Inhalt

VG München, Beschluss v. 18.08.2022 – M 8 E 22.3453
Titel:

Erfolgloser Antrag auf vorläufige Einstellung der Bauarbeiten zur Aufstockung des Zwischengebäudes

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1
BayBO Art. 75 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 37, Art. 44
Leitsätze:
1. Ist für ein genehmigungspflichtiges Vorhaben eine Baugenehmigung erteilt worden, kommt eine Einstellung von Arbeiten selbst dann nicht in Betracht, wenn das Vorhaben gegen materielles Recht verstößt. Bauaufsichtliches Einschreiten ist dann nur möglich, wenn die Baugenehmigung zurückgenommen wurde und die Rücknahme bestandskräftig ist oder für sofort vollziehbar erklärt wurde. Anderes gilt nur dann, wenn sich der Verstoß gegen materielles Recht aus Vorschriften ergibt, die nicht Teil des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren waren. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit geltend gemacht wird, man könne nicht erkennen, ob die Aufstockung des Zwischengebäudes genehmigt worden sei, ist diesem Einwand aufgrund der Bestandkraft der Baugenehmigung nach Rücknahme der hiergegen erhobenen Anfechtungsklage abgeschnitten. Denn eine wirksame, dh nicht nichtige Baugenehmigung vermittelt eine bauaufsichtlichem Einschreiten entgegenstehende Legalisierungswirkung, soweit ihre Feststellungswirkung reicht. Nur wenn die Baugenehmigung nichtig und damit unwirksam wäre, wäre die Tatbestandsvoraussetzung „im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ iSd Art. 75 BayBO erfüllt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag eines Nachbarn nach § 123 VwGO, Verpflichtung zu bauaufsichtlichem Einschreiten, Einstellung der Bauarbeiten, Keine formelle Illegalität: bestandskräftige Baugenehmigung, Unbestimmtheit der Bauvorlagen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22927

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Einstellung der Bauarbeiten auf den Grundstücken … straße 35 - 37, FlNrn. … und …, Gemarkung ... (im Folgenden: Baugrundstücke), soweit diese die Aufstockung des Zwischengebäudes betreffen. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des nordöstlich an die Baugrundstücke angrenzenden Grundstücks … straße 33, FlNr. … (im Folgenden: Nachbargrundstück). Die Baugrundstücke sind in ihrem nordwestlichen Bereich mit Vordergebäuden bebaut, die unmittelbar an die Gebäude auf den benachbarten Grundstücken, insbesondere das Gebäude der Antragstellerin, angrenzen. Im rückwärtigen Grundstücksbereich befinden sich dreigeschossige, grenzständige Rückgebäude. Auf dem Grundstück H.str. 35 besteht neben dem Vorder- und Rückgebäude ein Gebäude, das sich entlang der östlichen Grundstücksgrenze erstreckt.
2
Mit Bescheid vom 30. April 2020 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen eine Baugenehmigung nach PlanNr. … für ein Vorhaben, das wie folgt bezeichnet wurde: „Neubau eines Gebäudes H.str. 37, Hotel als Erweiterung des Hotels … straße 35. Neubau eines Rückgebäudes Haus-Nr. 35+37. Erweiterung der Tiefgarage Haus Nr. 37 mit 43 Stellplätzen sowie Errichtung einer Gaststätte mit Rezeption und Wartebereich im EG (81 Gastplätze) sowie einer Gaststätte im 7. OG (27 Gastplätze), Umbau H.str. 35 (UG; EG; 6. OG) und Aufstockung 7. OG des Hotels, Errichtung von 13 Wohnungen, 101 Hotelzimmern mit 204 Betten und ein Kiosk.“ Gegenstand der Planung war die Errichtung achtgeschossiger Vordergebäude (unter Beibehaltung des Bestandes auf dem Grundstück H.str. 35) und dreigeschossiger Rückgebäude auf den Baugrundstücken, die als Hotel und als Wohnungen genutzt werden sollen. Das Vordergebäude und das Rückgebäude auf dem Grundstück H.str. 35 sind durch ein entlang der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin errichtetes Zwischengebäude verbunden, das im nördlichen Teil eingeschossig und im südlichen Teil zweigeschossig sein soll und im Erdgeschoss als Lobby/ Internetbereich für Gäste und im oberen Geschoss als Hotelzimmer genutzt werden soll.
3
Die Antragstellerin hat gegen diese Baugenehmigung Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben (M 8 K 20.2455). Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 30. September 2020 eingestellt, nachdem die Klage zurückgenommen wurde.
4
Am 22. Oktober 2020 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen eine als Tektur bezeichnete Baugenehmigung. Die Genehmigung beinhaltet Änderungen im Kellergeschoss, 7. Obergeschoss, der Dachaufsicht und der Notleitertreppe im Innenhof. Die Antragstellerin hat hiergegen keine Klage erhoben.
5
Ein weiterer Bauantrag vom 17. Januar 2022 wurde durch den Beigeladenen am 20. Juli 2022 zurückgezogen.
6
Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2022, bei Gericht am selben Tag eingegangen, beantragt der Bevollmächtigte der Antragstellerin:
7
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, Herrn ..., … straße 9, ... durch eine für sofort vollziehbar erklärte Ordnungsverfügung die Fortführung der Bauarbeiten zur Aufstockung des Zwischengebäudes um eine weitere Etage auf dem Grundstück … straße 35 - 37, FlNr. … vorläufig zu untersagen.
8
Zur Begründung wurde ausgeführt, im Rahmen einer Akteneinsicht am 8. Juli 2022 sei erstmals erkannt worden, dass das sog. Zwischengebäude nicht unverändert bleibe, sondern um ein Geschoss erweitert werde. Zuvor sei dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 6. Juli 2022 von einem Sachbearbeiter der Antragsgegnerin bestätigt worden, dass das Zwischengebäude lediglich eingeschossig genehmigt worden sei. Als am 7. Juli 2022 die Bauarbeiten zur Aufstockung des Zwischengebäudes begonnen hätten, sei von der Antragsgegnerin bestätigt worden, dass gegen die nicht genehmigte Aufstockung vorgegangen werde. Der Antragsgegnerin seien zuvor Planunterlagen zugestellt worden, die das Zwischengebäude nur eingeschossig darstellen würden. Die Antragstellerin habe sich darauf beschränkt, die im Betreff der Baugenehmigung im Einzelnen aufgeführten Maßnahmen auf ihre Zulässigkeit zu prüfen. Es sei nicht ersichtlich gewesen, dass auch die Aufstockung des Zwischengebäudes beantragt worden sei. Der Antrag auf Einschreiten sei begründet, da die nicht genehmigte Aufstockung des Zwischengebäudes um eine weitere Etage gegen Vorschriften des Bauordnungsrechts verstoße. Die Aufstockung verstoße zudem gegen das Gebot der Rücksichtnahme, da es die Licht- und Sonneneinstrahlung unzumutbar beeinträchtige. Die Aufstockung des Zwischengeschosses sei nicht genehmigt worden. Die der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugrundeliegenden Bauvorlagen seien, soweit sie die Aufstockung beträfen, in nachbarlich relevanter Weise uneindeutig und die streitgegenständliche Baugenehmigung, soweit sie sich auf die Aufstockung beziehe, in nachbarlich relevanter Weise unbestimmt. Für die Mitglieder der Antragstellerin sei nicht ersichtlich gewesen, ob in den Bauvorlagen der Bestand oder das geplante Vorhaben dargestellt werde. Die Mitglieder der Antragstellerin hätten im Hinblick auf die übermittelten Pläne „Stand 2018“ davon ausgehen können, dass der Bauherr gerade keine Aufstockung des Zwischengebäudes plane. Soweit das Grundstück der Antragstellerin betroffen sei, werde in der Baugenehmigung lediglich der Abstand der Wendeltreppen am Rückgebäude behandelt, nicht jedoch die Aufstockung des Zwischengebäudes. Durch den Fortgang der Baumaßnahmen würde der derzeitige Zustand des Zwischengebäudes verändert und es würden Tatsachen geschaffen, die die Verwirklichung der Rechte der Antragstellerin erheblich erschweren würden.
9
Die Antragsgegnerin beantragt,
10
den Antrag abzulehnen.
11
Der Antrag sei bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Zudem bestehe kein Anordnungsanspruch. Die Antragstellerin habe selbst darauf verwiesen, dass das streitgegenständliche Zwischengebäude in den genehmigten Plänen zweigeschossig dargestellt sei. Eine Baueinstellung komme mangels formeller Baurechtswidrigkeit nicht in Betracht. Die Bescheide seien bestandskräftig. Das im Juli 2022 noch laufende weitere Genehmigungsverfahren, in dessen Zusammenhang Akteneinsicht durch die Antragstellerin genommen worden sei, sei nach Zurückziehung des Antrags abgeschlossen.
12
Der Beigeladene beantragt,
13
den Antrag abzulehnen.
14
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen führte aus, die Aufstockung des Zwischengebäudes sei Gegenstand der Baugenehmigung vom 30. April 2020 in Form der Änderungsgenehmigung vom 22. Oktober 2020. Die Baugenehmigung vom 30. April 2020 sei bestandskräftig, nachdem die Antragstellerin die hiergegen erhobene Klage zurückgenommen habe. Die Aufstockung sei in den Plänen der Baugenehmigung vom 30. April 2020 und 22. Oktober 2020 dargestellt. In der Anlage zu den Bauunterlagen sei unter Ziffer 3 zudem die Aufstockung des Verbindungsbauwerks beschrieben. Zwar sei vor kurzem versehentlich ein falscher Plan durch einen Mitarbeiter der Beigeladenen übermittelt worden, dies sei jedoch mehr als zwei Jahre nach der Erteilung, Prüfung der Baugenehmigung und Rücknahme der Anfechtungsklage geschehen. Die Baugenehmigung verletze auch keine drittschützenden Rechte der Antragstellerin. Die Bauvorlagen seien vollständig, richtig und eindeutig. Soweit sich die Antragstellerin auf den Betreff der Baugenehmigung beziehe, sei dieser nicht Inhalt der erteilten Baugenehmigung und somit für den Umfang der Baugenehmigung irrelevant. Soweit die Antragstellerin, obwohl eine bestandskräftige Baugenehmigung bestehe, zwei Jahre später gegen die Aufstockung vorgehen wolle, sei dies rechtsmissbräuchlich.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des weiteren schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
16
Der Antrag hat keinen Erfolg.
17
Das Gericht kann nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch schon vor Klageerhebung einstweilige Anordnungen in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 der genannten Vorschrift auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 23). Dabei muss der Antragsteller jedoch eine Gefährdung eines eigenen Individualinteresses (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines Rechtes oder rechtlich geschützten Interesses (Anordnungsanspruch) geltend und die zur Begründung notwendigen Tatsachen glaubhaft machen (§ 123 Abs. 2 VwGO, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
18
1. Rechtsgrundlage für die bauaufsichtliche Einstellung von Arbeiten ist Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt wird. Dies gilt auch dann, wenn bei der Ausführung eines genehmigungspflichtigen Bauvorhabens von den genehmigten Bauvorlagen abgewichen wird (vgl. Art. 75 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a BayBO). Begehrt ein Nachbar bauaufsichtliches Einschreiten muss er geltend machen, dass er durch das Vorhaben in seinen Rechten verletzt ist. Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften allein führen nicht zu einem Anspruch des Nachbarn auf Einschreiten. Von einer Ermessensreduzierung auf Null ist vielmehr nur dann auszugehen, wenn die Umstände des Einzelfalls die Behörde zum Einschreiten zwingen (vgl. BVerwG, U.v. 4.6.1996 - 4 C 15/95 - juris Rn. 17; Dirnberger in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand Januar 2022, Art. 54 Rn. 98).
19
1.1. Tatbestandliche Voraussetzung für den Erlass einer Baueinstellungsverfügung ist bei genehmigungspflichtigen Vorhaben im Grundsatz allein die formelle Illegalität. Die Baueinstellung soll nur sicherstellen, dass eine Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens aufgrund ordnungsgemäßer Bauvorlagen in dem dafür vorgesehenen Verfahren erfolgt und bis dahin keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2001 - 20 ZB 01.2648 - juris Rn. 3 m.w.N.). Ist für ein genehmigungspflichtiges Vorhaben eine Baugenehmigung erteilt worden, kommt eine Einstellung von Arbeiten selbst dann nicht in Betracht, wenn das Vorhaben gegen materielles Recht verstößt. Bauaufsichtliches Einschreiten ist dann nur möglich, wenn die Baugenehmigung zurückgenommen wurde (vgl. Art. 48 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG)) und die Rücknahme bestandskräftig ist oder für sofort vollziehbar erklärt wurde. Anderes gilt nur dann, wenn sich der Verstoß gegen materielles Recht aus Vorschriften ergibt, die nicht Teil des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren waren (vgl. hierzu Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Januar 2022, Art. 75 Rn. 49 f.).
20
1.2. Vorliegend fehlt es schon an der formellen Baurechtswidrigkeit der beanstandeten Bauarbeiten. Die Aufstockung des Zwischengebäudes an der östlichen Grundstücksgrenze des Baugrundstücks wurde mit Bescheid vom 30. April 2020 nach PlanNr. … genehmigt (s. genehmigte Baupläne „Grundrisse KG, EG, 1. OG, Ansichten, Schnitte B-B / C-C“). Die Tektur vom 22. Oktober 2020 betraf die Aufstockung des Zwischengebäudes nicht (insoweit abgestrichen). Die Antragstellerin bringt weder vor, noch sind hierfür Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Beigeladene planabweichend baut.
21
1.3. Soweit die Antragstellerin die nachbarrechtswidrige Unbestimmtheit der Baugenehmigung geltend macht, da man nicht erkennen könne, ob die Aufstockung des Zwischengebäudes genehmigt worden sei, ist ihr dieser Einwand aufgrund der Bestandkraft der Baugenehmigung nach Rücknahme der hiergegen erhobenen Anfechtungsklage abgeschnitten (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2016 - 15 ZB 16.1365 - juris Rn. 14). Denn eine wirksame, d.h. nicht nichtige (Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG) Baugenehmigung vermittelt eine bauaufsichtlichem Einschreiten entgegenstehende Legalisierungswirkung, soweit ihre Feststellungswirkung reicht (vgl. BayVGH, U.v. 8.7.2022 - 15 B 22.772 - juris Rn. 47 m.w.N.). Nur wenn die Baugenehmigung nichtig und damit unwirksam wäre, wäre die Tatbestandsvoraussetzung „im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ i.S.d. Art. 75 BayBO erfüllt.
22
1.3.1. Nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt allerdings nur nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Auch Bestimmtheitsmängel einer Baugenehmigung können nach einer Bewertung im Einzelfall ausnahmsweise deren Nichtigkeit zur Folge haben (vgl. BayVGH, U.v. 8.7.2022 - 15 B 22.772 - juris Rn. 56 m.w.N.; B.v. 18.3.2021 - 1 CS 20.2788 - juris Rn. 14).
23
1.3.2. Die Baugenehmigung ist vorliegend jedoch nicht wegen Unbestimmtheit nichtig. Hinsichtlich der Anforderungen an die Bestimmtheit einer Baugenehmigung i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG wird gefordert, dass diese - gegebenenfalls nach Auslegung - Inhalt, Reichweite und Umfang des genehmigten Vorhabens eindeutig erkennen lässt, damit die mit dem Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten des Verfahrens nachvollziehbar und eindeutig ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2018 - 15 CS 17.2523 - juris Rn. 30; U.v. 20.5.1996 - 2 B 94.1513 - BayVBl. 1997, 405 f.). Es muss erkennbar sein, was von der Gestattungs-, Feststellungs- und Legalisierungswirkung der Baugenehmigung umfasst ist. Der Inhalt der (erlassenen) Baugenehmigung ergibt sich aus der Bezeichnung, den Regelungen und der Begründung im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch in Bezug genommene Bauvorlagen und sonstige Unterlagen (vgl. BayVGH, U.v. 8.7.2022 - 15 B 22.772 - juris Rn. 49).
24
Aus den genehmigten Bauvorlagen der Baugenehmigung vom 30. April 2020 nach PlanNr. … („1. Ausfertigung“) ergibt sich eindeutig und widerspruchsfrei, dass die Aufstockung des Zwischengebäudes Gegenstand der Planung ist. Die Aufstockung wird sowohl in den Grundrissen 1. und 2. Obergeschoss und den Schnitten A-A, B-B, C-C und E-E dargestellt. In Schnitt C-C und im Grundriss 1. Obergeschoss wird die Aufstockung schraffiert und damit im Unterschied zu den beizubehaltenden Wänden (insb. des Vordergebäudes H.str. 35, insoweit schwarz dargestellt), als neu herzustellend skizziert. Die Baugenehmigung ist auch nicht allein deswegen unbestimmt, da die Bezeichnung des Bauvorhabens die Aufstockung des Zwischengebäudes nicht ausdrücklich nennt. Eine Konkretisierung durch die Bauvorlagen ist hier - unter Berücksichtigung des Umfangs des Bauvorhabens - ohne weiteres zulässig. Maßgeblich für den Genehmigungsinhalt ist der genehmigte Plan. Die Bezeichnung des Bauvorhabens hat nur insoweit Relevanz auf die Bestimmtheit der Baugenehmigung, als dass der Umfang der Nutzung hinreichend individualisierbar sein muss oder diese nicht im Widerspruch zu den übrigen Bauvorlagen stehen darf. Der Umfang der Bauarbeiten an dem Zwischengebäude ergibt sich eindeutig und widerspruchsfrei aus den Bauvorlagen. Da schon eine Unbestimmtheit der Baugenehmigung nicht zu erkennen ist, ist die Baugenehmigung offensichtlich - worauf es bei dem geltend gemachten Anspruch auf Einstellung der Bauarbeiten alleine ankommt - nicht nichtig (vgl. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG).
25
Das Vorbringen der Antragstellerin zu einer falschen Auskunft eines Vertreters der Antragsgegnerin und des Beigeladenen bzw. dessen Architekten im Jahr 2022 ändern nichts an dem Umstand, dass die Aufstockung des Zwischengebäudes genehmigt wurde und diese Genehmigung bestandskräftig ist.
26
2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Der Beigeladene hat einen Antrag gestellt und sich daher auch einem Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt, so dass es der Billigkeit i.S.d. § 162 Abs. 3 VwGO entspricht, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen.
27
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.