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VGH München, Beschluss v. 28.07.2022 – 24 ZB 22.30626
Titel:

Anforderungen an einen Terminverlegungsantrag von einem anwaltlich vertretenen Kläger 

Normenketten:
VwGO § 108 Abs. 2, § 173
ZPO § 227 Abs. 1 S. 1
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Einem verhinderten Beteiligten obliegt es, die Hinderungsgründe, auf die er sich berufen will, möglichst noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung schlüssig und substantiiert darzulegen, sodass das Gericht in die Lage versetzt wird, das Vorliegen eines erheblichen Grundes zu beurteilen und ggf. eine (weitere) Glaubhaftmachung zu verlangen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn ein Kläger sein persönliches Erscheinen vor Gericht trotz anwaltlicher Vertretung für unerlässlich hält, muss er, um damit Gebrauch von den ihm verfahrensrechtlich gebotenen Möglichkeiten zur Verschaffung rechtlichen Gehörs zu machen, die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung oder die Anordnung seines persönlichen Erscheinens vor Gericht beantragen und dabei die für die Notwendigkeit seiner Anwesenheit sprechenden Gründe substantiiert darlegen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
(keine) Verletzung rechtlichen Gehörs, Kein erheblicher Grund zur Terminsverlegung, wenn Anwalt aus Kostengründen nicht am Termin teilnimmt, Notwendigkeit der Anwesenheit des Klägers trotz anwaltlicher Vertretung nicht glaubhaft gemacht, Verfahrensmangel, Versagung rechtlichen Gehörs, Terminverlegungsantrag, Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Attest
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 22.04.2022 – M 28 K 17.46203
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22280

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

1
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO (Versagung rechtlichen Gehörs) ist nicht in der gebotenen Weise (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) dargelegt worden bzw. liegt nicht vor.
2
Der Bevollmächtigte des Klägers trägt vor, der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sei verletzt worden, da der Termin zur mündlichen Verhandlung nicht verlegt worden sei. Der Kläger selbst habe mit E-Mail vom 21. April 2022 mitgeteilt, dass er krankheitsbedingt nicht zum Termin am 22. April 2022 erscheinen könne. Der Kläger sei daraufhin mit E-Mail des Verwaltungsgerichts vom gleichen Tag darüber informiert worden, dass er ein aussagekräftiges Attest vorzulegen habe. Sein Bevollmächtigter sei darüber nicht informiert worden. Der Kläger habe von seinem Arzt am 22. April 2022 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 22. April 2022 erhalten. Der Bevollmächtigte des Klägers sei über diesen Schriftverkehr nicht informiert worden. Es sei nicht bekannt, ob die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Kläger selbst eingereicht worden sei. Es sei vorab abgesprochen gewesen, dass der Kläger aus Kostengründen auf das Erscheinen des Bevollmächtigten zum Termin verzichten und persönlich erscheinen solle. Selbst wenn er rechtzeitig vom Termin informiert worden wäre, hätte der Bevollmächtigte die Vertretung nicht kurzfristig organisieren können. Insofern sei die Begründung für die Ablehnung des Beweisantrags nicht realistisch.
3
Ein Verfahrensmangel ist nach dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „erheblichen Gründe“ ist einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens und der Intention des Gesetzes, die gerichtliche Entscheidung möglichst aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung herbeizuführen, andererseits dem verfassungsrechtlichen Erfordernis des rechtlichen Gehörs Rechnung zu tragen (BVerwG, B.v. 25.9.2013 - 1 B 8.13 - juris; BayVGH, B.v. 18.8.2017 - 11 ZB 17.30559 - juris Rn. 2 ff.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör schließt das Recht eines Beteiligten ein, sich durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen (BVerwG, B.v. 21.12.2009 - 6 B 32.09 - juris Rn. 3). Dem verhinderten Beteiligten obliegt es, die Hinderungsgründe, auf die er sich berufen will, möglichst noch vor dem Termin schlüssig und substantiiert darzulegen, so dass das Gericht in die Lage versetzt wird, das Vorliegen eines erheblichen Grundes zu beurteilen und ggf. eine (weitere) Glaubhaftmachung gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO zu verlangen (BVerwG, B.v. 26.4.1999 - 5 B 49.99 - juris Rn. 3, 6). Letztere sieht das Gesetz vor, wenn dem Gericht zweifelhaft erscheint, ob der von dem Beteiligten schlüssig behauptete Sachverhalt zutrifft (BVerwG, B.v. 20.6.2000 - 5 B 27.00 - juris Rn. 10).
4
Wenn ein Kläger sein persönliches Erscheinen vor Gericht trotz anwaltlicher Vertretung für unerlässlich hält, muss er, um damit Gebrauch von den ihm verfahrensrechtlich gebotenen Möglichkeiten zur Verschaffung rechtlichen Gehörs zu machen, die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung oder die Anordnung seines persönlichen Erscheinens vor Gericht beantragen und dabei die für die Notwendigkeit seiner Anwesenheit sprechenden Gründe substantiiert darlegen (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.1982 - 9 C 1.81 - DÖV 1983, 247; OVG NW, B.v. 28.6.2012 - 13 A 1158/12.A - juris Rn. 10 f.; BayVGH, B. v. 22.7.2019 - 14 ZB 18.33117 - juris). Dafür, dass der Kläger diesen Erfordernissen gerecht geworden sein könnte, ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die E-Mail des Klägers vom 21. April 2022 kündigte sein Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung an und war - ohne Vorlage eines entsprechenden Attestes - ausschließlich darauf gestützt, dass er schwer krank sei, wobei die Krankheit nicht benannt wurde. Es wurden aber keine Gründe benannt, weshalb eine Anwesenheit des Klägers in der Verhandlung seines Erachtens trotz seiner anwaltlichen Vertretung notwendig war. Vor der mündlichen Verhandlung wurde trotz der Aufforderung des Gerichts auch kein Attest vorgelegt.
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Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht gefordert, die Krankheit durch ein aussagefähiges Attest nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Absatz 1 und 2 ZPO glaubhaft zu machen. Nachdem die E-Mail keinen Hinweis darauf enthielt und auch sonst nicht ersichtlich war, dass auch der Bevollmächtigte nicht erscheinen wird, hat das Verwaltungsgericht in seiner E-Mail vom 21. April 2022 zudem zu Recht darauf hingewiesen und in seinem Beschluss vom 22. April 2022 zu Recht ausgeführt, dass eine Vertretung durch seinen Rechtsanwalt im Termin ohne weiteres möglich ist.
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Selbst wenn aber vorgebracht worden wäre, dass der Kläger aus Kostengründen mit dem Klägerbevollmächtigten vereinbart hat, dass dieser nicht an der mündlichen Verhandlung teilnimmt, stellt dies keinen erheblichen Grund zur Terminverlegung im Sinne des § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar. Eine aus dieser Entscheidung folgende Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs des Klägers ist daher ihm selbst zuzurechnen und nicht dem Verwaltungsgericht vorzuwerfen.
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Der Bevollmächtigte des Klägers hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die E-Mail-Antwort des Gerichts vom 21. April 2022 nach § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO (auch) an den Klägerbevollmächtigten hätte zugesandt werden müssen.
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Die Begründung der Verfahrensrüge, das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) sei verletzt, erfordert eine substantiierte Darlegung, wodurch das rechtliche Gehör verletzt sein soll, was hätte vorgetragen werden können und warum dies rechtserheblich hätte sein können, insbesondere ist auch darzulegen, warum die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten Mangel beruhen kann (BayVGH, B. v. 20.12.2000 - 12 ZE 00.3298 - juris m.w.N.). Dem Rechtsmittelführer obliegt deshalb neben der Schilderung des prozessualen Verletzungsvorgangs auch die Darlegung dessen, was im Fall ordnungsgemäßer Gewährung rechtlichen Gehörs Entscheidungserhebliches vorgetragen worden wäre (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 74).
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Diesen Anforderungen kommt der Bevollmächtigte des Klägers nicht nach, da er nicht substantiiert dargelegt hat, was er vorgetragen hätte, wenn er vom Verwaltungsgericht die an den Kläger gerichtete E-Mail erhalten hätte.
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2. Von einer weiteren Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG.
12
Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).