Titel:
Bauaufsichtliches Einschreiten gegen Zuwegung zu genehmigter Windkraftanlage
Normenketten:
VwGO § 123
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 8, Art. 75 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Art. 57 BayBO stellt weniger bedeutsame Vorhaben nur als Einzelvorhaben von der Baugenehmigungspflicht frei, wenn sie nicht im räumlichen, zeitlichen und funktionellen Zusammenhang mit einem anderen (Gesamt-)Vorhaben stehen. Die Zufahrtswege auf dem Baugrundstück bzw. auf einem (weiteren) dem Eigentümer gehörenden Grundstück gehören grundsätzlich zu dem Vorhaben und werden dementsprechend in der Baugenehmigung mitgenehmigt bzw. beauflagt. (Rn. 20)
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Zuwegungen zu Windenergieanlagen, Anspruch auf bauaufsichtsrechtliches Einschreiten, Keine Verfahrensfreiheit bei (Gesamt-)Vorhaben, Anordnungsgrund, Unzureichende Glaubhaftmachung, Umwelt- und Naturschutzvereinigung, Umdeutung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 01.06.2022 – M 28 E 22.2108
Fundstellen:
BeckRS 2022, 23684
LSK 2022, 23684
NVwZ-RR 2023, 90
KommJur 2022, 389
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller, eine vom Umweltbundesamt deutschlandweit anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung, begehrt zuletzt eine einstweilige Anordnung, mit welcher der Antragsgegner verpflichtet werden soll, die von der Beigeladenen ab August 2022 angekündigten Bauarbeiten zum Ausbau des Weges zu der genehmigten Windkraftanlage der Beigeladenen auf dem Grundstück FlNr. … (WEA 1) zu untersagen sowie die bereits stattfindenden Bauarbeiten zum Ausbau der Wege zu den genehmigten Windkraftanlagen auf den Grundstücken FlNr. … (WEA 2) und FlNr. … (WEA 3), jeweils Gemarkung F., Stadt P. … …, im F. Forst, einzustellen.
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Mit Bescheid vom 5. August 2020 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der drei vorgenannten Windenergieanlagen unter Auferlegung diverser Nebenbestimmungen. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung schließt im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Konzentrationswirkung die die Anlage betreffende baurechtliche Genehmigung sowie eine Rodungserlaubnis für Fundament- und Kranstellflächen und Nebenanlagen mit ein. Mit Bescheid vom 9. Dezember 2020, geändert mit Bescheid vom 13. Dezember 2021 und vom 26. Januar 2022, erteilte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Rodungserlaubnis nach Art. 9 Abs. 2 BayWaldG für die Verbreiterung und Befestigung der Wegekörper, die Erweiterung der Kurvenradien und Befestigung der Kurven, für die Anlage der erforderlichen Stichwege zu den Windenergieanlagen sowie für die Stromleitungen im Bankett der Wege. Der Antragsteller ließ gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sowie die Rodungserlaubnis jeweils Klage erheben (M 28 K 20.4174 und M 23 K 20.6503), über die noch nicht entschieden worden ist. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid (M 28 S 22.700) lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. August 2022 ab. Seinen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten im Hinblick auf den geplanten Beginn des Ausbaus des Weges zu den Windenergieanlagen lehnte das Landratsamt ab.
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Auf den verfahrensgegenständlichen Eilantrag des Antragstellers stellte das Verwaltungsgericht nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Hauptbeteiligten das Verfahren in Bezug auf den Antrag des Antragstellers in Ziffer II. mit Beschluss vom 1. Juni 2022 ein; im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Der Antrag sei zulässig, aber nicht begründet. Der Antragsteller habe nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf die begehrte Bauuntersagung. Es könne dahinstehen, ob die Baumaßnahmen an den Zuwegungen Teil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung seien oder eine verfahrensfreie Maßnahme nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 8 BayBO darstellten. Denn unabhängig davon und auf welche Vorschrift sich ein behördliches Einschreiten stützen sollte, sei ein Verstoß gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften - hier § 44 Abs. 1 BNatSchG - nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Hinsichtlich der geplanten Baumaßnahmen an den Zuwegungen zur Windenergieanlage 1 habe die Beigeladene zugesichert, mit den Bauarbeiten erst ab dem 1. August zu beginnen. Nach der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 13. Mai 2022 befinde sich der Uhu ab diesem Zeitpunkt für dieses Jahr nicht mehr in der für die Arterhaltung sensiblen Phase der Fortpflanzung bzw. Aufzucht. Auch hinsichtlich der Windenergieanlagen 2 und 3 sei eine Verletzung des § 44 Abs. 1 BNatSchG nicht substantiiert vorgetragen, insbesondere seien die tatsächlichen Voraussetzungen einer Störung nicht glaubhaft gemacht worden.
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Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen ursprünglichen Antrag in Bezug auf die Zuwegung zu der WEA 1 weiter. Darüber hinaus begehrt er die Verpflichtung des Antragsgegners, die bereits stattfindenden Bauarbeiten zum Ausbau der Wege zu den WEA 2 und 3 einzustellen. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die gerügte Verletzung anderer, nicht benannter Arten, zu unsubstantiiert sei, da die Planung unbestimmt und daher ein weiterer Vortrag zur Verletzung weiterer Arten und zu konkreten Auswirkungen der Baumaßnahmen nicht möglich sei. Eine konkrete Planung zu den Wegebaumaßnahmen liege nicht vor; der Vorhaben- und Erschließungsplan enthalte lediglich Ausführungen zur Verortung der Zuwegungen, zur erforderlichen Breite von 4,5 m sowie zur Aufnahme eines Gesamtgewichts von 160 t pro Transportfahrzeug. Trotz der Geländeschwankungen und der Benutzung der Zuwegungen mit Transportfahrzeugen fänden sich keine Angaben zu Art und Weise des Wegebaus. Durch den Beginn und die Fortsetzung der nicht genehmigten Baumaßnahmen zur Herstellung der Zuwegungen zu den WEA 1 und WEA 2 und 3 bestehe die Gefahr, dass in Bezug auf den Uhu und weitere Arten die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG verwirklicht würden. Zudem fehle es an einer artenschutzrechtlichen Prüfung sowie an der Durchführung einer UVP-Prüfung.
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Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Die Zuwegung werde nicht von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erfasst. Die teils 1,5 km langen Zuwegungen seien nicht Bestandteil der Baugenehmigung geworden. Für die Erschließung einer Windenergieanlage sei eine ausreichende Zuwegung für die Nutzung der Anlage erforderlich. Dies sei hier der Fall. Der Wegebau sei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 8 BayBO verfahrensfrei. Von dieser Annahme würden auch die Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA - Windenergie-Erlass - BayWEE) vom 19. Juli 2016 ausgehen. Nach Nr. 9.3 Satz 5 i.V.m. Nr. 9.2 Buchst. a) bb) des WEE-Erlasses sei, soweit Rodungsflächen für ausschließlich für die WEA erforderlichen Zufahrten und Verbreiterungen vorhandener Forstwege anfielen, ein gesondertes waldrechtliches Verfahren, aber kein Baugenehmigungsverfahren, gefordert. Das Landratsamt habe die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit und damit eine gesicherte wegemäßige Erschließung bejaht. Der planreife Bebauungsplan Nr. 163 „Sondergebiet Bürgerwindpark P.“ sehe die Erschließung über private Grundstücke vor, da der öffentliche Weg der Stadt P. (FlNr. …*) für die Bauphase nicht ausreichend breit sei. Da die bauplanungsmäßige Erschließung nicht den Transport der Bauteile und die Zufahrtsmöglichkeit für Baufahrzeuge umschließe, sei der öffentliche Weg für die bauplanungsrechtliche wegemäßige Erschließung der WEA 2 und 3 ausreichend. G. Wege unterfielen nach Art. 1 Abs. 2 BayBO nicht deren Anwendungsbereich. Für die WEA 3 lägen mittlerweile auch beschränkt persönliche Fahrtrechte vor, für die WEA 1 beschränkt persönliche Dienstbarkeiten für die Zufahrt, die über Privatgrundstücke erfolge. Für die WEA 2 lägen überwiegend Dienstbarkeiten vor. Die von § 13 BImSchG erfasste Baugenehmigung würde nur insoweit ersetzt, als die immissionsschutzrechtlich genehmigte Anlage gegenständlich reiche. Die Zuwegungen seien nicht Bestandteil der immissionsschutzrechtlich zu genehmigenden Anlage. Eine Genehmigungspflicht nach anderen Vorschriften sei weder vorgetragen noch erkennbar. Aufsichtsmaßnahmen wie die Einstellung von Arbeiten nach Art. 75 BayBO seien daher nicht erforderlich. Die geltend gemachte Unbestimmtheit der Planung sei Folge davon, dass ein gesetzlich vorgesehenes Genehmigungsverfahren nicht bestehe. Auch bei Annahme, dass das UmwRG anwendbar sein sollte, ergebe sich kein Anordnungsanspruch, da ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG nicht vorliege. Im Übrigen sei bisher lediglich der Humus an den Wegen zu allen drei WEA abgetragen worden.
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Die Beigeladene beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Der Antrag sei unzulässig, soweit der Antragsteller den Beschluss auch im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens angefochten habe und abweichend von seinem erstinstanzlichen Antrag beantrage, „die bereits stattfindenden Bauarbeiten“ für die Wege einzustellen. Es fehle an einer Auseinandersetzung mit der Würdigung des Verwaltungsgerichts. Allein die Behauptung, das Fehlen einer Zulassungsentscheidung in Bezug auf die Wegebaumaßnahmen führe zu einem Verstoß gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften, reiche nicht aus. Auch sei nicht dargelegt, weshalb die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass die angegebene Zuwegung für die Beurteilung der Einhaltung des § 44 Abs. 1 BNatSchG ausreichend sei, verfahrensfehlerhaft gewesen sein solle. Die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände seien geprüft worden. Durch das Vorhaben (nicht durch die Rodung oder den Betrieb der WEA) würden artenschutzrechtliche Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG nicht verletzt.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Dabei ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sowohl hinsichtlich des Anordnungsanspruchs als auch des Anordnungsgrundes derjenige der Beschwerdeentscheidung (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 123 Rn. 165).
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1. Die Beschwerde ist zulässig.
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Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht bereits entgegen, dass der Antragsteller nach dem Wortlaut seines Antrags in Ziffer I. die vollumfängliche Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts begehrt. Insoweit fehlt dem Antragsteller zwar die erforderliche Beschwer, soweit seine Beschwerde auch den erstinstanzlich gestellten Antrag in Ziffer II. mitumfasst, da das Verwaltungsgericht das Verfahren insoweit nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Hauptbeteiligten eingestellt hat. Nach seinem Antrag im Beschwerdeverfahren in Ziffer II. sowie den Ausführungen in der Beschwerdebegründung, die sich nur zum erstinstanzlichen Antrag Ziffer I. verhalten, kann der Beschwerdeantrag dahingehend ausgelegt werden, dass das erkennbare Rechtsschutzziel der Beschwerde nur auf die Ablehnung der Verpflichtung zur Bauuntersagung gerichtet ist.
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Der Zulässigkeit der Beschwerde steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller im Beschwerdeverfahren abweichend von seinem ursprünglichen Antrag die Einstellung „bereits stattfindender Bauarbeiten“ im Bereich der Zuwegungen zu den WEA 2 und 3 begehrt. Die Beschwerde kann auch auf nachträglich eintretende und demgemäß bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch nicht berücksichtigte Gründe gestützt werden; auch insoweit lässt sich die Ergebnisrichtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses mit Erfolg anzweifeln (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2022, § 146 Rn.13c; Happ in Eyermann 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 29). Mit der Behauptung „bereits stattfindender Bauarbeiten“ im Bereich der WEA 2 und 3 hat der Antragsteller grundsätzlich einen weiteren möglichen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur Einstellung von Bauarbeiten gegenüber der Beigeladenen geltend gemacht. Die Beschwerdebegründung zeigt jedoch dazu nicht ansatzweise auf, zu welchem Zeitpunkt mit der Aufnahme der behaupteten Bauarbeiten an den Zuwegungen zu den WEA 2 und 3 begonnen worden sein soll sowie zum Umfang solcher Bauarbeiten. Nach dem unwiderlegten Vortrag des Antraggegners zum Stand des Wegeausbaus ist bisher lediglich der Humus an den Wegen zu allen drei WEA abgetragen worden. Die bloße Bezugnahme auf einen Schriftsatz der Gegenseite, mit dem (frühere) Planungen zum Wegeausbau mitgeteilt wurden, reicht nicht aus, um dem Darlegungsgebot gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gerecht zu werden.
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Die Beschwerde des Antragstellers ist jedoch nicht auf den Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners, die von der Beigeladenen ab August 2022 angekündigten Bauarbeiten zum Ausbau des Weges zu der genehmigten Windkraftanlage WEA 1 zu untersagen, zu beschränken. Denn der Antrag auf Untersagung des Beginns der Bauarbeiten ist auf das gleiche Rechtsschutzinteresse gerichtet wie der Antrag auf Baueinstellung nach erfolgtem Baubeginn, nämlich auf bauaufsichtliches Einschreiten nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Der Antrag kann daher umgedeutet werden, dass auch die Zuwegungen zu den WEA 2 und 3 (entsprechend dem ursprünglichen Antrag) mitumfasst sein sollen.
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2. Die Beschwerde des Antragstellers im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist jedoch unbegründet, da der Antrag nach § 123 VwGO auf Verpflichtung des Antragsgegners, die von der Beigeladenen angekündigten Bauarbeiten zu untersagen, zulässig, aber nicht begründet ist.
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2.1 Der Antrag ist zulässig, insbesondere kann dem Antragsteller weder die Antragsbefugnis noch das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden. Der Senat verweist dazu auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts (§ 122 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Eine ausdrückliche Bezeichnung des Anordnungsgrundes ist nicht erforderlich. Die Glaubhaftigkeit der Tatsachen ist eine Frage der Begründetheit des Antrags (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 123 Rn. 44).
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2.2 Der Antrag ist aber nicht begründet. Der Antragsteller hat bei Berücksichtigung seines Beschwerdevorbringens keinen Anspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners, die angekündigten Bauarbeiten der Beigeladenen zu untersagen. Zwar gehören die Zufahrtswege auf dem Baugrundstück bzw. auf einem (weiteren) dem Eigentümer gehörenden Grundstück grundsätzlich zu dem Vorhaben und werden dementsprechend in der Baugenehmigung mitgenehmigt bzw. beauflagt (2.2.1). Es kann vorliegend jedoch dahinstehen, ob ein Anordnungsanspruch besteht bzw. ob ein solcher vom Antragsteller glaubhaft gemacht worden ist, da es jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes fehlt (2.2.2).
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2.2.1 In Bezug auf den Anordnungsanspruch macht der Antragsteller geltend, dass die Wegebaumaßnahmen einer Baugenehmigung bedürften, diese Maßnahmen gegen die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG verstoßen würden und damit ein bauaufsichtsrechtliches Einschreiten geboten sei.
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Bauarbeiten sind dann unzulässig, wenn sie entgegen öffentlich-rechtlicher Vorschriften durchgeführt werden (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Voraussetzung einer Baueinstellung (bzw. einer Untersagung der Bauarbeiten) sind objektiv konkrete Anhaltspunkte, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht materiell oder auch formell widersprechender Zustand geschaffen wird, nicht aber die tatsächliche Bestätigung dieser Vermutung (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2020 - 1 CS 20.396 - juris Rn. 3). Im Fall eines gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftigen Vorhabens genügt bereits die formelle Rechtswidrigkeit, also das Fehlen der erforderlichen Baugenehmigung. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die privaten Zufahrtswege auf dem Baugrundstück bzw. auf einem (weiteren) dem Eigentümer gehörenden Grundstück in der Baugenehmigung mitgenehmigt bzw. beauflagt werden müssen, liegen vor.
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Für die Zuwegung ist zwischen der gesicherten Erschließung und den Zufahrtswegen auf dem Baugrundstück bzw. auf einem (weiteren) dem Eigentümer gehörenden Grundstück zu differenzieren.
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Gesicherte Erschließung bedeutet grundsätzlich die auf Dauer gesicherte Anbindung eines Grundstücks an ein öffentliches Wegenetz. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich nach dem konkreten Vorhaben, das auf einem Grundstück errichtet werden soll. Für die Sicherung der Erschließung ist nicht die Zugänglichkeit des Baugrundstücks, sondern die des Bauvorhabens ausschlaggebend (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1990 - 4 B 62.90 - BauR 1990, 337). Soweit die Zuwegungen zu den Windkraftanlagen hier über private Wege erfolgen soll, liegen beschränkt persönliche Dienstbarkeiten bzw. beschränkt persönliche Fahrtrechte vor. Zudem ist eine Erschließung über den öffentlichen Weg der Stadt P. möglich.
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Die Zufahrtswege auf dem Baugrundstück bzw. auf einem (weiteren) dem Eigentümer gehörenden Grundstück gehören grundsätzlich zu dem Vorhaben und werden dementsprechend in der Baugenehmigung mitgenehmigt bzw. beauflagt. Sie sind nicht nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 8 BayBO von der Baugenehmigungspflicht freigestellt. Denn Art. 57 BayBO stellt weniger bedeutsame Vorhaben nur als Einzelvorhaben von der Baugenehmigungspflicht frei, wenn sie nicht im räumlichen, zeitlichen und funktionellen Zusammenhang mit einem anderen (Gesamt-)Vorhaben stehen (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2018 - 1 CS 18.308 - juris Rn. 9). Bei unselbständigen notwendigen Teilen eines genehmigungspflichtigen Bauvorhabens, wie beispielsweise einen Privatweg für ein Wohngebäude, erstreckt sich die Genehmigungspflicht auch auf die Verkehrsanlage (vgl. Lechner/Busse in Busse/Kraus, BayBO, Stand Januar 2022, Art. 57 Rn. 245 unter Hinweis auf BayVGH, B.v. 18.1.1988 - 20 CS 87.04077). Auch der Ausbau der Zufahrtswege und die (genehmigungspflichtige) Errichtung einer Windkraftanlage stehen hier in einem solchen räumlichen, zeitlichen und funktionellen Zusammenhang. Denn für die Errichtung einer Windkraftanlage kann nichts Anderes gelten als für die Errichtung eines Wohn- oder Gewerbegebäudes. Es handelt sich daher um ein einheitliches Bauvorhaben, das insgesamt genehmigungspflichtig ist. Nr. 9.3 Satz 5 i.V.m. Nr. 9.2 des WEE-Erlasses vom 19. Juli 2016 steht dem nicht entgegen, da er sich jedenfalls nicht zu den baurechtlichen Anforderungen für das Baugrundstück verhält. Die Zuwegung ist daher in der Baugenehmigung mit zu genehmigen bzw. zu beauflagen, beispielsweise im Hinblick auf die Breite der Zuwegung und den Untergrund. Das ist hier nicht erfolgt. Die Baugenehmigung umfasst nicht die Zufahrtswege, das Landratsamt hat eine Genehmigung aufgrund von Art. 57 Abs. 1 Nr. 8 BayBO für nicht erforderlich gehalten. Soweit die immissionsschutzrechtliche Genehmigung den vorgelegten Übersichtsplan, der den Verlauf der Zuwegungen zu den Windkraftanlagen und deren Standort aufzeigt, und die Kurzbeschreibung des Vorhabens einbezieht, ergeben sich daraus jedenfalls keine Anhaltspunkte zur tatsächlichen Befahrbarkeit der Zuwegung.
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2.2.2 Der Senat lässt es vorliegend dahinstehen, ob der Bau bzw. der Ausbau der Zuwegungen zu der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gehört und damit von der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung umfasst ist (vgl. VGH BW, U.v. 30.9.2021 - 10 S 1956/20 - juris Rn. 75 ff; B.v. 17.12.2019 - 10 S 823/19 - NVwZ-RR 2020, 868; B.v. 17.12.2019 - 10 S 566/19 - juris Rn. 9 ff.; anderer Auffassung HessVGH, B.v. 27.1.2022 - 3 B 1209/21 - BauR 2022, 169; NdsOVG, B.v. 2.8.2022 - 12 MS 88/22 - juris Rn. 30). Ebenso kann dahinstehen, die weiteren Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs vorliegen bzw. ob ein solcher Anspruch vom Antragsteller glaubhaft gemacht wurde (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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Denn jedenfalls fehlt es in Bezug auf einen von dem Antragsteller behaupteten Anordnungsanspruch aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO auf Erlass einer (vorläufigen) Untersagung der angekündigten Bauarbeiten für den Wegebau an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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Der Antragsteller führt dazu in seiner Beschwerdebegründung zu der WEA 1 lediglich aus, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass sich der Uhu ab dem 1. August 2022 nicht mehr in der sensiblen Phase der Fortpflanzung und Aufzucht befinde, unzutreffend sei, da die Vertreterin der unteren Naturschutzbehörde anlässlich des Gerichtsverfahrens betreffend die Rodungserlaubnis darauf hingewiesen habe, dass bereits ab Januar 2023 mit der nächsten Uhubalz zu rechnen sei. Insoweit fehlt es an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs in tatsächlicher Hinsicht und damit an der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Dringlichkeit. Der Antragsteller macht nicht glaubhaft, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts für den Zeitraum bis Ende Dezember 2022 unzutreffend ist. Soweit der Antragsteller ausführt, dass die umfangreichen Wegebaumaßnahmen bis Januar 2023 höchstwahrscheinlich nicht abgeschlossen seien, fehlt es ebenfalls an einer Glaubhaftmachung des Anordnungsgrunds, da er nicht ansatzweise darlegt, weshalb der von der Beigeladenen anvisierte Zeitraum für die Wegearbeiten von sechs bis acht Wochen unrealistisch ist und weshalb die Beigeladene in dem noch verbleibenden Zeitraum von rd. vier Monaten die Wegearbeiten nicht abschließen kann. Für die Zuwegungen zu den WEA 2 und 3 gilt nichts Anderes, da auch bei Annahme eines weiteren Horstes sowie eines mit dem Wegebau verbundenen Baulärms die Wegebauarbeiten im Zeitraum bis Ende Dezember nicht in einer sensiblen Phase der Fortpflanzung und Aufzucht stattfinden.
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Auch hinsichtlich des geltend gemachten Zauneidechsenvorkommens fehlt es im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs in tatsächlicher Hinsicht und damit an der erforderlichen Dringlichkeit. Einen entsprechenden Nachweis hat der Antragsteller nicht vorgelegt. Ein vermeintliches Vorkommen der Schlingnatter wird allein auf die Ernährungsgewohnheiten der Schlingnatter gestützt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs. Angesichts des Umstands, dass nach der Rechtsprechung des Senats der Streitwert für das Klageverfahren auf Erlass einer Baueinstellungsverfügung regelmäßig mit 5.000 Euro angemessen erfasst wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4.4.2022 - 1 ZB 21.3216 sowie vom 29.10.2020 - 1 CS 20.1979 - jeweils juris), sieht der Senat keinen Anlass, für den Eilantrag einer anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigung einen höheren Streitwert als 2.500 Euro festzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2019 - 22 CS 19.281 - juris Rn. 53).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).