Titel:
Erfolglose Klage gegen den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse
Normenkette:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Bestimmte Wesensmerkmale einer Person können die Befürchtung eines missbräuchlichen oder leichtfertigen Umgangs iSd § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WaffG begründen, so wenn der Inhaber der waffenrechtlichen Erlaubnis leicht reizbar ist, unbeherrscht auf Provokationen reagiert, in der Vergangenheit in Stresssituationen unangemessen reagiert hat oder er in Konfliktsituationen ein mangelndes Potenzial für gewaltfreie Konfliktlösungen gezeigt hat. Auch wenn keine strafrechtliche Verurteilung des Inhabers der waffenrechtlichen Erlaubnis erfolgt ist, so kann die mehrmalige Auffälligkeit in Ermittlungsverfahren den Schluss auf eine aggressive Grundeinstellung und ein mangelndes Konfliktvermeidungspotenzial rechtfertigen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Amtliche Schilderungen und Bewertungen dürfen im Wege des Urkundsbeweises von der Behörde beim Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis verwertet werden; eine Beurteilung sicherheitsrechtlicher Sachverhalte anhand polizeilicher Feststellungen kann das Ergebnis einer nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Beweiswürdigung sein. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen ist kein weniger strenger Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf von Waffenbesitzkarten, Widerruf des Kleinen, Waffenscheins, Waffenbesitzverbot bzgl. erlaubnisfreier Waffen, Familienstreitigkeiten, Gewaltandrohung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22923
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse - Waffenbesitzkarten und Kleiner Waffenschein - und die hierzu ergangenen Folgeanordnungen sowie die Erteilung eines Besitz- und Erwerbsverbots für erlaubnisfreie Waffen und Munition mit Bescheid des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) vom 7. Juni 2021.
2
Das Landratsamt forderte den Kläger mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 auf, durch Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Gutachtens aufgrund einer möglicherweise bestehenden - im Rahmen von Familienstreitigkeiten angeblich häufiger geäußerten Suiziddrohungen - Suizidgefährdung des Klägers bestehende Bedenken hinsichtlich dessen persönlicher Eignung zum Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis auszuräumen. Der Kläger hat in der Folge ein Gutachten des Herrn Dr. S. (Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und forensische Psychiatrie) vom 11. April 2019 sowie eine klarstellende Äußerung des Herrn Dr. S. vom 27. Mai 2019 bezüglich seiner persönlichen Eignung vorgelegt. Das Landratsamt sah damit die Bedenken hinsichtlich § 6 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 WaffG ausgeräumt.
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Gemäß Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion D. … vom 26. Februar 2021 sei es am 5. Februar 2021 gegen 19 Uhr zu einer zunächst verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau gekommen, in deren Verlauf die Ehefrau zu Boden gestoßen und anschließend mit dem Tode bedroht worden sei. Die Ehefrau des Klägers ließ sich dahingehend ein, dass ihr Mann ihr während einer verbalen Streitigkeit zuerst ein Glas Wasser ins Gesicht geschüttet habe. Daraufhin sei die Situation dann noch mehr eskaliert und er habe ihr das Handy aus der Hand gerissen, sie zu Boden geschubst und ihr verbal gedroht, sie in den Keller zu bringen und sie dort umzubringen. Sie habe angefangen, lautstark um Hilfe zu schreien. Dies habe dann wohl der Sohn gehört, denn er habe die große Schwester angerufen und um Hilfe gebeten. Im Gespräch mit der Tochter habe der Kläger dann zugegeben, der Mutter gedroht zu haben. Nach Einlassung des Klägers habe der Streit begonnen, nachdem seine Frau verspätet nach Hause gekommen sei. Er habe bereits vermutet, dass sie eine Beziehung neben der Ehe geführt habe und habe dies bestätigt gesehen, nachdem er die Uhrzeit auf dem Kassenzettel des Einkaufs abgelesen und die aktuelle Uhrzeit wahrgenommen habe. Mit der zeitlichen Differenz konfrontiert habe seine Ehefrau plötzlich angefangen, um Hilfe zu schreien und auf ihn loszugehen. In seiner Hilflosigkeit sei er die Treppe hoch ins Zimmer seines Sohnes gegangen. Sie sei ihm hinterher gekommen und habe ihn angeschrien, er solle sofort wieder runter gehen. Er habe ihr gesagt, er wolle nicht fahren, ohne die Sache geklärt zu haben. Er habe eine Tasse mit Wasser gefüllt. Sie habe sich neben ihn gestellt und ihn bedroht und ihm gesagt, sie würde ihn umbringen. Er habe dasselbe zu ihr gesagt. Sie habe die Bedrohung wiederholt, woraufhin er ihr das Wasser ins Gesicht gespritzt habe. Sie sei dann auf ihn losgegangen. Immer wieder habe sie dabei um Hilfe geschrien. Er habe sie an den Armen festgehalten, sie habe versucht sich loszureißen. Er habe losgelassen und sie sei hingefallen. Sie sei dann zum Sohn ins Zimmer und während er sich weiter ums Essen gekümmert habe, sei die Tochter heim gekommen. Erstmalig wegen Familienstreitigkeiten polizeilich in Erscheinung getreten sei die Familie am 17. Dezember 2018. Die Eltern seien aufgrund der bevorstehenden Trennung lautstark in Streit geraten, sodass die Tochter A. bekommen habe, zu den Nachbarn geflüchtet sei und von dort die Polizei gerufen habe. Es sei angegeben worden, dass es seit Monaten Streit geben würde und der Kläger durch sein aggressives Verhalten auffällig und polizeilich in Erscheinung getreten sei. Nach diesem 2018 polizeilich aufgenommenen Familienstreit sei es zum Rosenkrieg in der Familie gekommen, in welchem beidseitig ein nicht unerheblicher Belastungseifer an den Tag gelegt worden sei, was näher ausgeführt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Ermittlungsberichts (Bl. 240 bis 249 der Behördenakte) Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 10. Februar 2021 teilte das Landratsamt dem Kläger mit, dass aufgrund des Vorfalls am 5. Februar 2021, den die Ehefrau des Klägers zur Anzeige gebracht habe, beabsichtigt sei, die Waffenbesitzkarten und den Kleinen Waffenschein des Klägers zu widerrufen und dem Kläger den Besitz von Waffen und Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, zu untersagen. Es wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
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Am 16. Februar 2021 erließ das Amtsgericht E. … im Wege der einstweiligen Anordnung eine bis zum 16. August 2021 befristete Schutzanordnung nach § 1 Gewaltschutzgesetz gegen den Kläger. Ein wegen des Vorfalls am 5. Februar 2021 eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger - … … … * wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Mit Bescheid vom 7. Juni 2021, dem Kläger zugestellt am 10. Juni 2021, widerrief das Landratsamt die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers - Standard-Waffenbesitzkarte Nr. …, Sportschützen-Waffenbesitzkarte 22/2016, Kleiner Waffenschein Nr. … - (Nr. 1) und untersagte dem Kläger unbefristet ab Zustellung des Bescheids den Erwerb und Besitz von Waffen und Munition (auch tragbare Gegenstände), deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedürfe (Nr. 2). Der Kläger wurde verpflichtet, hinsichtlich der Schusswaffen und Munition aus seinem Eigentum, welche sich derzeit im Landratsamt befänden, innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des Bescheids, das Überlassen an Berechtigte oder die Unbrauchbarmachung zu veranlassen und dem Landratsamt entsprechend nachzuweisen; es werde darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass der Kläger dieser Verpflichtung nicht fristgemäß nachkomme, die Schusswaffen und Munition durch das Landratsamt eingezogen würden (Nr. 3). Für Nr. 2 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet (Nr. 4). Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nr. 5) und eine Gebühr i.H.v. 353,66 Euro sowie Auslagen i.H.v. 8,66 Euro festgesetzt (Nr. 6).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage der Anordnung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse sei § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach sei eine waffenrechtliche Erlaubnis zwingend zu widerrufen, ohne dass der Behörde Ermessen eingeräumt wäre, wenn nachträglich Tatsachen einträten, die zur Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen. Einen solchen Versagungsgrund normiere § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, wonach die Erlaubnis voraussetze, dass der Antragsteller u.a. die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG besitze. Die erforderliche Zuverlässigkeit besäßen Person nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie künftig Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden würden. Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger Waffen oder Munition missbräuchlich verwenden könnte, ergäben sich zum einen aus der Tatsache, dass er seit 1996 regelmäßig strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Wie anhand der Auskunft aus dem Verfahrensregister sowie der Erkenntnismitteilung der Kriminalpolizeiinspektion E. … ersichtlich sei, sei der Kläger mit verschiedenen Tatvorwürfen konfrontiert gewesen. Dass es hierbei zuletzt zu keiner Verurteilung des Klägers gekommen sei, stehe der Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nicht entgegen. Auch wenn eine Verurteilung ausgeblieben sei, sei die Generalklausel des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht ausgeschlossen. Eine negative Verhaltensprognose bleibe auch unabhängig hiervon möglich. Insbesondere könne eine mehrmalige Auffälligkeit in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren den Schluss auf eine aggressive Grundeinstellung und ein mangelndes Konfliktvermeidungspotenzial rechtfertigen. In diesen Fällen müsse davon ausgegangen werden, dass sich die in der Person des Klägers liegenden Persönlichkeitsmerkmale gleichermaßen auf den Umgang mit Waffen auswirke. Zudem könne das strafrechtliche Verfahren gegen den Kläger wegen Bedrohung in die anzustellende Gefahrenprognose einbezogen werden, auch wenn auf den Privatklageweg verwiesen worden sei. Die Tatvorwürfe, mit denen der Kläger in der Vergangenheit konfrontiert worden sei, ließen befürchten, dass er zu gewalttätigen Konfliktlösungen neige und bereit sei, seine eigenen Interessen notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Auch der Umstand, dass es zuletzt zu keiner Verurteilung des Klägers gekommen sei, könne diese Befürchtungen nicht zerstreuen. Bestärkt werde sie vielmehr durch die Bedrohung der Ehefrau des Klägers, welche durch den Kläger auch im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung bestätigt worden sei. Durch die Tatsache, dass es in der Vergangenheit bereits mehrfach zu Familienstreitigkeiten gekommen sei, welche im Polizeieinsatz geendet hätten, könne es für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden, dass es erneut zu ähnlichen Situationen kommen und der Kläger dabei möglicherweise zur Waffe greifen könnte. Dieses Restrisiko müsse vor dem Hintergrund des mit dem Waffengesetz intendierten Schutzes von Leben und körperlicher Unversehrtheit nicht hingenommen werden. Angesichts der Gefährlichkeit, die mit dem Umgang mit Waffen verbunden sei, sei der Staat aufgrund seiner Schutzpflicht gehalten, die Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern zu beschützen. Schon allein die Aussage gegenüber seiner Frau, sie umzubringen, lasse erkennen, dass der Kläger in Konflikt- oder Stresssituationen nicht so besonnen reagiere, wie es von einem Waffenbesitzer zu jeder Zeit und in jeder Situation erwartet werden müsse. Dabei sei es unerheblich, ob seine Frau ihn zuerst mit dem Tod bedroht habe. Bei einer Person, die unfähig sei, in Konfliktsituationen angemessen zu reagieren oder bis hin zur Gewaltanwendung neige, bestünde die ernste Besorgnis einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen. Das aktenkundig gewordene Verhalten des Klägers zeige eine Neigung zur Aggressivität und weise auf eine leichte Reizbarkeit sowie mangelnde Impulskontrolle hin, sodass dies die Prognose rechtfertige, dass sich ein derartiges Verhalten auch im Umgang mit Waffen oder Munition niederschlagen könnte. Insbesondere sei seitens des Klägers auch kein Problembewusstsein erkennbar. Vielmehr werde die zugegebene Bedrohung mit der Situation gerechtfertigt. Dass statt dieser Eskalation vielmehr eine Deeskalation notwendig gewesen wäre, sei nicht erkannt worden. Daher bestehe die begründete Vermutung, dass auch eine missbräuchliche Verwendung von Waffen (erlaubnispflichtig oder erlaubnisfreie) nicht ausgeschlossen sei, wenn die Provokation „ausreiche“. In Bezug auf die Person des Klägers könne aufgrund der dargelegten Gründe keine positive Zukunftsprognose abgegeben werden. Rechtsgrundlage für die Anordnung des Waffenbesitzverbots für erlaubnisfreie Waffen und Munition sei § 41 Abs. 1 WaffG. Der Kläger sei, wie ausgeführt, nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG nicht im Besitz der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Daher besitze er auch für den Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien Schusswaffen und Munition (auch tragbare Gegenstände) nicht die erforderliche Zuverlässigkeit. Von Seiten des Landratsamts könne ohne den Erlass eines Waffenbesitzverbots nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger wieder in Besitz der sichergestellten erlaubnisfreien Gegenstände gelangen wolle und dadurch in Zukunft Dritte durch den Gebrauch von erlaubnisfreien Waffen und Munition schädigen werde. Aufgrund der Unzuverlässigkeit des Klägers, welche sich auf eine negative Zukunftsprognose stütze, sei es erforderlich, dem Kläger unter Anwendung des pflichtgemäßen Ermessens, den Erwerb und Besitz solcher Gegenstände zu untersagen. Das Waffenbesitzverbot sei geeignet, die Erreichung der Ziele des Waffenrechts sicherzustellen. Dabei gelte es, die Gefährdung der Öffentlichkeit bzw. Dritter zu verhindern, indem der Kläger keinen Zugang mehr zu erlaubnisfreien Schusswaffen, erlaubnisfreier Munition und tragbaren Gegenständen im Sinne von § 1 Abs. 2 WaffG erhalte bzw. diese sich in seinem Besitz befänden. Das bisher gezeigte Verhalten des Klägers zeige, dass er die nötige Gewähr hierfür nicht biete. Wenn schon im Hinblick auf erlaubnispflichtige Waffen und Munition nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger diese in Zukunft missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde, könne dies auch für erlaubnisfreie Gegenstände, welche ohne den Erlass eines Waffenbesitzverbots in seinem Besitz verbleiben dürften, nicht ausgeschlossen werden. Eine positive Zukunftsprognose könne daher auch in Bezug auf erlaubnisfreie Waffen nicht gesehen werden. Für die Prognose sei keine Prüfung erforderlich, dass die Annahme einer missbräuchlichen Waffenverwendung gerechtfertigt sei. Ebenso wenig bedürfe es einer zusätzlichen individuellen Persönlichkeitsbeurteilung der Person des Klägers in Bezug auf erlaubnisfreie Waffen. Im Hinblick auf den Zweck des Waffengesetzes, den Umgang mit Waffen und Munition zu begrenzen, um die naturgemäß aus dem Gebrauch von Waffen resultierenden erheblichen Gefahren einzugrenzen und überwachen zu können, sei das strafbewehrte Besitz- und Erwerbsverbot ein geeignetes Mittel der Gefahrenabwehr. Es sei außerdem erforderlich, denn ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet wäre, Gefahren zu begegnen, die auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition im Besitz des Klägers ausgingen, sei nicht ersichtlich. Die bereits dargelegten Gründe gäben außerdem Anlass zur Vermutung, dass der Kläger das Vertrauen, das der Gesetzgeber in den durchschnittlichen Volljährigen setze, bei dem er hinsichtlich der erlaubnisfreien Waffen auf eine Überprüfung bestimmter persönlicher Voraussetzungen verzichte, nicht erfülle. Die Annahme, dass der zukünftige Umgang mit Waffen und Munition nicht zu verantworten sei, sei deshalb auch im Hinblick auf die fehlende Zuverlässigkeit gerechtfertigt. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, bei erlaubnisfreien Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen. Letztlich sei das Waffenbesitzverbot zum Schutz der Öffentlichkeit oder Dritter auch angemessen. Hinter dieses Interesse müssten die Rechtspositionen des Klägers im Rahmen der Abwägung zurücktreten. Die Anordnung in Nr. 3 des Bescheids, die Schusswaffen und Munition an einen Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar machen zu lassen, beruhe auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit von Nr. 2 des Bescheids stütze sich auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Die Kostenentscheidung beruhe auf den einschlägigen - im einzelnen ausgeführten - Vorschriften des Kostenrechts.
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Gegen diesen Bescheid hat der Klägerbevollmächtigte am 28. Juni 2021 Klage erhoben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die Behörde könne nicht darlegen, inwieweit die fehlende Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG vorliegen solle, nachdem keine der hier angegebenen Katalogstraftaten verwirklicht worden sei. Die Behörde selbst habe das sehr ausführliche und aussagekräftige Gutachten des Sachverständigen Dr. S. eingeholt, der ausdrücklich zu dem Ergebnis komme, dass die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG vorliege. Dass es bei einer anstehenden Rosenkrieg-Ehescheidung in manchen Familien „drunter und drüber“ gehe, sei kein Geheimnis und rechtlich insoweit ohne Bedeutung. Dafür, hier die bestrittenen Aussagen der Ehefrau und der Tochter - kollusives Zusammenwirken könne nicht ausgeschlossen werden - der bestreitenden Aussage des Klägers gegenüber zu bevorzugen und als sachlich richtig zugrunde zu legen, bestehe kein sachlicher Anlass. Jedenfalls seien anhängige Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO oder nach § 154 StPO eingestellt worden, sodass es an einer der Katalogstraftaten des § 5 WaffG fehle. Die getroffene Prognose bestehe nicht auf der Grundlage von Tatsachen, sondern sich widerstreitenden Behauptungen mit Ehefrau und Tochter im Rahmen einer streitigen familiären Auseinandersetzung. Dass, wenn sich Ehepaare heftig stritten, geschrien werde, „ich bring dich um“, sei nichts Besonderes und nicht ernst zu nehmen. Hätte dahinter ein tatsächliches Aggressionspotenzial, wie nicht, gesteckt, dann hätte Dr. S. dies sicherlich feststellen können. Die weiteren Ausführungen auf Seiten 6 und 7 des Bescheids ließen jeden konkreten Bezug zum Thema vermissen, insbesondere, wie denn die objektiv bewiesenen Tatsachen festgestellt worden sein sollten. Die Tatsache, dass der Kläger im Jahr 2000, also vor über 20 Jahren, eine Haftstrafe verbüßt habe, sei „Schnee von gestern“. Nicht ohne Grund erhalte bei der Berücksichtigung von Vorstrafen § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG eine Verwirkungsfrist von 10 Jahren, ebenso § 5 Abs. 2 WaffG von 5 Jahren bzw. 10 Jahren. Eine Zwanzigjahresfrist sehe das Gesetz ausdrücklich nicht vor und sei deswegen unbeachtlich. Außerdem gelte auch im deutschen Verwaltungsrecht die Unschuldsvermutung, d.h., dass jeder Bürger, der nicht rechtskräftig verurteilt worden sei, als Unschuldiger zu behandeln sei. So habe die Behörde ausschließlich die widerstreitende Aussage der Ehefrau zugrunde gelegt und dies dann zu „festgestellten Tatsachen“ erklärt. Dass der Kläger seit 1996 regelmäßig strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, sei falsch. Es habe verschiedene Eintragungen gegeben, die als solche nichts bedeuteten und zu keiner rechtskräftigen Verurteilung geführt hätten. Wäre die nicht tragfähige und unzuverlässige Tatsachenermittlung der Behörde zutreffend, so könnte im Ergebnis jede Ehefrau im Rahmen einer streitigen Ehescheidung durch einseitig erhobene Beschuldigungen dem Ehemann die Waffenbesitzkarte nehmen. Soweit das Landratsamt laut seinen Ausführungen für die Zukunft nicht ausschließen könne, dass es erneut zu ähnlichen Situation komme und der Kläger dann möglicherweise zur Waffe greife, sei genau dies aber der grobe und große Fehler des Bescheids. Dass Eheleute sich heftig stritten, sei das eine, dass die Polizei komme, nicht ungewöhnlich. Das heiße aber noch längst nicht, dass der Kläger „zur Waffe greife“. Hier bestünde der absolute Kausalitätsbruch, an dem der gesamte Bescheid leide. Jemand, der heftig mit der Ehefrau streite, sei deswegen waffenrechtlich noch nicht unzuverlässig. Polizeiliche Eintragungen, die letztlich zu keiner Verurteilung geführt hätten, seien waffenrechtlich ohne Bedeutung. Es gelte hier die Unschuldsvermutung.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
Der Bescheid des Landratsamts E. vom 07.06.2021, zugestellt am 10.06.2021, Az. …, wird aufgehoben.
Hilfsweise wird der Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wird ergänzend zu den Bescheidsgründen im Wesentlichen ausgeführt, dass die Unzuverlässigkeit des Klägers auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG, nicht aber auf die in § 5 WaffG genannten Katalogstraftaten gestützt werde. Danach sei es nicht erforderlich, dass eine strafrechtliche Verurteilung vorliege. Insofern sei auch das Gutachten des Herrn Dr. S. irrelevant, da dieses lediglich die damals bestehenden Bedenken hinsichtlich der persönlichen Eignung nach § 6 WaffG ausgeräumt habe. Eine Aussage hinsichtlich der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG lasse sich aus dem Gutachten nicht ableiten. In Bezug auf den Vorfall vom 5. Februar 2021 sei im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom Kläger selbst bestätigt worden, die Worte „ich bringe dich um“ gegenüber seiner Ehefrau ausgesprochen zu haben. Die diesbezüglichen Aussagen der Eheleute unterschieden sich vor allem darin, wer die vorgenannten Worte zuerst gesagt habe. Dies sei hierbei jedoch irrelevant. Von Bedeutung für die Bewertung der Zuverlässigkeit sei lediglich die Tatsache gewesen, dass die Aussage getroffen worden sei. Dies sei vom Kläger zu keiner Zeit bestritten worden. Dass es laut Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zu Aussagen wie „ich bring dich um“ häufig komme, wenn Ehepaare heftig stritten, und dies daher nicht ernst zu nehmen sei, könne nicht pauschaliert werden. Gerade von Waffenbesitzern sei eine angemessene Reaktion in Konflikt- oder Stresssituation zu erwarten. Auch in diesem Rahmen habe das Gutachten des Herrn Dr. S. keine Bedeutung, da es sich dabei nicht um eine Beurteilung der Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG handele. Von Seiten des Landratsamts seien alle bekannten Erkenntnisse, welche im Rahmen der Prüfung der Zuverlässigkeit übermittelt worden seien, in der Gesamtschau aufgeführt. Danach sei der Kläger regelmäßig strafrechtlich in Erscheinung getreten. Letztlich sei dabei auch aufgeführt, dass aus den Erkenntnissen keine strafrechtliche Verurteilung resultiert habe. Es seien keine anderen Entscheidungen in Bezug auf die strafrechtlichen Verfahren getroffen worden, weshalb auch der Verweis auf die Unschuldsvermutung irrelevant erscheine.
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Der Klägerbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2022 die Klage hilfsweise um einen Verbescheidungsantrag erweitert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist in ihrem zulässigen Hauptantrag unbegründet, im Hilfsantrag bereits unzulässig.
16
Der in Nr. 1 des Bescheids angeordnete Widerruf der Waffenbesitzkarten sowie des Kleinen Waffenscheins gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG ist rechtmäßig. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, abzustellen.
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Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenbesitzkarten nach § 10 Abs. 1 WaffG sowie der Kleine Waffenschein nach § 10 Abs. 4 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt.
18
Der Kläger verfügt nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG. Das Gericht folgt diesbezüglich den zutreffenden Ausführungen des Landratsamts im streitgegenständlichen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend wird lediglich ausgeführt:
19
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden. Die bei Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG vorzunehmende, gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose hat sich an dem Zweck zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2016 - 21 ZB 15.648 - juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 16.9.2008 - 21 ZB 08.655 - juris Rn. 7). Angesichts des möglichen Schadens bei Nichtbewährung und des präventiven ordnungsrechtlichen Charakters der Forderung nach einer besonderen Zuverlässigkeit im Umgang mit Waffen und Munition genügt es, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine nicht ordnungsgemäße Ausübung des erlaubnispflichtigen Umgangs mit Waffen und Munition verbleibt (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2015 - 21 CS 15.2130 - juris Rn. 22; B.v. 22.12.2014 - 21 ZB 14.1512 - juris Rn. 12). Dabei muss ein Restrisiko nicht hingenommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2014 - 21 CS 14.916 - juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 13.5.2014 - 21 CS 14.720 - juris Rn. 9). Der Maßstab für die gerichtlich uneingeschränkt überprüfbare Prognose ist diesbezüglich der gleiche wie bei § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Es wird daher in Anbetracht von Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG und der erheblichen Gefahren, die von Waffen oder Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, nicht der Nachweis verlangt, der Betroffene werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden, sondern es genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Einschätzung (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 - 6 C 1/14 - juris Rn. 9). Erforderlich sind daher konkrete Tatsachen, die den nachvollziehbaren und plausiblen Schluss rechtfertigen, dass der Erlaubnisinhaber in Zukunft mit Waffen in einer vom Waffengesetz nicht geduldeten Form umgehen wird (vgl. VG Würzburg, U.v. 22.1.2021 - W 9 K 19.1131 - juris Rn. 27).
20
Dabei können bestimmte Wesensmerkmale einer Person die Befürchtung eines missbräuchlichen oder leichtfertigen Umgangs i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG begründen. So, wenn der Antragsteller leicht reizbar ist, unbeherrscht auf Provokationen reagiert, in der Vergangenheit in Stresssituationen unangemessen reagiert hat oder er in Konfliktsituationen ein mangelndes Potenzial für gewaltfreie Konfliktlösungen gezeigt hat. Derartige Persönlichkeitszüge können in vielfältiger Weise zutage treten und müssen keinesfalls in waffenrechtlich spezifischer Weise aufgetreten sein, um für eine Prognose im Rahmen des § 5 herangezogen werden zu können. Solche Charaktereigenschaften treten häufig im Straßenverkehr auf, können sich aber ebenso gut in Beziehungs- oder Nachbarstreitigkeiten offenbaren (vgl. Gade, WaffG, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 10 m.w.N.). Auch wenn keine Verurteilung des Antragstellers erfolgt ist, so kann zumindest die mehrmalige Auffälligkeit in Ermittlungsverfahren den Schluss auf eine aggressive Grundeinstellung und ein mangelndes Konfliktvermeidungspotenzial rechtfertigen. In diesen Fällen muss davon ausgegangen werden, dass sich die in der Person des Antragstellers liegenden Persönlichkeitsmerkmale gleichermaßen auf den Umgang mit Waffen auswirken (vgl. Gade, WaffG, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 11 m.w.N.).
21
Ausgehend hiervon hat das Landratsamt fehlerfrei und auf zutreffend ermittelter Tatsachengrundlage prognostiziert, dass im Rahmen der bestehenden innerfamiliären Konfliktsituation zu befürchten ist, dass der Kläger nicht die erforderliche Gewähr dafür bietet, dass er Waffen oder Munition nicht missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird. Durch sein Verhalten im Rahmen der Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau am 5. Februar 2021 hat der Kläger - selbst bei Wahrunterstellung seiner Einlassung - gezeigt, dass er in familienbezogenen Stress- bzw. Konfliktsituationen unangemessen reagiert und sich sogar dazu provozieren lässt, seine Ehefrau mit dem Tod zu bedrohen. Die leichte Reizbarkeit des Klägers in Bezug auf seine Ehefrau spricht gerade vor dem Hintergrund, dass das Gutachten des Herrn Dr. S. vom 11. April 2019 dem Kläger eine „sehr weit unterdurchschnittliche“ reaktive Aggressivität bescheinigt, dafür, dass der Kläger sich in Bezug auf Auseinandersetzungen mit seiner Ehefrau in einer derart emotionalen Überforderungssituation befindet, dass er in besonders hohem Maße nicht mehr im Stande ist, Zurückhaltung zu üben und zur Deeskalation beizutragen, wozu er jedoch als Waffenbesitzer in besonderem Maße verpflichtet ist.
22
Das Landratsamt durfte dabei auch von der Richtigkeit der polizeilichen Feststellungen ausgehen. Amtliche Schilderungen und Bewertungen, wie sie vorliegend von der zuständigen Polizeidienststelle abgegeben wurde, dürfen im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden; eine Beurteilung sicherheitsrechtlicher Sachverhalte anhand polizeilicher Feststellungen kann das Ergebnis einer nicht zu beanstandenden behördlichen oder richterlichen Beweiswürdigung sein (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2016 - 22 CS 15.2643 - juris Rn 10 m.w.N.). Dies schließt es zwar nicht aus, dass gegen die polizeiliche Sachverhaltsschilderung und Beurteilung erhobene substantiierte Einwände von der Polizei widerlegt werden müssen oder ggf. der weiteren Klärung durch die Behörde oder das Gericht bedürfen (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2016 - 22 CS 15.2643 - juris Rn 10 m.w.N.). Solche wurden jedoch vom Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Insbesondere wird im polizeilichen Ermittlungsbericht der PI D. … zum Vorfall am 5. Februar 2021 auch die Einlassung des Klägers umfassend dargestellt. Das Landratsamt hat in der Folge auch die vom Kläger geschilderte Version der Ereignisse berücksichtigt und zutreffend festgestellt, dass der Kläger selbst eingeräumt hat, seiner Frau im Rahmen des Streits mit dem Tod gedroht zu haben.
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Es lagen mithin im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung tatsachengestützte Anhaltspunkte für die Prognose vor, dass es weiterhin zu zugespitzten familiären Konfliktsituationen kommen kann, bei denen der Kläger nicht in der Lage sein wird, sich frei von unkontrollierten Aggressionen zu verhalten, sodass wegen der fehlenden Kontrolle über die Aggressionen und damit über die Steuerung seines Verhaltens die Gefahr des Missbrauchs von Waffen zu besorgen ist. Wegen der nach dem Zweck des Gesetzes (§ 1 Abs. 1 WaffG) anzustellenden ordnungsrechtlichen Betrachtungsweise kommt es dabei nicht darauf an, inwieweit ein entsprechendes Verhalten des Klägers von dessen Ehefrau provoziert wäre (vgl. VG Ansbach, B.v. 25.4.2006 - AN 15 S 06.00853 - juris Rn. 37).
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In diesem Zusammenhang wird - ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme - noch auf das „P.S.“ des Gutachtens von Herrn Dr. S. hingewiesen, wonach es sich nur empfehle, dass die Aushändigung der Waffen wieder erfolge, wenn die aktuelle Ehekrise, die offensichtlich auf Kulmination zutreibe, in ruhigeres Fahrwasser geraten sei. Das heiße, wenn sich beide Parteien entweder friedlich, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, getrennt hätten oder man sich doch auf die eine oder andere Weise wieder zusammengerauft hätte (vgl. S. 50 des Gutachtens vom 11. April 2021).
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Die Waffenbesitzkarten sowie der Kleine Waffenschein des Klägers waren danach zwingend zu widerrufen, § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG.
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Des Weiteren sind auch gegen die mit dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse verbundene notwendige Anordnung in Nr. 3 des Bescheids rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich. Diese wurde rechtlich zutreffend auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG gestützt.
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Auch das in Nr. 2 angeordnete Verbot bzgl. Besitz und Erwerb erlaubnisfreier Waffen und Munition gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG ist rechtmäßig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist diesbezüglich, da es sich um ein dauerhaftes Verbot (Dauerverwaltungsakt) handelt, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition u.a. dann untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt.
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Mit dieser allgemeinen Bezugnahme auf die Zuverlässigkeit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass alle in § 5 WaffG genannten Fälle herangezogen werden können, ohne weitere Differenzierungen oder Einschränkungen machen zu müssen, um ein Waffenbesitzverbot nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG aussprechen zu können. Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/7758, S. 76) lässt keine andere Interpretation zu. Diese Begründung zu § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG lautet: „Nummer 2 stellt nicht primär auf die Gefahrenlage ab. Hier geht es vielmehr darum, dass es einzelne Personen gibt, die durch ihr konkretes Verhalten ex negativo bewiesen haben, dass sie das Vertrauen, das der Gesetzgeber in den durchschnittlichen Volljährigen setzt, bei dem er hinsichtlich der erlaubnisfreien Waffen auf die Überprüfung bestimmter persönlicher Voraussetzungen (hier: persönliche Eignung und Zuverlässigkeit) verzichtet, nicht verdienen. In diesen Fällen ist ein Waffenverbot für den Einzelfall zulässig, wenn eine auf Tatsachen gestützte Annahme fehlender Eignung oder Zuverlässigkeit besteht (…).“ Mit der Neufassung dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber keine zusätzliche Prüfung verlangen, die zur Annahme einer missbräuchlichen Waffenverwendung berechtigt, wie dies in § 40 WaffG a.F. noch gefordert worden war (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2006 - 21 ZB 06.428 - juris Rn. 5 ff.). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2007 - 21 CS 07.1446 - juris Rn. 10; vgl. auch B.v. 19.3.2010 - 21 CS 10.59 - juris Rn. 7 ff.).
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Der Kläger verfügt - wie ausgeführt - nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Auch sind hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich hinsichtlich der familiären Situation inzwischen eine grundlegende Veränderung ergeben hätte, weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere kann vorliegend angesichts der seit dem streitgegenständlichen Vorfall vergangenen relativ kurzen Zeitspanne - der streitgegenständliche Vorfall am 5. Februar 2021 liegt im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gerade ein Jahr zurück - auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Konfliktsituation bereits derart nachhaltig stabilisiert hat, dass mit erneuten emotional belasteten Auseinandersetzungen innerhalb der Familie nicht mehr zu rechnen wäre.
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Die Ermessensausübung bzgl. des Waffenbesitz-/-erwerbsverbots durch das Landratsamt ist im Rahmen des gerichtlichen Prüfungsumfangs (§ 114 Satz 1 VwGO) ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat - wie sich aus den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids ergibt - das ihm zustehende Ermessen erkannt und zweckgerecht sowie im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ausgeübt (Art. 40 BayVwVfG), nämlich den Besitz von erlaubnisfreien Waffen, insbesondere zur Abwehr der auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition ausgehenden Gefahren untersagt. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Besitzverbot mit dem sich aus der fehlenden waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ergebenden Sicherheitsrisiko begründet worden ist. Im Hinblick auf den Zweck des Waffengesetzes, den Umgang mit Schusswaffen und Munition zu begrenzen und den zuverlässigen und sachkundigen Umgang mit Waffen zu gewährleisten, um die naturgemäß aus dem Besitz und Gebrauch von Waffen resultierenden erheblichen Gefahren einzugrenzen und überwachen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2010 - 21 CS 10.59 - juris Rn. 14), ist das strafbewehrte Besitz- und Erwerbsverbot (vgl. § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG) ein geeignetes Mittel der Gefahrenabwehr. Ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet wäre, Gefahren zu begegnen, die auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition im Besitz des nicht zuverlässigen Klägers ausgehen, ist nicht ersichtlich. Das Waffenbesitzverbot ist auch nicht unverhältnismäßig. Ein besonderes Bedürfnis für den Waffenbesitz hat der Kläger nicht geltend gemacht. Auch der Umstand, dass es sich bei dem Verbot um einen Dauerverwaltungsakt handelt, dessen unbefristete Anordnung die Eintragung in das Bundeszentralregister sowie die Unterrichtung der örtlichen Polizeidienststelle zwecks künftiger Überwachung des Verbots nach sich zieht, führt nicht zu dessen Unverhältnismäßigkeit, da dies aus der Eigenart der Maßnahme selbst folgt. Der Kläger hat zudem die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt einen Antrag auf Aufhebung des Verbots zu stellen.
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Schließlich sind auch gegen die Kostenentscheidung (Nr. 4 und 5 des Bescheids) rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Da sich der Bescheid mithin insgesamt als rechtmäßig erweist, hat Hauptantrag in der Sache keinen Erfolg.
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Der Hilfsantrag, über den hier zu entscheiden ist, da er unter der zulässigen innerprozessualen Bedingung gestellt wurde, dass der Hauptantrag unzulässig und/oder unbegründet ist, und diese Bedingung eingetreten ist, ist bereits unzulässig. Eine Verpflichtung des Beklagten, den Kläger unter Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden, scheitert vorliegend bereits daran, dass der Kläger keinen Antrag auf Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts gestellt hat, der (erneut) verbeschieden werden könnte. Ein Bescheidungsantrag muss jedoch ebenso wie der Verpflichtungsantrag ein bestimmtes Klageziel haben. Der Antrag auf „Verbescheidung schlechthin“ ist nicht zulässig (vgl. Schmidt-Kötters in BeckOK, VwGO, Stand: 1.10.2019, § 42 Rn. 64).
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Die Klage war daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.