Titel:
Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung für ein Rückgebäude mit Dachausbau
Normenketten:
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 3, Abs. 6 S. 1 Nr. 3, Art. 63 Abs. 1 S. 1
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 22
Leitsätze:
1. Wenn die Eigenart der näheren Umgebung ein städtebauliches Ordnungssystem aufweist, wonach die Bebauung nicht nur an den seitlichen, sondern auch an den rückwärtigen Grundstücksgrenzen zulässig ist, ist bauplanungsrechtlich ein dreiseitiger Grenzanbau zulässig. (Rn. 38 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 6 Abs. 6 S. 1 Nr. 3 BayBO gilt nur in Bezug auf die seitlichen Grundstücksgrenzen, an die das jeweilige Gebäude grenzständig angebaut ist. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Lage der betroffenen Grundstücke in einem seit langer Zeit dicht bebauten großstädtischen Innenstadtquartier, in dem allenfalls wenige Gebäude die nach heutigen Maßstäben erforderlichen Abstände zu den jeweiligen Grundstückgrenzen einhalten, vermittelt eine besondere Atypik, die eine Abweichung von der Einhaltung der Regelabstandsflächen gegenüber Nachbarn rechtfertigt. In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation überdies dann anzunehmen, wenn jede bauliche Veränderung entsprechend der vorgegebenen baulichen Situation geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage gegen Baugenehmigung, Gebot der Rücksichtnahme (Verletzung verneint), Abweichung, Baugenehmigung, Rückgebäude, Hinterhof, Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche, Gebot der Rücksichtnahme, Dachausbau, Atypik
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22948
Tenor
I. Die Verfahren M 8 K 21.1030 und M 8 K 21.3567 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Klagen werden abgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung (M 8 K 21.1030) und Tekturgenehmigung (M 8 K 21.3567) zum Dachausbau eines Gebäudes mit Einbau neuer Balkone und Veränderung der Fassade sowie der Errichtung eines Hofgebäudes.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des E. … Platz 2, Fl.Nr. …, Gem. … … (im Folgenden: Nachbargrundstück), welches gegenwärtig mit einem beidseitig grenzständigen, vier- (entlang der … straße) bzw. fünfgeschossigen (am … Platz), denkmalgeschützten Wohngebäude sowie im rückwärtigen Bereich mit einem Nebengebäude bebaut ist.
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Das Baugrundstück, … straße 34, Fl.Nr. …, Gem. … …, grenzt im Nordwesten an das Nachbargrundstück. Es ist gegenwärtig mit einem beidseitig grenzständigen, viergeschossigen, ebenfalls denkmalgeschützten Wohngebäude bebaut. Im rückwärtigen Bereich befindet sich ein Nebengebäude.
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Baugrundstück und Nachbargrundstück liegen im Quartier … straße, … Platz, … Straße, … Platz und … straße, für das durch einfachen, übergeleiteten Baulinienplan eine vordere Baulinie festgesetzt ist.
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Vgl. zur Lage der Grundstücke und ihrer Bebauung anliegenden Lageplan im Maßstab 1 : 1000, der eine Darstellung des Vorhabens enthält (nach dem Einscannen möglicherweise nicht mehr maßstabsgerecht):
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Mit Bauantrag vom 12. Mai 2020 (Eingangsdatum bei der Beklagten) nach PlanNrn. … und … beantragte die Beigeladene die bauaufsichtliche Erlaubnis zum „Dachausbau eines denkmalgeschützten Gebäudes mit Abbruch und Errichtung neuer Balkone, Gauben und einer Loggia im Dachgeschoss und Veränderung der Fassade im Erdgeschoss“ sowie zum „Abbruch eines Schuppengebäudes und der Errichtung eines Hofgebäudes“. Vorgesehen war unter anderem die Anbringung von insgesamt drei übereinander angeordneten Balkonen (1. OG - 3. OG) mit einer Tiefe von jeweils 1,40 m an der hofseitigen Fassade des Bestandsgebäudes, ca. 60 cm abgerückt von der Grenze zum Nachbargrundstück. Weiterhin ist über der Balkonanlage die Errichtung einer Gaube mit einer Oberkante von 17,22 m und einer Ansichtsfläche von ca. 4,8 m² (abgegriffen) geplant. Das vorgesehene Hofgebäude (E+I+D), welches ein Flachdach aufweist, verfügt über eine Grundfläche von in etwa 3,82 × 4,48 m, sowie eine Wandhöhe von 8,35 m. Dessen östliche Außenwand (Länge 4,26 m) soll als Brandwand ausgebildet und grenzständig zum Nachbargrundstück hin, angrenzend an den Schuppen in dessen rückwärtigem Bereich, errichtet werden. Der Bauantrag enthielt unter anderem einen Antrag auf Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zum Nachbargrundstück.
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Mit Baugenehmigung vom 20. Januar 2021, der Klägerin zugestellt am 22. Januar 2021, genehmigte die Beklagte den Bauantrag im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren unter Auflagen und erteilte u.a. wegen der Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück eine Abweichung (Abweichung Nr. 2). Laut dem genehmigten Abstandsflächenplan fallen die seitlichen Abstandsflächen der Balkonanlage auf das Nachbargrundstück, ebenso die hofseitigen. Die durch die Gaube zusätzlich ausgelösten Abstandsflächen fallen nicht auf das Nachbargrundstück, sondern kommen erst auf der weiter südlich gelegenen Fl.Nr. … zu liegen. Die erteilte Abweichung wurden im Wesentlichen damit begründet, dass durch die südöstliche Balkonanlage und die Gaube hofseitig Abstandsflächen ausgelöst würden. Diese fielen auf die unbebaute Hoffläche des Nachbarn. Durch das Abrücken der Balkone fielen auch seitliche Abstandsflächen an. Aufgrund des geplanten Sichtschutzes und des Abrückens sei sowohl ein ausreichender Sozialabstand als auch das Rücksichtnahmegebot gewahrt. Im dicht bebauten innerstädtischen Bereich sei jede bauliche Veränderung geeignet, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen. Um eine zeitgemäßen Wohnbedürfnissen entsprechende Aufwertung der Bausubstanz zu ermöglichen, seien Ausnahmen vom Abstandsflächenrecht zuzulassen. Der Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften werde durch die erteilte Abweichung nicht beeinträchtigt.
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Mit weiterem Bescheid vom 27. Mai 2021 erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine Tekturgenehmigung nach PlanNr. … Gegenstand der Tektur war im Wesentlichen die Veränderung der Fassade - Fensterelemente - im Erdgeschoss (Straßenseite). Die Tekturgenehmigung enthielt folgende Auflage: „Die Auflagen, Bedingungen, Befreiungen, Abweichungen und Ausnahmen des Genehmigungsbescheids vom 20. Januar 2021 gelten weiter.“
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Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage gegen die Baugenehmigung vom 20. Januar 2021 zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben. Sie beantragt im Verfahren M 8 K 21.1030,
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die Baugenehmigung der Beklagten vom 20.1.2021, Az. … aufzuheben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Baugenehmigung verletze die Klägerin in drittschützenden Rechten. Nunmehr könne im sonst nur mit Nebengebäuden eingeschossig bebauten Bereich ohne Einhaltung von Abstandsflächen ein turmartiges, dreigeschossiges Wohngebäude errichtet werden. Dieses müsse aber eigentlich die vollen Abstandsflächen einhalten und habe in dem nur winzigen Innenhof der Klägerin eine extrem erdrückende Wirkung. Aufgrund der besonderen Grundstückssituation sei selbst bei vorherrschender geschlossener Bauweise ein Grenzanbau nach dem Rücksichtnahmegebot wegen der vorherrschenden besonderen Enge nicht zulässig. Die geschlossene Bauweise erlaube ferner nur den seitlichen Anbau an die Nachbargrenzen. Vorliegend solle das Rückgebäude aber dreiseitig ohne Abstandsflächen an die jeweilige Grundstücksgrenze gebaut werden. Zur rückwärtigen Grundstücksgrenze seien aber auch bei geschlossener Bauweise immer die geltenden Abstandsflächen einzuhalten. Durch die mehrfache Nichteinhaltung der Abstandsflächen vor und seitlich der Balkone würde die Klägerin ferner in eigenen Rechten verletzt, zumal diese nur 0,6 m von der Grenze abrücken würden. Eine Abweichung hätte nicht erteilt werden dürfen. Es sei die Neuerrichtung des Dachstuhls und des Daches sowie der Einbau von Gauben beantragt und genehmigt worden. Eine Verletzung der Abstandsflächen liege aufgrund der Hofsituation auf der Hand. Eine Abweichung sei für die Gaube, aber nicht für das Dach selbst erteilt worden. Auch bei der Erteilung der Abweichung für die Dachgaube seien die nachbarlichen Belange nicht ausreichend gewürdigt worden. Die Baugenehmigung sei überdies aufgrund fehlender Angaben in den Plänen unbestimmt.
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Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten ferner Klage gegen die Tekturgenehmigung vom 27. Mai 2021 zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben. Sie beantragt im Verfahren M 8 K 21.3567,
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die Baugenehmigung (Änderungsgenehmigung) der Beklagten vom 27.5.2021, Az. … aufzuheben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass auch die Änderungsgenehmigung nicht zum Entfall der Rechtsverletzungen der Klägerin durch die Baugenehmigung vom 21. Januar 2021 führe und auf die Klagebegründung im Verfahren M 8 K 21.1030 Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt in beiden Verfahren
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Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots sei nicht gegeben, ebenso wenig eine Verletzung abstandsflächenrechtlicher Vorschriften. Die betroffenen Grundstücke lägen im dicht bebauten innerstädtischen Bereich. Geschlossene Bebauung sei auch in den hinteren Grundstücksbereichen vorhanden. Die Abweichung sei unter Berücksichtigung der nachbarlichen Interessen rechtmäßig erteilt worden. Bezüglich des Rückgebäudes sei eine Abweichung zudem nicht erforderlich, da ein Anbau an die seitlichen und rückwärtigen Grenzen hier planungsrechtlich zulässig sei.
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Mit Zwischenurteil vom 8. November 2021 hat das Gericht festgestellt, dass die Klage im Verfahren M 8 K 21.1030 im Hinblick auf die Klagefrist zulässig ist. Auf die den Beteiligten bekannte Entscheidung und ihre Begründung wird verwiesen.
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Das Gericht hat am 11. Juli 2022 Beweis durch Augenscheinseinnahme erhoben. Auf das Protokoll dieses Augenscheins wird ebenso Bezug genommen wie auf die Niederschrift der am selben Tag durchgeführten mündlichen Verhandlung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die beiden anhängigen Verfahren konnten gemäß § 93 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden, da die Streitgegenstände - Bau- bzw. Grundgenehmigung und Tekturgenehmigung - im Zusammenhang stehen (vgl. zu den Voraussetzungen des § 93 VwGO: Wöckel in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 93 Rn. 2).
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II. Die zulässigen Klagen haben in der Sache keinen Erfolg. Die Baugenehmigung vom 20. Januar 2021 (M 8 K 21.1030) und die Baugenehmigung in Gestalt der Tekturgenehmigung vom 27. Mai 2021 (M 8 K 21.3567) verletzen keine nachbarschützenden Vorschriften, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind und auf die sich die Klägerin berufen kann, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 59 BayBO. Das gilt sowohl hinsichtlich des Rückgebäudes (3.) als auch in Bezug auf die An- und Ausbauten beim Vordergebäude (4.).
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1. Die Klagen sind zulässig. Hinsichtlich der Einhaltung der Klagefrist (§ 74 VwGO) im Verfahren M 8 K 21.1030 wird auf das Zwischenurteil vom 8. November 2021 verwiesen.
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Sowohl Bau-, als auch Tekturgenehmigung können vorliegend für sich gesehen jeweils Gegenstand der Nachbarklage sein (§ 42 VwGO). Da für ein Grundstück mehrere Baugenehmigungen für verschiedenartige Bauvorhaben gleichzeitig oder nacheinander erteilt werden können, hat grundsätzlich der Bauherr die Wahl, ob er nach der Grund-, Tektur- oder Änderungsgenehmigung bauen will (Decker in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Januar 2022, Art. 68 Rn. 83). Nach dem hier erkennbaren, allein maßgeblichen Willen der Bauherrin stehen die Baugenehmigung vom 20. Januar 2021 (PlanNrn. … und...) und die Baugenehmigung in Gestalt der Tekturgenehmigung vom 27. Mai 2021 (PlanNr....) nebeneinander, insbesondere findet sich auf der Baugenehmigung vom 20. Januar 2021 kein gegenteiliger Vermerk (etwa „überholt durch Tektur vom …“).
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2. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20, 22). Für den Erfolg eines Nachbarrechtsbehelfs genügt es daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren auch keine umfassende Rechtskontrolle statt, vielmehr hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch vermitteln, verletzt werden. Die Baugenehmigung muss dabei gegen eine im Baugenehmigungsverfahren - hier das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO - zu prüfende Vorschrift verstoßen. Auf Bauordnungsrecht beruhende Nachbarrechte können durch eine Baugenehmigung nur dann verletzt werden, wenn diese bauordnungsrechtlichen Vorschriften im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.
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3. Durch die Erteilung der Baugenehmigung für das streitgegenständliche Rückgebäude wird die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
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3.1. Das Rückgebäude verstößt nicht gegen (zumindest auch) dem Nachbarschutz dienende Vorschriften des Bauordnungsrechts, welche im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, insbesondere nicht gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts, Art. 59 Satz 1 Nr. 1b) BayBO i.V.m. Art. 6 BayBO. Das Rückgebäude darf entsprechend Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ohne Abstandsfläche an der Grundstücksgrenze errichtet werden. Insoweit greift der Vorrang des Planungsrechts.
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Da sich das Vorhaben hier nach den Vorgaben des Planungsrechts ohne weiteres in die maßgebliche Umgebung einfügt, kann offenbleiben, ob sich der Nachbar im Rahmen der Prüfung von Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO im Ergebnis darauf verweisen lassen muss, dass durch die bauplanungsrechtlich privilegierte Grenzwand keine drittschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts verletzt werden (wohl in diesem Sinn: Kraus in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 145. EL Januar 2022, Art. 6 Rn. 71) oder ob seine Rechte auch dann verletzt sind, wenn an der Grenze eine Außenwand errichtet wird, die aus anderen, grundsätzlich nicht nachbarrelevanten Gründen dem Einfügungsgebot des § 34 BauGB widerspricht (vgl. zum Streitstand: VG München, B.v. 2.4.2013 - M 8 SN 12.4288 - juris Rn. 58 ff).
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3.1.1. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen freizuhalten, die auf dem Grundstück selbst liegen müssen. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist eine Abstandsfläche jedoch nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Der gesetzlich eingeräumte Vorrang des Städtebaurechts vor dem Abstandsflächenrecht gilt nicht nur für Festsetzungen in Bebauungsplänen, sondern auch dort, wo sich die planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben nach § 34 BauGB richtet (Kraus in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Januar 2022, Art. 6 Rn. 47).
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Wann nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder darf, bestimmt sich vorliegend im Hinblick auf das übergeleitete Bauliniengefüge (§ 173 Abs. 3 BBauG 1960, § 233 Abs. 3 BauGB) nach § 30 Abs. 3 BauGB und im Übrigen nach § 34 BauGB, da das Vorhaben im insoweit unbeplanten Innenbereich liegt.
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Die festgesetzte Baulinie erschöpft sich vorliegend allerdings im Wesentlichen in der Regelung, dass die straßenseitigen Gebäude auf ihr gebaut werden müssen. Sie besagt nichts über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Rückgebäuden (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 12.1.1968 - IV C 167.65 - juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 4.9.1984 - 2 CS 84 A.1559 - BayVBl 1984, 726; VG München, U.v. 13.5.2013 - M 8 K 12.2534 - juris Rn. 82 ff.). Auch die Frage nach der überbaubaren Grundstücksfläche beurteilt sich daher insoweit ergänzend nach den Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB.
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3.1.2. Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der BauNVO bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der BauNVO ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1, BauGB, im Übrigen ist § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden, § 34 Abs. 2 BauGB.
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Ein Vorhaben fügt sich dabei nach § 34 Abs. 1 BauGB im Allgemeinen ein, wenn es sich innerhalb des Rahmens hält, der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird. Ausnahmsweise kann auch ein den Rahmen überschreitendes Vorhaben zulässig sein, wenn es trotz der Überschreitung keine bodenrechtlich beachtlichen, städtebaulichen Spannungen hervorruft (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 - IV C 9.77 - BVerwGE 55, 369/386 f.). Maßstabsbildend im Sinne des § 34 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG, B.v. 22.09.2016 - 4 B 23.16 - juris Rn. 6). Wie weit diese wechselseitige Prägung reicht, ist eine Frage des Einzelfalls (BVerwG, B.v. 28.8.2003 - 4 B 74.03 - juris Rn. 2). Die „nähere Umgebung“ ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann (BVerwG, B.v. 13.5.2014 - 4 B 38.13 - juris Rn. 79). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (BVerwG, B.v. 28.8.2003 - 4 B 74.03 - juris Rn. 2).
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Das hier gegebene, dreiecksförmig zugeschnittene, dicht bebaute Quartier - … straße, … Platz, … Straße, … Platz und … straße - zeichnet sich nicht nur durch massive Blockrandbebauung aus, sondern insbesondere auch durch das Quartier jeweils in etwa von Nord nach Süd durchziehende, zum Teil riegelartige Bebauung.
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Die nähere Umgebung, welche das Baugrundstück prägt und von diesem geprägt wird, bildet vorliegend die Blockrandbebauung entlang der … straße im Nord-Osten, entlang des … Platzes im Süd-Osten und entlang der … Straße im Süden. Begrenzt wird die für das Vorhaben (Rückgebäude) maßgebliche Umgebung im Westen durch die das Quartier durchschneidenden Gebäuderiegel auf den Fl.Nrn. … und … (* … straße 30 und … Straße 27). Zwischen den vorgenannten Gebäuden und dem Baugrundstück besteht eine wechselseitige Sichtbeziehung aus beinahe allen Perspektiven, ferner ist eine im Wesentlichen homogene städtebauliche Struktur erkennbar.
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Der von der Klägerin vorgenommenen Eingrenzung der maßgeblichen näheren Umgebung ausschließlich auf den mit Nebengebäuden ohne Aufenthaltsräume bebauten Innenhof - ohne Berücksichtigung der diesen Innenhof umgebenden Bebauung - kann dagegen nicht gefolgt werden. Der gewählte Ausschnitt ist für sich genommen zu klein und verfügt über keinen eigenen städtebaulichen Aussagewert. Vielmehr werden die in der maßgeblichen Umgebung vorhandenen, zum Teil mit Nebengebäuden bebauten Freiflächen durch die sie umstehenden Hauptgebäude geprägt. Die größere Nähe benachbarter Grundstücke geht regelmäßig mit einer stärker prägenden Wirkung einher (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 - 4 C 9/77 - NJW 1978, 2564). Die vorhandenen Hauptgebäude bilden innerhalb der dichten Bebauung - ohne ein klar erkennbares städtebauliches Gefüge - mehr oder weniger zufällig die zur wechselseitigen Belichtung erforderliche Innenhöfe aus. Diese Innenhöfe werden ihrerseits zwar zusätzlich zum Teil für das Unterbringen von Nebengebäuden genutzt. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass eine Bebauung der vorhandenen Innenhofflächen mit Hauptgebäuden grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Eine eindeutige städtebauliche Struktur, wonach nur bestimmte Flächen innerhalb der maßgeblichen Umgebung für die Bebauung mit Hauptgebäuden zur Verfügung stehen, während andere Flächen nicht bzw. nur mit Nebengebäuden bebaut werden können, ist nicht erkennbar. Vielmehr ist die Bebauung insoweit regellos.
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3.1.3. Das Vorhaben fügt sich in die Eigenart der maßgeblichen Umgebung ein.
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Das Vorhaben vermag sich - entgegen der Ansicht der Klägerin - in Bezug auf die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche einzufügen. Insbesondere ist es bauplanungsrechtlich vorliegend als dreiseitiger Grenzanbau zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung weist hier ein städtebauliches Ordnungssystem auf, wonach die Bebauung nicht nur an den seitlichen, sondern auch an den rückwärtigen Grundstücksgrenzen zulässig ist.
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Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO gilt in Bezug auf Außenwände eines Bauvorhabens unmittelbar an einer oder mehreren Grundstücksgrenzen (Schönfeld in: BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Spannowsky/Manssen, Stand: 1.5.2022, Art. 6 Rn. 44).
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In Bezug auf die von der Verkehrsfläche aus gesehen seitlichen Grundstücksgrenzen - hier der Grenzen zu den Grundstücken Fl.Nrn. … im Nordwesten und das Nachbargrundstück im Südosten - beurteilt sich die Zulässigkeit einer Grenzbebauung ausschließlich nach dem Kriterium der Bauweise (offene, geschlossene, atypische Bauweise, vgl. § 22 BauNVO). Die geschlossene Bauweise ist in der maßgeblichen Umgebung vorherrschend und zweifelsohne zulässig.
41
Aufgrund des hier vorgefundenen städtebaulichen Ordnungssystems ist auch der Anbau an die rückwärtige Grenze - zur Fl.Nr. … - bauplanungsrechtlich zulässig. An eine vordere oder rückwärtige Grundstücksgrenze muss oder darf gebaut werden, wenn eine atypische Bauweise (vgl. § 22 Abs. 4 Satz 2 BauNVO) dies vorsieht (VG München, B.v. 2.4.2013 - M 8 SN 12.4288 - juris Rn. 56). Unter Umständen kann sich die Zulässigkeit einer Grenzbebauung insoweit aber auch aus dem Kriterium der überbaubaren Grundstücksfläche ergeben.
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Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass bei geschlossener Bauweise grundsätzlich die geltenden Abstandsflächen zu rückwärtigen (und vorderen) Grundstücksgrenzen einzuhalten sind, da die sich definitionsgemäß auf die seitlichen Grenzabstände beziehende geschlossene Bauweise für die rückwärtige Grundstücksgrenze keine Aussage trifft (BayVGH, U.v. 2.8.2007 - 2 BV 06.497 - juris Rn. 11). Dies gilt jedoch nur dann und insoweit, als anhand der Eigenart der maßgeblichen Umgebung nicht auch der Anbau an die weiteren Grenzen zulässig ist. Dies ist in Bezug auf die rückwärtigen Baugrenzen dann der Fall, wenn die in der näheren Umgebung vorhandene rückwärtige Bebauung so ausgestaltet ist, dass - spiegelbildlich - auch auf den an die rückwärtige Grundstücksgrenze angrenzenden Grundstücken an diese Grundstücksgrenze kommun angebaut werden könnte oder müsste (BayVGH, U.v. 2.8.2007 - 2 BV 06.497 - juris Rn. 11). Hier ist die Umgebung auch von ebensolchen Bauten an die rückwärtige Grenze geprägt (vgl. Fl.Nr. …, …, … und...).
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Mit einer Bebauungstiefe von ca. 24 m (abgegriffen) fügt sich das Vorhaben auch insoweit ein. Aufgrund der dichten Bebauung, welche Bebauungstiefen bis zu ca. 40 m (* … straße 30) aufweist, ist davon auszugehen, dass grundsätzlich die gesamte maßgebliche Umgebung hinsichtlich dieses Merkmals für die Bebauung mit Hauptbaukörpern offensteht.
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Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (Wohnen) kann offenbleiben, ob die Eigenart der näheren Umgebung einer Gemengelage i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB oder einem der Baugebiete, die in der BauNVO bezeichnet sind - etwa einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet, §§ 3 und 4 BauNVO - entspricht. Ferner kann offenbleiben, ob sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB oder nach § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit der BauNVO richtet. Beim Augenschein konnte festgestellt werden, dass die in der maßgeblichen Umgebung vorgefundenen Gebäude weitestgehend wohngenutzt werden, sodass dem Vorhaben hinsichtlich des Einfügens der Art nach keinerlei Bedenken entgegenstehen.
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In Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung - das dreigeschossige Rückgebäude verfügt über eine Grundfläche von ca. 17 m² bei einer Höhe von 8,35 m (Baugenehmigung) bzw. 8,14 m (Tektur) - bestehen hinsichtlich des Einfügens ebenfalls keine Bedenken. In der maßgeblichen Umgebung finden sich Gebäude mit bis zu fünf Geschossen (etwa … Platz 2 und 3, H.str. 34, Rückgebäude), mit weitaus größeren Grundflächen und Höhen.
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3.1.4. Das Vorhaben (Rückgebäude) verstößt nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Eine erdrückende bzw. einmauernde Wirkung geht von ihm - auch bei Berücksichtigung der besonderen baulichen Situation auf dem Nachbargrundstück - ebenso wenig aus wie eine unzumutbare Verschattung oder nicht hinnehmbare Einsichtnahmemöglichkeiten.
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Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 4 C 1.04 - juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 - 4 C 8.11 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (BVerwG, B.v. 6.12.1996 - 4 B 215.96 - juris Rn. 9). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17).
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Dieses berücksichtigend wird der im Rahmen des Rücksichtnahmegebots notwendige Interessenausgleich zwischen hinzutretender und vorhandener Bebauung durch das Vorhaben gewahrt.
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Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots insbesondere dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens aufgrund seiner Höhe bzw. seines Volumens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ würde (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris Rn. 38; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 5.9.2016 - 15 CS 16.1536 - juris Rn. 28; B.v. 10.3.2018 - 15 CS 17.2523 - juris Rn. 27). In der vorgefundenen maßgeblichen Umgebung wirkt das dreigeschossige Vorhaben - insbesondere aufgrund seiner geringen Grundfläche und Höhe - jedoch weder erdrückend noch einmauernd. Für die Annahme einer „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes besteht grundsätzlich schon dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 - 15 CS 16.1536 - juris Rn. 30). Dieses berücksichtigend ist hinsichtlich des Rückgebäudes schon aufgrund der Höhenverhältnisse und der Stellung der Gebäude zueinander eine einmauernde oder erdrückende Wirkung ausgeschlossen. Das Wohngebäude der Klägerin ist vier- bis fünfgeschossig und überdies ca. 18 m (abgegriffen) entfernt.
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Eine unzumutbare Beeinträchtigung durch das Vorhaben ist auch bei Berücksichtigung der Hinterhofsituation des Nachbargrundstücks nicht auszumachen. Der schlauchartige und verwinkelte Hinterhof ist - davon konnte sich das Gericht bei der Einnahme des Augenscheins überzeugen - aufgrund seines Zuschnitts nur bedingt zu Aufenthalts- und Erholungszwecken geeignet und wird auch nicht so genutzt. Vielmehr ist er bereits gegenwärtig bis auf einen schmalen Grünstreifen beinahe vollständig gepflastert und dient vorrangig Lagerungszwecken, dem Abstellen von Fahrrädern und dem Unterbringen von Mülltonnen.
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Durch die an der Westseite des Hinterhofs an der Rückseite des vorhandenen Schuppens entstehende Brandwand mit einer Höhe von lediglich 8,35 m (Baugenehmigung) bzw. 8,14 m (Tektur) und einer Breite von nur 4,26 m wird keine unzumutbare Enge geschaffen. Der Innenhof ist vielmehr weiterhin nach Süden und Süd-Westen hin an der Längsseite offen. Auch die durch das Vorhaben zu erwartenden Auswirkungen auf die Belichtung sind nicht derart gravierend, dass man einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme annehmen müsste. Ein Verschattungseffekt als typische Folge der Bebauung ist insbesondere in innergemeindlichen bzw. innerstädtischen Lagen, bis zu einer im Einzelfall zu bestimmenden Unzumutbarkeitsgrenze in der Regel nicht rücksichtslos und daher hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 24; B.v. 20.3.2018 - 15 CS 17.2523 - juris Rn. 28 m.w.N.; OVG Bremen, B.v. 19.3.2015 - 1 B 19/15 - juris Rn. 19; SächsOVG, B.v. 4.8.2014 - 1 B 56/14 - juris Rn. 19). Dass diese Grenze vorliegend aufgrund einer besonderen Belastungswirkung im konkreten Fall überschritten sein könnte, ist nicht ersichtlich.
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Gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten sind im dicht bebauten innerstädtischen Bereich unvermeidlich (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 30) und daher regelmäßig hinzunehmen. Auch insoweit ist eine Sondersituation nicht erkennbar. Im Gegenteil sind unzumutbare Einsichtnahmemöglichkeiten hier aufgrund dessen, dass an der Grenze zum Nachbargrundstück eine Brandwand entsteht und an der Nordseite des Vorhabens, welche die einzige mit Fenstern versehene Seite darstellt, keine Balkone o.ä. vorgesehen sind, von denen aus eine direkte Einsichtnahme in das Nachbargrundstück möglich wäre, nicht ansatzweise zu besorgen.
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Es verbleibt bei dem Grundsatz, dass eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, regelmäßig als zumutbar hinzunehmen ist (BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 6).
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3.2. Das Vorhaben verstößt weder gegen das Gebot der Rücksichtnahme noch gegen weitere drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts, welche im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 a) BayBO i.V.m. §§ 29 ff. BauGB. Eine Verletzung eines etwaigen Gebietserhaltungsanspruchs (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211, BayVBl 2013, 51 - juris Rn. 27 m.w.N.) ist angesichts der in Rede stehenden Nutzungsart „Wohnen“ weder gerügt noch ersichtlich, insbesondere aufgrund der offensichtlich vorhandenen Prägung der Umgebung durch Wohnnutzung.
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4. Auch der Dachausbau (mit Errichtung einer Loggia), der Einbau einer Gaube und der Anbau von Balkonen beim Vordergebäude sowie die Umgestaltung der Fassade verletzen die Klägerin nicht in eigenen Rechten.
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4.1. Das Vorhaben verstößt auch insoweit nicht gegen drittschützende Normen des Bauplanungsrechts, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 a) BayBO i.V.m. §§ 29 ff. BauGB.
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Insbesondere ist auch hier kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ersichtlich. Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn eine angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (stRspr, BVerwG, U.v. 5.12. 2013 - 4 C 5.12, ZfBR 2014, 257, m.w.N.). Zur Bestimmung dessen, was dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, ist insbesondere die nähere Umgebung als (städte-)baulicher Rahmen, in den das Vorhaben- und Nachbargrundstück eingebettet sind, sowie die jeweilige besondere bauliche Situation der betroffenen Grundstücke in den Blick zu nehmen (VG München, U.v. 14.6.2021 - M 8 K 19.2266 - juris Rn. 41). Stößt eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht (BayVGH, B.v. 15.11.2010 - 2 ZB 09.2191 - juris Rn. 7). Die maßgebliche Umgebung ist unter anderem auch wesentlich geprägt durch zum Innenhof hin ausgerichtete Balkone bzw. Balkonanlagen (* … straße 32, … Straße 29). In diesem städtebaulichen Kontext ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme durch den Dachgeschossausbau und das Anbringen von weiteren Balkonen nicht erkennbar, zumal letztere filigran ausgestaltet sind und jeweils nur über eine geringe Größe (ca. 4 m2) verfügen. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des Abstands von nur 0,6 m der östlichen Balkonanlage zum Nachbargrundstück. Im dicht bebauten innerstädtischen Bereich ist gegenseitige Nähe von Befensterung und Balkonen gerade in den Innenhöfen die Regel und regelmäßig hinzunehmen. Besondere Umstände bzw. eine unzumutbare Belastung sind vorliegend nicht ersichtlich. Ferner gilt auch hier, dass gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten im dicht bebauten innerstädtischen Bereich regelmäßig hinzunehmen sind (s.o.), denn das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben (vgl. Sächs. OVG, B.v. 23.2.2010 - 1 B 581/09 - juris Rn. 5).
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4.2. Weder der Dachgeschossausbau noch das Anbringen der Balkone verstößt gegen (zumindest auch) dem Nachbarschutz dienende Vorschriften des Bauordnungsrechts, welche im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, insbesondere nicht gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts, Art. 59 Satz 1 Nr. 1b) BayBO i.V.m. Art. 6 BayBO.
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4.2.1. Die Bayerische Bauordnung wurde insbesondere hinsichtlich des Abstandsflächenrechts zum 1. Februar 2021 geändert. Bei der Anfechtung einer Baugenehmigung durch einen Nachbarn ist zwar grundsätzlich auf die Umstände zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung abzustellen. Änderungen zu Lasten des Bauherrn werden nicht berücksichtigt, selbst wenn sie während eines laufenden Rechtsbehelfsverfahrens eintreten. Hat sich dagegen - wie hier - die Sach- und Rechtslage zugunsten des Bauherrn geändert, ist materiell-rechtlich jedoch auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BayVGH, B.v. 18.1.2010 - 1 ZB 07.3187 - juris Rn. 12, m.w.N.), da es weder prozessökonomisch noch sinnvoll wäre, eine Baugenehmigung aufzuheben, die im Anschluss sofort wieder erteilt werden müsste.
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Nach dem seit 1. Februar 2021 anzuwendenden Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO bleiben bei der Bemessung der Abstandsflächen bei Gebäuden an der Grundstücksgrenze - wie hier - die Seitenwände von Vorbauten und Dachaufbauten, auch wenn sie nicht an der Grundstücksgrenze errichtet werden, außer Betracht (vgl. auch VG München, U.v. 28.3.2022 - M 8 K 20.3855 - juris Rn. 48). Dies gilt vorliegend sowohl für die süd-östlichen Seitenwände der östlichen Balkonanlage wie auch die entsprechende Seitenwand der Dachgaube. Da eine Abstandsfläche für diese Bauteile nicht mehr erforderlich ist, ist nicht entscheidungserheblich, ob die hierfür nach altem Recht erteilte Abweichung rechtmäßig war, da eine Rechtsverletzung der Klägerin insoweit ausscheidet.
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4.2.2. Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO gilt allerdings nur in Bezug auf die seitlichen Grundstücksgrenzen, an die das jeweilige Gebäude grenzständig angebaut ist (Schönfeld in: Spannowsky/Manssen, Bauordnungsrecht Bayern, Stand: 1.2.2022, Art. 6 Rn. 195; Kraus in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: September 2021, Art. 6 Rn. 432), hier also nicht für die hofseitige Außenwand. Die im Übrigen für die „Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zum Nachbargrundstück“ erteilte Abweichung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO ist jedoch nicht zu beanstanden.
62
Die erteilte Abweichung erfasst - entgegen der Ansicht der Klägerin - ihrem klaren, eindeutigen Wortlaut und dem objektivem Erklärungswert nach (§ 133 BGB analog) sämtliche durch das Vorhaben tatsächlich ausgelöste Abstandsflächen, welche das Nachbargrundstück betreffen (vgl. zur Auslegung des Inhalts von Verwaltungsakten: Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 71 ff.). Die zur Abweichung gegebene Begründung nimmt zwar (auch) Bezug auf Balkone und Gaube, dient insoweit jedoch ersichtlich nur der Erläuterung, dass und aus welchem Grund durch das Vorhaben Abstandsflächen ausgelöst werden. Eine Einschränkung des Umfangs der Abweichung ist damit nicht verbunden.
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Grundsätzlich sind nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Sie müssen auf dem Grundstück selbst liegen, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO.
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Zweifelsfrei vermag die Dachgaube, welche mit einer Ansichtsfläche von ca. 4,8 m² (abgegriffen) nach Art. 6 Abs. 5a Satz 5 BayBO abstandsflächenrelevant ist, bzw. die zugehörige Gebäudeaußenwand, bei einem Abstand von nur ca. 1,20 m (an der engsten Stelle) zur Grundstücksgrenze und einer Höhe von 14,59 m (Außenwand, das Dach bleibt mit einer Dachneigung von 45° außer Betracht, Art. 6 Abs. 5a Satz 3 BayBO) bzw. 17,22 m (Gaube, vgl. jeweils die genehmigten Baupläne) diese Vorgaben nicht einzuhalten. (Die Abstandsflächen der Balkonanlagen kommen mit einer Höhe von jeweils 11,79 m in der der Außenwand zu liegen, wobei die Abstandsfläche der westlichen Balkonanlage das Nachbargrundstück aufgrund des schrägen Grundstückszuschnitts nicht berührt.)
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Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde jedoch Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Da bei den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO dem Schutzzweck der Norm nicht auf andere Weise entsprochen werden kann, muss es im Einzelfall besondere Gründe geben, die es rechtfertigen, dass die Anforderung zwar berücksichtigt, ihrem Zweck aber nur unvollkommen entsprochen wird (vgl. grundsätzlich zu den Voraussetzungen einer Abweichung: BayVGH, B.v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16 ff; B.v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3; U.v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231 - juris Rn. 16; B.v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B.v. 2.12.2014 - 2 ZB 14.2077 - juris Rn. 3; B.v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 8 ff).
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Es kann offenbleiben, ob die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO nach Einfügung von Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO noch eine atypische Situation voraussetzt (Bayer. Landtag Drucksache 17/21474, zu Nr. 5 (Art. 6); vgl. zu den Voraussetzungen einer Atypik auch: BayVGH, B.v. 22.1.2020 - 15 ZB 18.2547 - juris, RdNr. 34 m.w.N.), denn eine solche liegt hier zweifelsohne vor.
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Die Lage der betroffenen Grundstücke in einem seit langer Zeit dicht bebauten großstädtischen Innenstadtquartier, in dem - wie hier - allenfalls wenige Gebäude die nach heutigen Maßstäben erforderlichen Abstände zu den jeweiligen Grundstückgrenzen einhalten, vermittelt eine besondere Atypik, die eine Abweichung von der Einhaltung der Regelabstandsflächen gegenüber Nachbarn rechtfertigt (BayVGH, B.v. 22.1.2020 - 15 ZB 18.2547 - juris, Rn. 36). In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation überdies dann anzunehmen, wenn jede bauliche Veränderung entsprechend der vorgegebenen baulichen Situation geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; VG München, B.v. 12.9.2017 - M 8 SN 17.3732, bestätigt durch BayVGH, B.v. 4.12.2017 - 2 CS 17.1969 - juris). Ferner begründen auch die hier gegebenen, außergewöhnlichen Grundstückszuschnitte mit den ungewöhnlich schräg verlaufenden Grenzen eine besondere Atypik. Die Bebaubarkeit des Baugrundstücks wäre unter Berücksichtigung von Abstandsflächenvorschriften in besonderem Maße erschwert bzw. weitestgehend unmöglich (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 19.3.2013 - 2 B 13.99 - BayVBl 2013, 729). Bei einem ideal geschnittenen Grundstück mit geradem Grenzverlauf kämen die Abstandsflächen vorliegend entsprechend Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO auf dem Baugrundstück selbst zu liegen.
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Gemessen am Schutzzweck der Abstandsvorschriften werden die schützenswerten Belange der Klägerin (im Wesentlichen Belichtung, Besonnung und Belüftung) durch die Inaussichtstellung der Abweichung nicht unzumutbar beeinträchtigt.
69
Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B.v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 17). Art. 6 BayBO bezweckt im nachbarlichen Verhältnis die Gewährleistung ausreichender Belichtung, Besonnung und Belüftung, nach umstrittener Ansicht auch den sozialen Wohnfrieden (vgl. zum Streitstand: BayVGH, U.v. 31.7.2020 - 15 B 19.832 - juris Rn. 33). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20).
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Dieses berücksichtigend werden die durch Art. 6 BayBO geschützten Belange der Klägerin durch die Erteilung der Abweichung nicht wesentlich berührt. Im Gegenteil ergibt sich für die Klägerin durch den Dachgeschossausbau (und das Anbringen der Balkone) hinsichtlich Belichtung, Besonnung und Belüftung keinerlei Veränderung gegenüber der Bestandssituation. Die durch die Errichtung der Dachgaube ausgelöste Abstandsflächenmehrung kommt nämlich nicht auf dem Nachbargrundstück, sondern aufgrund der ungewöhnlichen Grundstückszuschnitte erst auf dem übernächsten Grundstück Richtung Süden (Fl.Nr....) zu liegen. Selbst wenn man den „sozialen Wohnfrieden“ zu den Schutzgütern des Abstandsflächenrechts zählen wollte, ist eine wesentliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange nicht erkennbar. Die Möglichkeit, durch die neu geschaffenen Fenster im Dachbereich Einblicke in den klägerischen Innenhof zu nehmen, stellt im Hinblick auf die bereits vorhandenen Fenster - entgegen der Ansicht der Klägerin - keine spürbare Störung des „sozialen Wohnfriedens“ dar.
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Bei Berücksichtigung der Gesamtsituation ist auch ein die Belange der Klägerin überwiegendes Bauherreninteresse gegeben. Hierzu zählt nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch die Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum (BayVGH, B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 5), worunter insbesondere auch die Ausstattung von Bestandsgebäuden mit Dachgauben zur Verbesserung der Belichtungssituation zu rechnen ist. Der Nachbar hat überdies kein Recht darauf, dass eine Norm um ihrer selbst willen eingehalten wird; seine Belange sind zutreffend gewürdigt, wenn er - wie hier - nicht tatsächlich bzw. spürbar beeinträchtigt wird (vgl. Molodovsky/Famers/Waldmann in: Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand Oktober 2021, Art. 63 Rn. 39).
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Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat sich im Rahmen der Prüfung der Abweichung mit der Situation auch der betroffenen Nachbarn in zwar knapper, aber sachgerechter Weise unter Berücksichtigung des Zwecks des Abstandsflächenrechts auseinandergesetzt. Die nachbarlichen Belange wurden insbesondere angesichts der Lage der Grundstücke im dicht bebauten innerstädtischen Bereich zutreffend ermittelt und gewürdigt.
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5. Die Verletzung weiterer, im vereinfachten bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfender drittschützender Normen ist nicht ersichtlich. Insbesondere sind die genehmigten Pläne nicht in nachbarrelevanter Weise unbestimmt.
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Ein Nachbar hat grundsätzlich keinen materiellen Anspruch darauf, dass der Bauantragsteller einwandfreie und vollständige Bauvorlagen einreicht. Nachbarrechte können zwar in Ausnahmefällen dann verletzt sein, wenn infolge der Unbestimmtheit der Bauvorlagen der Gegenstand und Umfang des Bauvorhabens nicht eindeutig festgestellt und deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass das genehmigte Vorhaben gegen nachbarschützendes Recht verstößt (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2001 - 26 ZB 01.1775 - juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 25.7.2019 - 1 CS 19.821 - juris Rn. 14; VGH BW, B.v. 23.11.2017 - 3 S 1933/17 - juris Rn. 8; VG München, U.v. 24.11.2014 - M 8 K 13.5076 - juris Rn. 24). In dieser Hinsicht durchgreifende Mängel der Bauvorlagen bzw. der genehmigten Pläne sind vorliegend jedoch nicht auszumachen. Insbesondere findet sich entgegen der Ansicht der Klägerin eine Vermaßung des Dachneigungswinkels in dem genehmigten Plan vom 20. Januar 2021 (PlanNr....).
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie keinen Sachantrag gestellt und sich dadurch auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.