Inhalt

VGH München, Beschluss v. 11.08.2022 – 23 CS 22.1286
Titel:

Rinderhaltungs- und Betreuungsverbot nach dem Tierschutzgesetz 

Normenkette:
TierSchG § 16a
Leitsätze:
1. Ein Rinderhaltungs- und Betreuungsverbot ist gerechtfertigt, wenn es bereits seit Jahren zu groben Verstößen gegen tierschutzrechtliche Vorgaben kommt, weil Rinder nicht ordnungsgemäß versorgt, sie trotz erheblicher Erkrankungen nicht tierärztlich behandelt und sie nicht artgerecht untergebracht und betreut werden, wodurch einer Vielzahl der Tiere erhebliche Leiden zugefügt werden. (Rn. 20 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Richtiger Adressat eines Tierhaltungs- und Betreuungsverbots ist neben dem Halter auch der Betreuungspflichtige. Bei einer ehelichen Gemeinschaften müssen sich in der Regel beide Partner als Tierhalter behandeln lassen, zumal wenn die Ehefrau in die Tierhaltung eingebunden ist und zB die Korrespondenz mit den Behörden führt.  (Rn. 25 und 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tierschutzrecht, Rinderhaltungsverbot, Tierschutzwidrige Fütterungs- und Haltungsbedingungen, Verstöße gegen die Tierschutz-Nutztierverordnung (TierSchNutztV), Verhältnismäßigkeit trotz wirtschaftlicher Interessen, Tierhalter, tierschutzwidrige Fütterungs- und Haltungsbedingungen
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 06.05.2022 – RN 4 S 22.1100
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22266

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- €
festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren vor dem Verwaltungsgericht erfolglosen Eilantrag weiter, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16. Februar 2022 wiederherzustellen, mit dem ihr und ihrem Ehemann (23 CS 22.1285) die Haltung und das Betreuen von Rindern sofort vollziehbar untersagt wurde.
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Das Verwaltungsgericht, auf dessen Sachverhaltsdarstellung in dem angefochtenen Beschluss unter I. Bezug genommen wird, hat ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 6. Mai 2022 abgelehnt und ausgeführt:
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Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit genüge den formellen Anforderungen, insbesondere dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da das Landratsamt ausreichend dargelegt habe, dass die Antragstellerin ihren Obhutspflichten nach § 2 TierSchG nicht nachgekommen sei und die vorliegenden Verstöße über Jahre hinweg erfolgt und so massiv gewesen seien, dass eine vorübergehende Tierhaltung bis zur Bestandskraft der getroffenen Anordnung nicht hinnehmbar sei, dies auch vor dem Hintergrund der fehlenden Einsicht sowie dem nur unzureichend geändertem Verhalten der Antragstellerin. Nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage erweise sich das gegenüber der Antragstellerin in Nummer I. des Bescheids vom 16. Februar 2022 verfügte Rinderhaltungs- und Betreuungsverbot gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG voraussichtlich auch als rechtmäßig. Dass die Antragstellerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids den Vorschriften des § 2 TierSchG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nrn. 2, 3, 4 und 10 TierSchNutzV wiederholt zuwidergehandelt habe, stehe aufgrund der vom Amtstierarzt durchgeführten Kontrollen vom 14. Januar 2019, 15. Juli 2019, 21. November 2019 und insbesondere vom 10. September 2021 sowie des Befundes/Gutachtens des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vom 18. Oktober 2021 zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Ergebnisse der Kontrollen seien durch zahlreiche Lichtbilder dokumentiert und auch der Antragstellerin zurechenbar. Dabei verkenne das Gericht nicht, dass der Ehemann der Antragstellerin der Betriebsleiter des Rinderhaltungsbetriebs sei. Die Antragstellerin sei jedoch offensichtlich in die Betriebsabläufe und die Versorgung der Tiere eingebunden. Dies werde auch durch den Umstand bestätigt, dass sie bei den unangekündigten Kontrollen am 14. Januar 2019, 15. Juli 2019 und am 21. November 2019 anwesend gewesen sei. Bei der Kontrolle am 10. September 2021 sei durch den Amtstierarzt hinter dem Stall ein festliegendes Rind vorgefunden worden, dessen gesamter Klauenbereich am vorderen linken Lauf stark geschwollen und wegen eitriger Wunden auch eröffnet gewesen sei. Die Körpertemperatur habe 38,5 Grad Celsius betragen und die Kuh sei abgemagert und zu euthanasieren gewesen. Nach der Untersuchung durch das LGL habe die Mindestdauer des Prozesses drei bzw. fünf Tage angedauert. Danach stehe nach Auffassung des Gerichts fest, dass die Antragstellerin es über einen Zeitraum von mindestens fünf Tage unterlassen habe, das betroffene Rind einer erforderlichen tierärztlichen Behandlung zuzuführen. Das Gericht werte den Verstoß auch als wiederholte Zuwiderhandlung gegen § 2 TierSchG, da bereits bei der Kontrolle am 21. November 2019 erkrankte Tiere festgestellt worden seien und der Ehemann der Antragstellerin mit Bescheid vom 6. Februar 2020 aufgefordert worden sei, die erkrankten Tiere tierärztlich untersuchen zu lassen. Bei mehreren Kontrollen, insbesondere am 10. September 2021, seien nach den Feststellungen des Amtstierarztes zudem mehrere Kühe abgemagert und mindestens eine Kuh ohne Trinkwasserversorgung gewesen. Das Gericht werte auch diese Verstöße gegen § 2 Nr. 1 TierSchG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 TierSchV als wiederholt wegen der bereits bei den Kontrollen vom 14. Januar 2019, 15. Juli 2019 und 21. Juli 2020 festgestellten Mängel sowohl bei der Versorgung mit Futter als auch bei der Trinkwasserversorgung. Ebenfalls bei mehreren Kontrollen sei wiederholt ein Verstoß gegen § 2 Nr. 1 TierSchG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 10 TierSchV festgestellt worden, da die Aufenthaltsboxen und Liegebereiche mit einer hohen Gülleschicht bedeckt, verschmutzt und nass gewesen seien. Darüber hinaus sei bei den Kontrollen, insbesondere auch am 10. September 2021, bereits beanstandet worden, dass der Boden der Liegeboxen aus Beton bestehe, so dass den Rindern keine weiche, verformbare und wärmedämmende Liegefläche zur Verfügung stehe. Zudem sei ein Platzmangel festgestellt worden. Folge der beschriebenen Zustände sei, dass den von der Antragstellerin gehaltenen Rindern dadurch erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt worden seien. Auch die Gefahr weiterer entsprechender Zuwiderhandlungen sei zu bejahen, da der letzten Kontrolle durch den Amtstierarzt vom 10. September 2021 bereits mehrere Ortskontrollen am 14. Januar 2019, 15. Juli 2019 und am 21. Juli 2019 vorausgegangen seien, die zum Erlass von tierschutzrechtlichen Anordnungen am 15. März 2019, 4. September 2019, 6. Februar 2020 und 17. September 2020 gegenüber dem Ehemann der Antragstellerin zur Beseitigung der festgestellten Mängel bei der Rinderhaltung geführt hätten, ohne dass dies zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation der gehaltenen Rinder geführt habe. Hierfür trage nicht nur der Ehemann der Antragstellerin, sondern auch diese selbst Mitverantwortung. Weder Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO noch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz seien erkennbar. Auch die Berufsausübung des Ehemanns der Antragstellerin als Landwirt sei vom Landratsamt bei seiner Ermessensabwägung berücksichtigt worden. Allein die Tatsache, dass jemand auf eine Tierhaltung aus Existenzgründen angewiesen sei, entbinde nicht von der Verpflichtung zu einer artgerechten Tierhaltung. Das Landratsamt sei zutreffend von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen. Die Schließung lediglich einer Betriebsstätte sei kein geeignetes milderes Mittel gewesen, da die Betriebsstätten nur 2 km voneinander entfernt lägen, so dass die damit verbundene Fahrzeit nicht ursächlich für die in beiden Betriebsstätten vorgefundenen tierschutzrechtlichen Verstöße gewesen sein könne. Auch im Übrigen seien keine rechtlichen Bedenken gegen den angefochtenen Bescheid erkennbar.
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Zur Begründung der Beschwerde, mit der die Antragstellerin beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 6. Mai 2022 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die verfahrensgegenständliche Verfügung vom 16. Februar 2022 wiederherzustellen,
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führt sie im Wesentlichen aus, bereits die Anordnung des Sofortvollzugs sei nicht ausreichend begründet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts habe die Antragstellerin nicht „über Jahre hinweg“ gegen ihre Pflegeverpflichtung gemäß § 2 TierSchG verstoßen. Insbesondere liege zur Anordnung der Euthanasierung des bei der Kontrolle am 10. September 2021 festliegenden Rindes kein amtstierärztliches Gutachten vor, da die Untersuchung und der Bericht des LGL dieses nicht ersetzen könnten. Die Antragstellerin müsse zudem die Möglichkeit haben, ein eigenes Gutachten einzuholen. Im Eilverfahren werde lediglich nach Aktenlage entschieden, ohne dass die Antragstellerin zumindest ein Ergänzungsgutachten vorlegen könne. Das Verwaltungsgericht berücksichtige zudem nicht, dass der Ehemann der Antragstellerin die Rinder am 16., 22., 25., 28. und 29. September 2021 tierärztlich habe begutachten lassen. Zudem liege eine tierärztliche Begutachtungsdokumentation vom 25./26. August 2021 vor. Der Vorwurf, dass der Ehemann der Antragstellerin die Rinder nicht behandeln habe lassen bzw. immer nur auf Anordnung des Landratsamts, gehe damit fehl. Auch lägen keine wiederholten Zuwiderhandlungen gegen die einen Tierhalter treffenden Pflichten vor, insbesondere seien bei der Kontrolle am 21. Juli 2021 keine wiederholt erkrankten Tiere vorgefunden worden. Die Lichtbilder bei der Kontrolle vom 21. November 2019 seien überwiegend verwackelt, so dass darauf nichts zu erkennen sei. Eine Abmagerung der Tiere sei auch entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts nicht von Tierarzt Dr. H. in seinem Schreiben bestätigt worden, da zwischen einer Abmagerung und einem reduzierten Ernährungszustand zu differenzieren sei.
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Der Antragsgegner verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss mit Schreiben vom 20. Juni 2022. Er legte eine fachliche Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 25. Mai 2022 vor, wonach ein auf dem Hof gehaltenes Pony am 24. April 2022 in Einzelhaltung in einer ca. 10 qm großen Rinderbucht mit kaum Tageslicht auf hoher, unebener, verkoteter Einstreu ohne Raufutter oder andere Futterreste mit lediglich einem Eimer Wasser in einem ungepflegten Zustand mit Auffälligkeiten im Gangbild vorgefunden worden sei.
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Die Antragstellerin nahm hierzu mit Schriftsatz vom 8. Juli 2022 Stellung. Sie verwies auf die Stellungnahme ihres Ehemanns vom 8. Juli 2022 samt der vorgelegten 11 Anlagen im Verfahren 23 CS 22.1285. Zudem vertiefte sie ihre erstinstanzlichen Ausführungen zu ihrer fehlenden Haltereigenschaft, da allein ihr Ehemann für die Tierhaltungskosten aufkomme, so dass sie allenfalls als Betreuerin der Tiere eingestuft werden könne. Darüber hinaus habe der Antragsgegner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verkannt, da auch ihr gegenüber sofort ein Betreuungsverbot statt eines milderen Mittels ausgesprochen worden sei.
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Der Antragsgegner trat dem antragstellerseitigen Vorbringen mit Schreiben vom 25. Juli 2022 erneut entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
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Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen nicht die Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
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1. Die Beschwerdebegründung zeigt keine Rechtsfehler des angefochtenen Beschlusses auf.
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1.1 Soweit die Beschwerde rügt, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit im Bescheid des Antragsgegners vom 16. Februar 2022 genüge nicht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt.
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1.1.1 In den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO hat die Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO besonders zu begründen. Da es sich bei der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach der Wertung des Gesetzgebers um einen Ausnahmefall handelt, muss neben das ohnehin bestehende öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes (Erlassinteresse) ein besonderes Vollzugsinteresse treten, das das Absehen vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung und die Befugnis der Behörde, einen Verwaltungsakt auch schon vor Eintritt der Bestandskraft zwangsweise durchzusetzen (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VwZVG, § 6 Abs. 1 VwVG), zu rechtfertigen vermag (zu den materiellen Anforderungen an das Dringlichkeitsinteresse vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2022 - 20 CS 22.307 - juris Rn. 2; B.v. 28.8.2020 - 12 CS 20.1750 - juris Rn. 42 ff.). Die Behörde muss sich der besonderen Ausnahmesituation bewusst werden und deshalb das besondere Vollzugsinteresse begründen, wenn sie vom Regelfall abweicht und die sofortige Vollziehung anordnet. Die Norm des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO dient darüber hinaus dem Rechtsschutz des Betroffenen, der ausgehend von der Begründung des Sofortvollzugs die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs besser einschätzen können soll (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 54). Zwar kommt es zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht darauf an, ob die gegebene Begründung inhaltlich richtig und geeignet ist, das besondere dringliche Interesse an der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen. Dies ist eine Frage des materiellen Rechts. Nicht ausreichend für das Begründungserfordernis ist aber eine formelhafte, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogene Begründung, da daran nicht erkenntlich wird, ob und aus welchen Gründen die Behörde vom Vorliegen eines Ausnahmefalls ausgegangen ist, der ein Abweichen vom Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO rechtfertigen kann (Hoppe in Eyermann, a.a.O., § 80 Rn. 55).
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1.1.2 Diesen Erfordernissen entspricht die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit in Ziffer VII. des angefochtenen Bescheids vom 16. Februar 2022. Die Begründung führt bezogen auf den Einzelfall aus, dass bei einem Zuwarten mit dem Vollzug der streitgegenständlichen (Verbots-)Verfügungen in Ziffern I. bis VI. des Bescheides bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens angesichts der festgestellten wiederholten und trotz behördlicher Anordnungen und strafrechtlicher Verfahren nicht durchgreifend und nachhaltig abgestellten Verstöße gegen die Pflichten eines Tierhalters sowie angesichts des Umstands, dass die Antragstellerin keine Maßnahmen hiergegen getroffen habe, weiterhin mit einer Rinderhaltung zu rechnen sei, die den tierschutzrechtlichen Anforderungen deutlich widerspreche. Damit wird deutlich, dass sich die anordnende Behörde der Ausnahmesituation ihres Handelns bewusst war. Entgegen der Annahme der Beschwerde ist für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit in formeller Hinsicht nicht erforderlich, dass die Verstöße „über Jahre hinweg“ stattgefunden haben. Es ist zwar zutreffend, dass die Behörde diese Formulierung verwendet hat, sie stützt ihre Entscheidung für die Anordnung des Sofortvollzugs jedoch nicht maßgeblich auf diesen Umstand, sondern auf die fehlenden „durchgreifenden und nachhaltigen Maßnahmen“ sowie die „fehlende Einsicht“ und das „nur unzureichend geänderte Verhalten“ der Antragstellerin und ihres Ehemanns, sodass in einer Gesamtschau wiederholte Verstöße gegen tierschutzgerechte Anforderungen zu erwarten seien (vgl. Bescheid v. 16.2.2022 S. 16).
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1.2 Nicht durchdringen kann die Antragstellerin mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht verkenne, dass der Anordnung zur Euthanasie des Rindes kein Gutachten eines Amtsarztes zugrunde liege.
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1.2.1 An ein solches Gutachten sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Zwar ist es zweifellos vorzugswürdig, wenn sich das Gutachten in einem Dokument unter der Überschrift „Gutachten des beamteten Tierarztes“ bei den Behördenakten befindet und der Bescheid dies aufgreift. Es besteht jedoch kein derartiges Formerfordernis. Es reichen dokumentierte Aussagen des beamteten Tierarztes zu dem Zustand des Tieres bzw. zu den Bedingungen vor Ort, wo das Tier gehalten wird, die einzelfallbezogen den Schluss auf eine erhebliche Vernachlässigung zulassen. Diese können beispielsweise die Form eines Vermerks, eines Protokolls oder auch von Fotoaufnahmen annehmen (vgl. SächsOVG, B.v. 14.11.2017 - 3 B 290/17 - juris Rn. 11; B.v. 14.10.2016 - 3 D 85/16 - juris Rn. 9). Dabei kann auch ausreichen, dass der beamtete Tierarzt sich tierärztliche Untersuchungsergebnisse von dritter Seite durch Aufnahme in die Behördenakten erkennbar zu eigen macht. Im Übrigen ist ein Gutachten entbehrlich, wenn das betroffene Tier überhaupt nicht versorgt wird (vgl. BVerwG, U.v. 12.1.2012 - 7 C 5.11 - juris Rn. 17; BayVGH; B.v. 12.3.2020 - 23 CS 19.2486 - juris Rn. 22 ff.).
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1.2.2 Gemessen daran liegt ein Gutachten im vorgenannten Sinne vor. Im vorliegenden Fall enthält die Behördenakte die von dem beamteten Tierarzt erstellte Fotodokumentation, in der auch das festliegende Rind hinter dem Stall sowie dessen linkes, geschwollenes, vereitertes und offenes Fußwurzelgelenk dokumentiert ist. Auch die Köpertemperatur der Kuh ist festgehalten (BA S. 523). Dies ist bereits als ausreichend anzusehen. Dazu kommt die ausführliche gutachterliche Stellungnahme des Veterinäramts vom 13. September 2021 (BA S. 517 - 528) und vom 21. Juni 2022, aus der sich nochmals ergibt, dass auch der Hoftierarzt des Ehemanns der Antragstellerin die Kuh untersuchte und die Prognose bestätigte. Auch liegt der Sektionsbericht des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vom 15. Oktober 2021 vor (vgl. BA S. 569 - 572), der den reduzierten Ernährungszustand sowie die eitrigen Verletzungen am linken Fußgelenk bestätigt und zudem eine eitrige Lungenentzündung bei dieser Kuh diagnostiziert. Vor diesem Hintergrund und der mehrfach (amts-)tierärztlich bestätigten Diagnose gravierender (eitriger) Entzündungen und offener Wunden bei der euthanasierten Kuh erschöpft sich die Rüge der Antragstellerin, dass sie ein weiteres Ergänzungsgutachten ggf. noch im Rahmen des Klageverfahrens vorlegen möchte, in der bloßen Behauptung, der Sachverhalt stelle sich anders dar bzw. dieser sei anders zu bewerten, als das Verwaltungsgericht dies auf der Grundlage der Fotodokumentation, der Feststellungen und Stellungnahmen des Amtsveterinärs vom 10. und 13. September 2021, getan hat. Damit kann die Antragstellerin nicht durchdringen, insbesondere zeigt sie nicht auf, welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bei der vorliegenden mehrfach bestätigten (amts-)tierärztlichen Diagnose sowie des Obduktionsberichts des LGL ein solches Gutachten erbringen können soll.
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Zurecht ist das Verwaltungsgericht deshalb auch im Übrigen davon ausgegangen, dass dem Rind durch das Unterlassen der erforderlichen Behandlung länger andauernde Leiden zugefügt wurden. Notwendig, aber auch ausreichend für die Annahme von Leiden ist, dass das Wohlbefinden des Tieres über schlichtes Unbehagen, schlichte Unlustgefühle oder einen bloßen vorübergehenden Zustand der Belastung hinaus für eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne beeinträchtigt ist (vgl. BGH, U.v. 18.2.1987 - 2 StR 159/86 - NJW 1987, 1833, 1834; VGH BW, B.v. 3.11.2004 - 1 S 2279/04 - RdL 2005, 55; VGH BW, B.v. 15.12.1992 - 10 S 3230/91 - juris Rn. 23 m.w.N.; Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 1 Rn. 17 ff.). Der tierschutzrechtliche Leidensbegriff setzt weiterhin nicht voraus, dass die Beeinträchtigung des Wohlbefindens nachhaltig ist (BGH, U.v. 18.2.1987, a.a.O.; ebenso VGH BW, U.v. 15.12.1992 - 10 S 3230/91 - NuR 1994, 488; OLG Düsseldorf, B.v. 20.4.1993 - 5 Ss 171/92 - 59/92 I - NuR 1994, 517). Das Verwaltungsgericht hat insoweit überzeugend ausgeführt, dass die über mehrere Tage andauernde beträchtliche Einschränkung des linken Fußgelenks mit eitrigen offenen Wunden über ein bloßes Unbehagen hinausgegangen und das Wohlbefinden des Rindes erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Aufgrund des zeitlichen Umfangs der dem Rind verweigerten erforderlichen Behandlung von mehr als fünf Tagen handele es sich auch um länger anhaltende Leiden. Hiergegen ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nichts zu erinnern.
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1.3 Die Einschätzung des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts, dass die Antragstellerin auch im Übrigen wiederholt und grob gegen § 2 TierSchG zuwidergehandelt hat und dies für die von ihr gehaltenen Tiere zu einer erheblichen Vernachlässigung sowie zu erheblichen oder länger anhaltenden Schmerzen oder Leiden geführt hat, ist auch sonst unter Berücksichtigung des weiteren Beschwerdevorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin ist dem nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr belegt das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin deren Uneinsichtigkeit.
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1.3.1 Nach den Feststellungen des beamteten Tierarztes vom 14. Januar 2019, 15. Juli 2019, 21. November 2019 und insbesondere 10. September 2021 sowie des ausführlichen Gutachtens des Veterinäramts vom 13. September 2021 und des Befundes/Gutachtens des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vom 18. Oktober 2021, die durch umfangreiche Foto- und Videodokumentationen ergänzt werden, wiederholen sich bei der Antragstellerin und ihrem Ehemann bereits seit Jahren grobe Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorgaben. Danach hat die Antragstellerin die von ihrem Ehemann gehaltenen Rinder nicht ordnungsgemäß versorgt, sie trotz erheblicher Erkrankungserscheinungen nicht in ausreichendem Umfang tierärztlich behandeln lassen und sie nicht artgerecht bzw. verhaltensgerecht untergebracht und betreut, wodurch einer Vielzahl der Tiere erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt wurden.
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1.3.2 Im Übrigen werden lediglich gegenteilige Behauptungen aufgestellt, die einzelne Tiere betreffen. Dadurch kann jedoch selbst dann, wenn diese im Einzelfall zutreffen sollten, die Feststellung der insgesamt nicht tierschutzgemäßen Zustände und der nicht dem Tierwohl entsprechenden Haltungsbedingungen nicht entkräftet werden. Die Antragstellerin lässt hierbei unberücksichtigt, dass der Antragsgegner bei der Bewertung eine Gesamtschau aller Umstände vorgenommen hat. Insoweit ist auch unerheblich, ob „bei Rind DE xy“ dieser oder jener Mangel festgestellt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2017 - 9 ZB 16.2073 - juris Rn. 15; B.v. 6.7.2020 - 23 CS 20.383 - juris Rn. 36). Auch die tierärztliche Behandlungsdokumentation vom 25./26. August 2021 sowie die einzelnen Behandlungstermine, auf die sich die Antragstellerin beruft, ändern nichts an der Tatsache, dass trotzdem erkrankte Tiere im Tierbestand vorgefunden wurden. Ein Rind war so stark erkrankt, dass es euthanasiert werden musste (s.o.). Soweit die Antragstellerin zwischen reduziertem Ernährungszustand einerseits und Abmagerung andererseits differenzieren möchte, ist dies ebenfalls nicht geeignet, eine ausreichende Versorgung der Rinder mit angemessenem Futter zu belegen. Ungeachtet dessen ist ein beabsichtigtes oder an den Tag gelegtes Wohlverhalten sowie die von der Antragstellerin geltend gemachte, zwischenzeitliche und vorübergehende Verbesserung der Haltungsbedingungen unter dem Druck behördlicher Kontrollen grundsätzlich nicht geeignet, eine grundlegende und nachhaltige Änderung in den Haltungsbedingungen der gehaltenen Rinder zu belegen (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 - 23 ZB 18.756 - juris Rn. 8; VGH BW, B.v. 17.3.2005 - 1 S 381/05 - juris Rn. 4; Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 229. EL Dezember 2020, § 16a TierSchG Rn. 15). Im vorliegenden Fall wurden außerdem bei der Kontrolle am 10. September 2021 erneut gravierende Verstöße gegen eine tierschutzgerechte Haltung der Rinder amtstierärztlich festgestellt. Auch die Erklärungsversuche hinsichtlich der Wasserversorgung der gehaltenen Rinder und der ausreichend sauberen Aufenthalts- und Liegebereiche bagatellisieren allenfalls die vom Amtstierarzt vorgefundenen und dokumentierten Haltungsbedingungen. Selbst wenn einige Fotos unscharf sein sollten, ist dieser Umstand nicht geeignet, das amtstierärztliche Gutachten, insbesondere das umfangreiche Gutachten vom 13. September 2021, zu entkräften, zumal die Beschwerde einräumt, dass aufgrund des bestehenden Pachtvertrags keinerlei Umbauten vorgenommen werden können, um beispielsweise einen weicheren, verformbaren und wärmegedämmten Liegebereich zur Verfügung stellen zu können. In sich widersprüchlich ist es zudem, wenn mit Schriftsatz vom 8. Juli 2022 vorgetragen wird, dass der Ehemann der Antragstellerin den Pachtvertrag deshalb gekündigt habe und beabsichtigt sei, die gehaltenen Rinder an den Schwiegersohn zu übergeben (S.8), obwohl er seine Tierhaltung fortführen müsse, da er auf diese wirtschaftlich angewiesen sei (S. 9). Sowohl bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, als auch im Hinblick auf die Einschätzung, ob den Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt worden sind, kommt dem beamteten Tierarzt eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu, so dass dessen fachliche Beurteilungen jedenfalls nicht durch schlichtes Bestreiten und auch nicht durch unsubstantiierte, pauschale Behauptungen entkräftet werden können (vgl. BayVGH, B.v. 30.6.2021 - 23 CS 21.1131 - juris Rn. 10; B.v. 1.7.2020 - 23 ZB 20.1254 - juris Rn. 37; B.v. 31.1.2017 - 9 C 16.2022 - juris Rn. 13; Hirt/Maisack/ Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a TierSchG Rn. 46).
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1.4 Soweit die Antragstellerin rügt, dass die amtstierärztlich festgesellten tierschutzrechtlichen Verstöße ihr nicht zurechenbar seien, da ihr Ehemann der Betriebsleiter des Rinderhaltungsbetriebs sei, verfängt dies nicht.
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1.4.1 Richtiger Adressat eines Tierhaltungs- und Betreuungsverbots ist der Halter der Tiere im weiteren Sinne und somit neben dem Halter im engeren Sinne auch der Betreuer und/oder der Betreuungspflichtige (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 44), d.h. derjenige, der durch sein Verhalten gegen Tierschutzvorschriften verstößt bzw. dessen Verhalten kausal für den (zu erwartenden) Verstoß gegen Tierschutzvorschriften ist (vgl. Köpernik in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 1. Auflage 2016, § 16a TierSchG Rn. 7). Die bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse spielen in dieser Hinsicht keine Rolle (vgl. etwa Metzger in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 229. EL März 2020, § 16a TierSchG Rn. 3). Halter eines in menschlicher Obhut befindlichen Tieres im Sinne von §§ 2 und 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG ist dabei derjenige, der die Bestimmungsmacht und daraus folgend die primäre Verantwortung für das Dasein und das Wohlbefinden des Tieres hat. Zur Abgrenzung im Einzelfall ist eine Gesamtbetrachtung der konkreten Verhältnisse erforderlich, bei der die Reichweite, Dauerhaftigkeit und ggf. Aufteilung der Bestimmungsmacht und Verantwortung zu beurteilen ist (vgl. OVG Münster, U.v. 8.11.2007 - 20 A 3885/06 - juris Rn. 22 ff.; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 2 Rn. 4), wobei insbesondere auch die Nutzung des Tieres sowie die Kosten- und Risikotragung bedeutsam sein können (vgl. BVerwG, B.v. 9.12.2016 - 3 B 34.16 - juris Rn. 14 m.w.N.). Die vorgenannten Kriterien müssen dabei nicht alle kumulativ vorliegen, um die Tierhaltereigenschaft einer Person zu begründen. Vielmehr handelt es sich bei sämtlichen Gesichtspunkten um Indizien, deren Einschlägigkeit anhand der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen ist und die erforderlichenfalls gegeneinander abzuwägen sind, wobei auch mehrere Personen nebeneinander (Mit-) Halter sein können (OVG Berlin-Bbg., B.v. 6.6.2013 - OVG 5 S 10.13 - juris Rn. 5 m.w.N.).
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1.4.2 Unter Anlegung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist auch die Antragstellerin richtige Adressatin des Bescheids vom 16. Februar 2022. Unstreitig ist nach den eigenen Einlassungen der Antragstellerin, dass sie die Korrespondenz mit den Behörden für ihren Ehemann hinsichtlich der Rinderhaltung führt, da dieser sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr dazu in der Lage fühlt. Unstreitig war die Antragstellerin auch bei mehreren Kontrollen des Rinderhaltungsbetriebs ihres Ehemanns durch das Veterinäramt anwesend (vgl. Beschwerdebegründung vom 23.5.2022, S. 8). Diese Umstände begründen ein tatsächliches Obhutsverhältnis der Antragstellerin zu den im Rinderhaltungsbetrieb ihres Ehemanns gehaltenen Tieren, auf dem die Haltereigenschaft oder jedenfalls die Betreuereigenschaft beruht (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.1992 - 25 B 90.2906 - juris Rn. 33; Metzger in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 229. EL März 2020, § 16a TierSchG Rn. 3). Entscheidend hierfür ist, dass die Antragstellerin Einwirkungsmöglichkeiten hinsichtlich der Haltungsbedingungen der gehaltenen Tiere hatte. Der Umstand, wer die Kosten für die Tierhaltung trägt, ist dagegen nicht allein ausschlaggebend. Im Rahmen einer Gesamtschau kann die Kostentragung für die Tiere zwar als ein Indiz für die Haltereigenschaft herangezogen werden, umgekehrt kann jedoch bei fehlender Kostentragung nicht automatisch auf ein fehlendes Obhuts- und Betreuungsverhältnis und damit auf eine fehlende Haltereigenschaft im weiteren Sinn geschlossen werden. Hinzu kommt, dass bei ehelichen bzw. eheähnlichen Gemeinschaften - wie dies im Verhältnis der Antragstellerin zu ihrem Ehemann der Fall ist - sich zudem in der Regel beide Partner als Tierhalter behandeln lassen müssen (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.2020 - 23 CS 20.383 - juris Rn. 21 ff.; VGH Mannheim, B.v. 12.4.2011 - 1 S 2849/10 - juris Rn. 6; Metzger in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 229. EL März 2020, § 16a TierSchG Rn. 3), damit auch Strohmannverhältnissen bei der Tierhaltung vorgebeugt wird. Ungeachtet dessen ist auch nicht ersichtlich, wie der Ehemann der Antragstellerin die von ihm gehaltenen Rinder ohne Unterstützung der Antragstellerin allein versorgen möchte, wenn er aus gesundheitlichen Gründen schon die Korrespondenz mit den Behörden nicht mehr führen kann. Daran ändert auch der Umstand der Teilzeittätigkeit der Antragstellerin als Probenentnehmerin für das LKV Bayern nichts. Es mag zwar zutreffend sein, dass sie deshalb während der Stallzeiten ihres Ehemanns nicht anwesend ist, aber dies besagt nicht, dass sie - entgegen ihrer dokumentierten Anwesenheit bei mehreren Kontrollen des Veterinäramts - nicht im Betrieb ihres Ehemanns präsent und in die Versorgung des Rinderbestands eingebunden ist.
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1.5 Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände sowie der in den amtstierärztlichen Stellungnahmen konkret dargelegten Mängel in der Tierhaltung der Antragstellerin ist im vorliegenden Fall die amtstierärztliche und vom Verwaltungsgericht bestätigte Gefahrenprognose ebenfalls nicht zu beanstanden, dass ohne Erlass des Haltungs- und Betreuungsverbots weiter Verstöße gegen Tierschutzvorschriften zu befürchten sind. Diese Prognose rechtfertigt sich insbesondere aus der Vielzahl der dokumentierten Verstöße, die von dem fehlenden Willen bzw. dem Unvermögen der Antragstellerin und ihres Ehemanns zeugen, tierschutzrechtlichen Anforderungen zu entsprechen. Die Antragstellerin und ihr Ehemann sind ersichtlich mit der Versorgung des Rinderbestandes überfordert. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin ihre Verstöße in wesentlichen Aspekten beharrlich bagatellisiert bzw. abstreitet, deutet auf eine fehlende Einsichtsfähigkeit, welche die Annahme rechtfertigt, dass ohne behördliches Einschreiten weiterhin gegen das Tierschutzrecht verstoßen wird (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2018 - 9 ZB 16.2467 - juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 - 23 ZB 18.756 - juris Rn. 8).
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Auch die von der Antragstellerin geltend gemachte Verbesserung der Rinderhaltungsbedingungen im Rinderhaltungsbetrieb ihres Ehemanns ist nicht geeignet, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen, da allein der Umstand, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann nunmehr unter dem Druck des laufenden Verfahrens bemüht sind, tierschutzgerechte Bedingungen zu schaffen, noch keine positive Zukunftsprognose rechtfertigt (BayVGH, B.v. 8.5.2019 - 23 ZB 17.1908 - juris Rn. 18; B.v. 14.7.2020 - 23 CS 20.1087 - juris Rn. 19). Insoweit sind die Antragstellerin und ihr Ehemann hierzu auf ein Wiedergestattungsverfahren nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbsatz TierSchG zu verweisen, an der Rechtmäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Verfügung vermag dies jedoch nichts zu ändern. Die hier maßgebliche Vorschrift des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG sieht ein getrenntes Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren vor. In derartigen getrennten Verfahren muss sich der Betroffene darauf verweisen lassen, etwaige nachhaltige Verbesserungen in der Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten in einem dem Untersagungsverfahren nachfolgenden gesonderten Wiedergestattungsverfahren geltend zu machen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn.15 zum Gewerberecht; OVG Lüneburg, U.v. 20.4.2016 - 11 LB 29/15 - juris Rn. 35 zum Tierschutzrecht). Nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 TierSchG kann der Antragstellerin bzw. ihrem Ehemann auf Antrag das uneingeschränkte Halten oder Betreuen von Rindern wieder gestattet werden, wenn der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist und ein individueller Lernprozess festgestellt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2019 - 23 C 19.134 - m.w.N.; B.v. 23.11.2018 - 9 ZB 16.2467 - juris Rn. 9; OVG MV, B.v. 1.3.2016 - 1 M 470/15 - juris Rn. 31).
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1.6 Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verstößt das angeordnete Rinderhaltungs- und Betreuungsverbot - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt - auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
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Nicht durchdringen kann die Antragstellerin mit der Rüge, das Haltungs- und Betreuungsverbot stelle sich als unverhältnismäßig bzw. ermessensfehlerhaft dar, weil der Behörde mildere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, mit denen sie sich noch nicht einmal im Ansatz auseinandergesetzt habe, obwohl keine Ermessensreduzierung auf Null vorliege. Welche milderen Mittel konkret in Betracht kommen sollen, lässt die Beschwerde indes offen. Ungeachtet dessen erscheinen mildere Mittel nur dann als geeignetes Mittel, wenn nach Art und Umfang der vom Tierhalter vorzunehmenden Maßnahmen sowohl in materieller, wirtschaftlich-finanzieller als auch personeller Hinsicht zu erwarten ist, dass die angeordneten Maßnahmen auch alsbald durchgeführt werden (können). Durch ihr Verhalten hat die Antragstellerin wiederholt zu erkennen gegeben, dass sie nicht bereit und wegen pachtrechtlicher Verpflichtungen auch teilweise rechtlich nicht im Stande ist, die Tierhaltung entsprechend den Anforderungen des Tierschutzes einzurichten und die ihrem Ehemann als Betriebsleiter gemachten Auflagen einzuhalten. Angesichts des bisherigen Verhaltens der Antragstellerin, der Erfahrungen mit den (Auflagen-)Bescheiden gegenüber ihrem Ehemann vom 15. März 2019 und vom 4. September 2019 sowie vom 6. Februar 2020, 17. September 2020 und 2. Februar 2020 und der Vielzahl von Verstößen gegen elementare tierschutzrechtliche Vorschriften kamen mildere Mittel wie Auflagen oder eine Bestandsreduzierung oder eine Beschränkung auf eine Betriebsstätte vorliegend nicht (mehr) in Betracht (vgl. OVG MV, B.v. 1.3.2016 - 1 M 470/15 - juris Rn. 30; OVG Berlin-Bbg., B.v. 12.11.2014 - 5 S 26.14 - 5 M 25.14 - juris Rn. 8). Zudem ist anerkannt, dass ein Verbot der Tierhaltung und Tierbetreuung - wie hier - im Fall gravierender und zahlreicher Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen und Anordnungen bereits dann gerechtfertigt ist, wenn die (bloße) Gefahr besteht, dass den Tieren andernfalls erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden zugefügt werden (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2017 - 9 CS 17.456 - juris Rn. 16; B.v. 6.11.2017 - 9 C 17.328 - juris Rn. 7; OVG Lüneburg, U.v. 20.4.2016 - 11 LB 29/15 - juris Rn. 51 m.w.N.; Moritz in Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 47 m.w.N.). Die Annahme von Leiden setzt dabei nicht voraus, dass das Tier krank oder verletzt ist (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2016 - 9 CS 16.539 - juris Rn. 23; B.v. 6.7.2020 - 23 CS 20.383 - juris Rn. 51 f.).
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Auch der Umstand, dass der Ehemann der Antragstellerin als Landwirt tätig und seinen Angaben nach auf die Rinderhaltung zur Existenzsicherung angewiesen ist, verfängt nicht. Zum einen stellt das Haltungs- und Betreuungsverbot nur eine subjektive Schranke für die Berufsausübung der Antragstellerin und ihres Ehemanns und keine objektive Berufszulassungsregelung im Sinn der durch das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 11. Juni 1958 - BVerfGE 7, 377 - entwickelten 3-Stufentheorie dar, die sie mit einem Antrag auf Wiedergestattung nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Hs. 2 TierSchG überwinden können. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, B.v. 14.3.1995 - 1 BvR 1639/91 - juris zur entsprechenden Vorschrift des § 35 Abs. 6 GewO). Zum anderen erweist sich - selbst wenn man in der Anordnung des Haltungs- und Betreuungsverbots wegen fehlender Zuverlässigkeit eine die subjektive Berufswahlfreiheit tangierende Regelung erblicken möchte - diese als verhältnis- und rechtmäßig, da Einschränkungen des Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG insoweit zum Schutz überragender Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt sind, zumal die durch § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG geschützten Gemeinwohlbelange selbst Verfassungsrang (Art. 20a GG, Art. 141 Abs. 1 Satz 2 BV) haben (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2005 - 25 CS 05.813 - juris Rn. 8; B.v. 7.1.2013 - 9 ZB 11.2455 - juris Rn. 10; B.v. 18.5.2021 - 23 ZB 21.351 - juris Rn. 30).
32
1.7 Soweit die Antragstellerin ausführt, die Interessenabwägung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hätte zu ihren Gunsten ausfallen müssen, kann dem angesichts der vorstehenden Ausführungen ebenfalls nicht gefolgt werden. Auch die vom Ehemann der Antragstellerin angebotenen tierärztlichen Kontrollen des Rinderbestandes alle zwei Wochen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens sowie der Umstand, dass der Ehemann der Antragstellerin beabsichtigt, einen Teil des Rinderbestands an den Schwiegersohn abzugeben, sind angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis der Interessenabwägung zu führen.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).
35
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).