Titel:
Nachbarklage gegen Baugenehmigung zur Errichtung eines Mobilfunksendemastes im Außenbereich
Normenketten:
BauGB § 15 Abs. 3, § 35 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 Nr. 3, Nr. 5, § 36
BayBauO Art. 67
BEMFV § 5
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a
Leitsätze:
1. Die Erteilung einer Baugenehmigung enthält zugleich die Ablehnung des Zurückstellungsantrags der Gemeinde; dagegen kann die Gemeinde Anfechtungsklage wegen der Verletzung ihrer Planungshoheit erheben. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Inanspruchnahme der Privilegierung als öffentliche Versorgungsanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB genügt bei Mobilfunksendeanlagen anstelle der Ortsgebundenheit ihre Raum- bzw. Gebietsgebundenheit. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Standortbescheinigung stellt der Sache nach eine Bescheinigung über die Zulässigkeit des Betriebs einer bestimmten Funkanlage an einem bestimmten Standort dar und hat die Funktion einer Freigabe des Betriebs; sie darf nur unter den Voraussetzungen des § 5 BEMFV erteilt werden. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
4. Einer Gemeinde ist es grundsätzlich verwehrt, sich zum „gesamtverantwortlichen Wächter des Natur- und Umweltschutzes“ aufzuschwingen und als solcher Belange der Allgemeinheit zu wahren, die keinen speziellen Bezug zu ihrem Selbstverwaltungsrecht, insbesondere zu ihrer Planungshoheit, aufweisen; ebenso wenig darf sie sich als Kontrolleur der zur Wahrung öffentlicher Belange jeweils berufenen staatlichen Behörden oder als Sachwalter privater Interessen betätigen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entgegenstehen öffentlicher Belange, Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens, Genehmigung für einen Stahlgittermast, Zurückstellung von Baugesuchen, Baugenehmigung, Mobilfunksendemast, öffentliche Versorgungsanlage, Außenbereich, Privilegierung, öffentliche Belange, gemeindliches Einvernehmen, Zurückstellung, Ortsgebundenheit, Standortbescheinigung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22904
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Baugenehmigung zur Errichtung eines Stahlgittermastes, die der Beigeladenen unter Ersetzung des von ihr verweigerten Einvernehmens erteilt wurde.
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Unter dem 15. Februar 2017 beantragte die Beigeladene erstmals die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines ca. 30 m hohen Stahlgittermastes mit Versorgungseinheit auf Betonfundament für eine Mobilfunkbasisstation auf dem südlichen Teil des Grundstücks FlNr. ...6 Gem. … (Vorhabensgrundstück). Das Vorhabensgrundstück steht im Eigentum der Deutschen Bahn; auf dem schmalen, ca. 3,2 km langen Grundstück verläuft eine zweigleisige Bahnlinie. Der geplante Standort liegt ca. 750 m westlich des Chiemsees und am Rande, jedoch außerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung des Bezirks Oberbayern über den Schutz des Chiemsees, seiner Inseln und Ufergebiete als Landschaftsschutzgebiet. Westlich des Vorhabenstandorts in ca. 250 m Entfernung beginnt der bebaute Gemeindebereich der Antragstellerin. Zu den Bauantragsunterlagen gehört ein landschaftspflegerischer Begleitplan.
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Mit Beschluss vom 4. April 2017 verweigerte die Antragstellerin ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben. Das Vorhabensgrundstück sei als Standort ortsplanerisch nicht vertretbar.
4
Am 16. Juli 2018 verweigerte der Antragsgegner - Untere Naturschutzbehörde - das naturschutzrechtliche Benehmen zu dem Vorhaben. Mit Schreiben vom 26. Juli 2018 teilte der Antragsgegner der Beigeladenen das Ergebnis der naturschutzrechtlichen Überprüfung mit und wies darauf hin, dass beabsichtigt sei, den Bauantrag abzulehnen.
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Mit Bescheid vom 6. September 2019 lehnte der Antragsgegner den Bauantrag der Beigeladenen ab. Das Vorhaben sei gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert. Dem Vorhaben stünden jedoch naturschutzrechtliche Belange entgegen. Von dem geplanten Stahlgittermast gehe eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbilds aus. Dagegen erhob die Beigeladene Klage (M 1 K 19.5215, eingestellt nach Erledigterklärung mit Beschluss vom 22. November 2021).
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Unter dem 30. November 2020 beantragte die Beigeladene erneut die Erteilung der begehrten Baugenehmigung zur Errichtung eines Stahlgittermastes auf dem Vorhabensgrundstück, nachdem der Antragsgegner nach erneuter Überprüfung zu dem Ergebnis kam, dass das Vorhaben genehmigungsfähig sei, wenn der landschaftspflegerische Begleitplan vom 28. Juli 2017, der letztmals durch die Untere Naturschutzbehörde des Antragsgegners am 20. Oktober 2020 geprüft und mit Roteintragungen versehen wurde, Bestandteil der Baugenehmigung würde. Inhalt der Korrekturen ist eine Anmerkung auf Seite 6 des Begleitplans, dass der Wirkbereich des geplanten Masts falsch dargestellt sei, weil die dortige Abbildung einen anderen Standort als den Vorhabenstandort ausweise. Ferner wurde eine Korrektur bzgl. der Höhe der Kompensationsersatzzahlungen für den Eingriff in Natur und Landschaft vorgenommen (Seite 9 f. des Begleitplans).
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Mit Beschluss vom 9. Februar 2021, eingegangen beim Landratsamt am 16. Februar 2021, verweigerte die Antragstellerin erneut ihr Einvernehmen und erklärte, am Beschluss vom 4. April 2017 festzuhalten. Ferner beschloss sie die Änderung des für das Vorhabensgrundstück geltenden Flächennutzungsplans zur Ausweisung von Konzentrationszonen für Mobilfunkmasten. Gleichzeitig wurde beschlossen, dass die Antragstellerin beim zuständigen Landratsamt die Zurückstellung des Baugesuchs beantragt. Nachdem die Antragstellerin vom Antragsgegner erneut zur Stellungnahme über das Einvernehmen aufgefordert wurde, wurde das gemeindliche Einvernehmen mit Beschluss vom 16. Juni 2021 erneut verweigert.
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Mit Bescheid vom 9. Juli 2021 nahm der Antragsgegner den ablehnenden Bescheid vom 11. September 2019 zurück und erteilte die begehrte Baugenehmigung unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens. Dabei wurde der mit Genehmigungsstempel versehene landschaftspflegerische Begleitplan vom 28. Juli 2017 in der mit Roteintrag geprüften Fassung zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht und die Verpflichtung von Ersatzzahlungen für den nicht ausgleich- und ersetzbaren Eingriff in Naturschutz festgelegt. Das Vorhaben beurteile sich nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Die Gemeinde habe das Einvernehmen zu Unrecht verweigert. Das Einvernehmen habe daher ersetzt werden können. Gegen den Bescheid vom 9. Juli 2021 hat die Antragstellerin am 14. Juli 2021 Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen M 1 K 21.3729 geführt ist.
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Unter dem 25. Mai 2022 sucht die Antragstellerin zudem um Eilrechtsschutz und beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts Rosenheim vom 9. Juli 2021, Az. …, anzuordnen.
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Auf die Klagebegründung im Verfahren M 1 K 21.3728 werde verwiesen. Danach hätte der Antragsgegner die Entscheidung über den Bauantrag zurückstellen müssen. Die Antragstellerin habe mit Beschluss vom 9. Februar 2021 beschlossen, einen Teilflächennutzungsplan aufzustellen, wodurch Konzentrationszonen für Mobilfunkanlagen ausgewiesen werden sollten. Der Antrag sei auch nicht verfristet gewesen. Die Frist habe erneut zu laufen begonnen, da der Antrag vom 30. November 2020 im Hinblick auf die unter dem 20. Oktober 2020 naturschutzfachlich geprüften Rotkorrekturen des landschaftspflegerischen Begleitplans die Frage der bauplanungsrechtlichen Beurteilung neu aufgeworfen habe. Die untere Naturschutzbehörde habe dem Vorhaben nur mit Auflagen und Rotkorrektur zustimmen können. Die Bauantragsunterlagen seien zudem zum Zeitpunkt des Antrags auf Rückstellung unvollständig und fehlerhaft gewesen. Der landschaftspflegerische Begleitplan stelle den Wirkungsbereich aufgrund falschen Standorts als falsch dar. Ferner werde die Simulation der Sichtwirkung des Mastes von Süden unzutreffend dargestellt, da die Simulation von einer Masthöhe von 22 m, nicht jedoch den beantragten ca. 30 m ausgehe. Die Baugenehmigung sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Beigeladene die Voraussetzungen der Privilegierung nicht hinreichend dargetan habe. Die Ortsgebundenheit i.S.d § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB erfordere, dass ein Ausweichen auf einen nach durchgeführter Standortanalyse ermittelten Alternativstandort nicht zumutbar sei. Eine derartige Standortanalyse habe nicht stattgefunden. In Betracht komme etwa das Grundstück FlNr. 1...6/2. Dem sonstigen Vorhaben stünden öffentliche Belange entgegen. Es sei nicht auszuschließen, dass das Vorhaben zu schädlichen Umwelteinwirkungen führe. Eine Standortbescheinigung sei nicht vorgelegt worden. Das Vorhaben verunstalte zudem das Landschaftsbild. Der Mast solle in knapp 700 m Entfernung zur Uferlinie des Chiemsees errichtet werden. Das Vorhabensgrundstück grenze an den Geltungsbereich der „ChiemseeSchutzverordnung“ an. Mangels Ausgleichs- oder Ersetzungsmöglichkeiten stünden dem Vorhaben auch Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege entgegen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Auf die Ausführungen im Klageverfahren werde verwiesen. Eine Zurückstellung sei nicht erfolgt, da der Antrag der Antragstellerin verfristet gewesen sei. Es hätten sich keine inhaltlichen Änderungen am Bauvorhaben ergeben, die einen erneuten Fristbeginn ausgelöst hätten. Die Antragstellerin habe die Beteiligung an der Standortsuche abgelehnt. Das Grundstück FlNr. 2...6/63 sei wegen dessen Hanglage und des Bewuchses abgelehnt worden. Die Vorlage einer Standortbescheinigung sei kein Teil des Prüfprogramms des Baugenehmigungsverfahrens. Eine Beeinträchtigung von Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie der natürlichen Eigenart der Landschaft sei unstrittig gegeben, diese stünden jedoch nicht entgegen. Durch die Lage des Vorhabenstandorts unmittelbar an der Bahnlinie sei eine bauliche Vorbelastung gegeben. Es handle sich daher nicht um eine Landschaft von einzigartiger Schönheit; eine weite Einsehbarkeit und gravierende Fernwirkung des geplanten Mastes sei schwer zu belegen. Das Interesse der Beigeladenen am Sofortvollzug überwiege das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Dabei sei die Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a VwGO zu berücksichtigen.
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Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Entscheidung über den Antrag habe nicht zurückgestellt werden müssen. Der Zurückstellungsantrag genüge bereits nicht den inhaltlichen Anforderungen. Die Konzentrationsflächenplanung ziele neben der positiven Wirkung negativ auf die den übrigen Außenbereich betreffende Ausschlusswirkung. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Planung beziehe sich nicht auf das gesamte Gemeindegebiet, sondern lediglich auf die Suche eines Alternativstandortes für das Vorhaben. Zu diesem Zwecke dürfe das Vorhaben nicht zurückgestellt werden. Der Antrag sei zudem verfristet gewesen. Die Antragstellerin habe bereits seit dem 20. Februar 2017 Kenntnis von dem Bauvorhaben gehabt. An dem Vorhaben habe sich im Laufe des Verfahrens nichts geändert. Die Antragstellerin selbst sei davon ausgegangen, da sie im Beschluss vom 9. Februar 2021 lediglich erklärt habe, am Beschluss vom 4. April 2017 festzuhalten.
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Die Voraussetzungen für die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens hätten vorgelegen. Das Vorhaben sei privilegiert. Eine Mobilfunkanlage sei auch ohne Prüfung einer Standortalternative zulässig, wenn sie der Versorgung des Außenbereichs diene. Der Standort diene der Versorgung der Bahntrasse Rosenheim-Freilassing. Ferner habe eine intensive Alternativprüfung stattgefunden. Dem Vorhaben stünden keine öffentlichen Belange entgegen. Von dem Vorhaben gingen keine schädlichen Umwelteinwirkungen aus. Fragen des Schutzes vor elektromagnetischen Feldern seien nicht Prüfungsgegenstand der Baugenehmigung. Eine Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbilds liege ebenfalls nicht vor. Derartige Masten seien mittlerweile für das Landschaftsbild typisch und gehörten zum Landschaftsbild von landwirtschaftlich genutzter Kulturlandschaft dazu. In der Umgebung des Vorhabenstandorts befänden sich Sportanlagen, eine landwirtschaftliche Hofstelle und Bahnanlagen mit zugehörigen Masten. Das Vorhaben stelle einen Eingriff in Naturschutz dar, die jedoch nicht vermeidbar seien. Den Anforderungen an Ausgleichs- und Ersetzungsmaßnahmen werde genügt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, auch im zugehörigen Klageverfahren (M 1 K 21.3729), und auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
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1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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Nach § 212a Abs. 1 BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung einen der genannten Rechtsbehelfe ein, so kann das Verwaltungsgericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung des jeweiligen Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen.
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Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung hat das Verwaltungsgericht insbesondere die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Wird die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das Interesse des Antragstellers, da kein schutzwürdiges Interesse daran besteht, von dem Vollzug eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 85 ff.).
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Danach wird die Klage der Antragstellerin voraussichtlich erfolglos bleiben. Der Bescheid vom 9. Juli 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine Rechtsverletzung ergibt sich weder aus einem Anspruch auf Zurückstellung des Baugesuches (a)), noch hat der Antragsgegner die gemeindliche Planungshoheit verletzt, indem er das Einvernehmen ersetzt hat (b)).
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a) Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufgrund des Antrags vom 12. Februar 2021.
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Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB für einen Zeitraum bis zu längstens einem Jahr nach Zustellung der Zurückstellung des Baugesuchs auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden sollen, und zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde.
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aa) Dass der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin auf Zurückstellung nicht durch gesonderten Bescheid abgelehnt hat, ist unerheblich. Die Erteilung der Genehmigung enthält zugleich die Ablehnung des Zurückstellungsantrags. Dagegen kann die Gemeinde Anfechtungsklage wegen der Verletzung ihrer Planungshoheit erheben (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 144. EL 2021, § 15 Rn. 104 m.w.N.).
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bb) Die Antragstellerin hat am 9. Februar 2021 beschlossen, einen Teilflächennutzungsplan mit Mobilfunkkonzept für den dem Bauantrag zugrundeliegenden erweiterten Suchkreis aufzustellen. Damit sollen die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden.
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cc) Der Antrag vom 12. Februar 2021 war jedoch verfristet. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 BauGB ist der Antrag auf Zurückstellung des Baugesuchs nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Gemeinde in einem Verwaltungsverfahren von dem Bauvorhaben förmlich Kenntnis erhalten hat, zulässig. Diese förmliche Kenntnisnahme erfolgt regelmäßig durch die Beteiligung der Gemeinde nach § 36 BauGB im Baugenehmigungsverfahren (Hornmann in BeckOK BauGB, Spannowsky/Uechtritz, 55. Edition 2022, § 15 Rn. 47). Gegenstand der Kenntniserlangung ist das konkrete Bauvorhaben.
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Ausgehend davon hat die Antragstellerin den Antrag auf Zurückstellung des Baugesuchs der Beigeladenen nicht innerhalb der vorgesehenen Frist gestellt. Der Antrag der Beigeladenen vom 15. Februar 2017 ist ausweislich des Eingangsstempels (Bl. 6 der Behördenakten - BA) am 20. Februar 2017 bei der Antragstellerin eingegangen. Die Antragstellerin hat somit zu diesem Zeitpunkt förmlich innerhalb des Verwaltungsverfahrens Kenntnis von dem Bauvorhaben erlangt.
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Die Frist begann auch nicht mit dem (erneuten) Bauantrag der Beigeladenen vom 30. November 2020 nochmals zu laufen. Die Sechsmonatsfrist in § 15 Abs. 3 Satz 3 BauGB beginnt nur dann erneut zu laufen, wenn ein Genehmigungsantrag aufgrund seines geänderten Inhalts die Frage der planungsrechtlichen Beurteilung neu aufwirft und deshalb der Gemeinde erneut Gelegenheit zu geben ist, ihre Bauleitplanung zu überdenken (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 144. EL 2021, § 15 Rn. 88 f.; BayVGH, B.v. 24.8.2006 - 22 ZB 06.1091 - juris Rn. 3). Danach begann die Frist durch den Bauantrag der Beigeladenen vom 30. November 2020 nicht neu zu laufen. Zwar handelt es sich formal um einen neuen Bauantrag. Eine grundlegende inhaltliche Änderung erfolgte jedoch nicht. Hintergrund der erneuten Antragstellung war lediglich eine abweichende rechtliche Beurteilung durch den Antragsgegner, nachdem dieser den Bauantrag einer weiteren Prüfung unterzogen hatte. Die untere Naturschutzbehörde kam nunmehr zu dem Ergebnis, dass dem Vorhaben doch - unter Auflagen und Rotkorrekturen des landschaftspflegerischen Begleitplans - zugestimmt werden könne. Dies stellt lediglich eine abweichende rechtliche Beurteilung durch den Antragsgegner nach erneuter Überprüfung des inhaltlich gleichen Genehmigungsantrags dar. Die bauplanungsrechtliche Situation wurde gerade nicht durch den Bauantrag neu aufgeworfen. Damit bestand kein Anlass, dass der Antragstellerin die Frist erneut eröffnet wird, da sie bereits 2017 Kenntnis vom Vorhaben erlangte und damals davon absah, bauleitplanerisch tätig zu werden. Daran ändern auch die vorgenommenen Rotkorrekturen des landschaftpflegerischen Begleitplans nichts. Sie beschränken sich auf die Anmerkung, dass der Wirkbereich des geplanten Masts falsch dargestellt sei, weil die Abbildung auf Seite 6 des Plans einen anderen Standort als den Vorhabenstandort darstellt. Der Vorhabenstandort ist indes unzweifelhaft auf Seite 3 des Plans mitsamt Abbildung und unter Angabe der zutreffenden Flurnummer dargestellt. Ferner findet sich auch auf Seite 5 des Plans eine Abbildung mit dem Vorhabenstandort. Auch die Korrektur bzgl. der Höhe der Kompensationsersatzzahlungen für den Eingriff in Natur und Landschaft (Seite 9 f. des Begleitplans) warf die bauplanungsrechtliche Situation nicht neu auf.
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Die Antragstellerin beschloss erst am 9. Februar 2021, die Zurückstellung zu beantragen. Unabhängig vom konkreten Datum des Zurückstellungsantrags war ein zeitlich nach dem 9. Februar 2021 liegender Antrag bei Kenntnis vom maßgeblichen Bauvorhaben seit dem 20. Februar 2017 jedenfalls verfristet.
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dd) Auf die übrigen Voraussetzungen, insbesondere ob die Konzentrationszonenplanung der Antragstellerin bereits hinreichend konkretisiert ist, kommt es deshalb nicht an.
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b) Der Antragsgegner hat das gemeindliche Einvernehmen der Antragstellerin i.S.d. § 36 Abs. 1 BauGB nach summarischer Prüfung zu Recht gemäß Art. 67 BayBO ersetzt, denn die Antragstellerin hat das Einvernehmen zu Unrecht verweigert.
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Der Frage, ob das gemeindliche Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB bereits als erteilt gilt, war im Rahmen des streitgegenständlichen Verfahrens nicht weiter nachzugehen. Zwar spricht einiges dafür, dass das Einvernehmen nicht innerhalb von zwei Monaten nach insoweit maßgeblicher Einreichung des Bauantrags bei der Antragstellerin verweigert wurde. Der Bauantrag datiert auf den 30. November 2021, die Antragstellerin verweigerte das Einvernehmen erst mit Beschluss vom 9. Februar 2021, der am 16. Februar 2021 beim Landratsamt einging. Mangels in den Akten befindlichen Informationen über den maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs des Bauantrags bei der Antragstellerin kann diese Frage nach summarischer Prüfung jedoch nicht abschließend geklärt werden, obgleich die vorhandenen Daten eine Einvernehmensfiktion nahelegen.
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Das Einvernehmen wurde jedenfalls zu Unrecht verweigert. Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB darf das Einvernehmen der Gemeinde nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagt werden. Das Vorhaben liegt unstreitig im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, sodass das Einvernehmen nur aus den sich aus § 35 BauGB ergebenden Gründen versagt werden dürfte. Gemäß § 35 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich nur zulässig, wenn ihm als privilegiertem Vorhaben öffentliche Belange nicht entgegenstehen oder es als sonstiges Vorhaben keine öffentlichen Belange beeinträchtigt.
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aa) Das Vorhaben ist gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert. Danach sind solche Vorhaben privilegiert, die der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dienen.
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Das Vorhaben dient ausweislich der Angaben der Beteiligten und der Behördenakten als Mobilfunksendeanlage der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen, insbesondere der besseren mobilen Versorgung der durch das Vorhabensgrundstück verlaufenden Bahnstrecke.
38
Es ist zudem ortsgebunden. Zusätzlich zu den in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB bezeichneten Merkmalen von Einrichtungen der öffentlichen Versorgung verlangt das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung, dass die ihnen dienenden Vorhaben ähnlich wie die in Nr. 3 genannten Vorhaben, die „ortsgebundenen Betrieben“ dienen, ortsgebunden sind (BVerwG, U.v. 12.1.1977 - 4 C 28/75 - juris Rn. 23). Mit Urteil vom 20. Juni 2013 (Az. 4 C 2/12) hat das Bundesverwaltungsgericht das Merkmal der Ortsgebundenheit des Nr. 3 im Hinblick auf die Besonderheiten der Mobilfunktechnologie für Mobilfunksendeanlagen modifiziert. Danach genügt zur Inanspruchnahme der Privilegierung als öffentliche Versorgungsanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB bei Mobilfunksendeanlagen anstelle der Ortsgebundenheit ihre Raum- bzw. Gebietsgebundenheit (BVerwG, U.v. 20.6.2013 - 4 C 2/12 - juris Rn. 13). Hieraus ergibt sich grundsätzlich die Verpflichtung des Mobilfunkunternehmens, die Vergeblichkeit seiner Bemühungen um einen Standort im Innenbereich nachvollziehbar zu belegen. Das kann beispielsweise durch die Vorlage einer der Entscheidung für einen Außenbereichsstandort vorangegangenen Standortuntersuchung geschehen (BayVGH, B.v. 26.5.2014 - 2 ZB 12.2319 - juris Rn. 4).
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Gleichwohl ist die Vorlage einer Standortanalyse nach dem Willen des Gesetzgebers dann nicht erforderlich, wenn die Mobilfunkanlage gerade der Versorgung des Außenbereichs oder der Herstellung eines stabilen Mobilfunknetzes auch im Außenbereich, auch mit Blick auf die Versorgung von Straßen und Feldern, dienen soll und insoweit schon aus technischen Gründen ein geeigneter Standort im Innenbereich nicht in Betracht kommt (BT-Drs. 19/24838 zum Entwurf eines Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz), Seite 20 Punkt 7). So liegt es hier. Nach der in den Behördenakten befindlichen Darstellung (Bl. 130 d. BA) dient der geplante Mast der Versorgung der Bahnstrecke bis hin zum Ufer des Chiemsees sowie in westlicher Richtung der Versorgung des angrenzenden Innenbereichs. Ferner ist aus den Behördenakten ersichtlich, dass der Erteilung der Baugenehmigung eine Alternativstandortsuche vorausgegangen ist und die vorgeschlagenen Alternativgrundstücke aus unterschiedlichen Gründen (unzureichende Versorgung, fehlende Bereitschaft der jeweiligen Eigentümer zur Vermietung etc.) nicht in Betracht kamen. Schließlich sind sämtliche in den Behördenakten befindliche Alternativstandorte (FlNr. 1...4 Gem. …, FlNr. 2...6/70 Gem. …, FlNr. 2...6/63 Gem. … sowie FlNr. 3...3 Gem. …) ebenfalls im Außenbereich gelegen. Eine Standortalternativenprüfung für den Außenbereich findet im Baugenehmigungsverfahren gerade nicht statt (BayVGH, B.v. 22.3.2022 - 1 CS 22.56 - juris Rn. 11).
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bb) Dem privilegierten Vorhaben stehen keine öffentlichen Belange gemäß § 35 Abs. 3 BauGB entgegen.
41
(1) Das Vorhaben ruft keine schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB hervor.
42
Soweit die Antragstellerin auf schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Immissionen und die fehlende Vorlage einer Standortbescheinigung gemäß § 4 der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) hinweist, führt dies nicht zum Entgegenstehen öffentlicher Belange. Denn die von der Funkstrahlung des Mobilfunkmasts ausgehenden schädlichen Einwirkungen auf die menschliche Gesundheit sind aufgrund der Spezialität des Standortbescheinigungsverfahrens von der Baugenehmigungsbehörde nicht zu prüfen. Das Immissionsschutzrecht ordnet eine Konzentrationswirkung zugunsten der Baugenehmigung nicht an. Die von der Antragstellerin angenommene Gefahrensituation hat demnach nicht die Bauaufsichtsbehörde, sondern die hierfür ausschließlich zuständige Bundesnetzagentur zu prüfen. Die Standortbescheinigung stellt der Sache nach eine Bescheinigung über die Zulässigkeit des Betriebs einer bestimmten Funkanlage an einem bestimmten Standort dar und hat die Funktion einer Freigabe des Betriebs; sie darf nur unter den Voraussetzungen des § 5 BEMFV erteilt werden (BayVGH, B.v. 18.1.2022 - 1 CS 21.2386 - juris Rn. 16). Durch das Nebeneinander von Baugenehmigung und Standortbescheinigung entsteht auch keine Rechtsschutzlücke für betroffene Dritte, da die Standortbescheinigung einen im Wege der Nachbarklage anfechtbaren Verwaltungsakt mit Doppelwirkung darstellt (BayVGH, B.v. 30.3.2004 - 21 CS 03.1053 - juris).
43
(2) Dem Vorhaben stehen keine Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie die natürliche Eigenart der Landschaft und deren Erholungswert entgegen. Es verunstaltet auch nicht das Orts- und Landschaftsbild, § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB.
44
(a) Dem Vorhaben stehen keine Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege entgegen, auf die sich die Antragstellerin berufen könnte.
45
Dabei ist der jeweils eigenständige Charakter der bauplanungsrechtlichen und der naturschutzrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Außenbereichsvorhabens zu beachten; die Anforderungen des § 35 BauGB stehen, auch soweit sie „naturschutzbezogen“ i.S.v. Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 sind, unabhängig neben den Anforderungen des Naturschutzrechts (BVerwG, U.v. 13.12.2001 - 4 C 3/01 - juris). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass es einer Gemeinde grundsätzlich verwehrt ist, sich zum „gesamtverantwortlichen Wächter des Natur- und Umweltschutzes“ aufzuschwingen und als solcher Belange der Allgemeinheit zu wahren, die keinen speziellen Bezug zu ihrem Selbstverwaltungsrecht, insbesondere zu ihrer Planungshoheit, aufweisen. Ebenso wenig darf sie sich als Kontrolleur der zur Wahrung öffentlicher Belange jeweils berufenen staatlichen Behörden oder als Sachwalter privater Interessen betätigen. Dass die Gemeinde im Rahmen der Einvernehmensregelung nicht berechtigt ist, fachbehördlich geregelte öffentliche Interessen geltend zu machen, wird nicht zuletzt auch dadurch belegt, dass weder das Baugesetzbuch noch die Fachgesetze ein besonderes Verfahren zur Konfliktregelung für den Fall vorsehen, dass eine Divergenz zwischen Fachbehörde und Gemeinde besteht (BayVGH, B.v. 19.7.2010 - 9 CE 10.983 - juris Rn. 9).
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Die Antragstellerin war demnach nicht befugt, dem Vorhaben das Einvernehmen allein aus Gründen des Naturschutzes zu versagen. Ferner ist nicht ersichtlich, dass Gründe des Landschaftsschutzes derart inmitten stehen, dass sie einen Bezug zur Planungshoheit der Antragstellerin haben können. So liegt das Vorhabensgrundstück lediglich am Rande eines Landschaftsschutzgebiets.
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(b) Das Vorhaben verunstaltet nicht das Orts- und Landschaftsbild.
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Das Landschaftsbild wäre dann verunstaltet, wenn mit der Errichtung des Vorhabens der städtebauliche und landschaftliche Gesamteindruck erheblich gestört würde, mit anderen Worten, wenn das Bauvorhaben dem Orts- oder Landschaftsbild in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird. Ob diese Schwelle überschritten ist, hängt von den konkreten Umständen der jeweiligen Situation und einer wertenden Betrachtung des jeweiligen Gebiets ab (BayVGH, U.v. 9.8.2007 - 25 B 05.1341 - juris Rn. 27 m.w.N.).
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Danach verunstaltet der geplante Mobilfunkmast nicht das Orts- und Landschaftsbild. Das Fachgebiet Naturschutz des Landratsamts stellte in seiner naturschutzfachlichen Stellungnahme vom 14. Juni 2021 zwar fest, dass der Mobilfunkmast optisch in das angrenzende Landschaftsschutzgebiet wirke und die natürliche Eigenart der Landschaft erheblich und nachhaltig beeinträchtige. Gleichwohl geht auch die Behörde davon aus, dass dem Vorhaben dann keine öffentlichen Belange entgegenstünden, wenn der landschaftspflegerische Begleitplan vom 28. Juli 2017 mit Rotkorrektur zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht werde und eine Ersatzzahlung für den nicht ausgleich- und ersetzbaren Eingriff zu leisten sei. Dies setzt in der Sache voraus, dass der Mobilfunkmast genehmigungsfähig ist, also am konkreten Standort auch nicht verunstaltend wirkt. Im Rahmen der summarischen Prüfung im Eilverfahren hält das Gericht diese Einschätzung, dass das Vorhaben keine verunstaltende Wirkung hat, für zutreffend. Maßgeblich hierfür sind die in den Akten befindlichen Lichtbilder (Bl. 49 ff. d. BA). Das landschaftliche Umfeld des geplanten Mobilfunkstandorts ist bereits durch technische Einrichtungen und Bauten in erheblicher Weise vorbelastet. So befinden sich unmittelbar westlich des geplanten Standorts entlang der Bahnlinie Leitungen einschließlich dazugehöriger Masten (Bl. 49 d. BA). Zudem ist das Gebiet ca. 400 m östlich des Vorhabensstandorts - und damit deutlich näher am Ufer des Chiemsees und im Landschaftsschutzgebiet gelegen - geprägt von Infrastruktureinrichtungen wie Sportplätze sowie Flutlicht- und Strommasten (Bl. 51 d. BA). Darüber hinaus ist hinsichtlich privilegierter Vorhaben im Außenbereich wie dem streitgegenständlichen zu beachten, dass diese nach der Entscheidung des Gesetzgebers quasi planartig grundsätzlich dem Außenbereich zugewiesen sind. (BVerwG, U.v. 25.10.1967 - IV C 86/66 - juris Rn. 11). Dabei sind die nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegierte Mobilfunkmasten wesensgemäß von weither sichtbar. Schließlich ist die landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft in besiedelten Gebieten seit der flächendeckenden Nutzung der Elektrizität durch Masten aller Art mitgeprägt. Gittermasten gehören seitdem jedenfalls in Ortsnähe zum Landschaftsbild, sodass bereits kein von diesem Anblick zu bewahrendes und schützendes Landschaftsbild vorliegt. Für den aufgeschlossenen Durchschnittsbeobachter ist er heutzutage eher üblich und umgebungstypisch (VG München, B.v. 10.11.2021 - M 9 SN 21.5136 - juris Rn. 33 ff.; BayVGH, B.v. 22.3.2022 - 1 CS 22.56 - juris Rn. 9). Für eine grobe Unangemessenheit des zu errichtenden Mobilfunkmastes am geplanten Standort ist daher nichts ersichtlich.
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(c) Dem Vorhaben stehen nicht die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert entgegen.
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Die natürliche Eigenart der Landschaft wird geprägt durch die naturgegebene Art der Bodennutzung, einschließlich der Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung (BayVGH, U.v. 15.7.2016 - 22 BV 15.2169 - juris Rn. 37) und durch die bereits vorhandenen Anlagen. Zwar kann grundsätzlich auch ein privilegiertes Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen, allerdings ist auch hier der gesetzgeberischen Zuweisung der privilegierten Vorhaben an den Außenbereich angemessen Rechnung zu tragen, da sie sonst bedeutungslos wäre (BayVGH, B.v. 22.3.2022 - 1 CS 22.56 - juris Rn. 12). Unter Berücksichtigung der Privilegierung des Mobilfunkmastes gem. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB lässt sich keine Beeinträchtigung einer schützenswerten natürlichen Eigenart der Landschaft feststellen. Ferner kann insoweit auf die obigen Ausführungen hinsichtlich des Eingriffs in das Orts- und Landschaftsbild Bezug genommen werden.
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2. Die Anträge waren daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen. Es entsprach der Billigkeit, dass die Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, weil diese einen Antrag stellte und sich somit einem Prozessrisiko aussetzte.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziffern 9.10, 1.5 des Streitwertkatalogs. Es erscheint angemessen, den für die Hauptsache anzunehmenden Streitwert von 15.000,00 EUR im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.