Inhalt

AG Memmingen, Teilurteil v. 05.05.2022 – 11 C 190/21
Titel:

Unwirksamkeit einer Rechtswahlklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bezüglich Fluggastrechten

Normenketten:
Rom I-VO Art. 3 Abs. 5, Art 10 Abs. 1
RL 93/13/EWG Art. 3
Fluggastrechte-VO
Leitsatz:
Eine Rechtswahlklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist irreführend und vor allem intransparent, wenn sie zum Ausdruck  bringt, dass nur Übereinkommen und einschlägige Gesetze der Geltung irischen Rechts entgegenstehen könnten, diese Einschränkung des geltenden irischen Rechts aber unvollständig ist, denn auf europäischer Rechtsebene, zu der auch Irland gehört, gehen auch europäische Verordnungen dem nationalen Recht vor, wozu auch die Fluggastrechteverordnung zählt, die aber als vorrangiges Recht bei der Rechtswahlklausel gerade nicht genannt ist.  (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtswahl, Rom I-VO, Verbraucherverträge, allgemeine Geschäftsbedingungen, irisches Recht, Unwirksamkeit, Fluggastrechte-VO
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22955

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe gemäß Artikel 23 VO1008/2008/EG, als solche auszuweisende Steuern, Gebühren und sonstige Zuschläge bei den unten angeführten Buchungen angefallen sind:

Nr.

Name des Buchenden

Buchungsnummer

1.

V. Fr.

...

2.

An. B.

...

3.

An. B.

...

4.

An. B.

...

5.

To. Tr.

...

6.

U. Gu.

...

7.

I. R.

...

9.

Ph. Tr.

...

10.

L. Br.

...

11.

L. Br.

...

12.

L. Br.

...

14.

L. Br.

...

15.

Pa. Ba.

...

16.

Mi. La.

...

17.

Mo. Gi.

...

18.

Ma. Re.

...

19.

Do. Wa.

...

20.

Chr. Rz.

...

21.

Ar. La.

...

22.

So. Bo.

...

23.

Br. Hu.

...

24.

Do.Lu. Pa.

...

25.

Br. Hu.

...

26.

Ch. Sch.

...

27.

Ad. Wa.

...

28.

Ti. L.

...

29.

Th. Sch.

...

30.

Th. Sch.

...

33.

M. Ma. Ur.

...

34.

C. Ro.

...

35.

R. Lu.

...

36.

Jo. K.

...

37.

Ma. Bu.

...

38.

An. Ga.

...

39.

An. Ga.

...

40.

An. Nu.

...

41.

Vo. Dü.

...

42.

Vo. Dü.

...

43.

Vo. Dü.

...

44.

Vo. Dü.

...

45.

Vo. Dü.

...

46.

L. Ma. Br.

...

47.

L. Ma. Br.

...

48.

Th. Mi.

...

49.

V. Dü.

...

50.

An. N.

...

51.

An. N.

...

Im Übrigen wird die Klage auf Auskunftserteilung abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Dieses Teilurteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage um werkvertragliche Ansprüche der Klägerin aus abgetretenem Recht, im Zusammenhang mit von Zedenten der Klägerin vorgenommenen Flugbuchungen bei der Beklagten, wobei die Passagiere die Flüge jeweils nicht angetreten haben.
2
Die gemäß der nachfolgenden Aufstellung buchenden Personen, buchten unter der angegebenen Buchungsnummer bei der Beklagten für sich und etwaige Mitreisende die angegebenen Flüge. Dabei bezahlten sie die von der Beklagten in Rechnung (gemäß vorgelegter Anlagen) vorgelegten Summen der Tickets, die auch etwaige Steuern, Gebühren und sonstige Abgaben enthielten an die Beklagte. Die gebuchten und bezahlten Flüge wurden entweder von den Buchenden frühzeitig storniert, jedenfalls aber nicht angetreten. Auf den entsprechenden Flugbescheinigungen und Rechnungen der Beklagten sind diejenigen Anteile des Flugpreises, die auf Steuern, Gebühren und sonstige Ticketnebenkosten entfallen, nicht gesondert ausgewiesen.
3
Die genannten Buchenden traten etwaige Ansprüche im Zusammenhang mit der Stornierung oder dem jeweiligen Nichtantritt des Fluges verbundenen Ansprüche an die Klagepartei wirksam ab.
4
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie aus werkvertraglichen Gesichtspunkten zur Erstattung derjenigen Nebenkosten aus dem genannten Flugpreis berechtigt wäre, die die Beklagte im Falle des Transports der Zedenten an die entsprechenden einziehenden Stellen hätte entrichten müssen. In diesem Zusammenhang hätte die Beklagte aufgrund der Nichtdurchführung der gebuchten Flüge Aufwendungen erspart, die nach erfolgter Abtretung der Klagepartei zustehen würden.
5
Da die Beklagte die Höhe der Steuern, Gebühren und sonstigen Ticketnebenkosten in den Flugscheinen nicht gesondert ausweise, müsse die Klägerin vor Bezifferung des Anspruchs den entsprechenden Auskunftsanspruch im Wege der Stufenklage geltend machen.
6
Die Klägerin beantragt daher in der Auskunftsstufe:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe gemäß Artikel 23 VO1008/2008/EG, als solche auszuweisenden Steuern, Gebühren und sonstige Zuschläge bei den unten angeführten Buchungen angefallen sind:

Nr.

Name des Buchenden

Buchungsnummer

1.

V. Fr.

...

2.

An. B.

...

3.

An. B.

...

4.

An. B.

...

5.

To. Tr.

...

6.

U. Gu.

...

7.

I. Ra.

...

9.

Ph. Tr.

...

10.

L. Br.

...

11.

L. Br.

...

12.

L. Br.

...

14.

L. Br.

...

15.

Pa. Ba.

...

16.

Mi. L.

...

17.

Mo. Gi.

...

18.

Ma. R.

...

19.

Do. W.

...

20.

Ch. R.

...

21.

Ar. L.

...

22.

So. B.

...

23.

Br. Hu.

...

24.

Do. Pa.

Lu.

...

25.

Br. Hu.

...

26.

Ch. Sch.

...

27.

Ad. W.

...

28.

T. L.

...

29.

Th. Sch.

...

30.

Th. Sch.

...

33.

M. Ur.

Ma.

...

34.

Ca. Ro.

...

35.

Ra. L.

...

36.

J. K.

...

37.

Ma. Bu.

...

38.

An. Ga.

...

39.

An. Ga.

...

40.

An. N.

...

41.

Vo. Dü.

...

42.

Vo. Dü.

...

43.

Vo. Dü.

...

44.

Vo. Dü.

...

45.

Vo. D.

...

46.

L. Br.

Ma.

...

47.

L. Br.

Ma.

...

48.

Th. Mi.

...

49.

Vo. Dü.

....

50.

An. Nu.

...

51.

An. Nu.

...

7
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird in der Auskunftsstufe abgewiesen.
8
Die Beklagte ist der Auffassung, dass deutsches Recht nicht anwendbar sei, vielmehr aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen irisches Recht und der Klägerin schon aus diesem Grund, ein materieller Anspruch auf Erstattung nicht verbrauchter Steuern, Gebühren und sonstiger Ticketnebenkosten nicht zustehe.
9
Bei Buchung hätten die Zedenten der Klägerin gemäß Artikel 2.4.1 der allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten mit der Beklagten die Anwendung irischen Rechts vereinbart.
10
Die Rechtswahlklausel der Beklagten sei transparent und auch sonst wirksam. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Abtretung mangels Vorlage der Originalabtretungsurkunden nicht nachgewiesen oder wirksam sei, jedenfalls die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht habe.
11
Die Beklagte wendet ein, dass hinsichtlich des Zedenten L. B., gewerbliche Tätigkeit nahe liege. Die Beklagte bestreitet, dass der Zedent Bn. in Deutschland wohnhaft sei. Die Beklagte rügt daher auch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts. Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine Rückerstattung nicht verbrauchter Steuern und Gebühren voraussetze, dass die Beklage diese auch von den Zedenten erhalten habe. Vorliegend habe die Beklagte aber darauf verzichtet, den Ticketpreis unter Hinzurechnung von Steuern und Gebühren zu bilden.
12
Die Abtretung der Zedenten verstoße im Übrigen gegen die wirksam einbezogenen allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten unter Ziffer 15.4. Im Übrigen müsse die formularmäßig vereinbarte Verwaltungsgebühr in Höhe von 20,00 € von einem etwaigen Erstattungsanspruch der Zedenten abgezogen werden, da die Beklagte im Prozess mit dieser Verwaltungsgebühr jeweils die Aufrechnung erklärt hat.
13
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst zugehörender Anlagen Bezug genommen.
14
Ferner wird Bezug genommen auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung, die am 13.10.2021 mit Fortsetzung am 13.04.2022 und 03.08.2022 durchgeführt worden ist.

Entscheidungsgründe

15
Die Stufenklage ist in der ersten Stufe zulässig und überwiegend begründet.
16
1. Das AG Memmingen ist für die in der EU wohnhaften Zedenten zuständig.
17
1.1. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch steht als Hilfsanspruch neben dem das Rechtsverhältnis charakterisierenden Anspruch aus § 648 BGB (siehe unten), der einen vertraglichen Anspruch darstellt. Dass damit zugleich ein Anspruch nach § 812 BGB gegeben sein könnte, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
18
Die Beklagte hat sich auf eine abweichende Reglung in ihren AGB berufen. Zwischen den Parteien ist überwiegend unstreitig, dass die Kunden bzw. Fluggäste Verbraucher sind. Soweit die Beklagte die Verbrauchereigenschaft des Zedenten L. B. in Zweifel zieht, ist der entsprechende Sachvortrag erkennbar spekulativ und daher nicht erheblich. Gerade in Zeiten, in denen innerhalb Europas auch für nicht einmal zweistellige Euro-Beträge geflogen werden kann, kann aus einer bloßen Vielzahl von Buchungen nicht ohne Weiteres auf eine gewerbliche Tätigkeit geschlossen werden. Zu denken ist auch an Personen, die mehrere Reisen für einen Verein oder Freundeskreis buchen.
19
Damit ist bei Entstehen der Forderung eine Gerichtsstandsvereinbarung durch AGB nicht wirksam nicht getroffen. Eine solche lebt auch nach Abtretung an eine Nicht-Verbraucherin nicht auf. Die Forderung behält nach der Abtretung ihren Charakter.
20
1.2. Dagegen besteht mangels Anwendbarkeit der Rom - I - Verordnung für den Zedenten Bn. keine Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Dieser hat seinen Wohnsitz in der CH - D., also in der Schweiz. Dies ist auch an der 4-stelligen Postleitzahl erkennbar.
21
Die weiteren Voraussetzungen der §§ 254 und 260 ZPO sind unproblematisch gegeben.
22
2. Die Klage ist im tenorierten Umfang in der ersten Stufe auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf die begehrte Auskunftserteilung gemäß §§ 242, 398 BGB.
23
2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder dem Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und wenn der Verpflichtete unschwer in der Lage ist, die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen. (vgl. Bundesgerichtshof, Urteile vom 17.01.2002 und vom 01.08.2013).
24
Die Voraussetzungen dieses Auskunftsanspruchs liegen vor.
25
Die Klägerin bedarf zur Geltendmachung ihres Anspruchs der Auskunft der Beklagten, weil die Steuern und Gebühren entgegen Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 EG in den jeweiligen Buchungsbestätigungen der Beklagten nicht ausgewiesen sind und der Klägerin keine weiteren Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen, die benötigten Auskünfte zu erhalten. Die Beklagte konnte nicht schlüssig darlegen, dass die Klägerin die benötigten Informationen ohne weiteres sich selbst verschaffen kann.
26
Die Beklagte hingegen ist zur Auskunftserteilung ohne weiteres möglich, da ihr bekannt ist, welche Steuer und Gebühren sie an die jeweiligen Zahlungsempfänger zu entrichten hat. Darüber hinaus sind diese Beträge Grundlage der Kalkulation des Flugentgelts, das sie von den jeweiligen Fluggästen erhebt. Diese Beträge der abzuführenden Steuern und Gebühren sind in den Datenbanken abrufbar und können ohne weiteres beziffert werden. In der Auskunftserteilung liegt auch keine unzumutbare Offenlegung ihrer Kalkulation, da es sich bei den Steuern und Gebühren um Fremdgeld handelt, das zu behalten der Beklagte nicht berechtigt ist. Im Übrigen ist die Beklagte gemäß Art. 23 Abs. 1 Verordnung 1008/2008 EG gerade zur unaufgeforderten Offenlegung verpflichtet. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich, dass eine unzumutbare Belastung der Beklagten gerade nicht besteht.
27
2.2. Entgegen der Auffassung der Beklagten unterliegt das Rechtsverhältnis der Parteien deutschem Recht.
28
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die AGB der Beklagten wirksam einbezogen sind oder nicht. Selbst wenn von einer wirksamen Einbeziehung auszugehen ist, ist die Rechtswahlklausel in den ABG unwirksam. Damit gilt deutsches Recht auf die den Forderungen zugrundeliegenden Verträge.
29
Grundsätzlich beurteilt sich die Rechtswirksamkeit einer Rechtswahlabrede gemäß Art. 3 Abs. 5 i.V. m. Art. 10 Abs. 1 der Rom I - VO nach irischem Recht. Zum Kontrollmaßstab zählen aber auch die der Umsetzung der Klausel-Richtlinie dienenden Vorschriften, die ihrerseits richtlinienkonform auszulegen sind. Gemäß Art. 3 der RL 93/13 ist eine Vertragsklausel als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen Treue und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten des Vertragspartners verursacht. Hieraus folgert der europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 28.07.2016 (Az: C 191/15), dass eine Klausel im Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalles den Anforderungen von Treue und Glauben, der Ausgewogenheit und der Transparenz genügen muss und diese Beurteilung dem nationalen Gericht obliegt.
30
Gemäß diesen Kriterien ist die Rechtswahlklausel in den AGB der Beklagten irreführend und vor allem intransparent. Sie bringt zum Ausdruck, dass nur Übereinkommen und einschlägige Gesetze der Geltung irischen Rechts entgegenstehen könnten. Diese Einschränkung des geltenden irischen Rechts ist aber unvollständig, denn auf europäischer Rechtsebene, zu der auch Irland gehört, gehen auch europäische Verordnungen dem nationalen Recht vor. Für den Bereich der Personenluftbeförderung, auf die sich das Geschäftsfeld der Beklagten bezieht, spielt die Fluggastrechteverordnung (EG - VO 261/2004) eine überragende Rolle, die aber als vorrangiges Recht bei der Rechtswahlklausel gerade nicht genannt ist. Indem die Rechtswahlklausel nicht ansatzweise exakt bestimmt, welche übernationalen Regelungen der Anwendung irischen Recht vorgehen, wird die Klausel intransparent, weil der Anwendungsbereich des irischen Rechts nicht mehr in transparenter Weise festgelegt ist. Die Gültigkeit der europäischen Fluggastrechteverordnung als vorrangig anzuwendendes Recht wird von dem Verweis auf „Übereinkommen“ und „einschlägige Gesetze“ nicht erfasst. Das für den Flugverkehr maßgebliche Recht umfasst internationale Übereinkommen wie das Montrealer Übereinkommen. Das Rechtsverhältnis wird aber auch durch einschlägige Gesetze geregelt. Dass es darüber hinaus auch eine europäische Verordnung gibt, die das Rechtsverhältnis im Flugverkehr ganz wesentlich regelt, wird von den genannten Begriffen nicht erfasst.
31
An anderen Stellen der AGB findet die Fluggastrechteverordnung dadurch Erwähnung, dass von der „EU-Verordnung 261/2004“ gesprochen wird. (vgl. AGB 2.4.2,10.2,15.2.1 und 15.2.9). Diese Verordnung wird aber nicht unter der allgemeinen gebräuchlichen Bezeichnung Fluggastrechteverordnung erwähnt. Deshalb wird das Informationsbedürfnis des Vertragspartners auch nicht durch diese in anderen Bestimmungen der AGB genannte Regelung erfüllt. Es wird gerade umgekehrt der Eindruck erweckt, es gibt eine sogenannte Fluggastrechteverordnung nicht und diese geht auch nicht dem irischen Recht vor. Hieraus folgt die Irreführung, die zur Unwirksamkeit der Rechtswahlklausel führt (vgl. Staudinger, Juris Monats Zeitschrift 219, Seite 134 ff., Amtsgericht Brühl Urteil vom 11.11.2019, Urteil Landgericht Berlin vom 10.09.2020, Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 03.07.2020, Urteil des Landgerichts Frankfurt, Az. 24 O 100/19).
32
Das erkennende Gericht schließt sich dieser Auffassung an.
33
2.3. Die Klägerin ist aktiv legitimiert. Die einzelnen Fluggäste haben ihre Ansprüche auf Rückzahlung des Flugentgelts im Bezug auf Steuern und Gebühren wirksam an die Klägerin abgetreten. Die jeweiligen Abtretungserklärungen wurden eingereicht. Sie sind von Seiten der Beklagten inhaltlich nicht in Weise beanstandet worden, die ohne Verstoß gegen das Verbot des Ausforschungsbeweises den Eintritt in die Beweisaufnahme erlauben würde. Vielmehr liegen in allen Fällen (nunmehr) die entsprechenden Buchungsbestätigungen und Abtretungsurkunden in Kopie vor. Der Einwand der Fälschung ist nicht erhoben.
34
Der Anspruch auf Rückerstattung nicht verbrauchter Steuern und Gebühren steht im Übrigen demjenigen zu, der die entsprechenden Flugkosten - möglicherweise auch für andere Mitreisende - bezahlt hat. Daher ist es unbedenklich wennbeispielhaft am Fall 44 (Buchungsnummer ...) nur ein Mitglied der Reisegruppe den Abtretungsvertrag mit der Klägerin schließt.
35
2.3. Die Abtretungen sind nicht nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das RDG unwirksam. Die Geltendmachung von durch Abtretung entstandenen eigenen Forderungen auf eigenes wirtschaftliches Risiko ist keine Rechtsdienstleistung (§ 2RDG).
36
2.4. Die Abtretungen sind auch wirksam. Das in den AGB der Beklagten enthaltene Abtretungsverbot ist nicht wirksam, da es gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB verstößt. In dem Abtretungsverbot liegt vorliegend eine unangemessene Benachteiligung der Fluggäste. Zwar ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Ausschluss der Abtretung in allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich als wirksam angesehen worden, wenn er die Hauptleistungspflichten des Verwenders betrifft. Eine solche Klausel ist jedoch dann unwirksam, wenn ein schützenswertes Interesse des Verwenders an einem Abtretungsausschluss nicht besteht oder die Berechtigten Belange des Kunden an der Abtretbarkeit der vertraglichen Forderung das entgegenstehende Interesse des Verwenders überwiegt.
37
Für das Abwägen dieser einander gegenüberstehenden Interessen ist ein generalisierender Prüfungsmaßstab und eine typisierende Betrachtung zugrunde zu legen. Auf die Umstände des Einzelfalls kommt es nicht an. Vorliegend ist ein solch schützenswertes Interesse der Beklagten nicht zu erkennen. Die Bearbeitung von Anfragen von spezialisierten Rechtsdienstleistern und Forderungsaufkäufern führt nicht erkennbar zu einem höheren Aufwand als die Bearbeitung von Anfragen der einzelnen Fluggäste selbst. Es ist eher umgekehrt zu beachten, dass professionalisierte Forderungsaufkäufer eine Vielzahl von Forderungen in gleichförmiger Weise bearbeiten und dadurch der Aufwand für die Beklagte sinkt. Außerdem liegt es im Interesse der Fluggäste, wenn die Durchsetzung ihrer Ansprüche einen spezialisierten Dienstleister überlassen werden kann, weil die Geltendmachung der Einzelansprüche für den einzelnen Fluggast eine mühevolle Auseinandersetzung mit der Beklagten bedeutet.
38
2.5. Auch die in den AGB der Beklagten enthaltene Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Rückzahlungsansprüche ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. Ein schützenswertes Interesse der Beklagten eine derartig kurze Ausschlussfrist zu vereinbaren, damit eine Rückforderung schon deutlich vor dem Eintreten der gesetzlichen Verjährungsfrist ausgeschlossen ist, ist vorliegend nicht zu erkennen. Darüber hinaus ist die Klausel auch intransparent, da sie den Vertragspartner über den Fristbeginn im Unklaren lässt.
39
2.6. Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht der Fluggäste dem Grunde noch ein Anspruch auf Rückzahlung der Steuern und Gebühren aus § 648 BGB zu. In dem Nichtantritt der jeweiligen Flüge ist eine Kündigung des zugrundeliegenden Beförderungsvertrages zu sehen. Der Beförderer behält zwar seinen Anspruch auf das Flugentgelt, muss jedoch das sich anrechnen lassen, was er durch die Nichtausführung des Fluges erspart hat. Dies betrifft jedenfalls die auf den Fluggast entfallenen Steuern und Gebühren, da diese nur dann anfallen, wenn der Fluggast den Flug tatsächlich antritt. Über diesen Anspruch bzw. dessen Höhe ist derzeit nicht zu entscheiden. Da dieser Anspruch aber besteht, ist das Rechtsschutzinteresse für den Auskunftsanspruch gegeben.
40
2.7. Ob die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Bearbeitungsgebühr hat, ist derzeit nicht zu entscheiden, weil eine Aufrechnung dieses möglichen Anspruchs gegen den Auskunftsanspruch nicht in Betracht kommt. Dass ein möglicher Aufrechnungsanspruch in jedem Fall den Anteil der Steuern und Gebühren übersteigt und damit der Klage auf Auskunftserteilung das Rechtsschutzbedürfnis wegen des fehlenden Zahlungsanspruchs fehlen könnte, ist nicht erkennbar und nicht vorgetragen.
41
2.8. Ob der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 410 BGB zusteht, ist umstritten, kann derzeit aber offen bleiben, weil derzeit nicht über die Zahlung zu entscheiden ist und die Klägerin die Vorlage der Abtretungsurkunden vor der Entscheidung der dritten Stufe vorlegen kann. Im übrigen stellt sich die Frage, ob der Beklagten das Leistungsverweigerungsrecht auch dann zusteht, wenn die Abtretungen als solche nicht bestritten sind, sondern nur deren Rechtswirksamkeit (§ 242 BGB).
42
2.9. Das Gericht hat den Einwand der Beklagten geprüft, wonach Buchungen einzelner Zedenten wirr und nicht nachvollziehbar seien. Hierbei bezieht sich die Beklagte exemplarisch auf den Zedenten L. B. Der Einwand verfängt aber nicht, da die Angaben des Fluggastes die Beklagte weder daran gehindert hat, eine Reisebestätigung auszustellen, noch den entrichteten Flugpreis entgegenzunehmen. Im Übrigen ist die Anschrift „Am N. XX in F.“ existent, was eine Internetrecherche ergibt.
43
3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Schlussurteil vorbehalten; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.