Titel:
Erfolgloser Antrag auf Berufungszulassung – hier: nicht begründete Überschreitung des GOÄ-Schwellenwertes bei beamtenrechtlicher Beihilfe
Normenketten:
BBhV § 5, § 12
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
BBhVVwV Ziff. 6.3.5
Leitsatz:
Nach Ziff. 6.3.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung (GMBl 2017, Nr. 31–33 S. 530), die am 31.3.2022 außer Kraft trat, aber auf den streitgegenständlichen Fall Anwendung findet, ist die Stellungnahme der zuständigen Ärztekammer oder Zahnärztekammer oder eines medizinischen oder zahnmedizinischen Gutachters einzuholen, wenn Zweifel hinsichtlich des „Umfanges“ der Überschreitung des Schwellenwertes nach § 5 Abs. 2 GOÄ bestehen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Keine ernstlichen Zweifel, Keine schriftliche Zusicherung, Einholung eines Gutachtens nicht erforderlich, Beihilfe, Medizinische Kräftigungstherapie, Erhöhter Zeitaufwand/personeller Aufwand durch Begleitung des Patienten während der medizinischen Kräftigungstherapie nicht berücksichtigungsfähig, da bereits immanenter Gegenstand der Leistung, Überschreitung des GOÄ-Schwellenwertes (hier nicht gerechtfertigt), beamtenrechtliche Beihilfe, Schwellenwert, medizinische Kräftigungstherapie, Zeitaufwand, personeller Aufwand, Überschreitung, Gutachten, Zweifel, Zusicherung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 12.04.2022 – W 1 K 22.297
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22274
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 220,55 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger, der zu 70 Prozent beihilfeberechtigt ist, begehrt die Erstattung weiterer Beihilfeleistungen für eine medizinische Kräftigungstherapie (MKT). Der Kläger legte der Beihilfestelle am 1. Februar 2021 eine ärztliche Verordnung sowie ein Schreiben des behandelnden Arztes an die Patienten der MKT mit der Bitte um Prüfung vor, wonach entsprechend der Empfehlungen der Gebührenordnungskommission der Bundesärztekammer vom 14. Dezember 2001 an maximal 18 Therapietagen pro Therapietag jeweils folgende GOÄ-Ziffern abgerechnet würden: GOÄ 506, Faktor 2,5, krankengymnastische Ganzbehandlung als Einzelbehandlung mit erhöhtem zeitlichen Aufwand: 17,49 Euro; GOÄ 558, Faktor 2,5, apparative Muskelfunktionstherapie. Erhöhter Zeitaufwand wegen Mehrgelenksübungen an verschiedenen Geräten: 17,49 Euro; GOÄ 846, Faktor 3,5, übende Verfahren in Einzelbehandlung: 30,60 Euro.
2
Mit Schreiben vom 4. Februar 2021 teilte die Beihilfestelle dem Kläger mit, unter welchen Bedingungen die Aufwendungen der MKT anerkannt würden. Ein erhöhter Steigungsfaktor könne erst bei Vorlage der Rechnung mit entsprechender Begründung anerkannt werden. Für die Anerkennung müsse eine patientenbezogene Begründung angegeben werden. Es werde gebeten, die Information Arztleistung zu beachten.
3
Mit Rechnung vom 16. Juni 2021 wurden dem Kläger zunächst insgesamt 1110,66 Euro in Rechnung gestellt, unter anderem für 16 Einheiten MKT (1069,28 Euro). Hierbei wurden für die einzelnen Einheiten der MKT jeweils die der Beihilfestelle bereits mitgeteilten Beträge für die GOÄ-Ziffern 506 (Steigerungsfaktor 2,5), 558 (Steigerungsfaktor 2,5) und 846 (Steigerungsfaktor 3,5) berechnet. Bei allen drei GOÄ-Ziffern wurde jeweils vermerkt: Erhöhter apparativer und zeitlicher Aufwand. Für die genannte Rechnung beantragte der Kläger am 17. Juni 2021 Beihilfe. Mit Bescheid vom 25. Juni 2021 wurden ihm für die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 1110,66 Euro insgesamt 550,21 Euro an Beihilfe gewährt. Die alleinige Angabe, dass eine Leistung schwierig und zeitaufwendig sei, reiche nicht aus. Die vorgenannte Rechnung habe keine ausreichende Begründung für den Steigerungssatz enthalten. Mit Schreiben vom 30. Juni 2021 erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Mit Schreiben vom 22. Juli 2021 entschied die Beihilfestelle, dass eine (weitere) Erstattung nach den vorliegenden Unterlagen nicht möglich sei. Auf Intervention des Klägers reduzierte die Abrechnungsstelle die Rechnung vom 16. Juni 2021 am 19. Juli 2021 hinsichtlich des Steigerungsfaktors für die GOÄ-Ziffern 3 und 8 auf den Faktor 1,9 und damit insgesamt auf 1101,09 Euro und erstattete ihm gemäß Schreiben vom 20. Juli 2021 9,57 Euro. Das Schreiben und die korrigierte Rechnung legte der Kläger der Beihilfestelle vor.
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Mit Bescheid vom 25. Januar 2022 wies die Beklagte den eingelegten Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wird ausgeführt, werde der jeweils geltende maßgebliche Schwellensatz überschritten, so sei dies verständlich und nachvollziehbar zu begründen. Dies zugrunde gelegt, hätten beim Kläger statt der Steigerungssätze 3,5 bzw. 2,5 lediglich der 2,3 bzw. 1,8-fache Faktor berücksichtigt werden können, da eine besondere patientenspezifische Erschwernis nicht dokumentiert worden sei. Über diesen Umstand sei der Kläger bereits mit Schreiben vom 4. Februar 2021 informiert worden. Aus der korrigierten Rechnung folge nichts Anderes. Die sich durch die Änderung der Rechnung ergebende Überzahlung von 6,70 Euro werde nicht zurückgefordert.
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Mit Urteil vom 12. April 2022 wies das Verwaltungsgericht Würzburg die Klage des Klägers gegen die Bescheide ab. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zu, die Aufwendungen aus der Rechnung vom 16. Juni 2021 in der Fassung vom 19. Juli 2021 in voller Höhe als beihilfefähig anzuerkennen. Der behandelnde Arzt stelle zur Begründung für die Schwellenwertüberschreitungen im Kern darauf ab, dass beim Kläger bei der Durchführung der medizinischen Kräftigungstherapie ein erhöhter Zeitaufwand/personeller Aufwand dadurch vorhanden gewesen sei, dass er aufgrund seiner medizinischen Diagnosen durch einen fachlich qualifizierten Therapeuten habe intensiv begleitet werden müssen. Die Durchführung der einzelnen Teilleistungen der medizinischen Kräftigungstherapie sei durch speziell geschulte Therapeuten Grundvoraussetzung und zwingend notwendiger Bestandteil einer solchen Therapie - gerade auch in Abgrenzung zu kommerziellen Muskelkräftigungsangeboten - und damit auch bereits in der Leistungsbeschreibung im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 3 GOÄ berücksichtigt, was es umgekehrt ausschließe, diesen Umstand als Begründung für die Erhöhung des Steigerungssatzes über den Schwellenwert hinaus heranzuziehen. Mit anderen Worten rechtfertige die intensive Begleitung des Klägers im Rahmen der medizinischen Kräftigungstherapie durch einen speziell geschulten Therapeuten nicht die geltend gemachte Schwellenwertüberschreitung, sondern rechtfertige allein deren Abrechnung nach der GOÄ und ihre Beihilfefähigkeit als solche. Soweit der Kläger vorgetragen habe, die Beklagte habe es entgegen Ziffer 6.3.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung vom 26. Juni 2017 unterlassen, ein erforderliches Gutachten einzuholen, so vermöge dies der Klage hier nicht zum Erfolg verhelfen, da sich der vom Kläger begehrte Anspruch auf eine höhere Beihilfeleistung selbst im Falle einer Verletzung dieser Verwaltungsvorschrift nicht herleiten lasse. Der vom Kläger behauptete Verfahrensfehler liege hier bereits deshalb nicht vor, da die Verwaltungsvorschrift keine Vorgaben dazu enthalte, in welchen Konstellationen die Festsetzungsstelle die dort angesprochenen Zweifel hegen müsse, was vor dem Hintergrund der Vielgestaltigkeit der in der Praxis vorkommen-den Sachverhalte und der Vorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 VwVfG auch wenig praktikabel erschiene. Vorliegend sei jedenfalls zu konstatieren, dass die zuständige Festsetzungsstelle derartige Zweifel offensichtlich nicht gehegt habe, da sie die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen nach § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2, § 12 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GOÄ nicht als erfüllt angesehen habe, sodass sie auch nicht aus Gleichheitsgründen gehalten gewesen sei, ein Gutachten zu beauftragen. Unabhängig davon bezögen sich die Zweifel dem Wortlaut der Verwaltungsvorschrift nach lediglich auf den „Umfang“ der Überschreitung des Schwellenwertes, nicht jedoch auf die Rechtfertigung als solche, mithin, ob eine solche überhaupt gerechtfertigt sei. Schließlich könne man die angesprochenen Zweifel nach Sinn und Zweck der Regelung allenfalls auf medizinische Zweifelsfragen beziehen, zu denen ein Gutachter auch nur fundierte Aussagen treffen könne. Vorliegend habe sich die Festsetzungsstelle jedoch lediglich mit der Rechtsfrage auseinandergesetzt, ob die vorliegende ärztliche Begründung die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2, § 12 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GOÄ erfülle. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergebe sich schließlich auch nicht aus einer von der Beklagten abgegebenen Zusicherung gemäß § 38 VwVfG im Rahmen ihres Schreibens vom 4. Februar 2021 bzw. dem Informationsblatt über Ärztliche Leistungen B - Mitglieder. Dem Inhalt des Schreibens der Beihilfestelle vom 4. Februar 2021 sei an keiner Stelle eine Zusicherung zu entnehmen, sondern es werde erläutert, dass ein erhöhter Steigerungsfaktor erst bei Vorlage der Rechnung mit entsprechender patientenbezogener Begründung anerkannt werden könne. An keiner Stelle des Schreibens komme zum Ausdruck, dass dem Kläger individuell und mit Rechtsbindungswillen zugesichert werde, dass die im Rahmen der Vereinbarung mit Dr. B. festgelegten erhöhten Steigerungssätze von der Beihilfestelle übernommen würden. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht durch die Bezugnahme auf das Informationsblatt „Ärztliche Leistungen B - Mitglieder“ im Schreiben vom 4. Februar 2021 - unabhängig von der Frage des Rechtscharakters (insbesondere des Rechtsbindungswillens) sowie der Schriftform dieses Dokuments. Denn darin werde bereits unter der vorliegend einschlägigen Vorschrift „Einreichen eines Kostenvoranschlags“ ausdrücklich klargestellt, dass es im Falle eines Kostenvoranschlags nicht möglich sei, die genaue Kostenübernahme vorab festzulegen. Schließlich greife auch die klägerische Argumentation eines Verfahrensfehlers, wonach die Rechnung vom 16. Juni 2021 zurückgezogen und durch die Rechnung vom 19. Juli 2021 ersetzt worden sei, zu der kein Beihilfebescheid vorliege bzw. über die nicht im Widerspruch entschieden worden sei, nicht durch.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Das Verwaltungsgericht komme zu dem Ergebnis, dass es keinen Verfahrensfehler zu erkennen vermöge. Tatsächlich sei die Rechnung vom 19. Juli 2021 nie Gegenstand des Verfahrens gewesen. Gegenstand des Verfahrens sei die Rechnung vom 16. Juni 2021. Das Verwaltungsgericht komme auch fälschlicherweise zu der Annahme, dass es keine Zusicherung gegeben habe. Die hierzu benannten Zeugen seien nicht gehört worden. Diese könnten bestätigen, dass die Beklagte mit der vorgelegten Begründung einverstanden gewesen sei und die Begründung fernmündlich näher erläutert worden sei. Das Verwaltungsgericht gehe auch fälschlicherweise davon aus, dass kein Gutachten einzuholen sei. Allein die belegte Häufigkeit der Nachfragen bestätige, dass die Festsetzungsstelle Zweifel gehegt habe. Die Nachfragen nach den Einzelheiten der Behandlungsform belegten, dass sich die Festsetzungsstelle mit dem Inhalt der Behandlung und nicht lediglich mit Rechtsfragen auseinandergesetzt habe. Nach § 145 Abs. 2 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung werde bei Randziffer 6.3.5 beschrieben, dass nach § 12 Abs. 3 Satz 2 GOÄ die Begründung auf Verlangen näher zu erläutern sei. Die Beklagte hätte nach der Verwaltungsvorschrift eine Stellungnahme bei der zuständigen Ärztekammer oder ein Gutachten eines medizinischen Gutachters einholen müssen.
7
Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte in beiden Instanzen und den Inhalt der vorgelegten Behörde.
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Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (Happ in Eyermann, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 54), ergibt sich der geltend gemachte Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 - DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.). Der Rechtsmittelführer muss mit schlüssigen Gegenargumenten darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Rn. 64 zu § 124a). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 15 m.w.N.). Dem wird die Antragsbegründung nicht gerecht.
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1.1. Nach Auffassung des Klägers komme das Verwaltungsgericht (fälschlicherweise) zu dem Ergebnis, dass es keinen Verfahrensfehler zu erkennen vermöge. Richtig sei, dass der Kläger die Rechnung des Dr. B. vom 16. Juni 2021 zur Erstattung eingereicht habe. Hierzu liege ein Erstattungsbescheid vom 25. Juni 2021 vor. Eine Überprüfung der dann folgenden Rechnung vom 19. Juli 2021 sei mangels Festsetzungsbescheides nicht möglich. So setze eine Neuberechnung einen ordnungsgemäßen Beihilfebescheid voraus, der nicht vorliege. Die Berechnung in der Klageerwiderung der 1. Instanz könne nicht nachvollzogen werden. Die Rechnung, die Gegenstand des Verfahrens sei, sei in Gänze zurückgezogen worden. Tatsächlich sei die Rechnung vom 19. Juli 2021 nie Gegenstand des Verfahrens gewesen. Einen Festsetzungsbescheid dazu gebe es nicht. Gegenstand sei nur die Rechnung vom 16. Juni 2021 gewesen. Hierin sei - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - ein Verfahrensfehler zu sehen. Der Tatbestand des Urteils berücksichtige nicht das Schreiben der Krankenkasse vom 10. September 2021, wonach zur abschließenden Bearbeitung noch Nachfragen zur Behandlungsart gestellt worden seien. Im Übrigen ergebe sich aus einem weiteren Schreiben der Krankenkasse vom 12. November 2021, dass es telefonische Absprachen gebe.
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Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt, aus welchen Gründen kein Anspruch auf weitere Beihilfe besteht (UA S. 9 ff.). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
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Der Kläger hat nicht substantiiert aufgezeigt, weshalb die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass kein Verfahrensfehler vorliege (UA S. 24 ab 8.) nicht zutreffend sein soll. Der Kläger hat die von der Abrechnungsstelle am 19. Juli 2021 erstellte Rechnung an die Beklagte am 22. Juli 2021 weitergeleitet (vgl. Behördenakte S. 21 ff.). Aus dem Betreff und den abgerechneten Behandlungstagen dieser Rechnung ging eindeutig hervor, dass es sich um die Berichtigung der Rechnung vom 16. Juni 2021 handelte. Indem der Kläger diese Rechnung ohne Kommentar an die Beklagte sandte, brachte er konkludent zum Ausdruck, dass diese Rechnung von der Beklagten bearbeitet werden soll. Die korrigierte Rechnung vom 19. Juli 2021 wurde im Widerspruchsbescheid auch berücksichtigt und war damit auch Gegenstand des Verfahrens. Die Änderung der Rechnung ergab gemäß dem Widerspruchsbescheid eine Überzahlung in Höhe von 6,70 Euro, die aber nicht zurückgefordert worden sind.
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Auch die Auffassung des Klägers, das Verwaltungsgericht komme fälschlicherweise zu dem Ergebnis, dass es keine Zusicherung gegeben habe, trifft nicht zu. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht zu Recht auf S. 22 ff. des Urteils ausgeführt, dass in den Schreiben vom 4. Februar 2021 bzw. dem Informationsblatt über Ärztliche Leistungen keine Zusicherung hinsichtlich der Berücksichtigung von Steigerungsfaktoren zu sehen ist. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug.
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Ergänzend wird im Hinblick auf den Zulassungsschriftsatz ausgeführt, selbst wenn die vom Kläger im Schriftsatz vom 20. Mai 2022 genannten Zeugen in der mündlichen Verhandlung gehört worden wären und sie die Behauptungen des Klägers, dass die Beklagte mit der vorgelegten Begründung fernmündlich einverstanden gewesen sei, bestätigt hätten, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen, denn dann wäre lediglich festgestellt worden, dass es telefonische Zusicherungen gegeben hat.
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Auch mit der Behauptung des Klägers, dass sich aus seinen Schreiben vom 14. Oktober 2021 und 3. November 2021 ergeben soll, dass es telefonische Absprachen mit der Beklagten gegeben haben soll, wird lediglich dargelegt, dass es telefonische Zusicherungen gegeben haben soll.
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Der Kläger legt damit nicht dar, dass diese Zusicherungen, wie § 38 Absatz 1 Satz 1 VwVfG bestimmt, schriftlich erfolgt sind. Demnach liegt in jedem Fall keine wirksame Zusicherung der Beklagten nach § 38 VwVfG vor.
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1.2. Anders als der Kläger meint, ging das Verwaltungsgericht auch zu Recht davon aus, dass kein Gutachten einzuholen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf S. 21 ff. des Urteils verwiesen. Wie sich aus Ziffer 6.3.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung (GMBl 2017, Nr. 31-33 S. 530), die am 31. März 2022 außer Kraft trat, aber für den streitgegenständlichen Fall anzuwenden ist, ergibt, beziehen sich die Zweifel auf den „Umfang“ der Überschreitung des Schwellenwertes. Hier geht es jedoch um die Frage, ob für jede Überschreitung eine Begründung gegeben wurde und ob diese Begründung ausreicht, die Überschreitung zu rechtfertigen. Es handelt sich dabei um eine Frage, die auch ein Gutachter nicht beantworten könnte, der lediglich zu medizinischen Zweifelsfragen fundierte Aussagen machen könnte.
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2. Soweit man den Zulassungsantrag des Klägers so auslegt, dass er sinngemäß den Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend macht, indem er vorträgt, dass das Verwaltungsgericht fälschlicherweise die benannten Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass eine Zusicherung vorlag, nicht gehört hat und zudem das Gericht fälschlicherweise davon ausgegangen ist, dass kein Gutachten einzuholen war, sind bereits die Anforderungen an die Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht erfüllt.
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So verlangt die Darlegung eines Verfahrensmangels einerseits, dass der Verfahrensmangel in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht konkret bezeichnet wird. Daneben ist darzulegen, inwiefern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (BayVGH, B.v. 12.2.2019 - 20 ZB 18.2525 - juris Rn. 2; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 74). Bei einer Aufklärungsrüge wird daneben insbesondere die Darlegung verlangt, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, weshalb sich die unterbliebene Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen oder womit insbesondere in der mündlichen Verhandlung auf die Aufklärungsmaßnahme hingewirkt worden ist (Happ a.a.O. Rn. 75). Die Aufklärungsrüge ist kein Mittel, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten, vor allem das Unterlassen des Stellens von Beweisanträgen in der mündlichen Verhandlung, zu kompensieren.
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Der Zulassungsantrag enthält keine Ausführungen dazu, warum in der mündlichen Verhandlung keine diesbezüglichen Beweisanträge nach § 86 Abs. 2 VwGO gestellt wurden.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 und § 52 Abs. 3 GKG und entspricht der vom Verwaltungsgericht festgesetzten und von den Beteiligten nicht in Frage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).