Titel:
Untersuchungsanordnung zur Überprüfung der dienstlichen Verwendungsfähigkeit einer Tierärztin in einer Schlachthalle
Normenketten:
VwGO § 44a, § 123 Abs. 1
BeamtStG § 35 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Ein Amtstierarzt ist – jedenfalls in begrenztem Umfang und bei dienstlichem Bedürfnis – verpflichtet, auch die Aufgaben der Schlachttier- und Fleischuntersuchung an einem Schlachthof in der Funktion eines amtlichen Fachassistenten auszuführen, sodass der Dienstherr ein personalwirtschaftliches Interesse hat, sich Klarheit über die Möglichkeiten eines künftigen Einsatzes zu verschaffen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Amtstierärztin, Untersuchungsanordnung zur Überprüfung der Verwendungsfähigkeit, keine Anhaltspunkte zu Art der Erkrankung, allgemeine amtsärztliche Untersuchung, Einsatz am Schlachthof, Untersuchungsanordnung, allgemeinmedizinische amtsärztliche Untersuchung, orientierende Erstuntersuchung, Verwendungsfähigkeit, Gesundheitszustand
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 10.06.2022 – M 5 E 22.2715
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22288
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Beschwerde ihr Begehren weiter, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, sie vorläufig von der mit Bescheid vom 5. Mai 2022 gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG angeordneten Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung (einschließlich etwa erforderlicher Untersuchungen wie z.B. Röntgen, Ultraschall, Blutabnahme) freizustellen. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Antragstellerin vom 11. Mai 2022 ist bislang nicht verbeschieden.
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1. Mit Beschluss vom 10. Juni 2022 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag mit der Begründung ab, es sei kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es fehlten konkrete Angaben zu den medizinischen Gründen, die ihr die Schlachttieruntersuchung zwar in der Schweineschlachtung aus gesundheitlichen Gründen unmöglich machten, sie sich jedoch mehrmals für die Lebendtieruntersuchung am Rind habe einsetzen lassen, obwohl die vorgelegten privatärztlichen Atteste aus dem Jahr 2021 einen generellen Einsatz am Schlachthof ausschließen würden. Der Umfang der angeordneten Untersuchung gehe auch nicht über den zulässigen Umfang einer allgemeinärztlichen Untersuchung hinaus. Die Ausführungen im Beschluss des Senats vom 28. März 2022 (3 CE 22.508) stünden nicht entgegen, denn sie beträfen weitergehende fachärztliche Untersuchungen im Rahmen einer Zusatzbegutachtung.
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2. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die von ihr fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses zu entsprechen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs durch die Antragstellerin verneint.
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Die streitgegenständliche Anordnung einer allgemeinmedizinischen amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG genügt hier den rechtlichen Anforderungen, die im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen des mit der Anordnung verbundenen Eingriffs in die grundrechtsbewehrte persönliche Sphäre der Beamtin zu beachten sind.
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2.1 Mit ihrer Beschwerdebegründung macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, sie habe ihre Bereitschaft ausschließlich zum Einsatz in der Lebendtieruntersuchung Rind erklärt, weil sie früher im entsprechenden Bereich Schwein gravierende Verstöße gegen den Tierschutz habe erleben müssen, die sie bis zum heutigen Tage plagen würden. Im Übrigen habe sich die personelle Situation in der Schlachthalle am Schlachthof München inzwischen so entspannt, dass ein Einsatz von Amtstierärzten nicht mehr erforderlich sei. Mit dem Fortfall des dienstlichen Bedürfnisses für Einsätze von Amtstierärzten in der Funktion eines amtlichen Fachassistenten sei aber auch die Grundlage für die Untersuchungsanordnung vom 5. Mai 2022 entfallen. Damit habe sich die Sachlage seit dem Beschluss des Senats vom 14. März 2022 (3 CE 22.413) geändert. Die Untersuchungsanordnung sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mehr vom Rahmen einer allgemeinen amtsärztlichen Untersuchung gedeckt, der lediglich eine „orientierende Erstuntersuchung“ umfasse und keine darüberhinausgehenden Untersuchungen technischer Art wie etwa eine Blutentnahme oder die Aufnahme von Röntgenbildern. Damit seien derartige, auch zur allgemeinen Anamnese notwendige Eingriffe, die sich noch nicht auf ein spezielles medizinisches Fachgebiet bezögen, unzulässig. Mit diesem Vorbringen vermag die Antragstellerin der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
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2.2 Bestehen Zweifel an der uneingeschränkten Verwendungsfähigkeit der Beamtin, ist die Behörde zur Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung berechtigt. Aufgrund hinreichend gewichtiger tatsächlicher Umstände muss zweifelhaft sein, ob die Beamtin wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Dienstpflichten des abstrakt-funktionellen Amtes vollumfänglich zu erfüllen. Hinreichend gewichtige tatsächliche Umstände sind solche, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, die betreffende Beamtin sei in ihrer Verwendungsfähigkeit zumindest teilweise eingeschränkt. So verhält es sich hier.
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Es mangelt nach wie vor an belastbaren Feststellungen über den derzeitigen Gesundheitszustand der Antragstellerin. Eine medizinisch fundierte Prognose zu ihrer Verwendungsfähigkeit zu stellen, ist der Antragsgegnerin daher nicht möglich. Aus dem Beschwerdevorbringen, mit dem sie im Grunde die Unzumutbarkeit ihrer Beschäftigung im Bereich der Lebendtieruntersuchung Schwein geltend macht, folgt nichts Anderes, denn es befasst sich nicht mit medizinisch relevanten Aspekten und daher nicht mit der Verwendungsfähigkeit der Antragstellerin vor dem Hintergrund ihrer gesundheitlichen Situation. Dieses Vorbringen deckt im Gegenteil auf, dass den bisher vorgelegten privatärztlichen Attesten, die ihr umfassend bestätigen, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Schlachthalle an lebenden Tieren beschäftigt werden zu dürfen, keine Aussagekraft zukommt.
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Soweit die Antragstellerin auf eine Entspannung der personellen Situation am Schlachthof München hinweist, womit ein Einsatz von Amtstierärzten als amtliche Fachassistenten nicht mehr erforderlich sei, kann sie mit diesem Vorbringen nicht gehört werden. Denn es obliegt allein der Organisationsbefugnis des Dienstherrn, hierzu entsprechende Überlegungen anzustellen. Danach kann es etwa im Hinblick auf künftige personelle Engpässe notwendig sein, bereits heute Gewissheit über die unter gesundheitlichen Gesichtspunkten bestehende Einsatzfähigkeit einzelner Tierärzte in der Schlachthalle zu gewinnen. Selbst wenn also - wie die Antragstellerin meint - aktuell kein dienstliches Bedürfnis für ihren Einsatz in der Schlachthalle bestehen sollte, besteht gleichwohl ein personalwirtschaftliches Interesse der Antragsgegnerin, sich in der gegebenen Situation Klarheit über die Möglichkeiten eines künftigen Einsatzes der Antragstellerin zu verschaffen. Die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung zur erstmaligen Erhebung eines möglicherweise vorliegenden, jedoch bisher unbekannten Krankheitsbildes ist daher nicht zu beanstanden.
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Im Übrigen hat der Senat bereits entschieden, dass ein Amtstierarzt - jedenfalls in begrenztem Umfang und bei dienstlichem Bedürfnis - verpflichtet ist, auch die Aufgaben der Schlachttier- und Fleischuntersuchung an einem Schlachthof in der Funktion eines amtlichen Fachassistenten auszuführen (BayVGH, B.v. 14.3.2022 - 3 CE 22.413 - juris Ls. u. Rn. 10).
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2.3 Schließlich führt auch die Berufung der Antragstellerin auf den Beschluss des Senats vom 28. März 2022 (3 CE 22.508 - juris Rn. 26) nicht zum Erfolg der Beschwerde. Die von ihr vorgenommene Interpretation des Beschlusses, im Rahmen der allgemeinärztlichen amtsärztlichen Untersuchung sei lediglich eine „orientierende Erstuntersuchung“ zulässig, lässt sich der zitierten Entscheidung nämlich nicht entnehmen.
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Vielmehr ist dort davon die Rede, dass sich eine - wie hier - Untersuchungsanordnung zur Überprüfung der dienstlichen Verwendungsfähigkeit nach § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG von einer bloßen Aufforderung, sich beim Amtsarzt lediglich vorzustellen, damit der Dienstherr eine (erste) Prognose über die weitere Verwendung des Beamten erhält, unterscheidet. Das rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung der Antragstellerin, sie müsse sich vorliegend auch nur einer „orientierenden Erstuntersuchung“ stellen, die nach ihrem Verständnis nicht über die ohne weiteres mögliche Erhebung des körperlichen Befundes (etwa Gewicht, Größe, Blutdruck u.ä.) hinausgeht (BayVGH, B.v. 2.8.2022 - 3 CE 22.1586 - juris Rn. 6). Der Beschluss vom 28. März 2022 (a.a.O.), besagt deutlich das Gegenteil. Im Übrigen hat der Senat den Begriff der „orientierenden Erstuntersuchung“ stets in dem Sinne begriffen, dass es um die Abgrenzung zu einer vertiefenden f a c h ärztlichen Untersuchung geht (B.v. 18.2.2016 - 3 CE 15.2768 - juris Rn. 33). Die Antragstellerin hat sich der im Schreiben vom 5. Mai 2022 genannten Untersuchung mit dem beschriebenen Umfang zu unterziehen.
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Um weiteren Missverständnissen vorzubeugen, weist der Senat darauf hin, dass eine Untersuchungsanordnung in einem Fall, in dem der Dienstherr keine Erkenntnisse über die Erkrankung des Beamten hat, regelmäßig nur die Grundzüge der zu erwartenden Untersuchungen bestimmen kann, nicht aber dem Amtsarzt die Details des Untersuchungsverlaufs vorgeben muss. Bei den in der Untersuchungsanordnung genannten technischen Untersuchungen handelt es sich zudem um solche, die zum Standarduntersuchungsprogramm eines Allgemeinmediziners gehören (BayVGH, B.v. 2.8.2022 - 3 CE 22.1586 - juris Rn. 7). Das Verwaltungsgericht hat insoweit unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, B.v. 14.3.2019 - 2 VR 5.18 - juris Rn. 50) zutreffend darauf hingewiesen, dass der Dienstherr die Art und den Umfang der ärztlichen Untersuchung hier nicht näher eingrenzen kann, weil die Antragstellerin nur allgemein gesundheitliche Gründe anführt, weshalb sie eine Tätigkeit im Schlachthof in der Lebendtieruntersuchung generell nicht ausführen könne, und sich dennoch später bereit erklärt hat, zumindest im Teilbereich der Lebendtieruntersuchung Rind tätig zu sein, obwohl vorgelegte privatärztliche Atteste sämtliche Tätigkeiten im Schlachthof - also auch in der Lebendtieruntersuchung Rind - aus nicht benannten medizinischen Gründen ausschließen. Die von der Antragstellerin erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Begründung, dass sie früher im Rahmen der Lebendtieruntersuchung Schwein „gravierende Verstöße gegen den Tierschutz“ mit ansehen habe müssen, die sie „bis zum heutigen Tage“ plagten, führt hier nicht weiter. Denn mit diesem Vortrag wird keine medizinische Begründung für eine Einschränkung ihrer Verwendungsfähigkeit dargetan, um deren Klärung es im gegen die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung gerichteten Streitverfahren jedoch geht.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).