits mit Schreiben vom 2. August 2021 angeboten, ihm ggf. entsprechende Adressen zukommen zu lassen.
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2.2 Die Anordnung ist auch zumutbar. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass das Denkmal angesichts der vorhandenen Risse und der Sanierungsbedürftigkeit der Ufermauer, auf der das Gebäude gründet, zwar statische Schwierigkeiten aufweise, jedoch nicht ersichtlich sei, dass eine Sanierung und damit der Erhalt des Denkmals ausgeschlossen sei. Der Antragsteller habe bezüglich der Statik keine fachliche Darlegung vorgelegt und sich lediglich auf die nach seiner eigenen Wahrnehmung fortschreitende Verschlechterung des Gebäudes berufen, die zu einer Einsturzgefahr führe. Die Beschwerdebegründung verweist insoweit lediglich auf den vorgerichtlichen und erstinstanzlichen Vortrag sowie darauf, dass bei einer wirtschaftlich unzumutbaren Sanierung sichernde Instandhaltungsmaßnahmen nicht (mehr) verlangt werden könnten. Einen Nachweis für die objektive Unmöglichkeit der Sanierung durch Vorlage eines Gutachtens eines Tragwerkplaners bzw. Bodengutachters hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht erbracht.
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Das Verwaltungsgericht hat weiter zutreffend darauf abgestellt, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit Kosten des in der Vergangenheit unterlassenen Bauunterhalts nicht zu berücksichtigen sind (BayVGH, B.v. 23.11.2027 - 1 ZB 17.935 - juris Rn. 5 ff.; U.v. 18.10.2010 - 1 B 06.63 - BayVBl 2011, 303; B.v. 19.2.2008 - 14 ZB 07.3069 - juris Rn. 15; OVG NW, B.v. 22.8.2007 - 10 A 3453/06 - ZfBR 2007, 799). Dies gilt auch für Belastungen, die auf das ungehinderte Fortwirken von Schadensursachen zurückzuführen sind (BayVGH, B.v. 19.2.2008 a.a.O.; U.v. 3.8.2000 - 2 B 97.1119 - juris Rn. 27; HessVGH, U.v. 17.5.1990 - 4 TH 138/89 - juris Rn. 30). Vorliegend war insbesondere in Bezug auf das Dach des Baudenkmals, dessen Undichtigkeit die eingetretenen Feuchtigkeitsschäden verursacht hat, der erforderliche Bauunterhalt durch den Antragsteller bzw. seine Rechtsvorgängerin nicht erfolgt. Soweit der Antragsteller ein Verfallenlassen des Gebäudes bestreitet, reicht es nicht aus, auf die Korrespondenz mit dem Landratsamt zu verweisen, in dem die vermeintlich getroffenen Erhaltungsmaßnahmen aufgeführt sein sollen. Im Übrigen hat der Antragsteller selbst ausgeführt, dass seine provisorischen Maßnahmen zur Abdichtung des Dachs im Zusammenhang mit einem Unwetter im Jahr 2020 nicht ausreichend waren, da das Dach (weiterhin) kaputt sei.
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2.3 Soweit der Antragsteller eine Verletzung des Eigentumsrechts nach Art. 14 Abs. 1 GG behauptet, fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG der Zumutbarkeit einer Erhaltungsanordnung nach dem BayDSchG nicht entgegensteht. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Privatnützigkeit des Eigentums an einem Baudenkmal (erst dann) nahezu vollständig beseitigt wird, wenn selbst ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer von einem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen kann und es praktisch auch nicht veräußern kann (vgl. BVerfG, B.v. 2.3.1999 - 1 BvL 7/91 - BVerGE 100, 226; BVerwG, B.v. 28.7.2016 - 4 B 12.16 - BayVBl 2017, 206). Es ist mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar, dem Eigentümer eines Denkmals die Darlegungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen aufzubürden. Dies gilt auch für die praktische Möglichkeit einer Veräußerung (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.2016 a.a.O.). Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung, der Antragsteller habe keine ernsthaften Verkaufsbemühungen nachgewiesen, maßgeblich darauf gestützt, dass er eine Offerte abgewiesen hat, die mehr als 10% des Angebotspreises des Antragstellers in der Denkmalbörse betragen hat. Die Beschwerdebegründung, die sich in weiten Teilen in Einwänden gegen die Ausführungen des Antragsgegners im behördlichen Verfahren richtet, erschöpft sich insoweit auf eine Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrags unter Darlegung der abweichenden Meinung des Antragstellers zur Nutzbarkeit des Wohngebäudes, zur Frage der Veräußerung eines Denkmals sowie auf eine Kritik an der vorgenannten Rechtsprechung. Es kommt daher weder auf die in der Beschwerdebegründung angeführten Dokumente zu seinen Verkaufsbemühungen noch auf eine aktualisierte Wirtschaftlichkeitsberechnung entscheidungserheblich an. Soweit der Antragsteller unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch eine Verletzung von Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK rügt und eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit in Fällen vorliegender Art fordert, übersieht er, dass der Schutz von Denkmälern gesetzlich geregelt ist und der Staat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Hinblick auf die Benutzung des Eigentums einen weiten Ermessensspielraum in Bezug darauf hat, was im „Allgemeininteresse“ ist, insbesondere wenn es um Fragen des Umwelt- und Kulturerbes geht (vgl. EGMR, Entscheidung vom 15.5.2013 -26367/10 - NJW 2014, 757).
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Auf die Frage, ob eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Verwaltungsgericht vorliegt, kommt es vorliegend nicht an, da der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren keine Gründe vorgetragen hat, die eine abweichende gerichtliche Entscheidung rechtfertigen würden. Eine mögliche Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Antragsgegner kann im Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht werden.
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Die von dem Antragsteller geforderte Korrektur und Ergänzung des Tatbestands der erstinstanzlichen Entscheidung ist nach § 119 Abs. 1 VwGO fristgerecht beim Verwaltungsgericht zu beantragen. Der Senat weist darauf hin, dass die angeführten Schreiben in den vom Verwaltungsgericht ergänzend in Bezug genommenen Gerichtsakten und der digital vorgelegten Behördenakten enthalten sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die Reduzierung des Streitwerts im Beschwerdeverfahren folgt aus der Beschränkung der Beschwerde auf Nr. 1.1 des Bescheids.