Titel:
Erfolgloser einstweiliger Rechtsschutz gegen den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46
AWaffV § 4 Abs. 6 S. 1
Leitsätze:
1. Die persönliche Eignung iSd § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 WaffG fehlt insbesondere demjenigen, der gefährliche Situationen provoziert, die er nur durch Einsatz einer mitgeführten Schreckschusspistole zu kontrollieren vermag. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Rechtfertigen die Gesamtumstände die Annahme, dass in der Person des Inhaber der waffenrechtlichen Erlaubnisse Umstände vorliegen, die die Prognose erlauben, dass er nicht sachgemäß mit Waffen und Munition umgehen kann, kommt es nicht darauf an, ob der Inhaber bei einem Vorfall seine Waffe missbräuchlich oder noch in Einklang mit der Rechtsordnung, also in Notwehr oder in Wahrnehmung sonstiger Notstandsrechte, genutzt hat. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Verdacht fehlender persönlicher Eignung, Nichtvorlage eines angeforderten Gutachtens
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22926
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 6.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner am 18. Juni 2021 erhobenen Klage gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse sowie die hierzu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) vom 12. Mai 2021.
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Gemäß zweier Auskünfte aus der Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei (IGVP) sei der Antragsteller, ..., am 18. April 2017 mit einem weiteren Parteimitglied aufgrund parteiinterner Differenzen in Streit geraten. In diesem Zusammenhang seien wechselseitige Beleidigungen gefallen. Als der Antragsteller dem anderen Parteimitglied am Telefon gedroht habe, „es wird was passieren“, habe dieses den Vorfall der Polizei gemeldet. Aufgrund der Streitigkeit habe der Antragsteller im Vorfeld seine Waffen freiwillig - vorübergehend und befristet bis zum 2. Mai 2017 - auf der Polizeidienststelle abgegeben. Die Waffen seien am 2. Mai 2017 wieder ausgehändigt worden.
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Gemäß weiterer IGVP-Auskunft sei der Antragsteller am 3. Juli 2020 mit einer anderen Kundin in der Warteschlange im Nettomarkt aneinandergeraten. Die Kundin sei daraufhin zu ihrem Freund gegangen und habe ihm dies mitgeteilt. Dieser habe im Auto gewartet. Er sei ausgestiegen und habe vor dem Eingang auf den Antragsteller gewartet, um diesen zu konfrontieren. Hierzu habe er sich vor dem Antragsteller aufgebaut und es sei zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen. Der Antragsteller sei daraufhin zu seinem PKW gelaufen und habe eine Schreckschusspistole aus dem Handschuhfach geholt. Die beiden anderen seien ihm gefolgt. Der Antragsteller habe dann ein paar Meter vor dem Freund der Kundin die Pistole durchgeladen und gesagt: „Wenn du noch näher kommst, schieße ich.“ Während dieser Drohung habe er die Waffe in Richtung der anderen Kundin und ihres Freundes gehalten. Die Mündung habe dabei aber auf den Boden gezeigt. Da die Waffe nicht von einer scharfen Schusswaffe zu unterscheiden sei, hätten die beiden die Bedrohung ernstgenommen. Der Antragsteller sei in seinen PKW gestiegen und nach Hause gefahren. Die andere Kundin und ihr Freund seien ihm nachgefahren und hätten die Polizeidienststelle … alarmiert. Als beide PKW vor der Wohnadresse angehalten hätten, habe der Antragsteller ebenfalls die Dienststelle kontaktiert und den Sachverhalt geschildert. Bei Eintreffen der Streife habe der Antragsteller einen Kleinen Waffenschein zum Führen vorweisen können. Die PTB-Waffe sei entladen und sichergestellt worden. Laut Antragsteller hätten sich 9 Patronen im Magazin und eine Patrone im Lauf befunden. Auf der Dienststelle seien jedoch 14 Patronen gezählt worden.
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Mit Schreiben vom 27. Januar 2021 teilte das Landratsamt dem Antragsteller mit, dass aufgrund der o.g. Vorfälle behördlicherseits Bedenken hinsichtlich der persönlichen Eignung des Antragstellers gemäß § 6 WaffG bestünden. Um diese Zweifel auszuräumen, werde dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, sich zum Sachverhalt zu äußern. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass auch die Möglichkeit bestehe, dem Antragsteller die Vorlage eines Gutachtens eines Amts- oder Facharztes aufzugeben, um die bestehenden Bedenken auszuräumen.
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Hierauf äußerte sich der Antragsteller mit E-Mail an das Landratsamt vom 28. Januar 2021 zu den beiden Vorfällen und führte aus, dass er nie jemanden bedroht habe. Genau das gehe auch aus beiden Verfahren hervor, die jeweils eingestellt worden seien, weil sich herausgestellt habe, dass er zu Unrecht beschuldigt worden sei. In beiden Fällen habe er deeskaliert und „klein beigegeben“. Zudem lege er seine Stellungnahme zu beiden Vorfällen vor, wie diese auch der Polizei und anschließend der Staatsanwaltschaft zugegangen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der E-Mail verwiesen (vgl. Bl. 69 bis 72 der Behördenakte). Zudem wurden eine Skizze des Supermarktparkplatzes sowie zwei für den Antragsteller ausgestellte Arbeitszeugnisse vom 19. September 2018 bzw. 11. April 2016 vorgelegt.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 4. Februar 2021 wurde dem bereits im Verwaltungsverfahren Bevollmächtigten des Antragstellers mitgeteilt, dass nach Prüfung der Stellungnahme des Antragstellers vom 28. Januar 2021 die bestehenden Bedenken hinsichtlich der persönlichen Eignung nicht ausgeräumt hätten werden können. Es werde dem Antragsteller deshalb die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses bzw. Gutachtens zur Ausräumung der bestehenden Zweifel an dessen persönlicher Eignung nach § 6 WaffG bis spätestens 31. März 2021 auf eigene Kosten aufgegeben. Es wurde unter Verweis auf § 4 Abs. 6 AWaffV darauf hingewiesen, dass im Falle der Verweigerung der aufgegebenen Begutachtung oder bei nicht fristgerechter Beibringung des geforderten Gutachtens die bestehenden Bedenken bzw. Zweifel an der waffenrechtlichen Eignung des Antragstellers nicht entkräftet werden könnten, sodass das Landratsamt auf dessen Nichteignung schließen müsse. Dies hätte gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 WaffG den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse zur Folge. Es wurde Gelegenheit gegeben, sich zu der dann beabsichtigten Entscheidung zu äußern.
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Hierauf erwiderte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 26. Februar 2021 und teilte mit, dass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt kein Gutachten vorlegen werde, da der formulierte Gutachtenauftrag zu unbestimmt sei und keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit vorlägen. Der Antragsteller habe keine Zentralregistereintragungen vorzuweisen. Die Ermittlungsverfahren seien aufgrund unzureichenden Tatverdachts vollständig gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Fragwürdig sei in diesem Zusammenhang, inwieweit ein unzureichender Tatverdacht dennoch ausreichend für die Annahme einer Unzuverlässigkeit nach dem Waffengesetz sein solle und der strafrechtliche Zweifelssatz beim Landratsamt offensichtlich keinerlei Anerkennung finde. Es sei unterlassen worden, darzulegen, von welcher Art der persönlichen Unzuverlässigkeit das Landratsamt ausgehe. Des Weiteren sei die Anordnung unbestimmt, weil das Landratsamt nicht deutlich mache, welche Rückschlüsse es aus den von ihm herangezogenen Umständen für die Art der persönlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers ziehe. Zum anderen habe das Landratsamt dem Antragsteller die Wahl überlassen, welches Gutachten er beibringe.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 30. März 2021 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass an der Aufgabe und Vorlage eines fachpsychologischen Gutachtens gemäß § 6 Abs. 2 WaffG über die persönliche waffenrechtliche Eignung des Antragstellers unter der nachfolgenden Konkretisierung festgehalten werde. Das bei den streitgegenständlichen Vorfällen gezeigte Verhalten des Antragstellers rechtfertige Zweifel an der persönlichen Eignung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG und lasse erwarten, dass er bei verschiedenartigsten Konflikten, die im täglichen Leben jederzeit auftreten könnten, in ähnlicher Weise Konfliktpersonen gegenübertreten und aus im Grunde nichtigen Anlässen, auch durch einen unvorsichtigen Umgang mit Waffen, überzogen und aggressiv reagieren und damit das Leben und die Gesundheit von Personen gefährden könnte. Für die hinreichende Ausräumung der dargelegten, in Verbindung mit seiner Verhaltenseinstellung begründeten Zweifel an der persönlichen Eignung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG komme nur die Beibringung eines fachpsychologischen Gutachtens in Betracht. Eine andere Vorgehensweise, diese auszuräumen, sei nicht ersichtlich. Dem Antragsteller werde auf eigene Kosten die Vorlage eines fachpsychologischen Gutachtens bis spätestens 31. Mai 2021 aufgegeben. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass das Landratsamt berechtigt sei, auf die Nichteignung des Antragstellers zu schließen, falls er sich weigere sich begutachten zu lassen. Das Gleiche gelte für den Fall, dass das Gutachten nicht bzw. nicht fristgerecht vorgelegt werde. Dies hätte gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 WaffG den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse zur Folge. Es wurde erneut Gelegenheit gegeben, sich zu der dann beabsichtigten Entscheidung zu äußern.
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Mit Schreiben an das Landratsamt vom 6. April 2021 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers im Wesentlichen weiter aus, aufgrund der Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO sei es juristisch nicht mehr abschließend zu bewerten, ob das Verhalten des Antragstellers am 30. März 2020 aufgrund einer Notwehrlage oder aufgrund eines anderen gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestands gerechtfertigt gewesen sei. Notwehr schließe jähzorniges, aggressives Verhalten bereits denknotwendig aus. Per Definition sei Aggression ein Verhalten, das darauf gerichtet sei, andere Individuen zu schädigen. Vorliegend sei es aber dem Antragsteller nicht um die Schädigung anderer Menschen gegangen, sondern um die Verteidigung vor einem unmittelbar bevorstehenden, zu erwartenden rechtswidrigen Angriff und damit um die Wahrung des Rechtsfriedens. Wenn aber das Unrecht einer Handlung nach § 32 StGB ausgeschlossen sei, so könne dieses Verhalten waffenrechtlich nicht sanktioniert werden. So sei beispielsweise auch eine in einer Notwehrsituation verwendete Waffe ohne Erlaubnis zum Führen waffenrechtlich nicht zu sanktionieren, wenn diese im Zusammenhang mit einer Notsituation gebraucht werde. Positiv in die Bewertung solle zudem mit einfließen, dass der Antragsteller sich lediglich der Androhung der Verwendung einer Waffe bedient habe und die damit erforderliche Reihenfolge - 1. Androhung 2. Schutzwehr 3. Trutzwehr als ultima ratio - im Rahmen der Verwendung von Schusswaffen in einer Notwehrsituation beachtet habe. Der Antragsteller bestreite die Tatsachen des Vorfalls aus dem Grunde nicht, da er sein Verhalten als gerechtfertigt bewertet habe, indem er einen aus seiner Sicht unmittelbar bevorstehenden Angriff habe abwenden wollen. Zu keinem Zeitpunkt habe der Antragsteller dabei die Waffe in Richtung des Aggressors gerichtet, sondern lediglich zu Boden. Die Darstellung der Auseinandersetzungshandlung der Beteiligten als banal stelle eine unzulässige Bewertung und Einordnung des Sachverhalts durch das Landratsamt aufgrund von nicht korrespondierenden Zeugenaussagen dar, deren Wahrheitsgehalt nun nicht mehr erforscht werden könne. Die vom Antragsteller eingereichten detaillierten Arbeitszeugnisse enthielten zahlreiche Angaben über das positive Verhalten des Antragstellers bezogen auf Zuverlässigkeit, Pflichtbereitschaft und die durchweg positive zwischenmenschliche Zusammenarbeit. Sie seien geeignet, die getroffene unzutreffende Verhaltensprognose abzuändern. Der Antragsteller sei sich der Gefährlichkeit von Schusswaffen und der damit verbundenen Verantwortung im Rahmen des Führens solcher durchaus bewusst. Allein aus diesem Grund sei es dem Antragsteller ein Anliegen gewesen, seine Waffen vorsorglich und freiwillig vorerst abzugeben, bis der Vorfall vom 18. April 2017 und sein Verhalten abschließend geklärt gewesen sei und ihm kein Fehlverhalten habe vorgeworfen werden können.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 9. April 2021 teilte das Landratsamt dem Antragsteller mit, dass auch durch das Schreiben des Bevollmächtigten vom 6. April 2021 die bestehenden Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers nicht stichhaltig hätten ausgeräumt werden können. An der Aufgabe der Gutachtensvorlage gemäß dem Schreiben vom 30. März 2021 werde daher festgehalten. Für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage zum 31. Mai 2021 sei beabsichtigt, die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers zu widerrufen.
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Hierauf teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Landratsamt mit Schreiben vom 14. April 2021 mit, dass aus den Ausführungen des Landratsamts nicht ersichtlich sei, welche Zweifel über die Zuverlässigkeit des Antragstellers noch bestünden und aus welchen Tatsachen diese Zweifel erwüchsen. Daher sei von einer unrechtmäßigen Beibringungsanordnung auszugehen.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 29. April 2021 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass die Fristsetzung für die Gutachtenvorlage bis 31. Mai 2021 gemäß Schreiben vom 9. April 2021 gegenstandslos geworden sei, da bislang für den Antragsteller keine untersuchende Stelle, die die Begutachtung durchführen solle, mitgeteilt worden sei. Sollte bis spätestens 7. Mai 2021 keine Begutachtungsstelle benannt werden, der die für die Gutachtenerstellung notwendigen Unterlagen zugeleitet werden könnten, würden die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers widerrufen.
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Mit Bescheid vom 12. Mai 2021, dem Antragsteller zugestellt am 20. Mai 2021, widerrief das Landratsamt die für den Antragsteller ausgestellten Waffenbesitzkarten Nr. … und Nr. … sowie den Kleinen Waffenschein Nr. … (Nr. 1). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die in den in Nr. 1 des Bescheids genannten Waffenbesitzkarten eingetragenen, nachfolgend einzeln aufgeführten Waffen und die vorhandene Munition innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheids dauerhaft durch einen Büchsenmacher unbrauchbar machen zu lassen oder einem Berechtigten zu überlassen und dem Landratsamt hierüber innerhalb derselben Frist einen Nachweis vorzulegen; für den Fall, dass der Antragsteller dieser Verpflichtung nicht nachkomme, werde die Sicherstellung der Waffen und Munition sowie deren Verwertung angeordnet (Nr. 2). Weiter wurde der Antragsteller verpflichtet, die in Nr. 1 genannten Erlaubnisdokumente beim Landratsamt innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheids abzuliefern (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 2 und 3 wurde angeordnet (Nr. 4). Für den Fall, dass der Antragsteller der unter Nr. 3 genannten Verpflichtung nicht fristgerecht nachkomme, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 200,- Euro fällig. Für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs angeordnet oder wiederhergestellt werde, werde die Erfüllungsfrist bezüglich des angedrohten Zwangsgelds bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Eintritt der Bestandskraft verlängert (Nr. 5). Dem Antragsteller wurden die Kosten für diesen Bescheid auferlegt. Zudem wurden eine Gebühr in Höhe von 200,- Euro sowie Auslagen in Höhe von 4,11 EUR festgesetzt (Nr. 6).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die waffenrechtliche Regelüberprüfung habe ergeben, dass gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung anhängig sei. Die Waffenbehörde sei von der Polizeiinspektion … durch Mitteilung vom 19. Oktober 2020 über das o.g. Ermittlungsverfahren in Kenntnis gesetzt und diesbezüglich um Prüfung der charakterlichen Eignung des Antragstellers gebeten worden. Obwohl das Ermittlungsverfahren am 10. August 2020 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, habe aus Sicht des sachbearbeitenden Polizeibeamten die Notwendigkeit zur Überprüfung der persönlichen Eignung hinsichtlich der Erlaubnis zum Führen von erlaubnisfreien Waffen durch den Antragsteller bestanden. Aufgrund der o.g. Sachverhalte bestünden berechtigte Zweifel hinsichtlich der persönlichen Eignung des Antragstellers. Diese rechtfertigten die Annahme, dass er durch aufgrund in seiner Person liegender Umstände gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG mit Waffen und Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahre, oder dass die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung bestehe. Seien Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung gemäß § 6 Abs. 1 WaffG begründeten, so habe die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 2 WaffG dem Betroffenen die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Gutachtens über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben. Bringe der Betroffene der zuständigen Behörde das von ihr geforderte Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht bei, dürfe die Behörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV). Solche Tatsachen begründeten sich hier u.a. damit, dass der Antragsteller bei dem Vorfall am 3. Juli 2020 einen alltäglichen Konflikt wegen einer banalen verbalen Auseinandersetzung durch den Einsatz einer Schreckschusswaffe zu lösen gesucht habe. Ob das darauffolgende Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, spiele insofern keine Rolle, weil der Antragsteller zum einen diesen Tatbestand nicht bestreite, und zum anderen für die vorzunehmende Beurteilung auch das Persönlichkeitsbild des Antragstellers relevant sei. Eine verbale Streitigkeit darüber, wer zuerst an der Kasse zum Bezahlen an der Reihe sei, stelle eine alltägliche und gewöhnliche Situation dar. Eine solche rechtfertige in keinster Weise eine derartige Eskalation, dass der Antragsteller zur Lösung eines solchen Konflikts sich seiner im Handschuhfach seines Autos griffbereiten Waffe bediene. Nach Angaben des Antragstellers sei der Streitgegner noch ca. 4 m von ihm entfernt gewesen, als dieser die Waffe in der Hand des Antragstellers wahrgenommen habe, d.h. der Antragsteller habe die Waffe schon aus dem Handschuhfach geholt, als sich der Streitgegner noch sehr viel weiter von ihm entfernt befunden habe. Insofern könne hier von keiner Notwehrlage ausgegangen werden, die zur Abwehr eines unmittelbar bevorstehenden rechtswidrigen Angriffs den Einsatz einer Schusswaffe nötig gemacht habe. Auch die Aussage, „jetzt bist du nicht mehr so stark“, stelle eher eine provokante Formulierung dar, die darauf schließen lasse, dass der Antragsteller den Konflikt mit dem Gebrauch seiner Schusswaffe habe lösen wollen. Die Streitigkeit zwischen dem Antragsteller und Parteimitgliedern zeige ebenfalls seine mangelnde Fähigkeit, Konflikte gütlich und ohne ein gewisses Maß an Aggressivität zu lösen. In der Stellungnahme des Antragstellers vom 28. Januar 2021 sei keinerlei selbstkritische Prüfung seines Verhaltens und keine Einsicht in unangemessene und überzogene Reaktionen erkennbar. Vielmehr bezeichne er sein Verhalten in beiden Fällen als „deeskalierend“ und „klein beigegeben“. Deeskalierend wäre es hingegen bei dem Vorfall am 3. Juli 2020 gewesen, wenn der Antragsteller, um sich der Konfliktsituation ohne weitere Eskalation zu entziehen, in sein Fahrzeug eingestiegen und einfach weggefahren wäre. Das gezeigte Verhalten des Antragstellers sowie seine Einlassungen rechtfertigten daher Zweifel an seiner persönlichen Eignung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG und ließen durchaus erwarten, dass er bei verschiedenartigsten Konflikten, die im täglichen Leben jederzeit auftreten könnten, in ähnlicher Weise Konfliktperson gegenübertreten werde und er aus im Grunde nichtigen Anlässen, auch durch einen unvorsichtigen Umgang mit Waffen, überzogen und aggressiv reagieren und damit das Leben und die Gesundheit von Personen gefährden könnte. Die vorgelegten Arbeitszeugnisse hätten keine relevante Aussagekraft hinsichtlich des gegenständlichen Verhaltens des Antragstellers in alltäglichen Konfliktsituationen und deren Bewältigung. In der Gesamtbetrachtung sei es deshalb für verhältnismäßig gehalten worden, dem Antragsteller aufzuerlegen, die aufgezeigten persönlichen Eignungszweifel mit dem dafür vorgesehenen und geeigneten Mittel der Vorlage eines fachpsychologischen Gutachtens gemäß § 6 Abs. 2 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c AWaffV auszuräumen. Hinsichtlich der Feststellung der Notwendigkeit dieser Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie der für die Befürchtung regelwidrigen Verhaltens erforderlichen Prognose werde auf die Begründungen diesbezüglich in der Anordnung des Landratsamts vom 30. März 2021 verwiesen. Dem Antragsteller sei mit Schreiben vom 4. Februar 2021 und 30. März 2021 vom Landratsamt gemäß § 6 Abs. 2 WaffG die Vorlage eines fachpsychologischen Gutachtens aufgegeben worden, um die bestehenden Bedenken gegen seine persönliche Eignung auszuräumen. Der Antragsteller sei in den Anhörungsschreiben auf die Folge des § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV hingewiesen worden. Da keine Gutachtenvorlage erfolgt sei, sei vom Landratsamt auf die Nichteignung des Antragstellers geschlossen worden. Die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers seien somit gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen gewesen. Die Anordnung der dauerhaften Unbrauchbarmachung oder Überlassung an einen Berechtigten in Nr. 2 des Bescheids stütze sich auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Nach § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG könne die zuständige Behörde nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Waffen oder Munition sicherstellen. Die Androhung der Sicherstellung sei geeignet, erforderlich und angemessen. Das behördliche Ermessen sei hier insoweit auch nahezu auf Null reduziert, weil der weitere Besitz von Waffen durch den Antragsteller durch die widerrufene Erlaubnis eine Straftat darstelle (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG). Die Verpflichtung zur Ablieferung der Waffenbesitzkarten in Nr. 3 des Bescheids ergebe sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids stütze sich auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 VwGO. Es erscheine unter Berücksichtigung aller Umstände nicht vertretbar, dem Antragsteller bis zur Bestandskraft des Bescheids die Möglichkeit des legalen Waffen- und Munitionsbesitzes zu belassen. Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse in Gestalt der Reduzierung des Sicherheitsrisikos, das von Waffenbesitzern ausgehe, bei denen die persönliche Eignung infrage stehe, überwiege das private Interesse des Antragstellers, auch während eines Klageverfahrens seine Waffen und Munition behalten zu dürfen. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass gegebenenfalls bis zur Bestandskraft der Regelungen des Bescheids seine Waffen und oder die Munition abhanden kämen oder Dritte diese unbefugt an sich nähmen. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31, 36 VwZVG. Die Ablieferung der Waffenbesitzkarten und des Kleinen Waffenscheins scheine innerhalb der eingeräumten Frist zumutbar. Die Kostenentscheidung beruhe auf den einschlägigen Vorschriften des Kostenrechts.
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Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat am 18. Juni 2021 Klage gegen den Bescheid vom 12. Mai 2021 erhoben (M 7 K 21.3245) und zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt.
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Zur Begründung wird vorgetragen, die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung lägen hier vor, da der Antragsteller mit der zu erhebenden Anfechtungsklage erfolgreich sein werde, denn der Widerrufsbescheid sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Es werde auf die Ausführungen zur zeitgleich erhobenen Anfechtungsklage verwiesen. Im Rahmen des Klageverfahrens (M 7 K 21.3245) wurde insoweit im Wesentlichen ausgeführt, es fehle an Anknüpfungstatsachen für die Annahme der persönlichen Nichteignung des Antragstellers. Bezogen auf den Vorfall vom 18. April 2017 sei anzuführen, dass der Antragsteller schon zum Zeitpunkt der Geschehnisse seine Waffen vorsorglich in die Obhut der zuständigen Polizeidienststelle bis zur weiteren Klärung der Ereignisse gegeben habe. Hätte damalig bereits der Verdacht eines Mangels der Eignung nach § 6 WaffG bestanden, so wären die Waffen nicht wieder an den Antragsteller ausgehändigt worden. Der Antragsgegner vermute zu Unrecht den Wegfall der persönlichen Eignung des Antragstellers. Aus der Weigerung der Beibringung des angeforderten Gutachtens dürfe vorliegend nicht auf die Ungeeignetheit des Antragstellers geschlossen werden, da die Beibringungsanordnung unrechtmäßig gewesen sei. Der Antragsgegner gehe pauschal davon aus, dass aufgrund der summarischen Geschehnisse vom 3. Juli 2020 und vom 18. April 2017 der Antragsteller sich im Konfliktfall nicht beherrschen könne und daher potenziell bereit sei, mit Einsatz von körperlicher Gewalt und Gegenständen gegen Dritte vorzugehen. Nähere Ausführungen, inwiefern es zu einer solchen Entscheidungsfindung habe kommen können, nehme der Antragsgegner nicht vor. Ersichtlich sei nicht der Umstand bewertet worden, dass die Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller mangels Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden seien. Das Verhalten des Antragstellers biete keinerlei Anhaltspunkte eines gesteigerten Aggressionspotentials, welches an dessen persönlicher Eignung bezüglich des Führens einer Schusswaffe und Munition zweifeln ließe. Bei dem streitgegenständlichen Vorfall aus dem Jahr 2017 handele es sich um eine etwas aufgeheizte Diskussion mit unglücklicher Wortwahl seitens des Antragstellers, welche jedoch in keinster Weise aufgrund einer aggressiven Grundeinstellung geäußert worden sei, sondern eher situationsbedingt im „Eifer des Gefechts“. Bei dem Vorfall aus dem Jahr 2020 habe sich der Antragsteller wenigstens subjektiv in einer Notwehrlage befunden. Ob diese tatsächlich vorgelegen habe, sei inzwischen nicht mehr abschließend aufzuklären. In dieser Situation habe der Antragsteller in wenigen ihm zur Verfügung stehenden Momenten evaluiert, welche Notwehrmittel ihm in der konkreten Situation überhaupt zur Verfügung stünden, ohne das Risiko einer Verletzung einzugehen. Eine zu Boden gehaltene Schreckschusswaffe zur Abwehr eines körperlichen Angriffs stehe dabei keinesfalls im krassen Missverhältnis zur empfundenen Bedrohungslage. Jedenfalls sei die Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens aufgrund Unbestimmtheit rechtswidrig. Die Beibringungsanordnung müsse aus sich heraus verständlich sein. Vorliegend sei nicht substantiiert dargelegt worden, welche Rückschlüsse der Antragsgegner aus den von ihm herangezogenen Umständen für die Art der persönlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers gezogen habe. Zudem sei es dem Antragsteller überlassen worden, welches Gutachten er beibringe. Der Antragsgegner hätte in der Anordnung jedoch die Art der persönlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers und darauf aufbauend die Fachrichtung des Arztes bezeichnen müssen, welcher den Antragsteller diesbezüglich hätte begutachten können. Vorliegend entspreche der Regelungsmechanismus von §§ 45 Abs. 2, 6 Abs. 2 WaffG, § 45 Abs. 4 WaffG dem Fahrerlaubnisrecht, in welchem die Anforderungen an die Bestimmtheit der Beibringungsanordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 FEV näher bestimmt seien und in welcher ebenfalls die Benennung einer Facharztrichtung erforderlich sei. Da das zuständige Landratsamt wie eine Fahrerlaubnisbehörde aus der Nichtvorlage eines Gutachtens negative Rückschlüsse ziehen dürfe, müsse der Antragsteller seinerseits aus rechtsstaatlichen Gründen in die Lage versetzt werden, zu überprüfen, ob die Anordnung rechtmäßig sei, und ob er sich dem Risiko der Einholung eines Gutachtens aussetzen wolle. Da u.a. die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtswidrig gewesen sei, habe der Antragsgegner aus der Nichtvorlage keine Rückschlüsse zulasten des Antragstellers ziehen dürfen. Da die Voraussetzungen für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis nicht vorlägen, entfielen auch die Rechtsgründe der Nrn. 1 bis 6 des Bescheids.
17
Der Antragsteller beantragt,
die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen den zum Aktenzeichen Nr. 61 Az. 135-3 erlassenen Widerrufsbescheid bzgl. der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers vom 12.05.2021.
18
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
19
Zur Begründung wird im Wesentlichen auf den Inhalt der vorgelegten Waffenakte (Bl. 1 bis 119), insbesondere auf die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen.
20
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Hauptsacheverfahren (M 7 K 21.3245) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
21
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist im Interesse des Antragstellers sachdienlich dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage insbesondere gegen den kraft Gesetzes (vgl. § 45 Abs. 5 WaffG) sofort vollziehbaren Widerruf der Waffenbesitzkarten und des Kleinen Waffenscheins in Nr. 1 des Bescheids vom 12. Mai 2021 anzuordnen und im Hinblick auf die im Bescheid für sofort vollziehbar erklärten Anordnungen in den Nrn. 2 und 3 des Bescheids wiederherzustellen (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO).
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
23
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden beziehungsweise von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
24
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung bzgl. der Nrn. 2 und 3 des Bescheids vom 12. Mai 2021 formell rechtmäßig ist und das (teilweise kraft Gesetzes bestehende) öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
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Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung betreffend die Nrn. 2 und 3 des Bescheids ist formell rechtmäßig. Die von der Behörde vorgebrachte Begründung - an die keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55 m.w.N.) - genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da es sich dabei um eine auf den konkreten Fall abstellende, nicht lediglich formelhafte schriftliche Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts handelt. Es reicht dabei jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55).
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Der Antragsteller hat nach Abwägung seines privaten Interesses mit dem öffentlichen Interesse keinen Anspruch auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse (Nr. 1 des Bescheids) sowie der in den Nrn. 2 und 3 hierzu ergangenen Folgeanordnungen überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
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Nach summarischer Prüfung bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarten und des Kleinen Waffenscheins. Der Bescheid vom 12. Mai 2021 dürfte rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, abzustellen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Klage in der Hauptsache kann daher nicht angenommen werden.
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Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenbesitzkarten nach § 10 Abs. 1 WaffG sowie der Kleine Waffenschein nach § 10 Abs. 4 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Ein solcher Versagungsgrund liegt vor, wenn die erforderliche persönliche Eignung im Sinne von § 6 WaffG fehlt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 WaffG). Nach § 6 WaffG besitzen Personen unter anderem die erforderliche persönliche Eignung nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie aufgrund in der Person liegender Umstände mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren können oder dass die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung besteht (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG). § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG knüpft als maßgeblicher Versagungsgrund für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nicht an die körperliche oder geistige, sondern einheitlich an „die erforderliche persönliche Eignung“ an. Hierunter werden alle diejenigen Fälle zusammengefasst, bei denen eine unverschuldete Unfähigkeit zum sorgfältigen Umgang mit Waffen oder Munition vorliegt, ohne dass es darauf ankäme, ob diese Unfähigkeit körperlich oder geistig bedingt ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2018 - 21 CS 17.1521 - juris Rn. 11).
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Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung nach § 6 Abs. 1 WaffG begründen, so hat die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 2 WaffG der betroffenen Person auf Kosten der betroffenen Person die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben. Näheres hierzu ist in der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung geregelt (vgl. § 6 Abs. 4 WaffG). Nach § 4 Abs. 3 AWaffV teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel oder der die Bedenken begründenden Tatsachen hinsichtlich seiner persönlichen Eignung mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und ein Gutachten beizubringen hat. Der Betroffene hat die Behörde darüber zu unterrichten, wen er mit der Untersuchung beauftragt hat. Die Behörde übersendet zur Durchführung der Untersuchung auf Verlangen des Gutachters bei Vorliegen der Einwilligung des Betroffenen die zur Begutachtung erforderlichen ihr vorliegenden Unterlagen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der zuständigen Behörde das von ihr geforderte Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht bei, darf die Behörde bei ihrer Entscheidung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV auf seine Nichteignung schließen, wenn er in der Beibringungsaufforderung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde. Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2016 - 21 CS 16.1247 - juris Rn. 16).
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Vorliegend dürfte das Landratsamt im Ergebnis zurecht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV auf die Nichteignung des Antragstellers geschlossen haben, da die Voraussetzungen für die Anforderung eines Gutachtens erfüllt sein dürften und der Antragsteller sich trotz entsprechender Aufforderung durch das Landratsamt geweigert hat, das angeforderte Gutachten vorzulegen.
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Der dem Landratsamt bekannt gewordene Vorfall vom 3. Juli 2020 dürfte in der Gesamtschau die Annahme des Vorliegens aufklärungsbedürftiger Bedenken hinsichtlich der charakterlichen Eignung des Antragstellers im Umgang mit Waffen und Munition und damit auch des Bestehens einer konkreten Gefahr der Fremdgefährdung rechtfertigen. Es dürfte sich dabei mithin um solche Tatsachen handeln, die geeignet sind, anlassbezogen Bedenken gegen dessen persönliche Eignung zu begründen. Denn die persönliche Eignung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WaffG fehlt insbesondere auch demjenigen, der gefährliche Situationen provoziert, die er nur durch Einsatz einer mitgeführten Schreckschusspistole zu kontrollieren vermag (vgl. Leitsatz VG Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 30.8.2012 - 6 K 1287/12 - juris).
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So dürfte der Fall hier liegen. Der Antragsteller dürfte durch sein in einer Alltagssituation gezeigtes konfrontatives Verhalten eine (mutmaßlich) gefährliche Situation provoziert haben, die er - nach eigener Ansicht - nur noch durch den Einsatz seiner mitgeführten Schreckschusspistole zu kontrollieren vermochte. Der Antragsteller hat die Auseinandersetzung mit der weiteren Kundin, durch deren Verhalten an der Supermarktkasse er sich gestört fühlte, provoziert. So hat er auf Frage der Kundin, ob er sie in der Kassenschlange vorlasse, nach eigenen Angaben geantwortet, dass „der, der ratschen kann, sich dann auch wieder hinten anstellen kann“ und auf ihren ungläubigen Blick hin gesagt, „sie soll ihn nicht so blöd anschauen und nach hinten gehen“. Da die Kundin nach Angaben des Antragstellers diesem darauf hin gedroht habe, „warte, bis wir draußen sind“ und erkennbar mit ihrem Telefon „hantierte“, musste der Antragsteller jedenfalls damit rechnen, dass es auf dem Parkplatz zu einer Auseinandersetzung mit der Kundin - von der der Antragsteller annehmen konnte, dass sie ihm ohne größeren zeitlichen Abstand folgen würde, da sie lediglich zwei Flaschen Cola zu bezahlen hatte - oder einer von ihr telefonisch verständigten weiteren Person kommen werde. Der Antragsteller bemerkte auch bei Verlassen des Supermarkts, dass er von einem wartenden Mann fixiert wurde. Gleichwohl wartete der Antragsteller nicht etwa im geschützten Kassenbereich ab, was weiter passieren würde, oder wandte sich an das Supermarktpersonal oder andere Kunden, um Hilfe im Falle der ihm angedrohten Eskalation zu erhalten, sondern ging von der im Freien in Aussicht gestellten Fortführung der Auseinandersetzung unbeeindruckt zu seinem Auto. Auch als der Antragsteller auf halbem Weg bemerkte, dass der Mann, den er zur Kundin hinter ihm gehörig erkannt hatte, „wild beleidigend, schnellen Schrittes, die Arme bedrohlich erhoben auf ihn zugestürmt“ kam, suchte er nicht Hilfe bei anderen Kunden auf dem Parkplatz oder versuchte durch Hilferufe auf sich aufmerksam zu machen. Vielmehr ging er schnell zu seinem Auto und nahm gezielt seine Schreckschusspistole aus dem Handschuhfach, um sein Gegenüber einzuschüchtern und konterte nach eigenen Angaben mit einem „jetzt bist Du nicht mehr so stark?“. Durch das gezeigte Verhalten des Antragstellers ist der Eindruck entstanden, dass er sich Dritten gegenüber in Alltagssituationen überzogen konfrontativ verhalten könnte, weil er sich aufgrund der im PKW mitgeführten Waffen im Konfliktfall überlegen wähnt und auch eine gewalttätige Auseinandersetzung daher nicht fürchtet. Unter Heranziehung eines objektiven Dritten aus dem Verkehrskreis des Antragstellers als Vergleichsmaßstab dürfte davon auszugehen sein, dass ein solcher sich in einer derartigen Alltagssituation nicht vergleichbar konfrontativ und von Drohungen unbeeindruckt zeigen würde, wenn er nicht im Besitz einer Waffe wäre. So wäre in einer vergleichbaren Situation zu erwarten, dass der Betroffene angesichts der (empfundenen) Bedrohung zur Verfügung stehende Schutzräume nicht verlässt, Hilfe bei anderen Anwesenden sucht oder sich in seinem Fahrzeug einschließt. Von einem Waffenbesitzer, der in besonderem Maße verpflichtet ist, Zurückhaltung zu üben und zur Deeskalation beizutragen, dürfte mithin angesichts einer vom Streitgegner im Freien in Aussicht gestellten Eskalation der Auseinandersetzung zu erwarten sein, dass er nicht den geschützten Kassenbereich in Richtung Parkplatz verlässt, auf dem ihm aus seiner Sicht keine ausreichenden Verteidigungsmittel mit Ausnahme seiner im PKW bereit gehaltenen Schreckschusspistole zur Verfügung stehen. Wie der Antragsteller zu der Auffassung gelangt, er habe sich trotz des gezielten Einsatzes einer durchgeladenen Schreckschusspistole als Mittel der Einschüchterung deeskalierend verhalten, insbesondere als er zudem seine so erzielte Überlegenheit noch mit den Worten „jetzt bist Du nicht mehr so stark?“ unterstrich, erschließt sich dem Gericht nicht.
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Hiervon ausgehend dürfte es nicht zu beanstanden sein, dass das Landratsamt den Antragsteller nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 WaffG aufgefordert hat, ein amts-, fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis über seine persönliche Eignung vorzulegen. Denn wenn - wie hier - die Gesamtumstände die Annahme rechtfertigen, dass in der Person des Antragstellers Umstände vorliegen, die die Prognose erlauben, dass er nicht sachgemäß mit Waffen und Munition umgehen kann, dürfte es insbesondere auch nicht darauf ankommen, ob der Antragsteller bei dem Vorfall am 3. Juli 2020 seine Waffe missbräuchlich oder noch in Einklang mit der Rechtsordnung, also in Notwehr oder in Wahrnehmung sonstiger Notstandsrechte, genutzt hat (vgl. VG Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 30.8.2012 - 6 K 1287/12 - juris Rn. 51 m.w.N.). Ebenso wenig sind die in den vorgelegten Zeugnissen getroffenen Aussagen zum Verhalten des Antragstellers im beruflichen Umfeld geeignet, die durch das vom Antragsteller eingeräumte Verhalten verursachten Zweifel an seiner persönlichen Eignung zu entkräften.
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Es kann in der Folge hier dahinstehen, ob auch die verbale Auseinandersetzung mit einem anderen Parteimitglied am 18. April 2017, die in der gegenseitigen Anzeige wegen Beleidigung kumulierte, geeignet ist, Bedenken gegen die persönliche Eignung des Antragstellers zu begründen. Es kommt mithin nicht entscheidungserheblich darauf an, ob der Antragsteller u.a. auch die Drohung, „es wird was passieren“, gegen seinen Streitgegner ausgesprochen hat - was er selbst bestreitet.
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Weiterhin dürfte auch davon auszugehen sein, dass die formellen Anforderungen an die Anordnung der Gutachtensvorlage nach § 4 Abs. 3 AWaffV erfüllt sind. Der Einwand der Bevollmächtigte des Antragstellers, es sei dem Kläger überlassen worden, welches Gutachten er beibringt, der Beklagte hätte in der Anordnung jedoch die Art der persönlichen Unzuverlässigkeit des Klägers und darauf aufbauend die Fachrichtung des Arztes bezeichnen müssen, welcher den Kläger diesbezüglich hätte begutachten können, greift nicht durch. Denn jedenfalls mit Schreiben vom 30. März 2021 dürfte die Behörde die Gutachtensaufforderung auf entsprechendes Konkretisierungsverlangen (vgl. Schreiben vom 26. Februar 2021, Bl. 31 der Behördenakte) des bereits im Verwaltungsverfahren Bevollmächtigten des Antragstellers ausreichend konkretisiert haben. Angesichts des ausdrücklich geäußerten Konkretisierungsverlangens hinsichtlich der zu beauftragenden Gutachtergruppe, dem die Behörde vorliegend mit Schreiben vom 30. März 2021 nachgekommen ist, kann es vorliegend auch dahinstehen, ob die Auswahl einer der in § 4 Abs. 1 und 2 AWaffV genannten Gutachtergruppen regelmäßig dem Betroffenen zu überlassen ist oder durch die Behörde zu erfolgen hat (vgl. zur ersten Alternative ausführlich VG Stuttgart, U.v. 28.8.2020 - 5 K 8253/19 - juris Rn. 44 ff.; a.A. VG Göttingen, U.v. 22.7.2020 - 1 A 458/18 - juris Rn. 35 ff.).
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Die nicht fristgerechte Vorlage des Gutachtens hat der Antragsteller auch im Sinne des § 6 Abs. 4 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV zu vertreten. Gründe dafür, dass ihm die nicht erfolgte Vorlage des Gutachtens nicht vorzuwerfen wäre, bestehen nicht. Vielmehr hat der Antragsteller das Gutachten vorliegend bewusst verweigert, da er von der Rechtswidrigkeit der Beibringungsanordnung ausging. Die behördliche Anordnung der Beibringung eines Gutachtens dürfte auch verhältnismäßig gewesen sein. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der erheblichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit, die von einer Waffe in ungeeigneten Händen ausgehen können. Sie dient damit sowohl dem Schutz unbeteiligter Dritter, aber auch dem Schutz des Antragstellers selbst.
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Da der Antragsteller auf die Folgen der nicht fristgerechten Vorlage mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 30. März 2021, hingewiesen worden war und der Antragsteller in der Folge kein Gutachten vorgelegt hat, dürfte das Landratsamt bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids zurecht auf seine Nichteignung zum Umgang mit Waffen geschlossen haben (§ 6 Abs. 4 WaffG i. V. m. § 4 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 AWaffV) und den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse als zwingende gesetzliche Folge auszusprechen gehabt haben (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG).
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Schließlich dürften auch gegen die mit dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse verbundenen notwendigen Anordnungen in Nr. 2 (Verpflichtung zur Überlassung bzw. Unbrauchbarmachung der Waffen und Munition, Androhung der Sicherstellung) und Nr. 3 (Verpflichtung zur Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnisse im Original) des Bescheids vom 12. Mai 2021 keine rechtlichen Bedenken bestehen. Die Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe der Erlaubnisurkunden sicher. Soweit dem Landratsamt dabei Ermessen eingeräumt ist, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich (vgl. zum diesbezüglichen Prüfungsumfang des Gerichts § 114 Satz 1 VwGO). Insbesondere erscheint die jeweils eingeräumte Frist von einem Monat nach Zustellung des Bescheids als angemessen.
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Insbesondere dürfte auch die in Nr. 2 des Bescheids getroffene Regelung rechtmäßig sein, wonach die Verwertung der Schusswaffen einschließlich Munition angedroht wird, falls der Antragsteller seine diesbezüglichen Verpflichtungen nach Nr. 2 des Bescheids nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids erfüllen sollte. Zwar ist die Waffenbehörde gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG erst nach einer erfolgten Sicherstellung und nicht erfolgter Benennung eines empfangsbereiten Berechtigten innerhalb eines Monats danach berechtigt, die sichergestellten Waffen oder Munition einzuziehen und zu verwerten oder zu vernichten und hierfür entsprechende Anordnungen zu erlassen (vgl. zum Fall einer Einziehungsverfügung z.B. VG München, U.v. 10.4.2019 - M 7 K 18.4514 - juris). Für eine bereits mit dem Widerrufsbescheid verbundene Anordnung der Verwertung von Waffen und Munition würde es mithin an einer Rechtsgrundlage fehlen, da eine solche Entscheidung, die im Ermessen der Behörde liegt, erst getroffen werden kann, nachdem eine Sicherstellung angedroht bzw. angeordnet wurde, diese durchgeführt wurde und im Anschluss die Frist des § 46 Abs. 5 Satz 1 WaffG ergebnislos verstrichen ist (vgl. auch Adolph in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand: Februar 2021, § 46 WaffG Rn. 64). Ausweislich der Bescheidsbegründung dürfte es sich vorliegend jedoch nicht bereits um eine entsprechende Anordnung der Verwertung von Waffen und Munition, sondern lediglich um eine entsprechende Androhung solcher Maßnahmen. So führt die Behörde in der Begründung aus, dass die weitere Möglichkeit der behördlichen Einziehung und Verwertung bzw. Vernichtung besteht, falls nach der Sicherstellung kein empfangsbereiter Berechtigter benannt wird (vgl. S. 14 des Bescheids vom 17. Mai 2021). Damit macht sie aber deutlich, dass die Regelung in Nr. 2 des Bescheids dahingehend zu verstehen ist, dass die Verwertung - ebenso wie die Sicherstellung - der Waffen und Munition erst noch angeordnet werden wird, sollte der Antragsteller seiner Verpflichtung aus Nr. 2 des Bescheids tatsächlich nicht nachkommen.
40
Im Übrigen würde selbst bei offenen Erfolgsaussichten der Klage bei einer reinen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Verfügungen das Interesse des Antragstellers überwiegen.
41
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung - hier bzgl. Nr. 1 - unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung - hier bzgl. Nrn. 2 und 3 - stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nrn. 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte - neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 - juris Rn. 21 f.).
42
Im Hinblick auf Nr. 1 des Bescheids (Widerruf der Waffenbesitzkarten und des Kleinen Waffenscheins) intendiert die gesetzliche Wertung des § 45 Abs. 5 WaffG bereits ein überwiegendes Vollzugsinteresse. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges legitimes Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-)Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2018 - 21 CS 17.2459 - juris Rn. 29 unter Verweis auf BT-Drs. 16/7717, S. 33). Dies kommt hier aber nicht in Betracht. Der Antragsteller hat bezüglich des Widerrufs der Waffenbesitzkarten keine durchgreifenden Gründe vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Der im streitgegenständlichen Bescheid des Landratsamts verfügte Widerruf dient dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen sowie Munition und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das private Interesse des Antragstellers zurückzustehen, zumal insoweit ohnehin kein besonderes, einen vergleichbaren Fall übersteigendes Interesse vorgetragen wurde.
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Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) besteht aus Gründen der Gefahrenabwehr regelmäßig auch für die mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen in Nr. 2 und 3 des Bescheids. Denn diese Folgeentscheidungen stellen sicher, dass der kraft Gesetzes (§ 45 Abs. 5 WaffG) sofort vollziehbare Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis (vgl. insoweit BayVGH, B.v. 4.3.2016 - 21 CS 15.2718 - juris Rn. 17) tatsächlich umgesetzt wird.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG - i.V.m. Nr. 1.5 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach sind für die Waffenbesitzkarten einschließlich einer Waffe ein Betrag von 5.000,- Euro zzgl. 750,- Euro je weiterer Waffe (hier: 4 weitere Waffen) anzusetzen. Für den Widerruf eines Kleinen Waffenscheins wird der Auffangwert von 5.000,- Euro angesetzt (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 - 21 CS 17.1519 - juris Rn. 25). Daraus errechnet sich für das Hauptsacheverfahren ein Gesamtstreitwert von 13.000,- Euro, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wird.