Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.08.2022 – 9 CS 22.1573
Titel:

Erfolglose Beschwerde im einstweilgen Rechtsschutz: Mangelnde Entscheidungserheblichkeit bei fehlender Mitwirkung im Verwaltungsverfahren

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BayDschG Art. 4 Abs. 1 S. 1, Art. 4 Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
Stellt ein Antragsteller im Rahmen seiner Beschwerde keinen Bezug zu den Gründen des angegriffenen Beschlusses her (hier: Vorbringen betreffend die späte Kenntnis des Antragstellers von der Aufnahme seiner Immobilie in die Denkmalliste und damit die Behandlung der denkmalschutzrechtlichen Angelegenheit durch das Landratsamt und die Denkmalschutzbehörden), fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit der Kritik des Antragstellers. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Verwaltungsgericht von einer unzureichenden Mitwirkung des Antragstellers im Verwaltungsverfahren ausgegangen ist.(Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baudenkmal, Anordnung von Erhaltungsmaßnahmen., Anordnung von Erhaltungsmaßnahmen, Erhaltungsmaßnahme, Denkmalschutzrecht, Beschwerde, Entscheidungserheblichkeit, Mitwirkung, Denkmaleigenschaft, Denkmalliste, Kenntnis
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 23.06.2022 – W 5 S 22.924
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22299

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen eine für sofortvollziehbar erklärte sowie zwangsgeldbewehrte denkmalschutzrechtliche Anordnung. Mit Bescheid vom 5. Mai 2022 wurde ihm als Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung M… (Am L…, M…) aufgegeben, am dort befindlichen Baudenkmal „Ehemaliges Patrimonialgericht, Amts- und Wohnhaus sowie Gefängnis“ bauliche Maßnahmen zur Wiederherstellung einer geordneten Wasserableitung im Bereich der unteren Mansarddachfläche zu veranlassen (Nr. I.1 des Bescheids), die schadhafte Ziegeleindeckung und Fehlstellen in der Dachhaut zu schließen (Nr. I.2) und die offenen Fensteröffnungen zu verschließen (Nr. I.3).
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Hiergegen erhob der Antragsteller Klage, über die noch nicht entschieden ist. Seinem Antrag, die aufschiebende Wirkung dieser Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung unter Nr. III des angefochtenen Bescheids mit Beschluss vom 23. Juni 2022 stattgegeben. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Eine möglicherweise unzureichende Anhörung, weil das betreffende Schreiben vom 26. Januar 2022 erst nach Ablauf der Stellungnahmefrist beim Kläger eingegangen sein könnte, sei im Gerichtsverfahren durch Nachholung geheilt worden. Die angeordneten Maßnahmen seien rechtmäßig; sie dienten dem Erhalt der Bausubstanz und seien bestimmt genug. Sie seien auch erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne, zumal zuvor keine Studie über die Erhaltungsfähigkeit des Gebäudes einzuholen sei. Es gehe hier nur um die einstweilige Notsicherung, die es erst ermöglichen werde, in der Folge eine Bestandsaufnahme der Schäden mit Kostenermittlung durchzuführen. Die Maßnahmen seien dem Antragsteller in Anbetracht der vom Landratsamt veranschlagten Kosten von 12.000,00 Euro zumutbar. Es sei nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass sich das Denkmal nicht mehr in einem erhaltungs- und sanierungsfähigen Zustand befinde. Ob sich der Antragsteller insoweit Versäumnisse seines Rechtsvorgängers zurechnen lassen müsse, obwohl er angeblich erst seit 2021 Kenntnis von der Denkmaleigenschaft gehabt habe, könne dahinstehen. Jedenfalls müsse er sich eine mangelnde Mitwirkung im Verwaltungsverfahren vorwerfen lassen. Vorliegend habe sich der Antragsteller, der die Beseitigung des Baudenkmals beabsichtigt habe, nicht auf die Angebote zu einer Abstimmung und damit die Klärung der Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit eingelassen. Er habe zudem nicht substantiiert geltend gemacht, weshalb ihm die finanziellen Mittel für die Erhaltungsmaßnahmen fehlten. Im Übrigen überwiege in Anbetracht der ungeklärten Wertigkeit und des schnell fortschreitenden Verfalls das öffentliche Vollzugsinteresse selbst bei der Annahme offener Erfolgsaussichten.
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Mit der eingelegten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, das Verwaltungsgericht habe ihm die Antragserwiderung des Landratsamts vom 13. Juni 2022 erst am 16. Juni 2022 mit der Bitte um Stellungnahme zugestellt. Bereits am 23. Juni 2022 habe es über den Eilantrag entschieden, ohne zuvor eine Frist für die Stellungnahme gesetzt oder eine solche abgewartet zu haben. Hierdurch sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das Landratsamt habe fälschlich behauptet, der Antragsteller habe Kontaktaufnahmen verweigert. Tatsächlich habe dieses kein Interesse an der Klärung gehabt, zehn Monate keine Antworten auf Fragen des Antragstellers gegeben und mit Schreiben vom 26. Januar 2021 Drohungen ausgestoßen sowie unzumutbare Bedingungen gestellt. Vorbringen des Klägers sei nur unzureichend gewürdigt worden. Im Hinblick auf die komplizierte Gesamtsituation hätte eine mündliche Verhandlung stattfinden müssen. Dies gelte umso mehr, als dem Antragsteller die Feststellung der Denkmaleigenschaft nicht mitgeteilt worden sei. Es hätte darin auch geklärt werden können, warum das Schreiben des Landratsamts vom 26. Januar 2022 erst nach der darin benannten Frist zur Stellungnahme bis zum 14. Februar 2022 zuging. Überdies sei der Bescheid vom 5. Mai 2022 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden und das Schreiben des „Landesdenkmalamts“ vom 10. Mai 2021 enthalte falsche Aussagen.
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Der Antragsteller beantragt,
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1. den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Nrn. I.1 bis I.3 wiederherzustellen sowie
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2. dem Kläger angemessene Fristen zur Beschaffung von handwerklichen Stellungnahmen und Gutachten insbesondere zur Frage der baulichen Sicherung einzuräumen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die mit Schriftsatz vom 5. Juli 2022 fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung der gerichtlichen Entscheidung. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist folgendes zu bemerken:
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1. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), weil das Verwaltungsgericht keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe, greift nicht durch. Das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO eröffnet im Rahmen der durch § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO gezogenen Grenzen eine umfassende Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof als zweite Tatsacheninstanz, so dass ein etwaiger erstinstanzlicher Gehörsverstoß durch die nachholende Berücksichtigung des Vorbringens im Beschwerdeverfahren geheilt werden könnte (vgl. BayVGH, B.v. 22.4.2022 - 3 CS 21.3245 - juris Rn. 19 m.w.N.; B.v. 7.1.2022 - 7 CS 21.3151 - juris Rn. 2 m.w.N.).
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2. Soweit der Antragsteller zur Gewährung rechtlichen Gehörs außerdem eine mündliche Verhandlung für erforderlich hält, ist auf § 101 Abs. 3 VwGO hinzuweisen. Danach kann das Gericht in einem durch Beschluss endenden Verfahren ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (BVerfG, B.v. 24.3.1987 - 2 BvR 677/86 - NJW 1987, 2219/2220 = juris Rn. 4). Darüber, ob eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist, entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (BVerwG, B.v. 16.12.1999 - 4 CN 9.98 - juris Rn. 7). Im Hinblick darauf, dass es im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO lediglich um die Überprüfung einer Anordnung des Sofortvollzugs und nicht der Rechtmäßigkeit der Entscheidung selbst geht, über die endgültig erst im Klageverfahren aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden wird, ist die Ausübung des gerichtlichen Ermessens dahin, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, regelmäßig nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 6.12.2019 - 11 CS 19.1174 - juris Rn. 17). Tragfähige Gründe, derentwegen hier eine Ausnahme zu machen wäre, sind nicht vorgetragen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist dementsprechend auch im vorliegenden Rechtsmittelverfahren nicht angezeigt.
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3. Es bestehen keine Zweifel daran, dass der angefochtene Bescheid vom 5. Mai 2022 dem Antragsteller gegenüber durch Bekanntgabe wirksam geworden ist (vgl. Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG). Etwaige Mängel der hier durch die Post mit Zustellurkunde durchgeführten Zustellung (vgl. Art. 3 VwZVG) wären gemäß Art. 9 VwZVG durch den tatsächlichen Zugang des Bescheids beim Antragsteller geheilt. Dass Zugang und Kenntnisnahme erfolgt sind, belegt der Umstand der rechtzeitigen Klageerhebung am 30. Mai 2022 unter Beifügung einer Kopie des vollständigen Bescheids.
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4. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf eine fehlende oder unzureichende Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG berufen, weil ihn das Schreiben des Landratsamts vom 26. Januar 2021 erst nach Ablauf der darin gesetzten Stellungnahmefrist erreicht habe. Das Verwaltungsgericht ist hinsichtlich in Betracht zu ziehender Anhörungsmängel von einer Heilung durch Nachholung der Anhörung im Gerichtsverfahren ausgegangen (vgl. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 BayVwVfG). Das Landratsamt habe das Vorbringen des Antragstellers im Klage- und Antragsverfahren im Rahmen seiner Erwiderung erkennbar zum Anlass genommen, die Entscheidung kritisch zu überdenken, wenn es auch am Ergebnis festgehalten habe. Dem Beschwerdevorbringen ist nichts dafür zu entnehmen, dass die Funktion einer Anhörung für den Entscheidungsprozess der Behörde vorliegend nicht uneingeschränkt erreicht worden sein könnte (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2015 - 7 C 5.14 - BVerwGE 153, 367 = juris Rn. 17; vgl. auch BayVGH, B.v. 1.10.2021 - 11 CS 21.2129 - juris Rn. 13; B.v. 13.11.2017 - 15 ZB 16.1885 - juris Rn. 9 m.w.N.).
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5. Hinsichtlich der Kritik des Antragstellers an der Behandlung der denkmalschutzrechtlichen Angelegenheit durch das Landratsamt und die Denkmalschutzbehörden lässt sich schon nicht ersehen, wieso diese entscheidungserheblich sein sollte. Der Antragsteller stellt insoweit keinen Bezug zu den Gründen des angegriffenen Beschlusses her. Dies gilt insbesondere auch für sein Vorbringen betreffend seine späte Kenntnis von der Aufnahme seiner Immobilie in die Denkmalliste. Das Verwaltungsgericht ist von einer unzureichenden Mitwirkung des Antragstellers in dem im Jahr 2021 eingeleiteten Verwaltungsverfahren ausgegangen, weshalb eine Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit im Einzelnen nicht zu erwarten war (vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2007 - 1 B 00.2474 - juris Rn. 83; vgl. auch U.v. 12.8.2015 - 1 B 12.79 - juris Rn. 16; OVG Hamburg, U.v. 12.9.2019 - 3 Bf 177/16 - juris Rn. 64). Er habe auch sein finanzielles Unvermögen hinsichtlich der angeordneten Maßnahmen nicht dargelegt oder nachgewiesen. Diesen Erwägungen tritt der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung nicht substantiiert entgegen.
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Die Kostenentscheidung resultiert aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).