Inhalt

AG Augsburg, Endurteil v. 13.09.2022 – 25 C 1871/22
Titel:

Ersatz von Verbringungskosten

Normenkette:
BGB § 249
Leitsatz:
Abschleppkosten sind bei Reparatur grundsätzlich nur bis zur nächstgelegenen Fachwerkstatt, nicht aber bis zur Heimatwerkstatt, zu erstatten. Die Mehrkosten für ein Abschleppen zu einer weiter entfernt liegenden Werkstatt sind nur bei Vorliegen besonderer Umstände, d.h. wenn der Geschädigte einen vernünftigen Grund für das Abschleppen in eine weiter entfernte Werkstatt darlegt, und wenn sie der Höhe nach nicht allzu erheblich sind, erstattungsfähig. Hierfür reicht der Umstand, dass ein beschädigtes Fahrzeug in die „Werkstatt des Vertrauens“ geschafft wurde, obwohl eine andere Werkstatt näher war, grundsätzlich nicht aus.  (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschleppkosten, Werkstatt, Heimatnah
Fundstelle:
BeckRS 2022, 23161

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 208,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.01.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.01.2022 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 68 % und die Beklagte 32 % zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 654,55 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
2
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht Augsburg sachlich und örtlich zuständig, gemäß § 23 Nr. 1 GVG i.V.m. §§ 1, 32 ZPO, § 20 StVG.
II.
3
Die Klage ist teilweise begründet.
4
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 208,30 € sowie auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,15 €, gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, §§ 1, 3 S. 1 PflVG i.V.m. §§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB.
a) Haftung dem Grunde nach:
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Die volle Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherung des Schädigers dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat unstreitig bereits überwiegend reguliert.
b) Haftung der Höhe nach:
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Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 ff. BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Der Schätzung der Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten nach § 287 Abs. 1 ZPO müssen tragfähige Anknüpfungspunkte zu Grunde liegen. Sie darf nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (vgl. BGH, Urteil vom 22.7.2014 - VI ZR 357/13).
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Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vgl. BGH, VersR 2005, 558 [559]). Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, vgl. BGHZ, 61, 346 [348]; NJOZ 2014, 979; NJW 2016, 3363 [3364]).
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Denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, so ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. Senat, NJW 2007, 1450 Rn. 17; NJW 2014, 1947 Rn. 7, BGH, Urteil vom 19.7.2016 - VI ZR 491/15).
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Die Erholung eines Sachverständigengutachtens ist grundsätzlich zweckmäßig, denn sie dient der Ermittlung des Schadensumfangs. Die Kosten hierfür hat der Ersatzpflichtige als Sachfolgeschaden grundsätzlich zu tragen. Erst durch das Gutachten wird der Geschädigte in die Lage versetzt, festzustellen, wie hoch sein erstattungsfähiger Schaden ist, um diesen gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer geltend machen zu können.
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Die Geschädigte hat den Rechnungsbetrag des Sachverständigen gemäß der Rechnung vom 20.12.2021 sowie Ergänzung der Fremdkostenrechnung (vgl. Anlage K2, K6) an den Sachverständigen, was dieser mit E-Mail bestätigt hat (vgl. Anlage K7), weshalb eine Indizwirkung zugunsten der Klägerin besteht.
Restliche Sachverständigenkosten:
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Die folgenden von der Beklagten gemäß dem Prüfbericht vom 21.02.2022 (vgl. Anlage B1) gekürzten Positionen der Sachverständigenkosten „Fotokosten“ in Höhe von 10,00 € netto, „Fotokopien“ in Höhe von 24,00 € netto, „Restwertermittlung“ in Höhe von 24,00 € netto, „Fremdrechnung“ in Höhe von 75 € netto, „Schreibkosten“ in Höhe von 27,00 € netto, „Druck/Kopie s/w“ in Höhe von 9,50 € netto und „Überlassung als PDF“ in Höhe von 0,30 € netto und „anteilige Umsatzsteuer“ in Höhe von 32,45 € sind demnach entgegen der Ansicht der Beklagten in voller Höhe zu erstatten. Überdies ist es für den Laien weder erkennbar, dass sämtliche Positionen nicht gerechtfertigt sein könnten, noch, dass sie überhöht wären.
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Daher ergibt sich bzgl. der restlichen Sachverständigenkosten noch ein zu erstattender Betrag in Höhe von 203,25 € brutto.
Auslagenpauschale:
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Die Auslagenpauschale wird vom Gericht in ständiger eigener Rechtsprechung auf 30,00 € geschätzt, gemäß § 287 ZPO.
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Daher hat die Klägerin noch einen weiteren Anspruch in Höhe von 5,00 €.
Verbringungskosten nach D.:
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Die Verbringungskosten nach D. in Höhe von 446,25 € (vgl. Anlage K3) sind nicht erstattungsfähig, denn es fehlt an der Erforderlichkeit der Kosten, gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.
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Abschleppkosten sind bei Reparatur grundsätzlich nur bis zur nächstgelegenen Fachwerkstatt, nicht aber bis zur Heimatwerkstatt, zu erstatten (vgl. OLG Köln NZV 1991, 429; r+s 1985, 264; AG Stade jurisPR-VerkR 14/2015 Anm. 2 = SVR 2015, 343; AG Steinfurt SP 2014, 309 mwN; Balke SVR 2015, 253; Nugel zfs 2014, 370).
17
Die Mehrkosten für ein Abschleppen zu einer weiter entfernt liegenden Werkstatt sind nur bei Vorliegen besonderer Umstände, d.h. wenn der Geschädigte einen vernünftigen Grund für das Abschleppen in eine weiter entfernte Werkstatt darlegt, und wenn sie der Höhe nach nicht allzu erheblich erstattungsfähig (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Wimber, 27. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 260-261b). Der Umstand, dass ein beschädigtes Fahrzeug in die „Werkstatt des Vertrauens“ geschafft wurde, obwohl eine andere Werkstatt näher war, reicht grundsätzlich nicht aus (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Wimber, 27. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 260-261 b).
18
Die Tatsache, dass die Klägerin ein erneutes Abschleppen in ihre „Heimatwerkstatt“ in die „Autowelt D.“ veranlasste, war nicht erforderlich.
19
Das klägerische Fahrzeug war nach dem Unfall vom Abschleppdienst R. auf dessen Hof abgeschleppt worden, nachdem um 19 Uhr keine der regionalen Werkstätten im Bereich des Unfallortes in B. mehr geöffnet hatten. Nach dem Abschleppen auf den Hof der Firma R. hätte dort die Begutachtung durch einen Sachverständigen erfolgen können, weswegen ein erneutes Abschleppen nach D. nicht erforderlich war.
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Zudem hätte die Klägerin erkennen können, dass sie sich gerade nicht schadensmindernd verhält i.S.d. § 254 Abs. 2 S. 2 BGB. Zum einen werden die Reisekosten, hier Fahrt vom Wohnort der Klägerin zur Werkstatt R. nach Augsburg, zur Abholung ihres Fahrzeugs nach ggf. durchgeführter Reparatur im Rahmen der Auslagenpauschale abgegolten. Zum anderen wären die Kosten bei einer etwaigen Nachbesserung durch die Firma R. ggf. von dieser zu tragen, da sich im Werkvertragsverhältnis geltend zu machen wären, und gerade nicht von der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Schädigers.
Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten:
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Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dem Anspruch des Geschädigten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger ist grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, welcher der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht. Unter Zugrundelegung eines berechtigten Gegenstandswertes von 13.949,30 € ergibt sich ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.134,55 €, welcher vorgerichtlich durch die Beklagte bereits in Höhe von 933,40 € reguliert wurde.
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Daher besteht noch ein weiterer Anspruch auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,15 €.
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2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Nebenforderungen, hier hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und zu 2) jeweils auf Verzugszinsen, gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.
III.
24
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.
IV.
25
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
V.
26
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.