Titel:
Keine Anwendung der beihilferechtlichen zweijährigen Kauffrist für weiche Kontaktlinsen auf Sonnenbrillen
Normenketten:
BayBhV § 22 Abs. 5 (idF bis zum 1.10.2021)
VwGO § 88
BayBG Art. 96 Abs. 5
Leitsätze:
1. Der Wortlaut der § 22 Abs. 5 BayBhV aF lässt eindeutig nicht zu, die 3-Jahres-Frist nicht anzuwenden, wenn innerhalb der drei Jahre eine Sonnenbrille oder phototrope Brille und eine „Klarglasbrille“ angeschafft wurden, da laut Wortlaut die „erneute Beschaffung von Sehhilfen“ geregelt ist, ohne dass zwischen den unterschiedlichen Brillentypen unterschieden wird; lediglich hinsichtlich der Dauer der Frist wird zwischen weichen Kontaktlinsen (2 Jahre) und sonstigen Sehhilfen (3 Jahre) unterschieden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verordnungsgeber hat die „weichen Kontaktlinsen“ als eine Form der Sehhilfe durch eine kürzere Frist bewusst privilegieren wollen, nicht aber andere Sehhilfen; für eine Analogie ist kein Raum gegeben. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klarglasbrille, Sonnenbrille, phototrope Brille, weiche Kontaktlinsen, zweijährige Frist, Analogie, Alimentationspflicht, Fürsorgepflicht, Beihilfe
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 29.07.2022 – 24 ZB 22.529
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22284
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungen oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Sehhilfe. Der Kläger ist gegenüber der Beklagten beihilfeberechtigt mit einem Beihilfebemessungssatz von 70 Prozent.
2
Mit Beihilfeantrag vom 8. April 2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Beihilfe für Aufwendungen in Höhe von 1.079,00 Euro. Dem zugrunde lag die augenärztliche Verordnung vom 21. März 2019 für eine „Gleitsichtbrille“ mit dem Befund „Gläserstärke um 0,5 Dioptrien oder mehr verändert“ (Bl. 6, Rückseite der Behördenakte) und die Optikerrechnung der … GmbH, …, vom 26. März 2019 (aaO, Vorderseite).
3
Mit Beihilfebescheid vom 17. Mai 2019 setzte die Beklagte insoweit eine Beihilfe in Höhe von 0,00 Euro fest. Zur Begründung führte sie unter „Beleghinweise (Spalte 7)“ mit der Ziffer 0202 aus, dass die Aufwendungen für die Ersatzbeschaffung von Sehhilfen abgesehen von Ausnahmefällen nur dann beihilfefähig seien, wenn bei gleichbleibender Sehschärfe seit dem Kauf der bisherigen Sehhilfe drei Jahre vergangen seien (unter Hinweis auf § 22 Abs. 5 BayBhV). Sollte ein Ausnahmefall gegeben sein, sei dieser näher darzulegen.
4
Mit Schreiben an die Beklagte vom 27. Mai 2019 (Bl. 3 der Behördenakte) legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. Mai 2019 ein und begründete diesen damit, dass die mit Datum vom 26. März 2019 für 1079,00 Euro gekaufte Klarsichtbrille die am 30. Juni 2015 gekaufte Klarsichtbrille ersetze. Der Kauf dieser beiden Brillen liege mehr als drei Jahre auseinander, und auch die Sehschärfe habe sich geändert. Die am 12. Juli 2018 gekaufte Brille sei eine optische Sonnenbrille als Lichtschutz im Freien, welche die alte Sonnenbrille aus dem Jahr 2007, die noch keine Gleitsichtzone gehabt habe, ersetze. Jene habe zwar phototrope Gläser, dadurch aber auch immer eine Resttönung von circa 15 Prozent. Die in den Jahren 2015 und 2019 angeschafften Brillen hingegen seien komplett ohne Tönung, was für die Augen im Innenbereich vorteilhafter sei. Die phototrope Brille sei im Innenbereich nur kurzfristig nutzbar, zum Beispiel beim Einkaufen. Für die Arbeit oder in der Freizeit zuhause benötige der Kläger jedoch eine ungetönte Brille. Die beiden in den Jahren 2018 und 2019 gekauften Brillen hätten zusammen über 2.500,00 Euro gekostet, davon habe die PKV jeweils 250,00 Euro erstattet. Abzüglich der Beihilfe verbleibe ein respektabler Eigenanteil. Die Brillen seien kein Luxus, sondern wichtige erforderliche Hilfsmittel für die Bewältigung des täglichen Alltags, inklusive der Dienstverrichtung für die Beklagte.
5
Mit Schreiben an den Kläger vom 7. Juni 2019 (Bl. 8 der Behördenakte) führte die Beklagte aus, dass zuletzt für die am 12. Juli 2018 gekaufte Brille Beihilfe in Höhe von 291,00 EUR gewährt worden sei. Dass es sich dabei um eine Sonnenbrille gehandelt habe, sei beihilferechtlich nicht relevant. Sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben seien, sei gemäß § 22 BayBhV zwischen einer Klarbrille, einer phototropen Brille oder einer Sonnenbrille nicht zu unterscheiden. Da zwischen dem 12. Juli 2018 und dem 26. März 2019 keine drei Jahre vergangen seien und sich auch die Refraktionen nicht im Geringsten verändert hätte, könne dem Antrag auf Beihilfeerstattung für die im März 2019 gekaufte Brille leider nicht entsprochen werden.
6
Mit Schreiben vom 19. Juni 2019 (Bl. 9 der Behördenakte) begründete der Kläger seinen Widerspruch weiter und führte aus, dass er seit seiner Kindheit stark kurzsichtig sei, diese Einschränkung aber mit Hilfe von geeigneten Brillen, zumal mit modernen hochbrechenden Gläsern, welche eine erstaunlich geringe Dicke aufweisen würden, kompensieren könne. Aufgrund starker Blendungsempfindlichkeit müsse er beim Aufenthalt im Freien eine getönte (Sonnen-)Brille tragen, wobei ihm eine phototrope Brille für den kurzzeitigen Aufenthalt in Innenräumen, zum Beispiel beim Einkaufen oder Essengehen, den ständigen Wechsel zwischen getönter Brille und Klarsichtbrille erspare. Bei längerem Aufenthalt in Innenräumen (Arbeit im Büro, Aufenthalt zuhause etc.) benötige er seine Klarsichtbrille, um ermüdungsfrei und gut sehen zu können. Da seine Brillen eine vorhandene Fehlsichtigkeit ausgleichen sollten, mache es naturgemäß Sinn, wenn sowohl Sonnen- als auch Klarsichtbrille mit den gleichen Werten (Dioptrien- und Zylinderwerte) ausgestattet seien. In seinem Fall sei daher zwischen Sehhilfe für den Außen- und Sehhilfe für den Innenbereich zu unterscheiden. Zwischen den beiden Klarsichtbrillen lägen mehr als drei Jahre (Anschaffung 30. Juni 2015 und 26. März 2019). Zwischen den letzten phototropen Brillen lägen sogar 12 Jahre, da sich der Fernsehbereich nicht wesentlich verändert habe, der Kläger aber im Nahbereich aufgrund fortschreitender Altersweitsichtigkeit mit der alten Brille nicht mehr zurechtgekommen sei. Bei der Klarsichtbrille hätten sich zudem die Nahsichtwerte erheblich erhöht. Da es sich hier um zwei unterschiedliche Indikationen für die Innen- und Außenbrille handle, sollte der Begriff „bisherige Sehhilfe“ in § 22 Abs. 5 BayBhV auch so interpretiert werden, dass die Klarsichtbrille mit der bisherigen Klarsichtbrille und die getönte Brille mit der bisherigen getönten Brille verglichen werde. Wie bereits im Widerspruchsschreiben geschildert, habe der der Kläger die beiden Brillen angeschafft, da sie für ihn notwendig seien und nicht aus „Jux und Tollerei.“
7
Unter dem Datum 25. September 2019 erließ die Beklagte folgenden Widerspruchsbescheid (Bl. 11 der Behördenakte):
„1. Dem Widerspruch vom 27.5.2019, eingegangen am 3.6.2019, gegen den Bescheid vom 17.5.2019 wird nicht abgeholfen.
2. Kosten werden nicht erhoben.“
8
Dieser mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehene Bescheid wurde wie folgt begründet: Da seit dem letzten Kauf der Brille (Rechnung vom 12.Juli 2018) keine drei Jahre vergangen seien und sich die Sehstärke des Klägers seit dem Kauf der bisherigen Sehhilfe nicht geändert habe, sei die Beihilfegewährung zu Recht abgelehnt worden. Da die Tönung einer Sonnenbrille regelmäßig bei 80 bis 85 Prozent liege, weise die am 12. Juni 2018 augenärztlich verordnete Brille mit einer Tönung von 15 Prozent nicht den Charakter einer Sonnenbrille auf. Der Auffassung des Klägers, die Brillenbeschaffungen seien getrennt zu betrachten, könne daher nicht gefolgt werden. Die Ausführungen des Klägers, für den Außen- und Innenbereich seien zwei Brillen erforderlich, seien beihilferechtlich nicht relevant.
9
Mit Schreiben an die Beklagte vom 7. Oktober 2019 (Bl. 13 der Behördenakte) bat der Kläger darum, den Widerspruchsbescheid vom 25. September 2019 nochmals zu überdenken und zu überarbeiten. Denn die Argumentation der Beklagten im Widerspruchsbescheid, den der Kläger am 30. September 2019 erhalten habe, sei absolut unzutreffend und fehlerhaft. Zum Beweis seiner Ausführungen im Schreiben vom 27. Mai 2019, dass die phototrope Brille immer mindestens eine Resttönung von 15 Prozent habe und unter Sonneneinstrahlung einen hochwirksamen Sonnenschutz von bis zu 85 Prozent erreiche, lege er eine Bestätigung seines Optikers vor (Blatt 14 der Behördenakte). Es handle sich also definitiv um eine hochwertige Sonnenbrille, welche durch die selbsttönenden Gläser zudem noch wesentlich flexibler eingesetzt werden könne als eine normale optische Sonnenbrille. Aufgrund der immer vorhandenen Resttönung könne er die Brille aber nicht als normale Alltags- und Arbeitsbrille verwenden. Die Tatsache, dass seine vorhergehende selbsttönende Sonnenbrille aus dem Jahre 2007 stamme und noch nicht die mittlerweile erforderliche Gleitsichtfähigkeit aufweise, zeige, dass er sehr sparsam und pfleglich mit seinen Hilfsmitteln umgehe. Bei der am 26. März 2019 beschafften Klarglasbrille hätten sich gegenüber der Brille vom 30. Juni 2015 die Werte für den Gleitsichtbereich erheblich verändert.
10
Mit E-Mail vom 16. Oktober 2019 (Bl. 17 der Behördenakte) führte die Beklagte gegenüber dem Kläger aus, dass ihm auch unter Berücksichtigung seines Vortrags im Schreiben vom 7. Oktober 2019 kein Beihilfeanspruch zustehe. Gemäß § 22 Abs. 5 BayBhV seien Aufwendungen für die erneute Beschaffung einer Sehhilfe nur alle drei Jahre beihilfefähig. Ein dort aufgeführter Ausnahmefall liege jedoch nicht vor. Das Beihilferecht gebe keinen Anspruch auf Erstattung einer Sonnenbrille und einer „normalen Brille“. Für eine getönte bzw. phototrope Brille seien je Glas zusätzlich bis zu 11,00 Euro beihilfefähig (§ 22 Abs. 3 Satz 2 BayBhV). Eine weitergehende Regelung, wie sie sich der Kläger wünsche, habe der Gesetzgeber nicht mit aufgenommen. Bei Kontaktlinsen werde von einer Reservebrille gesprochen, § 22 Abs. 4 Nr. 1 BayBhV, welche daneben beihilfefähig sei. Etwas Vergleichbares finde sich bei einer Sonnenbrille hingegen gerade nicht.
11
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2019, bei Gericht am 28. Oktober 2019 eingegangen, erhob der Kläger Klage und wiederholte mit weiterem Schreiben an das Gericht vom 18. Dezember 2019 im Wesentlichen seine Ausführungen im behördlichen Vorverfahren. Zudem wurde vorgetragen, dass bei ihm ein medizinisch begründeter Ausnahmefall vorliege. Denn aufgrund seiner vorhandenen Blendungsempfindlichkeit benötige der Kläger für den Aufenthalt im Freien eine getönte Brille, die er sich im Jahre 2018 in phototroper Ausführung habe anfertigen lassen. Für den Aufenthalt in Innenräumen sei jegliche Tönung bezogen auf die Sehschärfe jedoch kontraproduktiv, da das Sehvermögen bei der vorherrschenden starken Kurzsichtigkeit des Klägers dadurch beeinträchtigt werde. Da es aus technischer Sicht keine Lösung gebe, um im Freien getönte Gläser zu haben und in Innenräumen keine Tönung, kämen daher für den Kläger nur zwei getrennte Brillen in Frage. Diese beiden getrennten Brillen müssten exakt die gleichen Glaswerte haben, da damit die Sehminderung ausgeglichen werden solle, welche innen und außen gleich sei.
12
Der Kläger ließ sinngemäß beantragen,
den Beihilfebescheid vom 17. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Beihilfe zu gewähren für die Aufwendungen, welche mit Beihilfeantrag vom 8. April 2019 für die vorgelegte Optikerrechnung vom 26. März 2019 geltend gemacht wurden.
13
Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2020 beantragte die Beklagte
14
Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 25. September 2019 und die E-Mail an den Kläger vom 16. Oktober 2019 verwiesen.
15
Mit Schriftsätzen vom 18. Januar 2021 und vom 20. Januar 2021 verzichteten die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
16
Mit Beschluss der Kammer vom 16. Dezember 2021 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
18
Aufgrund des schriftlich erklärten Einverständnisses der Beteiligten kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen, § 101 Abs. 2 VwGO.
19
Die zulässige, insbesondere fristgerechte Klage vom 28. Oktober 2019 ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von Beihilfe für die hier streitgegenständlichen Aufwendungen für die Sehhilfe, geltend gemacht durch Optikerrechnung vom 26. März 2019 in Höhe von 1.079,00 Euro, hat und durch den ablehnenden Bescheid vom 17. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2019 daher nicht in eigenen Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 5, 1 VwGO.
20
Die durch den - im Zeitpunkt der Klageerhebung - anwaltlich nicht vertretenen Kläger erhobene Klage ist - sinngemäß und nach dem verfolgten Klagebegehren gemäß § 88 VwGO - als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage auszulegen, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Denn der Kläger verfolgt nicht nur die Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 17. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2019 (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), sondern letztendlich die Gewährung der durch Beihilfeantrag vom 8. April 2019 beantragten Beihilfe entsprechend seinem Beihilfebemessungssatz in Höhe von 70 Prozent für die mit Rechnung vom 26. März 2019 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 1.079,00 Euro.
21
Die mit Beihilfeantrag vom 8. April 2019 geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 1.079,00 Euro für eine vom Kläger so bezeichnete Klarglasbrille sind nicht beihilfefähig, da seit dem Erwerb der letzten Brille noch keine drei Jahre vergangen sind, § 22 Abs. 5 BayBhV in der hier anwendbaren Fassung vom 12.10.2018.
22
1. Die Deutsche Rentenversicherung … ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung passivlegitimiert, § 29 SGB IV (in der Fassung vom 12.11.2009) i.V.m. §§ 1 Abs. 4, 34 der Satzung der Deutschen Rentenversicherung … vom …
23
2. Der Kläger hat jedoch gegen die Beklagte keinen Beihilfeanspruch aus Art. 96 BayBG i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1, § 7 Abs. 1 Satz 1, § 22 Abs. 1 BayBhV. Gemäß Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG erhalten Beamte Beihilfeleistungen zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge. Das Nähere hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der Beihilfen ergibt sich aus der jeweils anwendbaren Bayerischen Beihilfeverordnung, Art. 96 Abs. 5 BayBG.
24
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BayBhV sind Aufwendungen „nach den folgenden Vorschriften“ beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig, der Höhe nach angemessen sind und ihre Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Aus § 22 BayBhV in der jeweils anwendbaren Fassung ergibt sich die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Sehhilfen.
25
Für die Frage, welche Fassung der Bayerischen Beihilfeverordnung anzuwenden ist, kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen an (st. Rspr. vgl. z.B. BVerwG, U. v. 2.4.2014, 5 C 40.12, NVWZ-RR 2014, 609 Rn. 9, juris; BayVGH, U.v.14.7.2015, 14 B 13.654, Rn. 15, juris). Die hier streitgegenständlichen Aufwendungen sind im Zeitpunkt der Rechnungsstellung am 26. März 2019 entstanden, so dass vorliegend § 22 BayBhV in der Fassung vom 12.10.2018 anwendbar ist (im Folgenden: § 22 BayBhV aF).
26
§ 22 BayBhV aF hat folgenden Wortlaut:
1. Aufwendungen für Sehhilfen sind nach den Absätzen 2 bis 6 beihilfefähig.
2. Voraussetzung für die erstmalige Beschaffung einer Sehhilfe ist eine augenärztliche Verordnung in Schriftform. 3Für die erneute Beschaffung einer Brille oder von Kontaktlinsen genügt die Refraktionsbestimmung einer Augenoptikerin bzw. eines Augenoptikers; die Aufwendungen hierfür sind bis zu 13,00 Euro je Sehhilfe beihilfefähig, Abs. 9 bleibt unberührt.
Aufwendungen für Brillen sind - einschließlich Handwerksleistungen, jedoch ohne Brillenfassung - bis zu folgenden Höchstbeträgen beihilfefähig:
1. Für vergütete Gläser mit Gläserstärken bis +/- 6 Dioptrien (dpt):
für das sph. Glas bis zu 31,00 €, für das cyl. Glas bis zu 41,00 €,
für das sph. Glas bis zu 72,00 €, für das cyl. Glas bis zu 92,50 €,
2. bei Gläserstärken über +/- 6 Dioptrien (dpt): zuzüglich je Glas 21,00 €,
3. Dreistufen- oder Multifokalgläser:
zuzüglich je Glas 21,00 €,
4. Gläser mit prismatischer Wirkung:
zuzüglich je Glas 21,00 €.
Im Übrigen sind die Aufwendungen für die erneute Beschaffung vom Sehhilfen nur beihilfefähig, wenn bei gleichbleibender Sehschärfe seit dem Kauf der bisherigen Sehhilfe drei Jahre - bei weichen Kontaktlinsen zwei Jahre - vergangen sind, oder vor Ablauf dieses Zeitraums die erneute Beschaffung der Sehhilfe notwendig ist, weil
- 1.
-
sich die Refraktion (Brechkraft) geändert hat,
- 2.
-
die bisherige Sehhilfe verloren oder unbrauchbar geworden ist oder
- 3.
-
sich bei Kindern die Kopfform geändert hat.
27
3. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 Abs. 5 BayBhV aF sind die hier streitgegenständlichen Aufwendungen entgegen der Auffassung des Klägers nicht beihilfefähig, weil zwischen dem Kauf der letzten (hier zu berücksichtigenden) Brille am 12. Juli 2018 und dem Erwerb der streitgegenständlichen Sehhilfe am 26. März 2019 noch keine drei Jahre vergangen waren und die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Ziff. 1 bis 3 BayBhV aF ebenfalls nicht vorliegen.
28
Insoweit ist, anders als der Kläger meint, gerade nicht zwischen einer „Klarglasbrille“ und einer phototropen Brille, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Sonnenbrille handelt oder nicht, zu differenzieren. Eine derartige, von der Klage geforderte Unterscheidung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus einer - hier nicht angezeigten - etwaigen geltungserhaltenden Auslegung der Vorschrift.
29
Der Wortlaut des § 22 Abs. 5 BayBhV aF trägt die vom Kläger gewünschte Auslegung, dass nämlich die 3-Jahres-Frist nicht gelten solle, wenn innerhalb der drei Jahre eine Sonnenbrille oder phototrope Brille und eine „Klarglasbrille“ angeschafft wurden, eindeutig nicht. So ist darin die „erneute Beschaffung von Sehhilfen“ geregelt, ohne dass zwischen Sonnenbrillen, phototropen Brillen und Klarglasbrillen unterschieden wird. Vielmehr wird lediglich hinsichtlich der Dauer der Frist zwischen weichen Kontaktlinsen (2 Jahre) und sonstigen Sehhilfen (3 Jahre) unterschieden.
30
Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch handelt es sich bei Sonnenbrillen, phototropen Brillen und Klarglasbrillen jeweils um „Sehhilfen“, also Hilfsmittel zum Sehen, so dass sich daraus bereits kein Anknüpfungspunkt für eine Unterscheidung ergeben kann.
31
Dem Kläger ist zwar insoweit Recht zu geben, als sich die drei genannten Sehhilfen durch ihre Einsatzmöglichkeiten bzw. ihren bestimmungsgemäßen Gebrauch durchaus voneinander unterscheiden. Die Einsatzmöglichkeiten einer Sonnenbrille in Innenräumen oder auch in den dunkleren Wintermonaten sind begrenzt, was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt. Allerdings haben die unterschiedlichen Verwendungsbereiche der drei Sehhilfen keinen Niederschlag in der Verordnung gefunden. Vielmehr ist eine Sonnenbrille bzw. phototrope Brille im Rahmen der Fristberechnung von § 22 Abs. 5 BayBhV aF zu berücksichtigen, wenn innerhalb der drei Jahre nach deren Anschaffung eine weitere Brille beschafft wird, ohne dass ein Fall des § 22 Abs. 5 Ziffer 1 bis 3 BayBhV aF vorliegt, auch wenn es sich dabei nicht erneut um eine Sonnenbrille oder phototrope Brille handelt.
32
Hingegen hat der Verordnungsgeber die „weichen Kontaktlinsen“ als eine Form der Sehhilfe durch eine kürzere Frist privilegiert. Die Tatsache, dass dies bei Sonnenbrillen bzw. phototropen Brillen und Klarglasbrillen unterblieben ist, zeigt, dass es sich bei der gewählten Formulierung in § 22 Abs. 5 BayBhV, nämlich ohne ausdrückliche Unterscheidung zwischen Sonnenbrillen und sonstigen Brillen, nicht um ein Versehen oder unbewusstes Weglassen durch den Verordnungsgeber handeln kann. Der Wortlaut bietet demnach keinen Anknüpfungspunkt für eine Auslegung, wie sie durch die Klage vorgenommen wird, oder für eine Analogie.
33
Der als medizinische Ausnahmefall bezeichnete Umstand, dass der Kläger besonders blendungsempfindlich und daher auf eine getönte Brille und eine ungetönte Brille angewiesen sei, weshalb eine Ausnahme von der 3-Jahres-Frist in § 22 Abs. 5 BayBhV aF zu machen sei, führt vorliegend nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Ausnahmen von der 3-Jahres-Frist werden in § 22 Abs. 5 BayBhV aF abschließend genannt. Darunter fällt die erhöhte Blendungsempfindlichkeit des Klägers unstreitig nicht.
34
Eine Art geltungserhaltende Auslegung, welche aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift (s.o.) eher eine tatbestandliche „Ergänzung“ im Sinne einer Erweiterung darstellen würde, ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht geboten. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass die beamtenrechtliche Beihilfe, wie sie in Art. 96 BayBG i.V.m. den Vorschriften der B. Beihilfeverordnung geregelt worden ist, nicht auf eine umfassende „Rundumversorgung“ des Beamten im Krankheitsfalle abzielt. Vielmehr handelt es sich um ein „Mischsystem“, worin der Beamte durch die Höhe seiner Bezüge in die Lage versetzt wird, Eigenvorsorge durch Abschluss einer Krankenversicherung zu treffen, und der Dienstherr anlassbezogen aufgrund seiner Fürsorgepflicht Beihilfe gewährt. Weder die Alimentationspflicht noch die Fürsorgepflicht gebieten jedoch eine lückenlose Gewährung von Beihilfe (st. Rsp., vgl. u.a. BVerwG, U.v.20.3.2008, 2 C 49/07, juris, Rn. 19). Vielmehr ist es dem Beamten zumutbar, Eigenvorsorge zu treffen bzw. Eigenanteile zu tragen, es sei denn, die von ihm zu tragenden Kosten führten zu einer finanziellen Notlage, welche gegen das grundgesetzlich gesicherte Alimentationsprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG verstoßen würde. Etwaige Anhaltspunkte für eine derartige finanzielle Notlage des Klägers aufgrund der Brillenbeschaffung sind vorliegend weder vorgetragen noch für das Gericht ansatzweise ersichtlich.
35
Auch die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Juli 2015 (14 B 13.654, juris) zur Vorgängerregelung in § 22 Abs. 1 BayBhV, wonach die Beihilfefähigkeit von Sehhilfen auf einige Fälle von Blindheit bzw. der Blindheit nahekommender Sehschwächen beschränkt war, führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. In dem dort zugrundeliegenden Sachverhalt war der Kläger ohne die Gleitsichtbrille, deren beihilferechtliche Anerkennung ihm unter Hinweis auf § 22 Abs. 1 BayBhV in der damals gültigen Fassung durch den Beklagten versagt worden war, nicht einmal in der Lage, wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens (z.B. Rasur) zu erledigen, weil er in seiner Sehfähigkeit stark eingeschränkt war (Ferne Rechts: Sph -12.5, cyl -1.5, A 140°, RA 4 Prismen Basis innen; Ferne Links: Sph -4.5, cyl -1.25, A 34°, LA 6 Prismen Basis unten; Nähe Rechts: Sph -10.0, cyl -1.5, A 140°, RA 4 Prismen Basis innen; Nähe Links: Sph -2.0, cyl -1.25, A 34°, LA 6 Prismen Basis unten, BayVGH, aaO, Rn. 2, juris). Im Unterschied zur damaligen Rechtslage, welche vom BayVGH - jedenfalls bei Vorliegen einer derart gravierenden Sehschwäche - für unwirksam gehalten wurde, sind die Aufwendungen für eine Sehhilfe, wie sie der Kläger angeschafft hat, gemäß § 22 Abs. 1 BayBhV aF nunmehr grundsätzlich beihilfefähig. Allerdings kann der Beihilfeberechtigte eine erneute Beschaffung innerhalb von drei Jahren nur verlangen, wenn eine der weiteren Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Ziff. 1 bis 3 BayBhV aF (z.B. Änderung der Refraktion) vorliegt, was jedoch beim Kläger unstreitig nicht der Fall ist. Eine derartige Einschränkung durch den Verordnungsgeber betrifft jedoch nicht den Wesenskern der Fürsorgepflicht und ist damit zulässig.
36
Der Kläger hat nach alledem unter keinen denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die Aufwendungen, welche ihm durch den Kauf der Brille am 26. März 2019 entstanden sind.
37
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.