Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 07.09.2022 – 102 VA 192/21
Titel:

Beschwerde gegen die Ablehnung des Insolvenzgerichts, eine vom Gläubiger angeregte Aufsichtsmaßnahme zu ergreifen

Normenketten:
EGGVG Art. 23 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1, Art. 27
InsO § 6, § 58 Abs. 1 S. 2, § 66 Abs. 2
Leitsatz:
Lehnt das Insolvenzgericht eine vom Gläubiger angeregte Maßnahme der Aufsicht nach § 58 Abs. 1 Satz 2 InsO ab, ist hiergegen der Rechtsbehelf der §§ 23 ff. EGGVG nicht eröffnet. (Rn. 24 und 26)
Schlagworte:
Justizverwaltungsakt, Beschwerde, Zulässigkeit, Insolvenzgericht, Aufsichtsmaßnahme, Insolvenzgläubiger, Rechnungslegung
Vorinstanz:
AG Wolfratshausen, Beschluss vom 30.11.2021 – IN 131/20
Fundstellen:
ZVI 2023, 221
ZIP 2022, 1933
EWiR 2022, 690
ZInsO 2022, 2131
LSK 2022, 22845
ZRI 2022, 825
NJOZ 2023, 398
NZI 2022, 837
BeckRS 2022, 22845

Tenor

I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
III. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin, die in dem beim Amtsgericht Wolfratshausen, Insolvenzgericht unter dem Az. IN 131/20 geführten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Sch. GmbH unter der Tabellennummer 66 Forderungen in Höhe von 107.759,56 € sowie 215.519,13 € angemeldet hat, begehrt mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung eine Anordnung gegenüber dem Insolvenzgericht, Zwischen- bzw. Schlussrechnungen des Verwalters nebst Belegwesen auf der Geschäftsstelle auszulegen.
2
Die Forderungen der Antragstellerin wurden vom Insolvenzverwalter in voller Höhe bestritten und nicht festgestellt. Sie sind im Verteilungsverzeichnis vom 19. November 2021, aktualisiert am 19. Januar 2022, als „bestritten - Quote zurückbehalten“ vermerkt und Gegenstand einer Feststellungsklage. Der durch den Insolvenzverwalter am 23. März 2021 vorgelegte Insolvenzplan, der ein vom Regelverfahren abweichendes Vorgehen zur Fortführung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin vorsieht, wurde von den Gläubigern angenommen und mit gerichtlichem Beschluss vom 29. April 2021 bestätigt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die im Prüfungs- und Abstimmungstermin gegen den Insolvenzplan gestimmt hatte, verwarf das Landgericht mit Beschluss vom 14. Juni 2021 als unzulässig.
3
Mit Schriftsätzen vom 3. August 2021 und 11. August 2021 beantragte die Antragstellerin Einsicht in diverse Unterlagen aus der Insolvenzakte, die vom Gericht gewährt wurde. Ergänzend forderte sie das Gericht mit Schriftsatz vom 11. August 2021, eingegangen am 16. September 2021, auf, die bislang nicht bei den Insolvenzakten befindliche Buchhaltung für das vorläufige Verfahren beim Insolvenzverwalter anzufordern, und wiederholte ihren Antrag vom 16. August 2021, diese gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1, § 66 Abs. 2 Satz 2 InsO zur Einsicht auszulegen. Der hierzu angehörte Insolvenzverwalter vertrat in seiner Stellungnahme vom 21. September 2021 den Standpunkt, dass der Hinweis der Antragstellerin auf Auslegung der Rechnungslegung fehlgehe, da auf die Rechnungslegung im rechtskräftigen Insolvenzplan ausdrücklich verzichtet worden sei. Die Antragstellerin beharrte in der Folgezeit darauf, dass das Insolvenzgericht die Buchhaltungsunterlagen nebst Belegwesen einschließlich der Sach- und Geldkontenblätter für das vorläufige und das eröffnete Verfahren zur Ansicht aller Beteiligter auszulegen habe. Die Auslegungsverpflichtungen aus §§ 66 ff. InsO stünden nicht zur Disposition im Insolvenzplan, vielmehr regele § 217 InsO abschließend den Umfang der dispositiven Vorschriften. Der Insolvenzplan könne die Rechte und Pflichten des Insolvenzgerichts nicht beschränken, das seiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen habe. Auch die Schlussrechnung des Verwalters für das vorläufige und das eröffnete Verfahren nebst Belegen sei auszulegen. Da der Verwalter in seinen Vergütungsanträgen keine Angaben gemäß § 8 Abs. 2 InsVV gemacht habe, habe die Antragstellerin, die sich gegen dessen Anträge beschwere, sogar ein berechtigtes Interesse, die Buchhaltungsunterlagen einzusehen. Außerdem sei das Verteilungsverzeichnis, das die Forderungen der Antragstellerin nicht oder nicht in voller Höhe enthalte, fehlerhaft und zu berichtigen.
4
Der Insolvenzverwalter verwies seinerseits darauf, dass die vom Gericht bewilligte Akteneinsicht vollständig gewährt worden sei und die Buchhaltungsunterlagen nicht Bestandteil der Gerichtsakten, sondern Teil seiner Akten seien, in die ein Einsichtsrecht nicht bestehe. Das Verteilungsverzeichnis sei korrekt und vollständig.
5
Mit richterlichem Beschluss vom 30. November 2021, der Antragstellerin zugestellt am 3. Dezember 2021, hat das Amtsgericht den Antrag auf Auslegung der Schlussrechnung und der Insolvenzbuchhaltung und auf Berichtigung des Verteilungsverzeichnisses zurückgewiesen.
6
Die Anträge seien im Hinblick auf den rechtskräftig festgestellten Insolvenzplan unzulässig. Die Beteiligten hätten keinen Anspruch auf - nochmalige - Überprüfung des Insolvenzplans in seiner Gänze oder hinsichtlich einzelner Bestimmungen. Die Anträge wären auch unbegründet. Der Antragstellerin sei Akteneinsicht in vollem Umfang gewährt worden. Ein Anspruch auf Vorlage von Unterlagen des Insolvenzverwalters, den das Gericht durchzusetzen habe, bestehe nicht. Insoweit sei gegebenenfalls Klage zu den Zivilgerichten zu erheben. Auch ein Anspruch auf Auslegung der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters sei nicht gegeben, da im gerichtlich bestätigten Insolvenzplan hierauf verzichtet worden sei. Abgesehen davon sei der Insolvenzplan nebst Anlagen ausgelegt, allen Gläubigern zugestellt und im Erörterungsund Abstimmungstermin ausführlich besprochen worden. Die im Termin anwesende Antragstellerin habe keine Einwände bzw. Anforderungen in Bezug auf die Schlussrechnung vorgebracht, damit sei sie präkludiert. Einen Anspruch auf Korrektur des Verteilungsverzeichnisses hat das Gericht ebenfalls verneint.
7
Gegen die Zurückweisung der Einwände gegen das Verteilungsverzeichnis hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde zum Landgericht erhoben.
8
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2021 hat sie das Oberlandesgericht München um „Einschreiten gemäß §§ 23, 27 EGGVG“ ersucht, das den Antrag mit Verfügung vom 15. Dezember 2021, hier eingegangen am 16. Dezember 2021, mit der Bitte um Übernahme des Verfahrens zuständigkeitshalber an das Bayerische Oberste Landesgericht übersandt hat.
9
Der Senatsvorsitzende hat mit Verfügung vom 20. Dezember 2021 u. a. darauf hingewiesen, dass das Anliegen als Antrag auf Anweisung des Insolvenzgerichts zur Durchführung aufsichtlicher Maßnahmen auszulegen sein dürfte. Maßnahmen der Dienstaufsicht seien jedoch keine Justizverwaltungsakte, gegen die nach § 23 EGGVG vorgegangen werden könnte. Ein entsprechender Antrag sei unzulässig.
10
Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2021 hat die Antragstellerin zum Hinweis Stellung genommen und auf die gesetzlichen Vorschriften der Insolvenzordnung verwiesen, aus denen sich eine Pflicht des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Rechnungslegung und Auslegung dieser Rechnung durch das Gericht ergebe. Aus § 259 BGB folge ferner, dass eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben sowie ein Belegwesen vorzulegen seien. Schon aus steuerlichen Gründen habe der Verwalter diesbezügliche Verpflichtungen. Bis heute sei die Auslegung der Buchhaltung dieses Verfahrensabschnitts nicht erfolgt. Es handele sich nicht um ein Akteneinsichtsgesuch der Antragstellerin, da die Unterlagen beim Insolvenzgericht nicht vorlägen, sondern um die Geltendmachung des mit den Pflichten aus § 21 Abs. 2 Nr. 1, § 66 Abs. 2 Satz 1 InsO korrespondierenden Gläubigerrechts. Hieran ändere sich nichts, ob man die Rechnung Schlussrechnung, Abrechnung oder Zwischenrechnung nenne. Gegebenenfalls sei der Begriff der Schlussrechnung in den gestellten Anträgen im Sinne einer Zwischenabrechnung oder Zwischenrechnung im Umfang des § 259 BGB zu verstehen. Das Gericht habe es abgelehnt, seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Ein Rechtsmittel sei in § 66 InsO nicht vorgesehen. Die Anordnung zur Übersendung der Unterlagen an das Gericht und die anschließende Auslegung seien Justizverwaltungsakte oder Maßnahmen im Sinne von § 27 EGGVG, weil die Justizbehörde eine Regelung im Einzelfall erlasse, bzw. aus der allgemeinen Bestimmung eine konkrete Handlungspflicht auferlege.
11
Der Insolvenzplan könne nur zukünftig gestalten, erfasse aber nicht eine Regelung für das vorläufige Verfahren, weswegen der dort enthaltene Verzicht auf eine Schlussrechnung bedeutungslos sei. Es möge auf eine Schlussrechnung verzichtet worden sein, jedenfalls aber sei gemäß Ziffer 17 des Insolvenzplans Zwischenrechnung zu legen, also eine Abrechnung nebst Belegen für den Zeitraum von Verfahrenseröffnung bis zur Niederlegung des Plans zu erstellen und zur Einsicht niederzulegen. Auch insoweit sei das Gericht den Anträgen der Antragstellerin nicht nachgekommen, sondern habe deutlich gemacht, dass es keine Auslegung von Unterlagen geben werde.
12
Es sei nicht ersichtlich, weshalb das zuständige Aufsichtsgericht dem Untergericht nicht ein gesetzmäßiges Handeln auferlegen können solle. An den Anträgen werde festgehalten.
13
Die Antragstellerin beantragt,
dem Insolvenzgericht aufzugeben, die Schlussrechnungen des Verwalters für das vorläufige und endgültige Insolvenzverfahren nebst Belegwesen, hilfsweise die Zwischenrechnung nebst Belegwesen auf der Geschäftsstelle auszulegen und den Beschluss vom 30. November 2021 insoweit aufzuheben, hilfsweise dem Insolvenzgericht unter Aufhebung der Entscheidung vom 30. November 2021 aufzuerlegen, die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
14
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
den Antrag als unzulässig zurückzuweisen.
II.
15
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
16
Der Antrag nach § 27 Abs. 1 EGGVG ist unstatthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.
17
1. Die ausschließliche sachliche Gerichtszuständigkeit für Verfahren über die Anfechtung von Justizverwaltungsakten auf den in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Gebieten folgt aus § 25 EGGVG (vgl. Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, EGGVG § 25 Rn. 1). In Bezug auf die Justizverwaltungsbehörden des Freistaats Bayern ergibt sich aus der Bestimmung in Art. 12 Nr. 3 BayAGGVG, mit der mit Wirkung zum 1. Februar 2019 von der Konzentrationsermächtigung des § 25 Abs. 2 EGGVG Gebrauch gemacht worden ist, die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts anstelle der Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist insoweit nicht - wie die Antragstellerin meint - „das zuständige Aufsichtsgericht“ gegenüber dem Insolvenzgericht, sondern das kraft Gesetzes auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege zur Entscheidung über einen Antrag nach § 23 EGGVG berufene Gericht.
18
2. Der Antrag ist unstatthaft, da den Verfahrensbeteiligten im Insolvenzverfahren nur im beschränkten Umfang Beschwerdemöglichkeiten gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts eingeräumt sind und nach dieser gesetzgeberischen Entscheidung dem Gläubiger kein Rechtsbehelf zusteht, sollte das Gericht dessen Anregung auf aufsichtsrechtliches Einschreiten nicht nachkommen.
19
a) Wie sie ausdrücklich klargestellt hat, wendet sich die Antragstellerin nicht gegen eine vom Insolvenzgericht verweigerte Einsicht in die Insolvenzakten. Die Unterlagen, deren Auslegung sie anstrebt, sind - wie sie selbst vorträgt - nicht Teil dieser Akten. Ihr Antrag, dem Insolvenzgericht aufzugeben, die Schlussrechnungen des Verwalters für das vorläufige und endgültige Insolvenzverfahren nebst Belegwesen, hilfsweise die Zwischenrechnung nebst Belegwesen auf der Geschäftsstelle auszulegen und den Beschluss vom 30. November 2021 insoweit aufzuheben, hilfsweise dem Insolvenzgericht aufzuerlegen, die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden, ist vielmehr anhand ihres Vorbringens auszulegen. Die Auslegung von Unterlagen setzt voraus, dass diese dem Insolvenzgericht zur Verfügung stehen. Das Rechtsschutzziel der Antragstellerin ist bei verständiger Würdigung somit darauf gerichtet, das Insolvenzgericht durch geeignete Anordnungen zur Beschaffung der fraglichen Unterlagen anzuhalten, indem es sein im Gesetz geregeltes Aufsichtsrecht gegenüber dem Insolvenzverwalter ausübt. Hilfsweise begehrt die Antragstellerin die Aufhebung der ablehnenden Entscheidung des Insolvenzgerichts mangels tragfähiger Begründung und erneute Verbescheidung.
20
b) Es kann dahinstehen, ob das von der Antragstellerin begehrte Vorgehen des Insolvenzgerichts überhaupt als Justizverwaltungsakt im Sinne von § 23 EGGVG zu qualifizieren ist.
21
Bei dem gerichtlichen Beschluss, gegen den sie sich wendet, könnte es sich um einen der Nachprüfung im Verfahren nach § 23 EGGVG entzogenen Akt der Rechtsprechung handeln (vgl. Lückemann in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, EGGVG § 23 Rn. 23 m. w. N.). Als Ausführungsvorschrift zu Art. 19 Abs. 4 GG gewähren die §§ 23 ff. EGGVG keinen Rechtsschutz gegen die Judikative, sondern nur gegen die Exekutive (Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, EGGVG § 23 Rn. 5). Vorliegend hat die Insolvenzrichterin das Begehren der Antragstellerin als unzulässig erachtet, weil sie darin eine unzulässige (partielle) Überprüfung und Abänderung des mit Beschluss vom 29. April 2021 bestandskräftig gerichtlich bestätigten Insolvenzplans gesehen hat. Bei der Bestätigung eines Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht gemäß § 248 InsO handelt es sich um die Ausübung rechtsprechender Gewalt im Sinne von Art. 92 GG, denn damit erfolgt, insbesondere wenn es um den Schutz eines dem Insolvenzplan widersprechenden Gläubigers geht, eine letztverbindliche Klärung der Rechtslage in einem Streitfall in einem besonders geregelten Verfahren (BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 2 BvR 765/20, juris Rn. 49).
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Soweit die Antragstellerin mit ihrem Antrag das Ziel verfolgt, das Insolvenzgericht zur Ausübung der in § 58, § 66 Abs. 2 InsO geregelten Aufsicht über den Insolvenzverwalter anzuhalten, könnte dies auch mit Maßnahmen der Dienstaufsicht vergleichbar sein, gegen die ebenfalls nicht nach § 23 EGGVG vorgegangen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 1988, IVa ARZ [VZ] 5/88, BGHZ 105, 395 [juris Rn. 24]; OLG Köln, Beschluss vom 31. Januar 1969, 2 VerwZ 1/69, OLGZ 1970, 119 [120]; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, EGGVG § 23 Rn. 115; Lückemann in Zöller, ZPO, EGGVG § 23 Rn. 27).
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c) Die Qualifikation der von der Antragstellerin begehrten Maßnahmen bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn der Statthaftigkeit des Antrags steht jedenfalls entgegen, dass der Gesetzgeber den Verfahrensbeteiligten im Insolvenzverfahren aufgrund der besonderen Interessenlage nur in beschränktem Umfang Beschwerdemöglichkeiten gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts eingeräumt hat, § 6 InsO. Entsprechend der in § 23 Abs. 3 EGGVG enthaltenen Subsidiaritätsklausel muss das in der jeweiligen Verfahrensordnung geregelte Rechtsschutzsystem als Ganzes in die Betrachtung aufgenommen werden. Werden hiernach einzelne Fälle bewusst nicht erfasst oder sind im Einzelfall die Voraussetzungen des Rechtsbehelfs nicht, noch nicht oder nicht mehr gegeben, bleibt ein Rückgriff auf §§ 23 ff. EGGVG ausgeschlossen (Köhnlein in BeckOK GVG, 15. Ed. 15. Mai 2022, EGGVG § 23 Rn. 47). Die in § 6 InsO zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung ist damit auch im Rahmen eines Antrags nach § 23 EGGVG zu berücksichtigen, soweit nicht Art. 19 Abs. 4 GG aus verfassungsrechtlichen Gründen die Möglichkeit der Überprüfung einer Entscheidung gebietet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2006, 1 BvR 2530/04, BVerfGE 116, 1 [juris Rn. 28]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. Dezember 2008, 20 VA 10/08, juris Rn. 24).
24
aa) Die Insolvenzordnung regelt die Rechtsschutzmöglichkeiten von Verfahrensbeteiligten und Nichtverfahrensbeteiligten im Hinblick auf die Besonderheit des Insolvenzverfahrens restriktiv; die Einflussmöglichkeiten gerade auf den Ablauf dieses Verfahrens sollen im Hinblick auf die Zwecke des Insolvenzverfahrens beschränkt bleiben (OLG Frankfurt, a. a. O.). In Bezug auf aufsichtliche Maßnahmen sieht die Insolvenzordnung vor, dass (nur) dem Insolvenzverwalter - beschränkt auf den Fall der Verhängung von Zwangsgeld (§ 58 Abs. 2 InsO) - ein Rechtsbehelf zusteht. Weder für den Schuldner noch für den Gläubiger eröffnet das Gesetz eine Beschwerdemöglichkeit, wenn das Insolvenzgericht Maßnahmen der Aufsicht ablehnt. Nach einhelliger Ansicht in der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur kann der Gläubiger im Insolvenzverfahren aufsichtsrechtliche Maßnahmen demnach nur anregen, ihm steht jedoch kein Rechtsbehelf zu, sollte das Gericht dessen Anregung oder Beschwerde nicht nachkommen. Die Informationspflichten des Insolvenzverwalters nach § 58 InsO bestehen nur gegenüber dem  Insolvenzgericht. Die Verfahrensbeteiligten können Informations- und Auskunftsrechte in der Gläubigerversammlung bzw. im Gläubigerausschuss geltend machen, Einsicht in bestimmte Unterlagen nehmen (vgl. § 66 Abs. 2 Satz 2, § 154, § 175 Abs. 1 Satz 2 InsO) bzw. Akteneinsicht in die bestehende Akte nach § 299 ZPO verlangen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2008, IX ZA 23/08, ZInsO 2008, 1207 Rn. 5; Beschluss vom 13. Juni 2006, IX ZB 136/05, NZI 2006, 593; BayObLG, Beschluss vom 8. April 2005, 3Z BR 246/04, BayObLGR 2005, 632, juris Rn. 23; Graeber in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2019, § 58 Rn. 23 und 59; Vallender/Zipperer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 15. Aufl. 2019, § 58 Rn. 18 und 37; Andres in Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2018, § 58 Rn. 21; Ries in Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Aufl. 2016, § 58 Rn. 24; Ganter in ZInsO 2017, 2517 [2518]). Eventuell bestehende spezialgesetzliche oder vertragliche Auskunftsrechte sind im Zivilprozess durchzusetzen (vgl. Andres in Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, § 58 Rn. 22 f.). Das Fehlen eines Rechtsbehelfs wird durch die Haftung des Insolvenzverwalters nach §§ 60, 61 InsO und die Staatshaftung für die ordnungsgemäße Ausübung der gerichtlichen Aufsicht kompensiert (vgl. Göcke in BeckOK Insolvenzrecht, 27. Ed. 15. April 2022, InsO § 58 Rn. 25; Vallender/Zipperer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 58 Rn. 37). Die Beschränkung der Informationspflicht auf das Verhältnis zum Insolvenzgericht kann weder durch die Anregung einer Anfrage durch das Insolvenzgericht (Andres in Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, § 58 Rn. 21; Graeber in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 58 Rn. 23) noch durch einen Antrag nach § 23 EGGVG umgangen werden (Madaus in BeckOK, InsO § 6 Rn. 4)
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bb) Dieses Ergebnis steht im Streitfall nicht im Widerspruch zur Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet einen möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2000, 1 BvR 321/96, BVerfGE 101, 397 [juris Rn. 37]). Um einen gesetzmäßigen Ablauf des Insolvenzverfahrens zu sichern, hat das Insolvenzgericht nach § 58 Abs. 1 InsO das Recht, aber auch die Pflicht, den Insolvenzverwalter bei seiner Amtsführung zu überwachen. Dabei ist das Insolvenzgericht gehalten, auf eigene Initiative hin gegen Pflichtverstöße des Insolvenzverwalters vorzugehen (BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 2016, 1 BvR 3102/13, BVerfGE 141, 121 Rn. 45 ff.; vgl. Beschluss vom 28. Juli 1992, 1 BvR 859/92, NJW 1993, 513, juris Rn. 3). Ein Insolvenzgläubiger oder sonstiger Verfahrensbeteiligter kann eine aufsichtliche Maßnahme des Insolvenzgerichts im Rahmen des § 58 Abs. 1 InsO - wie dargelegt - lediglich anregen; ein Antragsrecht steht ihm nach § 58 Abs. 1 InsO hingegen nicht zu (BGH, Beschluss vom 21. September 2005, IX ZB 128/05, ZVI 2007, 80 Rn. 4; Vallender/Zipperer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 58 Rn. 18). Er ist mithin auch nicht dadurch unmittelbar in eigenen Rechten betroffen, dass das Insolvenzgericht der Anregung keine Folge leistet. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist es daher nicht erforderlich, dass ihm die Möglichkeit einer richterlichen Überprüfung der (ablehnenden) Entscheidung offensteht.
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c) Nichts anderes gilt in Bezug auf das Begehren der Antragstellerin, das Insolvenzgericht zu einem Vorgehen nach § 66 Abs. 2 InsO anzuhalten. Die Norm ist Ausfluss der Aufsichtspflicht (Blümle in Braun, Insolvenzordnung, 9. Aufl. 2022, § 66 Rn. 14). § 66 Abs. 2 InsO begründet ebenso wenig wie § 58 InsO einen mittels eines Antrags nach § 23 EGGVG durchsetzbaren Anspruch des Gläubigers oder eines anderen Verfahrensbeteiligten dahingehend, dass das Gericht im Wege der Aufsicht eine Rechnungslegung des Verwalters durchsetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2010, IX ZR 242/09, NZI 2010, 984; Mock in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 66 Rn. 77).
27
Der Senat hat damit weder darüber zu entscheiden, ob das Insolvenzgericht zu Recht wegen der Bestandskraft des Insolvenzplans abgelehnt hat, den Insolvenzverwalter zur Vorlage einer Zwischen- und/oder Schlussrechnung bzw. des Belegwesens - sei es für das vorläufige oder für das endgültige Insolvenzverfahren - aufzufordern, noch besteht Veranlassung, das Verhältnis von § 66 Abs. 4 InsO zu § 58 InsO näher zu beleuchten. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass der Insolvenzplan eine Zwischenschlussrechnung des Insolvenzverwalters vorsieht. Die von der Antragstellerin insoweit thematisierten Rechtsfragen sind mangels Statthaftigkeit ihres Antrags nicht entscheidungserheblich.
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Der von der Antragstellerin geltend gemachte Aspekt, sie habe ein Interesse an der Einsicht in die Buchhaltung, da der Verwalter in seinen Vergütungsanträgen keine Angaben gemäß § 8 Abs. 2 InsVV gemacht habe, führt ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung. Es steht jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts offen, mit dem die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen eines Insolvenzverwalters festgesetzt worden sind, § 64 Abs. 3 InsO, womit eine gerichtliche Überprüfung des Vergütungsanspruchs sichergestellt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2017, IX ZB103/15, NJW 2017, 2280, Rn. 32).
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d) Auch der Hinweis der Antragstellerin auf § 27 EGGVG führt nicht weiter, da es sich dabei nicht um eine selbständige Antragsart handelt. Vielmehr knüpft die Bestimmung an § 23 EGGVG an und setzt voraus, dass entweder über einen an die Justiz- oder Vollzugsbehörden gerichteten Antrag, eine Maßnahme im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG zu treffen, oder über eine Beschwerde oder einen anderen förmlichen Rechtsbehelf im Sinne des § 24 Abs. 2 EGGVG noch nicht entschieden wurde (BayObLG, Beschluss vom 23. August 2022, 102 VA 57/22, BeckRS 2022, 21449; OLG Hamm, Beschluss vom 23. September 1982, 7 VAs 68/82, NStZ 1983, 38; Köhnlein in BeckOK GVG, 15. Ed. Stand 15. Mai 2022, EGGVG § 27 Rn. 2; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, EGGVG § 27 Rn. 8; Mayer in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, EGGVG § 27 Rn. 7). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
30
e) Aus den dargelegten Gründen wäre zudem die Antragsbefugnis der Antragstellerin nach § 24 Abs. 1 EGGVG zu verneinen. Nach dieser Vorschrift ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur zulässig, wenn ein Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Im Streitfall kann offen bleiben, ob hierfür eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Rechtsverletzung erforderlich ist oder ob - wie es der herrschenden Meinung zu § 42 Abs. 2 VwGO in Bezug auf den Verwaltungsprozess entspricht - lediglich ein Sachverhalt vorgetragen werden muss, der eine Rechtsverletzung möglich erscheinen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018, IV AR (VZ) 1/18, juris Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 18. November 2020, 101 VA 136/20, juris Rn. 29 m. W. N.). Auch bei Zugrundelegung der letztgenannten Position fehlt es an einer Antragsbefugnis der Antragstellerin, die nicht Adressatin der fraglichen Maßnahmen ist. Gläubiger haben keinen subjektiven Anspruch auf bestimmte aufsichtliche Maßnahmen des Insolvenzgerichts.
IV.
31
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Antragstellerin die gerichtlichen Kosten des Verfahrens bereits nach den gesetzlichen Bestimmungen zu tragen hat (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19 GNotKG i. V. m. § 22 Abs. 1 GNotKG). Für eine Anordnung nach § 30 EGGVG im Hinblick auf die außergerichtlichen Kosten sprechen keine Gesichtspunkte.
32
Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, liegen nicht vor.
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Die nach § 3 Abs. 2 GNotKG i. V. m. Nr. 15301 GNotKG-KV erforderliche Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 36 GNotKG. Mangels genügender Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts ist von einem Geschäftswert von 5.000,00 € auszugehen (§ 36 Abs. 3 GNotKG).