Titel:
Asylrecht, Herkunftsland: Türkei, befürchtete Verfolgung wegen Verweigerung des Wehrdienstes (unglaubhaft) bzw. wegen drohender Einziehung (verneint)
Normenketten:
GG Art. 16a
AsylG § 3
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Schlagworte:
Asylrecht, Herkunftsland: Türkei, befürchtete Verfolgung wegen Verweigerung des Wehrdienstes (unglaubhaft) bzw. wegen drohender Einziehung (verneint)
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 28.07.2022 – 24 ZB 22.30626
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22281
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
II. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger, nach eigenen Angaben türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).
2
Der Kläger, der nach eigenen Angaben im Juni 2017 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland einreiste und im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Bundesgebiet alleine lebt, stellte im Juni 2017 einen Asylantrag beim Bundesamt. Sein Asylbegehren begründete er im Kern damit, dass er befürchte, in der Türkei (nochmals) zum Militärdienst einberufen zu werden, um dort gegen Kurden in den Krieg zu ziehen.
3
Mit Bescheid vom 10. Juli 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz jeweils ab (Nrn. 1-3 des Bescheids) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4 des Bescheids). Weiter forderte das Bundesamt die Klagepartei unter Androhung der Abschiebung in die Türkei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen (Nr. 5 des Bescheids) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6 des Bescheids). Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, dass weder eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrelevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich seien. Die Wehrpflicht als solche und die Wehrpflichtpraxis der Türkei stellten grundsätzlich keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung dar. Auch hinsichtlich der kurdischen Volkszugehörigkeit gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine verfolgungsrelevante Diskriminierung bei der Wehrdienstableistung oder bei der Bestrafung wegen Wehrdienstentzugs. Eine mögliche Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung oder Desertion erfolge für alle Betroffenen gleichermaßen. Nationale Abschiebungsverbote wurden auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, humanitären und sozialen Situation in der Türkei geprüft, aber verneint.
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Am 25. Juli 2017 hat der Kläger gegen den Bescheid Klage (M 1 K 17.46203) zum Verwaltungsgericht München erhoben. Die Klage wurde trotz entsprechender Ankündigung nicht begründet.
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
dem Kläger den subsidiären Schutz zuzuerkennen,
festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen,
das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf drei Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen.
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Die Beklagte stellt keinen Antrag.
7
Zum 1. Januar 2022 wurde das Verfahren von der 28. Kammer übernommen.
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Mit Beschluss vom 10. Februar 2022 hat das Gericht den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.
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Am 22. April 2022 fand eine mündliche Verhandlung statt, zu der von den Beteiligten niemand erschienen ist.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
11
1. Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO entschieden werden, da sie zum Termin ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden sind.
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2. Die zulässige Verpflichtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg.
13
Der Kläger hat im insoweit gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die beantragten Verwaltungsakte (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2017 ist - auch im Übrigen - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Zur Begründung wird vollumfänglich auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid, denen der Einzelrichter folgt, verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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Ergänzend sei lediglich angemerkt, dass unabhängig davon, ob der Kläger tatsächlich - wie von ihm beim Bundesamt vorgetragen - vom türkischen Staat als Wehr- bzw. Militärdienstflüchtling oder Dissertant angesehen wird, die Bestrafung der Musterungsentziehung, Wehrdienstverweigerung oder Fahnenflucht derzeit nicht als flüchtlingsrelevante Verfolgung zu qualifizieren ist, da eine etwaige strafrechtrechtliche Sanktionierung seitens des türkischen Staates wegen der mittlerweile abgemilderten Strafpraxis in der Türkei (i.d.R. Verhängung einer Geldstrafe) keine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG darstellt (VG Augsburg, U.v. 1.9.2020 - Au 6 K 19.30565 - juris Rn. 46; VG München, U.v. 22.4.2021 - M 1 K 17.42133 - n.v.; U.v.12.4.2022 - M 28 K 17.49297 - n.v.).
16
Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, zumal der Kläger seine Klage weder begründet hat noch zur mündlichen Verhandlung erschienen ist.
17
3. Die Klage war deshalb abzuweisen.
18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.