Titel:
Anspruch auf Zahlung einer Verzugskostenpauschale eines Beamten (verneint)
Normenketten:
BayBesG Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 4, Art. 59
BGB § 288 Abs. 5
Leitsätze:
1. Existiert schon dem Grunde nach iRd Erfüllung gesetzlicher öffentlich-rechtlicher Geldforderungen regelmäßig kein Anspruch auf Verzugszinsen, so gilt dies im Bereich der Beamtenbesoldung erst recht, weil dort der Ausschluss von Verzugszinsen gesetzlich angeordnet ist; ein Rückgriff auf § 288 BGB oder dessen entsprechende Anwendung ist daher ausgeschlossen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 288 BGB ist auf das Beamtenverhältnis nicht anwendbar, da der Besoldungsanspruch kein schuldrechtlicher Zahlungsanspruch ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Besoldung, Verzugskostenpauschale, Anwendbarkeit im Beamtenverhältnis (verneint), Anwendbarkeit im Beamtenverhältnis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22918
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt rückwirkend für den Zeitraum vom ... September 2013 bis … Dezember 2017 die Zahlung einer Verzugskostenpauschale in Höhe von insgesamt 2.080,00 EUR.
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Der Kläger stand bis einschließlich … Dezember 2017 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in Diensten der Beklagten. Ab dem … September 2013 lag bei dem Kläger eine begrenzte Dienstfähigkeit vor, sodass dem Kläger ab diesem Zeitpunkt der Zuschlag nach Art. 59 des Bayerischen Besoldungsgesetzes zustand. Mit Schreiben vom … April 2017 beantragte der Kläger die rückwirkende Zahlung des Zuschlags für den Zeitraum vom … September 2013 bis … Dezember 2017. Die Beklagte gewährte den Zuschlag rückwirkend für den Zeitraum vom ... Januar 2014 bis … Dezember 2017 und berief sich im Übrigen auf die Einrede der Verjährung.
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Mit Schreiben vom … April 2018 teilte die Klagepartei der Beklagten mit, dass sie auf den geltend gemachten Zuschlag für die Monate September 2013 bis Dezember 2013 verzichte. Zugleich machte sie die Zahlung einer Verzugskostenpauschale für 52 Monate i.H.v. 40,00 EUR pro Monat geltend (§ 288 Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch/BGB).
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Dies wurde von der Beklagten mit Schreiben vom … Mai 2018 abgelehnt. Die Bestimmung des § 288 Abs. 5 BGB gelte nicht für beamtenrechtliche Besoldungsansprüche. Ein Anspruch auf Verzugszinsen bestehe nach dem Bayerischen Besoldungsgesetz nicht.
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Es folgte weiterer Schriftverkehr der Parteien; eine außergerichtliche Einigung konnte jedoch nicht erzielt werden.
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Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2019, eingegangen beim Landgericht I. … am selben Tag, hat der Klägerbevollmächtigte für den Kläger schließlich Klage erhoben und beantragt,
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I. Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger 2.080,00 EUR nebst (richtigerweise: Zinsen i.H.v.) 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 40,00 EUR seit dem …September 2013, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Oktober 2013, weiteren 40,00 EUR seit dem ... November 2013, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Dezember 2013, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Januar 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Februar 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem ... März 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem ... April 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem … Mai 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Juni 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Juli 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem ... August 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem ... September 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Oktober 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem ... November 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Dezember 2014, weiteren 40,00 EUR seit dem … Januar 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem … Februar 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem ... März 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem … April 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem … Mai 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Juni 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Juli 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem ... August 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem ... September 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Oktober 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem ... November 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Dezember 2015, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Januar 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Februar 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem ... März 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem … April 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Mai 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Juni 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Juli 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem ... August 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem ... September 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Oktober 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem ... November 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Dezember 2016, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Januar 2017, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Februar 2017, weiteren 40,00 EUR seit dem … März 2017, weiteren 40,00 EUR seit dem ... April 2017, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Mai 2017, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Juni 2017, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Juli 2017, weiteren 40,00 EUR seit dem … August 2017, weiteren 40,00 EUR seit dem ... September 2017, weiteren 40,00 EUR seit dem ... Oktober 2017, weiteren 40,00 EUR seit dem … November 2017 und weiteren 40,00 EUR seit dem ... Dezember 2017 zu zahlen.
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II. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch den Kläger bereits im Vorverfahren notwendig gewesen ist.
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Der Zuschlag habe ca. 400 € im Monat betragen, daher betrage der Anspruch auf Zahlung der Verzugskostenpauschale 52 Monate a 40 €. Anspruchsgrundlage sei § 288 Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Beamtenbesoldung sei als Äquivalent zu dem geleisteten Dienst anzusehen und entspreche daher dem Entgeltbegriff des § 286 Abs. 3 BGB. Die dem § 288 Abs. 5 BGB zugrundeliegende Zahlungsverzugs-Richtlinie (RL 2000/35/EG, zuletzt geändert durch Art. 13 RL 2011/7/EU) erfasse ausdrücklich auch öffentlich-rechtliche Ansprüche. Abgesehen von der Regelung des Art. 4 Abs. 4 BayBesG stünde dem Kläger ein Verzugszinsanspruch gegen die Beklagte zu. Der Ausschluss nach Art. 4 Abs. 4 BayBesG könne nicht zur Ablehnung der Verzugskostenpauschale im vorliegenden Fall führen. Die Voraussetzungen des § 288 Abs. 5 BGB seien gegeben. Die Besoldungszahlungen seien jeweils zum Monatsbeginn fällig gewesen, Mahnungen seien entbehrlich gewesen. Der Anspruch könne nicht durch eine angenommene Besonderheit der Besoldungszahlung ausgeschlossen werden. Geldschulden jeder Art würden laut BGH dem Verzugsschadensersatz unterfallen. Im Übrigen sei § 288 BGB entsprechend anwendbar auf den Anspruch auf Auszahlung hinterlegten Geldes sowie auf Gehaltsansprüche. § 12 a Arbeitsgerichtsgesetz sei auf die Beamtenbesoldung nicht anwendbar. Die Anwendung des § 288 Abs. 5 BGB im Beamtenverhältnis sei für den Kläger nicht ohne anwaltlichen Beistand im Widerspruchsverfahren durchzusetzen gewesen. Hinsichtlich der von der Beklagten geltend gemachten Verjährung beziehe sich der Kläger auf Art. 13 Satz 3 BayBesG iVm §§ 199 Abs. 4, 203 BGB.
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Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2019 hat der Bevollmächtigte der Beklagten für diese beantragt,
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Für die Forderung einer rückwirkenden monatlichen Verzugspauschale gebe es keine Rechtsgrundlage. Bei einem beamtenrechtlichen Besoldungsanspruch handle es sich gerade nicht um einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch. Ein Beamter erhalte kein Entgelt für eine Leistung, sondern eine sog. Alimentation, der die Treuepflicht der Beamten gegenüberstehe. Es handle sich gerade nicht um einen Vergütungsanspruch. Eine entsprechende Anwendung der §§ 286 ff. BGB bei beamtenrechtlichen Ansprüchen komme daher nicht in Betracht. Der Beamte habe Anspruch auf Besoldung nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen. Nach Art. 4 Abs. 4 BayBesG bestehe kein Anspruch auf Verzugszinsen, wenn Bezüge nach dem Tag der Fälligkeit gezahlt würden. Ein Rückgriff auf § 288 BGB sei insoweit vollständig ausgeschlossen. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass jedenfalls die geltend gemachten Ansprüche im Zeitraum vom … September 2013 bis einschließlich ... Dezember 2015 (gemeint wohl 1.12.2013) verjährt seien.
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Mit Beschluss vom 26. November 2019 hat das Landgericht I. … den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München verwiesen.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift vom 18. Januar 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Verzugskostenpauschale in Höhe von insgesamt 2.080,00 EUR aus § 288 Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs/BGB.
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a) Der Anspruch scheitert bereits daran, dass ein Anspruch auf Verzugszinsen nach Art. 4 Abs. 4 des Bayerischen Besoldungsgesetzes/ BayBesG bei verspäteter Zahlung von Bezügen ausgeschlossen ist. Das gilt gleichermaßen für die Verzugskostenpauschale nach § 288 Abs. 5 BGB.
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Existiert schon dem Grunde nach im Rahmen der Erfüllung gesetzlicher öffentlich-rechtlicher Geldforderungen regelmäßig kein Anspruch auf Verzugszinsen (vgl. BVerwG U.v. 20.9.2001 - 5 C 5/00 - BVerwGE 115, 139 - juris Rn. 7) [sofern nicht eine gesonderte gesetzliche Regelung besteht], so gilt dies im Bereich der Beamtenbesoldung erst recht, weil dort der Ausschluss von Verzugszinsen gesetzlich angeordnet ist. Ein Rückgriff auf § 288 BGB oder dessen entsprechende Anwendung ist daher ausgeschlossen. Denn der Beamte hat nach Art. 3 Abs. 1 BayBesG Anspruch auf Besoldung nur nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen. Hierzu gehört auch die einschränkende Besoldungsregelung des Art. 4 Abs. 4 BayBesG (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2012 - 3 ZB 10.1354 - juris Rn. 5). Da die Zahlung von Verzugszinsen ausgeschlossen ist, muss dies gleichermaßen für die Verzugskostenpauschale gelten.
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Dies folgt auch aus dem Sinn und Zweck der Pauschale. Denn Sinn und Zweck ist es, Zahlungsverzug zu sanktionieren und etwa entstandene Schäden in Form der Beitreibungskosten auszugleichen (Dornis in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Stand: 1.3.2020, BGB, § 288 Rn. 62). Ist der Zinsanspruch jedoch gesetzlich ausgeschlossen, kann weder die Sanktionierung des Schuldners bei Zahlungsverzug gewollt sein noch ein abgeltungsfähiger Beitreibungsaufwand entstehen (VG Bayreuth, U.v. 10.12.2019 - B 5 K 18.305 - juris Rn. 28).
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b) Darüber hinaus ist § 288 BGB auf das Beamtenverhältnis auch nicht anwendbar, da der Besoldungsanspruch kein schuldrechtlicher Zahlungsanspruch ist; mithin liegt - entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten - eine Entgeltforderung nicht vor.
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Der Begriff der Entgeltforderung im Kontext von § 286 ff. BGB geht auf die Zahlungsverzugs-RL 2000 (RL 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. L 200 S. 35) zurück und ist eng auszulegen. Gemeint sind Forderungen, die auf die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die vom Gläubiger erbrachte oder erst noch zu erbringende Leistung gerichtet sind (Dornis in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, Stand: 1.3.2020, BGB, § 286 Rn. 202). Das Beamtenverhältnis ist dagegen ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis, das sich nicht im wechselseitigen Leistungsaustausch erschöpft. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten sind vom Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland/GG) geprägt und haben gerade nicht den Charakter von Leistungspflichten im Gegenseitigkeitsverhältnis (HessVGH, U.v. 4.6.2014 - 1 A 519/14 - juris Rn. 49). Aufgrund des gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses ist es dem Beamten - anders als sonstigen Gläubigern - grundsätzlich zuzumuten, auch eine verspätete Auszahlung der Bezüge hinzunehmen, sofern nur die angemessene Alimentation als solche nicht berührt ist (BayVGH, B.v. 27.6.2013 - 16a DZ 12.558 - juris Rn. 8).
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c) Die Gewährung von Verzugszinsen bzw. der Verzugskostenpauschale beruht auch nicht auf einem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), sondern es handelt sich um einen in einem Schuldverhältnis wurzelnden Anspruch. Ein derartiges gesetzliches Schuldverhältnis ist aber das Beamtenverhältnis gerade nicht (BayVGH, B.v. 24.7.2012 - 3 ZB 10.1354 - juris Rn. 7).
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d) Im Übrigen ist die dem Anspruch zugrundeliegende Forderung für den Zeitraum vom ... September 2013 bis … Dezember 2013 nach Art. 13 Abs. 1 BayBesG verjährt, sodass der Anspruch auf die Verzugskostenpauschale für diesen Zeitraum schon aus diesem Grunde nicht besteht. Entgegen der Ansicht des Klägervertreters verjähren Ansprüche auf Besoldung in drei Jahren (Art. 13 Satz 1 BayBesG). Für die Anwendung des Art. 13 Satz 3 BayBesG iVm §§ 199 Abs. 4, 203 BGB ist vorliegend kein Raum.
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2. Da der Anspruch auf Zahlung der Verzugskostenpauschale nicht besteht, ist auch der Zinsanspruch nicht gegeben, wobei die vom Kläger geltend gemachten Verzugszinsen bereits nach Art. 4 Abs. 4 BayBesG ausgeschlossen sind.
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3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Feststellung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, erübrigt sich daher. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).