Titel:
Widerruf einer waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnis
Normenketten:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, Abs. 2 Nr. 5, § 13 Abs. 6 S. 1, § 45 Abs. 2 S. 1
BJagdG § 17 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2
StPO § 153 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
Leitsätze:
1. Der Inhaber eines Jagdscheines ist zwar berechtigt, ohne eine zusätzliche Erlaubnis (Waffenschein) die Jagd auszuüben und im eigentlichen Bereich der befugten Jagdausübung, wie er in § 13 Abs. 6 S. 1 Hs. 1 WaffG charakterisiert wird, die Schusswaffe auch geladen und zugriffsbereit sein darf, bei den sog. bloßen Annex-Tätigkeiten erstreckt sich die Befreiung von der Waffenscheinpflicht gem. § 13 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 WaffG jedoch nur auf das Führen nicht schussbereiter Jagdwaffen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Verstoß gegen das Waffengesetz ist gröblich iSd § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG, wenn er nach seinem objektiven Gewicht und dem Grad der Vorwerfbarkeit eine schwerwiegende Zuwiderhandlung darstellt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Umstand, dass im Einzelfall bei einer waffenrechtlichen Verfehlung die Schuld im strafrechtlichen Sinne als gering angesehen und das Strafverfahren gem. § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, bedeutet nicht zugleich, dass die Verfehlung ordnungsrechtlich, dh im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit, nicht zur fehlenden Zuverlässigkeit führen kann. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auch wenn sich jemand als Jäger 40 Jahre lang straffrei geführt hat und in der Vergangenheit beim Umgang mit Waffen und Munition nicht negativ aufgefallen ist, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung von der Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit, da die Prüfung eines Ausnahmefalles in erster Linie tatbezogen erfolgt und bereits ein einziger gröblicher Verstoß die Regelvermutung begründet; im Übrigen verlangt die Regelvermutung keine wiederholte Strafverhängung, sondern geht vielmehr von einem bisher straffreien Leben aus. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
5. Das öffentliche Vollzugsinteresse bei einer Entziehung des Jagdscheins wegen Unzuverlässigkeit ist inhaltlich deckungsgleich mit demjenigen des waffenrechtlichen Widerrufs. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf von Waffenbesitzkarten, Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheines, Geladene Pistole in Hosentasche während einer Verkehrskontrolle, Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO, Widerruf, waffenrechtliche Erlaubnis, Waffenschein, Jagdschein, gröblicher Verstoß, Einziehung, Ungültigerklärung, Unzuverlässigkeit, Verfahrenseinstellung, Vollzugsinteresse
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 20.06.2022 – M 7 S 22.1772
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22273
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.375, - Euro festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21. Februar 2022, mit dem unter anderem seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnis widerrufen bzw. für ungültig erklärt wurden.
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Anlass des Bescheides war eine Verkehrskontrolle am 8. Oktober 2021 gegen 00:05 Uhr, bei der der Antragsteller auf der Rückfahrt von der Ausübung der Jagd in seiner Hosentasche einen mit fünf Patronen geladenen Revolver mit sich geführt hat, für den er keinen Waffenschein besaß.
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Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 21. Februar 2022 widerrief das Landratsamt die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers (Ziffer 1) und erklärte den Jagdschein des Antragstellers für ungültig und zog diesen ein (Ziffern 2 und 3). Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Ziffer 7).
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Der Antragsteller hat hiergegen Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Juni 2022 abgelehnt. Nach summarischer Prüfung bestünden keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarten und der Mitnutzungserlaubnis sowie an der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheines. Sowohl der angeordnete Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse als auch die angeordnete Ungültigkeitserklärung und Einziehung des Jagdscheines dürften rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen. Aufgrund des am 8. Oktober 2021 festgestellten Verstoßes gegen eine grundlegende waffenrechtliche Umgangsvorschrift liege eine Tatsache vor, welche die Annahme rechtfertige, dass der Antragsteller mit seinen Waffen auch künftig nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen werde und aufgrund dessen dürfte er nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG verfügen. Auch unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage würde bei einer reinen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der streitgegenständlichen Anordnungen das Interesse des Antragstellers überwiegen, nachdem der Antragsteller keine Gründe vorgetragen habe, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste.
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Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er hat beantragt,
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„den Beschluss vom 20. Juni 2022 aufzuheben und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 23. März 2022 bezüglich der Ziffer 7, betreffend die Ziffern 2, 3, 4 und 5 des Bescheids des Landratsamts Erding, Az.: 31-2/1351, anzuordnen.“
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Zur Begründung trägt er unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen vor, die Behörde habe sich in ihrem Bescheid im Wesentlichen auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG gestützt und keinen Ermessensspielraum gesehen, was nicht zielführend sei, nachdem jeder Bürger einen Anspruch auf individuelle Beurteilung seiner Persönlichkeit habe. Die getroffenen Regelungen seien nicht verhältnismäßig, da es geeignetere und mildere Maßnahmen als den Entzug der Jagdberechtigung gebe. Es handele sich in vorliegendem Fall um eine einmalige waffenrechtliche Verfehlung. Er habe sich 40 Jahre lang an die waffen- und jagdrechtlichen Sicherheitsvorschriften gehalten. Zudem sei die Einheit der Rechtsordnung auch bei der Auslegung des § 5 WaffG zu berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht habe die völlig sanktionslose Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO unterbewertet. Sein Charakter und sein Nachtatverhalten - er habe die Jagdkurzwaffe als Zeichen guten Willens sofort einem Berechtigten überlassen - ergäben nach Berücksichtigung der Lebenserfahrung keine messbare Wahrscheinlichkeit für den zukünftigen Eintritt eines Störungsereignisses, was auch in der Zukunftsprognose der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit zu berücksichtigen sei. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege ausnahmsweise das Aussetzungsinteresse für die Dauer des Hauptsacheverfahrens das sofortige Vollzugsinteresse des Beschwerdegegners bzw. der ohnehin nicht gefährdeten Allgemeinheit, da durch ihn keine Gefahr für die Allgemeinheit bestehe, er aber aufgrund seines hohen Alters durch die Maßnahme seiner Jagdausübung möglicherweise endgültig beraubt werde.
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Der Antragsgegner - Landesanwaltschaft Bayern - hat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen
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und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
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1. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes davon ausgegangen, dass vorliegend das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt, da nach summarischer Prüfung keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarten und an der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins bestünden. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
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Das Verwaltungsgericht hat nach summarischer Prüfung zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller aufgrund des Vorfalls am 8. Oktober 2021 als waffenrechtlich unzuverlässig angesehen werden muss. Nach Ansicht des erkennenden Senats kann es hierbei offenbleiben, ob der Kläger als absolut unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 WaffG angesehen werden muss, da er in vorliegendem Fall jedenfalls den Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG wegen eines gröblichen Verstoßes gegen die Vorschriften des Waffengesetzes erfüllt hat. Der Antragsteller hat entgegen der Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 WaffG eine Waffe geführt ohne einen Waffenschein zu besitzen. Der Inhaber eines Jagdscheines ist zwar berechtigt, ohne eine zusätzliche Erlaubnis (Waffenschein) die Jagd auszuüben. Im eigentlichen Bereich der befugten Jagdausübung, wie er in § 13 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 WaffG charakterisiert wird, darf die Schusswaffe auch geladen und zugriffsbereit sein. Bei den sogenannten bloßen Annex-Tätigkeiten erstreckt sich die Befreiung von der Waffenscheinpflicht gem. § 13 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 WaffG dagegen nur auf das Führen nicht schussbereiter Jagdwaffen (Heinrich in Steindorf, WaffG, § 13 Rn. 26 ff.). Nachdem der Antragsteller unbestritten auf dem Rückweg von der Jagd, also nicht bei Jagdausübung, eine schussbereite Waffe geführt hat, also „die tatsächliche Gewalt darüber außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume, des eigenen befriedeten Besitztums oder einer Schießstätte“ ausgeübt hat (vgl. WaffG, Anlage 1, A 2 Nr. 4), liegt keine Privilegierung im Sinne des § 13 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 WaffG vor. Dieser Verstoß gegen das Waffengesetz war auch gröblich i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs liegt ein gröblicher Verstoß in diesem Sinne vor, wenn er nach seinem objektiven Gewicht und dem Grad der Vorwerfbarkeit eine schwerwiegende Zuwiderhandlung darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2020 - 24 ZB 16.1710 - juris Rn. 10 m.w.N.). Hier hat der Antragsteller vorwerfbar eine objektive schwerwiegende Rechtsverletzung begangen. Er hat die Waffe im Auto geladen mit sich geführt, obwohl er als Jäger hätte wissen müssen, unter welchen Voraussetzungen ein solches Verhalten vom Jagdschein gedeckt ist. Das Verwaltungsgericht ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass das Führen einer geladenen Waffe außerhalb erlaubter Bereiche eine gravierende Sicherheitsgefährdung darstellt (BA Rn. 26), sodass der Antragsteller gegen eine elementare Obliegenheit eines Jägers verstoßen hat (BayVGH, B.v. 17.4.2014 - 21 ZB 15.84 - juris Rn 14). Hinzu kommt, dass die geladene Jagdwaffe im Fahrzeug weder durch ein Transportbehältnis noch durch sonstige Vorkehrungen gesichert war. Solche Anforderungen können sich nämlich aus § 36 WaffG, § 13 AWaffV ergeben (vgl. auch § 3 Abs. 3 Satz 1 UVV-Jagd), wonach insbesondere beim Besteigen von Fahrzeugen und während der Fahrt die Schusswaffe entladen sein muss.
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Auch der in der Beschwerdebegründung vorgebrachte Einwand des Antragstellers, dass das gegen ihn wegen des Vorfalls am 8. Oktober 2021 eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen eines Vergehens nach § 52 Abs. 3 WaffG nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO sanktionslos eingestellt worden sei und dieser Aspekt aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung bei der Auslegung des § 5 WaffG berücksichtigt werden müsse, steht der Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG nicht entgegen. In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht (BA Rn. 30 ff.) wird darauf hingewiesen, dass die Einstellung eines Strafverfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO die Behörden und Gerichte nicht daran hindert, die festgestellten Tatsachen als gewichtig einzustufen, da das Gesetz eine Bindung der Behörde an eine Einstellung des Strafverfahrens aus bestimmten Gründen nicht vorsieht. Vielmehr haben die Verwaltungsbehörden und im Streitfall auch die Verwaltungsgerichte eigenständig die Verstöße gegen das Waffenrecht festzustellen. Denn einer Straftat kann ordnungs- und sicherheitsrechtlich größeres Gewicht zukommen als in strafrechtlicher Hinsicht. Dabei ist von dem dargelegten ordnungsrechtlichen Zweck des Waffengesetzes auszugehen, die Allgemeinheit vor dem Schaden zu bewahren, der aus einem Umgang mit Schusswaffen durch nicht in jeder Hinsicht hierfür vertrauenswürdige Personen droht (vgl. NdsOVG, B.v 10.1.2020 - 11 ME 365/19 - juris Rn. 9). Entsprechend bedeutet der Umstand, dass im Einzelfall bei einer waffenrechtlichen Verfehlung die Schuld im strafrechtlichen Sinne als gering angesehen wurde, nicht zugleich, dass die Verfehlung ordnungsrechtlich, d. h. im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit, nicht zur fehlenden Zuverlässigkeit führen kann (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2013 - 21 ZB 13.415 - juris Rn. 12).
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An der Unzuverlässigkeit des Antragstellers ändert auch der im Beschwerdeverfahren wiederholte Einwand des Antragstellers nichts, in seinem Fall handele es sich um eine lediglich einmalige Verfehlung gegen waffenrechtliche Vorschriften, durch die kein unbeteiligter Dritter gefährdet worden sei und die er zudem kein weiteres Mal begehen könne, da er keine jagdliche Kurzwaffe mehr besitze. Diesbezüglich hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt und begründet, dass schon ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten die Feststellung waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigen könne (BA S. 20), der Umstand, dass der Antragsteller die Kurzwaffe abgegeben und zukünftig auch nicht mehr nutzen wolle, entkräfte nicht die negative Prognose, da nicht sicher ausgeschlossen werden könne, dass diesem auch im Umgang mit den übrigen Waffen und Munition eine Nachlässigkeit unterlaufen könne, und es sich schließlich bei dem Verstoß gegen eine elementare und selbstverständliche Obliegenheit eines Jägers handele und nicht lediglich um eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts, die bei nur einmaligen Auftreten noch toleriert werden könne (BA S. 21). Hiergegen ist aus rechtlicher Sicht nichts einzuwenden.
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Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags führt der Antragsteller zudem aus, die Behörde habe fehlerhaft keinen Ermessensspielraum bei ihrer Entscheidung gesehen und der Schluss auf seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit wegen einer einmaligen Gefährdung, bei der zu keiner Zeit eine Gefährdungslage bestanden habe, sei unverhältnismäßig. Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass weder die Rechtsgrundlage für die Ungültigerklärung des Jagdscheines (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG) noch diejenige für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis (§ 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG) ein behördliches Ermessen vorsehen. Vielmehr ist die Ungültigerklärung des Jagdscheines bzw. der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis zwingend, wenn es dem Betroffenen unter anderem an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit fehlt. Auch bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit wird der Behörde weder bei der absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 WaffG noch bei der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 WaffG ein Ermessen eingeräumt. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 besteht eine unwiderlegbare Vermutung für die Unzuverlässigkeit, beim Vorhandensein der Kriterien des Abs. 2 liegt eine Unzuverlässigkeit der betreffenden Person in der Regel vor (Papsthart in Steindorf, WaffG, 11. Aufl., 2022, § 5 Rn. 40). Entsprechend ist in Absatz 2 zwar zu prüfen ist, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalles eine Ausnahme vom Regelfall gegeben ist. Ein wie auch immer geartetes Ermessen besteht jedoch nicht. Ob Gründe vorliegen, die eine Ausnahme von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG rechtfertigen könnten, hat das Landratsamt ordnungsgemäß im Rahmen des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG geprüft. Anders als der Antragsteller ist es hierbei aber nach einer umfassenden Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis gekommen, dass die Annahme eines Ausnahmefalles nicht gerechtfertigt sei. Diese Bewertung ist zulassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sind solche Umstände, die ausnahmsweise ein Absehen von der Regelvermutung begründen, nicht darin zu sehen, dass nach den Ausführungen in der Beschwerdebegründung angeblich keine Gefährdungslage bestanden habe. Denn die mit dem Transport im Kraftfahrzeug verbundene Gefahr einer geladenen Schusswaffe kann zu gravierenden Unfällen, auch mit tödlichem Ausgang führen, insbesondere dann, wenn der Waffenbesitzer vergisst, dass die Waffe geladen ist und das nächste Mal mit ihr hantiert (OVG Berlin-Bbg, B.v. 4.3.2015 - OVG 11 S 9.15 - juris Rn. 6), und ist daher - auch wenn es tatsächlich zu keiner Gefährdungslage gekommen ist - nicht hinnehmbar (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2020 - 24 ZB 16.1711 - juris Rn. 11).
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Auch der Umstand, dass der Antragsteller sich als Jäger 40 Jahre lang straffrei geführt hat und in der Vergangenheit beim Umgang mit Waffen und Munition nicht negativ aufgefallen ist, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung, da die Prüfung des Ausnahmefalles in erster Linie tatbezogen erfolgt und bereits ein einziger gröblicher Verstoß die Regelvermutung begründet (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.1994 - 1 C 31.92 - juris Rn. 32). Im Übrigen verlangt die Regelvermutung keine wiederholte Strafverhängung, sondern geht vielmehr von einem bisher straffreien Leben aus (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2007 - 19 CS 07.684 - juris Rn. 22).
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Da der Antragsteller somit nach vorläufiger Einschätzung die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit jedenfalls nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG nicht mehr besitzt, war sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 VwGO auch im Hinblick auf die verfügte Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins (§ 18 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 BJagdG) abzulehnen.
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2. Im Übrigen fiele vorliegend auch eine reine Interessenabwägung (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 12.12.2017 - 21 CS 17.1332; B.v. 9.2.2018 - 21 CS 17.1964 - juris) nach Ansicht des erkennenden Senats zu Ungunsten des Antragstellers aus.
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§ 45 Abs. 5 WaffG beseitigt von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen nachträglichen Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges legitimes privates Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-)Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (BT-Drucks. 16/7717 S. 33).
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In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte - neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 - juris Rn. 21 f.; BayVGH, B.v. 4.3.2016 - 21 CS 15.2718 - juris Rn. 16).
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Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass der Antragsteller keine entsprechend qualifizierten Argumente vorgetragen hat, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Der im streitgegenständlichen Bescheid des Antragsgegners verfügte Widerruf der Waffenbesitzkarte und des Jagdscheines des Antragstellers dienen dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat dessen privates Interesse an einer Aussetzung der Vollziehung weniger Gewicht.
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Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht regelmäßig auch für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten, mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen, die Waffen unbrauchbar zu machen oder sie einem Dritten zu übergeben (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) bzw. für die Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Diese Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe von Waffen und Erlaubnisurkunden sicher (Lehmann, Aktuelles Waffenrecht‚ Stand Februar 2020, § 46 WaffG Rn. 19). Die Verpflichtung, die Waffenbesitzkarten zurückzugeben, folgt ebenso wie diejenige zur Unbrauchbarmachung bzw. Abgabe der Waffen aus dem Widerruf der Waffenbesitzkarten. Nachdem der Widerruf der Waffenbesitzkarten kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass hinsichtlich der Folgeentscheidungen dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 - 21 CS 15.2718 - juris Rn. 17).
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Bezogen auf die Einziehung des Jagdscheins besteht bei der vorzunehmenden Abwägung ebenfalls ein Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses. Insoweit ist die sofortige Vollziehung - anders als im Waffenrecht - zwar nicht schon gesetzlich angeordnet, weil das Bundesjagdgesetz eine Vorschrift wie § 45 Abs. 5 WaffG nicht enthält. Allerdings ist das öffentliche Vollzugsinteresse bei einer Entziehung des Jagdscheins wegen Unzuverlässigkeit inhaltlich deckungsgleich mit demjenigen des waffenrechtlichen Widerrufs. Denn der Jagdschein berechtigt unter den in § 13 Abs. 3 bis Abs. 6 WaffG erfassten Umständen ebenfalls zum Umgang mit Waffen. Mithin besteht auch hier ein öffentliches Interesse, nach einer Entziehung wegen Unzuverlässigkeit den weiteren Umgang mit Waffen nicht bis zu einem bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinzunehmen, sondern diesen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung, die in § 45 Abs. 5 WaffG die Grundlage des gesetzlichen Sofortvollzugs bilden, sofort zu unterbinden (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 - 21 CS 11.1226 - juris Rn. 7).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.2 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der nicht in Frage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).