Titel:
Unzulässiger Antrag, Verspätete Klage, Wirksame Zustellung an Bevollmächtigten, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (verneint)
Normenketten:
AsylG § 36 Abs. 3 S. 1
AsylG § 71a Abs. 1
AsylG § 74 Abs. 1 Halbs. 2
VwZG § 7 Abs. 1 S. 2
VwGO § 80 Abs. 5
Schlagworte:
Unzulässiger Antrag, Verspätete Klage, Wirksame Zustellung an Bevollmächtigten, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22906
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1
Der (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht vertretene) Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig gem. § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG (Zweitantrag).
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Der Antragsteller, nach bisherigem Kenntnisstand der Antragsgegnerin ein senegalesischer Staatsangehöriger, stellte am 13. Juni 2019 einen Asylantrag bei der Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 24. Mai 2022 teilte die italienische Migrationsbehörde der Antragsgegnerin mit, dass das Verfahren zur Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in Italien am 5. April 2018 erfolglos abgeschlossen worden sei.
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Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung am 27. September 2021 bei der Antragsgegnerin trug der Antragsteller vor, dass er nach erfolglosem Abschluss seines Asylverfahrens in Italien mit fremder Hilfe mehrfach nach Deutschland zurückgekommen, er aber jedes Mal von der Polizei zurück nach Italien abgeschoben worden sei. Den Asylantrag vom 13. Juni 2019 habe sein Anwalt für ihn gestellt, nachdem er ihn bei einer erneuten Rückkehr nach Deutschland aus dem Gefängnis freibekommen habe. Im Senegal habe es keine Sicherheitsprobleme für ihn gegeben. Aufgrund eines familiären Problems mit dem Großvater, der die schwangere Schwester des Antragstellers getötet habe, habe er aber die gesamte Familie nach Gambia gebracht. Er sei der einzige Sohn und habe sich um alles kümmern müssen. Sein Großvater habe alles übernommen. Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den verfahrensgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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Mit Bescheid vom 24. Juni 2022, per Einschreiben zur Post gegeben und dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugegangen am 28. Juni 2022, wurde der Asylantrag als unzulässig abgelehnt (Nr. 1) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Senegal angedroht, wobei der Antragsteller auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei (Nr. 3).
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Der Antragsteller hat am 6. Juli 2022 beim Verwaltungsgericht München Klage erhoben und begehrt die Aufhebung des verfahrensgegenständlichen Bescheids sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise, subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren, weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (M 10 K 22.31463). Gleichzeitig wird (sinngemäß) beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung der Antragsgegnerin vom 24. Juni 2022 anzuordnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass er große psychische Probleme habe und nicht in der Lage sei, eine Abschiebung ohne schwerwiegende psychische Folgen zu überstehen.
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Des Weiteren beantragt der Antragsteller vorsorglich für den Fall, dass die Klage- und Antragsfrist versäumt sein sollte,
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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
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Aus der diesbezüglichen Begründung lässt sich ansatzweise bzw. sinngemäß entnehmen, dass der Antragsteller die Art und Weise, den Zeitpunkt und die Wirksamkeit der Zustellung an seinen Bevollmächtigten anzweifelt und beantragt insoweit Akteneinsicht bzw. die Zusendung insoweit der relevanten Aktenteile.
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Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 21. Juli 2022,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Klage unzulässig sei, da die Klagefrist versäumt worden sei. Entsprechend sei der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ebenfalls unzulässig. Der verfahrensgegenständliche Bescheid sei am 28. Juni 2022 zugestellt worden. Nach der sachlich richtigen Rechtsbehelfsbelehrungbetrage die Klagefrist eine Woche. Diese habe mit Ablauf des 5. Juli 2022 geendet. Der Wiedereinsetzungsantrag ändere daran nichts, da dieser schon nicht begründet sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 10 K 22.31463 sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 AsylG bleibt ohne Erfolg. Er ist unzulässig, weil Klage und Antrag nicht innerhalb der Wochenfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 bzw. § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG erhoben bzw. gestellt wurden.
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1. Nach Aktenlage ist der als Einschreiben versandte Bescheid vom 24. Juni 2022 dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 28. Juni 2022 zugegangen. Dies wird vom Bevollmächtigten in einem Schreiben vom 28. Juni 2022 an die Antragsgegnerin ausdrücklich bestätigt (Bl. 518 der Bundesamtsakte). Damit galt der Bescheid gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) am 28. Juni 2022 als zugestellt. Dass der Antragsteller den Bescheid nach eigenen Angaben erst am 30. Juni 2022 erhalten hat, ist unerheblich, da nach § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG im Falle einer schriftlichen Vollmacht (hier vom 11. Juni 2019, vgl. Bl. 16 der Bundesamtsakte) Zustellungen zwingend an den Bevollmächtigten zu richten sind. Die Frist zur Erhebung der Klage begann daher am 29. Juni 2022 und endete mit Ablauf des 5. Juli 2022 (§ 57 Abs. 1, Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Klage und der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurden daher mit ihrem Eingang bei Gericht am 6. Juli 2022 verspätet erhoben bzw. gestellt.
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2. Dem Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO ist nicht zu entsprechen.
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Der Antragsteller hat schon nicht dargelegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Frist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG einzuhalten. Soweit der Antragsteller implizit die Wirksamkeit der Zustellung an seinen Bevollmächtigten infrage stellt bzw. zur Überprüfung Akteneinsicht beantragt oder die maßgeblichen Aktenbestandteile übersandt haben möchte, aus denen sich die Wirksamkeit der Zustellung ergebe, führt dies nicht zum Erfolg des Wiedereinsetzungsantrags. Denn der Zeitpunkt der nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VwZG erfolgten Zustellung ergibt sich bereits aus der vom Antragsteller vorgelegten Kopie der ersten Seite des Bescheids, die dieser seiner Klage und seinem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO beigefügt hatte. Aus dem Stempelabdruck mit dem Inhalt „Eingegangen“, „28. Juni 2022“ und „RA ...“ sowie dem Vermerk des Fristendes „5. Juli 2022 - Klage + 80 5 Antrag“ musste für den Antragsteller damals offensichtlich gewesen sein, dass der Bescheid am 28. Juni 2022 seinem Bevollmächtigten zugestellt wurde und dass die Frist für die Einlegung gerichtlicher Rechtsbehelfe am 5. Juli 2022 ablaufen würde. Aus diesem Grund war die Gewährung von Akteneinsicht bzw. die Übersendung der maßgeblichen Aktenbestandteile bezüglich der Zustellung des Bescheids an seinen Bevollmächtigten auch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht angezeigt, da dem Antragsteller mit den ihm vorliegenden Eingangsstempel seines Bevollmächtigten auf der Bescheidskopie den Nachweis für die Zustellung vorliegen und daher hinreichend Gelegenheit hatte, eventuell entlastende Umstände im Kontext des § 60 Abs. 1 VwGO vorzutragen. Weiterer relevanter Akteninhalt zur Zustellung an den Bevollmächtigten ist neben dem hier Dargestellten im Übrigen nicht vorhanden, zumal sich die Wirksamkeit der Zustellung im konkreten Fall aus § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VwZG selbst ergibt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).