Titel:
Dublin-Verfahren, Zielstaat Bulgarien, Rechtschutzbedürfnis (verneint), Abschiebungsandrohung
Normenketten:
Dublin III-VO
AsylG § 29
AsylG § 34a Abs. 1 S. 4
Schlagworte:
Dublin-Verfahren, Zielstaat Bulgarien, Rechtschutzbedürfnis (verneint), Abschiebungsandrohung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22920
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen die Abschiebungsandrohung nach Bulgarien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
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Die Antragsteller sind afghanische Staatsangehörige. Sie reisten am … Juni 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am ... Juli 2022 einen förmlichen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (fortan Bundesamt). Die Antragstellerin zu 2 ist schwanger, als Entbindungstermin ist der … September 2022 berechnet. Die bulgarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom … September 2021 die Bereitschaft zur Rücküberstellung der Antragsteller. Nach Aktenlage waren die Antragsteller seit … Juli 2021 untergetaucht (Bl. 67 der Behördenakte). Sie erschienen zu einem auf den ... September 2021 angesetzten Anhörungstermin nicht. Seit dem … Mai 2022 sind die Antragsteller wieder in einer zugewiesenen Unterkunft anzutreffen.
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Mit Bescheid vom ... August 2022 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2). Es drohte die Abschiebung nach Bulgarien an (Nr. 3) und setzte ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von 11 Monaten ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 AufenthG fest (Nr. 4). Bulgarien sei der für den gestellten Asylantrag zuständige Mitgliedsstaat. Die dortigen Behörden hätten auch der Rücknahme der Antragsteller zugestimmt. Systemische Mängel lägen in Bulgarien nicht vor. Zugunsten der Antragstellerin zu 2 sei zu berücksichtigen, dass grundsätzlich sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung Mutterschutz greife. Während des bestehenden Mutterschutzes sei analog § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG von einer Reiseunfähigkeit dieser Antragstellerin auszugehen. Die Androhung der Abschiebung nach Bulgarien beruhe auf §§ 34a Abs. 1 Satz 4, 34 AsylG. Die freiwillige Ausreise habe innerhalb der gesetzten Frist, spätestens jedoch nach Wegfall des temporären Abschiebungshindernisses, in Abstimmung mit den zuständigen Stellen zu erfolgen. Im Übrigen wird auf den Bescheid Bezug genommen.
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Die Antragsteller erhoben am 18. August 2022 (M 5 K 22.50460) Klage und beantragten zugleich,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes vom ... August 2022 anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin äußerte sich nicht, legte aber die Behördenakten vor.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Verfahren sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag ist bereits unzulässig.
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1. Dem Antrag auf vorläufigen Rechtschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragsteller können mit einem solchen Antrag ihre derzeit bestehende Rechtsstellung nicht verbessern (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, vor §§ 40-53 Rn. 16 ff.). Denn die Klage vom 18. August 2022 entfaltet bereits kraft Gesetzes nach § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 38 AsylG aufschiebende Wirkung, da der Bescheid des Bundesamts in seiner Nr. 3 keine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG, sondern nur eine Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG enthält.
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Es ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin von einer Vollziehbarkeit des Bescheids trotz erhobener Klage ausgehen würde. Die streitgegenständliche Abschiebungsandrohung wurde ausweislich der Bescheidsbegründung ausdrücklich auf § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG gestützt. Das Bundesamt hat zudem in Nr. 3 des Bescheids ausdrücklich klargestellt, dass im Falle einer Klageerhebung die Ausreisefrist erst 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens endet. Damit hat die Behörde deutlich gemacht, dass der Klage aufschiebende Wirkung zukommt. Somit müssen die Antragsteller nicht befürchten, aufgrund des im Klageverfahren angefochtenen Bescheids vorzeitig abgeschoben zu werden (vgl. insgesamt hierzu auch: VG München, B.v. 7.6.2022 - M 30 S 22.50332 - S. 3 f., Rn. 9 ff.).
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Das wird auch mit Blick auf die erteilte Rechtsbehelfsbelehrungdeutlich. Diese lautet auf eine Klage, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu erheben ist (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG). Es ist gerade nicht eine Rechtsbehelfsbelehrungergangen, die über eine Klage- und Antragsfrist von einer Woche informiert (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG). Auch damit bringt die Antragsgegnerin zum Ausdruck, dass der Klage aufschiebende Wirkung zukommt.
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2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).