Inhalt

VGH München, Beschluss v. 12.08.2022 – 23 ZB 22.30780
Titel:

Unzulässiger Folgeantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG

Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 77 Abs. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
AufenthG § 60 Abs. 5
VwGO § 138 Nr. 3
Leitsätze:
1. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Unzulässigkeit eines Folgeantrages gem. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG richtet sich nach der "Grundregel" des § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Bestehen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG entzieht sich in der Regel einer verallgemeinernden, fallübergreifenden Betrachtung, wie sie für eine Grundsatzrüge erforderlich ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist der Prozessbevollmächtigte wegen Verspätung der Bahn unverschuldet nicht zum Termin erschienen, liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht vor, wenn der Prozessbevollmächtigte es trotz Möglichkeit versäumt hat, die Wiedereröffnung der von ihm unverschuldet versäumten mündlichen Verhandlung zu beantragen. (Rn. 22 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässiger Folgeantrag, Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, Asyl, Folgeantrag, Unzulässigkeit, maßgeblicher Zeitpunkt, Grundsatzrüge, nationale Abschiebungsverbote, Verspätung, Bahn
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 09.06.2022 – AN 9 K 17.34646
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22264

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Klägerbevollmächtigten für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

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Die Anträge auf Zulassung der Berufung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren haben keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) nicht in der gebotenen Weise (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) dargelegt sind bzw. nicht vorliegen.
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1. Der Rechtssache kommt die klägerseits geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu.
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Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer erstens eine konkrete und gleichzeitig verallgemeinerungsfähige Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, zweitens ausführt, aus welchen Gründen diese klärungsfähig ist, also für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich war, und drittens erläutert, aus welchen Gründen sie klärungsbedürftig ist, mithin aus welchen Gründen die ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2019 - 13a ZB 17.31832 - juris Rn. 3; B.v. 10.1.2018 - 10 ZB 17.30487 - juris Rn. 2; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 36. EL, Februar 2019, § 124a Rn. 102 ff.). Die Grundsatzfrage muss zudem anhand des verwaltungsgerichtlichen Urteils rechtlich aufgearbeitet sein. Dies erfordert regelmäßig, dass der Rechtsmittelführer die Materie durchdringt und sich mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2019 - 13a ZB 17.31832 - juris Rn. 3). Bei einer auf tatsächliche Verhältnisse gestützten Grundsatzrüge muss der Rechtsmittelführer zudem Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind (vgl. BayVGH, B.v. 1.6.2017 - 11 ZB 17.30602 - juris Rn. 2).
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1.1. Hiervon ausgehend ist die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der von der Klägerseite formulierten Frage,
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„ob es erheblich ist, dass eine Unzulässigkeitsentscheidung i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig war oder nicht“,
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nicht gegeben, da eine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht aufgezeigt wird. Mit dieser Fragestellung wirft die Klagepartei die Rechtsfrage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Überprüfung einer Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG durch das Gericht auf. Diese Frage kann aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden (vgl. BVerwG, B.v. 28.5.1997 - 4 B 91.97 - NVwZ 1998, 172).
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Vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Vorschriften (vgl. § 26 Abs. 3 AsylG zum Familienschutz, § 74 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 2 AsylG zur Präklusion) bestimmt die Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für sämtliche Rechtsstreitigkeiten auf der Grundlage des Asylgesetzes als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage denjenigen der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung, ohne nach Art und Gegenstand der Streitigkeiten zu differenzieren. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm für den Asylprozess eine Diskussion beenden, die sich im allgemeinen Verwaltungsprozessrecht mit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bei einer Anfechtungsklage befasst hatte; im Interesse einer zügigen und umfassenden Beendigung eines Rechtsstreits über den Asyl- bzw. Schutzstatus sollten unabhängig von der Klageart aktuelle Änderungen noch im laufenden Verfahren berücksichtigt werden können, anstatt sie auf einen Folgeprozess zu verlagern (BT-Drs. 12/2062, S. 40 f.). Zwar wird dem Gericht damit unter Umständen die Entscheidung über Sachverhalte übertragen, die dem Bundesamt bei Bescheiderstellung so nicht vorgelegen haben. Dies entspricht jedoch zwischenzeitlich einem auch für andere aufenthaltsrechtliche Verfahren geltenden Grundsatz, ohne dass hierin ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung zu sehen ist (vgl. zur gerichtlichen Anfechtung einer Ausweisung BVerwG, U.v. 15.11.2007 - 1 C 45.06 - NVwZ 2008, 434 ff.; zur Anfechtung der Rücknahme oder des Widerrufs einer Aufenthaltserlaubnis BVerwG, U.v. 13.4.2010 - 1 C 10.09 - juris).
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Ein Verstoß gegen die vom Gesetzgeber in Anknüpfung an Art. 33 der RL 2013/32/EU mit der zusammenfassenden Regelung verschiedener Unzulässigkeitstatbestände in § 29 Abs. 1 AsylG vorgegebenen Zweistufigkeit des Asylverfahrens (vgl. dazu BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris Rn. 18 ff.) ist hiermit nicht verbunden. Diese Zweistufigkeit bedeutet, dass sich im Fall eines Folgeantrags die Prüfung auf der ersten Stufe der Zulässigkeit auf die Fragen beschränkt, ob es sich tatsächlich um einen derartigen Antrag handelt und ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, also die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (§ 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71 Abs. 1 AsylG). Erst auf der zweiten Stufe erfolgt die weitere Entscheidung, ob die materiellrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen tatsächlich gegeben sind (Sachprüfung). Für das gerichtliche Verfahren bedeutet diese Mehrstufigkeit, dass es die derzeitige Ausgestaltung des nationalen Asylverfahrensrechts und der unionsrechtlichen Vorgaben nicht rechtfertigt, bei Folge- und (vermeintlichen) Zweitanträgen, welche entgegen der Einschätzung des Bundesamts zur Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens führen müssten, den nach dem Asylgesetz auf die Unzulässigkeitsentscheidung begrenzten Streitgegenstand auf die sachliche Verpflichtung zur Schutzgewähr zu erweitern und dann unter Rückgriff auf das allgemeine Verwaltungsprozessrecht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) die erstmalige Sachentscheidung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu verlagern (BVerwG, U.v. 14.12.2016 - a.a.O. - juris Rn. 20). Diese inhaltliche Begrenzung des Streitgegenstands auf die erste Stufe der Zulässigkeit besagt allerdings entgegen der Auffassung der Klagepartei nichts über den bei der gerichtlichen Überprüfung der behördlichen Unzulässigkeitsentscheidung maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt. Insoweit widerspräche es der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG und den asylverfahrensrechtlichen Grundsätzen der Beschleunigung und Verfahrensökonomie, denen die Vorschrift Rechnung trägt, das Bundesamt durch die gerichtliche Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung, welche der derzeitigen Sach- und Rechtslage allerdings nunmehr gerecht wird, zur Durchführung eines weiteren, der Sache nach aussichtslosen Asylverfahrens zu verpflichten, wobei das Bundesamt dieser Verpflichtung nur durch den Erlass einer wiederum gerichtlich anfechtbaren Widerrufsentscheidung entgehen könnte. Verfahrensrechte des betreffenden Asylantragstellers wie das Recht auf Anhörung bereits im Verfahren über die Zulässigkeit (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2021 - 1 C 41.20 - juris Rn. 18 und Rn. 25) werden durch das Abstellen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ebenfalls nicht beeinträchtigt.
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Schließlich steht die Berücksichtigung erst im gerichtlichen Verfahren eingetretener Änderungen der Sach- und Rechtslage im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu dem nach der Asylverfahrensrichtlinie gebotenen Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Danach ist Art. 46 Abs. 3 RL 2013/32/EU i.V.m. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahin auszulegen, dass das Erfordernis einer umfassenden Ex-nunc-Prüfung, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt, auch die in Art. 33 Abs. 2 RL 2013/32/EU genannten Gründe für die Unzulässigkeit des Antrags auf internationalen Schutz umfassen kann, wenn das nationale Recht dies erlaubt (vgl. EuGH, U.v. 25.7.2018 - C-585/16, Alheto - Rn. 119 ff., 130). Wie der Gerichtshof weiter ausgeführt hat (a.a.O. Rn. 127 f.), steht auch das gesetzliche Erfordernis, den Ausländer vor der Anwendung der Unzulässigkeitsgründe hierzu persönlich anzuhören (Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2013/32/EU, umgesetzt durch § 29 Abs. 2 AsylG), der erstmaligen Prüfung von Unzulässigkeitsgründen im gerichtlichen Verfahren nicht entgegen (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2019 - 1 C 28.18 - BeckRS 2019, 13667 Rn. 13).
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Nach alldem ist eine Abweichung von der „Grundregel“ des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG bei Folgeanträgen nach §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71 Abs. 1 AsylG nicht gerechtfertigt (so auch Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 71 AsylG Rn. 47; Camerer in BeckOK MigR, 12. Ed. 15.7.2022, AsylG § 71 Rn. 14 m.w.N.; Müller in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 71 AsylG Rn. 26 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, U.v. 30.3.2021 - 1 C 41.20 - juris Rn. 11). Dass es zu dieser Frage abweichende Rechtsprechung oder hinreichend gewichtige abweichende Literaturstimmen gäbe, legt der Zulassungsantrag weder dar noch ist dies sonst ersichtlich.
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1.2. Hinsichtlich der seitens der Klagepartei des Weiteren aufgeworfenen Frage,
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„ob aufgrund der gegenwärtigen sozialen Verhältnisse in Äthiopien eine Abschiebung einer alleinstehenden Frau ohne familiäre Anbindung die Betroffene regelmäßig einer existenzbedrohenden Lage ohne Gewährleistung von „Brot, Bett, Seife“ aussetzen würde (§ 60 Abs. 5 AufenthG) bzw. ob dem Abschiebungsverbote i.S. des § 60 Abs. 7 AufenthG entgegenstehen, wenn nicht besondere, außergewöhnliche Umstände (z.B. überdurchschnittlich vermögende Familie vor Ort) vorliegen“,
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fehlt es an der Darlegung der grundsätzlichen Klärungsfähigkeit.
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a) Die Frage des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG entzieht sich in der Regel - so auch hier - einer verallgemeinernden, fallübergreifenden Betrachtung, wie sie für eine Grundsatzrüge erforderlich ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2020 - 23 ZB 20.31311 - Rn. 3 ff.; B.v. 8.12.2021 - 15 ZB 21.31689 - juris Rn. 8). Bezogen auf § 60 Abs. 5 AufenthG kann die Frage, ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot besteht, nur unter Berücksichtigung der individuellen Person und bei Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden, in denen sich die Person nach ihrer Rückkehr befinden wird (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 11 a.E.). Hierzu gehören bei der in Rede stehenden Personengruppe der alleinstehenden Frauen insbesondere das Alter, die Erwerbsfähigkeit, die Ausbildung und beruflichen Kenntnisse, die finanziellen Verhältnisse sowie die familiären Verbindungen und sonstigen Netzwerke. Nichts anderes gilt für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 13). Die Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG kann daher nicht verallgemeinernd, sondern nur nach jeweiliger Würdigung der Verhältnisse im Einzelfall beurteilt werden.
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b) Unabhängig hiervon fehlt es auch an einer rechtlichen Aufarbeitung der von der Klägerseite geltend gemachten Grundsatzfrage nach Maßgabe des Verwaltungsgerichtsurteils sowie an einer Darlegung der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit entsprechend den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG (zu den Darlegungsanforderungen vgl. BayVGH, B.v. 18.1.2018 - 8 ZB 17.31372 - juris Rn. 5; OVG NW, B.v. 12.12.2016 - 4 A 2939/15.A - juris Rn. 4 f., jeweils m.w.N.).
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Dies gilt zunächst, soweit die Klagepartei pauschal auf ihr erstinstanzliches Vorbringen im Schriftsatz vom 3. Juni 2022 verweist (Zulassungsschrift, S. 8). Eine bloße Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens genügt dem Darlegungsgebot des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2020 - 24 ZB 19.2439 - juris Rn. 8; B.v. 12.8.2019 - 6 ZB 19.778 - juris Rn. 5; B.v. 21.7.2016 - 12 ZB 16.1206 - juris Rn. 6; B.v. 21.10.2014 - 21 ZB 14.876 - juris Rn. 8). Denn Ausführungen, die noch in Unkenntnis des Inhalts der angefochtenen Entscheidung getätigt wurden, können nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts im Sinne einer rechtlichen Aufarbeitung beinhalten (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2013 - 21 ZB 12.2586 - juris Rn. 4).
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Im Übrigen hat die Klagepartei hierzu im Wesentlichen lediglich ausgeführt, die Verwaltungsgerichte Wiesbaden und Karlsruhe nähmen derzeit in ständiger Rechtsprechung für äthiopische Staatsangehörige aufgrund der gegebenen Existenzbedingungen Abschiebungsverbote i.S.d. § 60 Abs. 5 AufenthG an (VG Wiesbaden, U.v. 16.12.2021 - 5 K 1836/17.WI.A; U.v. 26.11.2021 - 5 K 3485/17.WI.A; U.v. 5.11.2021 - 5 K 2921/17.WI.A; U.v. 15.1.2021 - 5 K 1236/17.WI.A; VG Karlsruhe, U.v. 1.7.2020 - A 14 K 15012/17). Das erkennende Verwaltungsgericht Ansbach gehe immerhin von einem Abschiebungsverbot i.S.d. § 60 Abs. 5 AufenthG aus, wenn es um die Rückkehr mit Kindern gehe (VG Ansbach, U.v. 27.5.2020 - AN 9 K 18.31016; U.v. 16.11.2020 - AN 9 K 18.30832; U.v. 25.8.2017 - AN 3 K 16.30533). Sowohl die dramatische Verschlechterung der humanitären und wirtschaftlichen Situation seit 2020, die im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 18. März 2022 festgestellt werde, als auch die Berücksichtigung der besonderen Lage in Addis Abeba zwängen förmlich dazu, derzeit und auf absehbare Zeit im Regelfall für eine rückkehrende Frau von einer humanitären und sozialen Lage auszugehen, die das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes i.S.d. § 60 Abs. 5 AufenthG, aber auch i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG indiziere. Mehr als 20 Millionen Menschen benötigten Anfang des Jahres 2022 Hilfe im Vergleich zu 23,5 Millionen Anfang 2021 und 8,5 Millionen 2020; ca. Dreiviertel davon seien Frauen und Kinder (unter Verweis auf OCHA, Ethiopia - Humanitarian Update, Situation Report, 27.6.2022, S. 2). Extreme Preissteigerungen, Energieknappheit, Dürre, gewaltsame Konflikte u.a. führten zu einer wirtschaftlichen Lage, in der die Vorstellung, eine alleinstehende Frau könne im Falle ihrer Rückkehr irgendeine Art von Arbeit finden, völlig illusorisch werde. Abermillionen suchten Arbeit und noch mehr Menschen könnten dergleichen nicht bezahlen.
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Mit diesem Vorbringen setzt sich die Klägerseite bereits nicht ausreichend mit den entsprechenden entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil auseinander, so dass es an der erforderlichen rechtlichen Aufarbeitung anhand des verwaltungsgerichtlichen Urteils fehlt. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf den von Klägerseite ebenfalls angeführten Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 18. März 2022 ausgeführt, dass trotz der hierin dargestellten schwierigen Bedingungen nicht erkennbar sei, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt in Äthiopien nicht bestreiten könnte. Die arbeitsfähige Klägerin, die nur für sich selbst sorgen müsse, verfüge über eine für äthiopische Verhältnisse überdurchschnittliche, zwölfjährige Schulausbildung und habe auch in Deutschland berufliche Erfahrungen in der Altenpflege gesammelt, die ihr in ihrem Heimatland ggf. nützlich sein könnten. Weshalb es ihr nicht möglich sein sollte, in ihrem Heimatland Äthiopien für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, wie dies auch anderen äthiopischen Frauen gelinge, sei nicht ersichtlich und auch von der Klägerseite nicht nachvollziehbar vorgetragen worden. Ihr sei es auch zuzumuten, wenig bevorzugte Tätigkeiten und Gelegenheitsarbeiten anzunehmen. Selbst ohne familiäre Anbindung werde die Klägerin daher in ihrem Heimatland ihren Lebensunterhalt sicherstellen können. Unabhängig davon befänden sich nach dem Vorbringen der Klägerin noch Verwandte in Äthiopien; auch bei derzeit fehlendem Kontakt wäre es der Klägerin zumutbar, ggf. einen Kontakt vor Ort wiederherzustellen. Ggf. könnte sie auch auf Hilfen ihres mit ihr lediglich kirchlich verheirateten, äthiopischen Ehemannes aus Deutschland zurückgreifen. Außerdem sei auf die zahlreichen internationalen Unterstützungshilfen sowie die Möglichkeit auf die Inanspruchnahme von (für äthiopische Verhältnisse hohen) Reintegrationsleistungen der Beklagten zu verweisen, mit denen die Klägerin sogar einen wirtschaftlichen Vorsprung gegenüber äthiopischen Staatsangehörigen vor Ort haben werde. Gerade auch die jüngsten Erfahrungen in Äthiopien mit der Heuschreckenplage und Dürren hätten gezeigt, dass internationale Hilfen durchaus im erheblichen Maße generiert würden, so dass sich insoweit in der Vergangenheit erfolgte Prognosen wegen der mittlerweile etablierten Hilfsstrukturen nicht wie befürchtet bewahrheitet hätten. Es sei insoweit auch auf die aktuellen und intensiven internationalen Bemühungen zur Sicherung der Lebensmittelversorgung für Ostafrika angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine zu verweisen. Mit diesen Feststellungen, Erkenntnissen und Erwägungen des Verwaltungsgerichts setzt sich das Zulassungsvorbringen der Klagepartei nicht auseinander.
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Im Übrigen fehlt es auch an einer Darlegung der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der aufgeworfenen Frage entsprechend den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Es ist nicht dargelegt, dass entgegen den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichts betreffend nach Äthiopien zurückkehrender alleinstehender Frauen ohne Unterhalts- und Versorgungspflichten grundsätzlich und unabhängig von den individuellen Umständen der Rückkehr die Schwellen des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG landesweit überschritten sein könnten (vgl. zur erforderlichen landesweiten Betrachtung bei der Beurteilung des Vorliegens nationaler Abschiebungsverbote HessVGH, U.v. 23.8.2019 - 7 A 2750/15.A - juris Rn. 49; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 - 9 LB 93/18 - juris Rn. 53; BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31960 - juris Rn. 41).
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Soweit die Klagepartei hierzu zunächst auf erstinstanzliche Rechtsprechung (auch) im Bezirk des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, namentlich des Verwaltungsgerichts Ansbach, verweist, konzediert sie selbst, dass sich diese auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots für Familien mit Kindern bezieht. Abgesehen hiervon kann die Frage nach dem Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots, wie bereits dargelegt, kaum grundsätzlich beantwortet werden, weil es stets auf die individuellen Umstände der Rückkehr ankommt. Im Übrigen fehlt es - abgesehen davon, dass die Verwaltungsgerichte Karlsruhe und Wiesbaden nicht zum Bezirk des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gehören - auch insoweit an einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung, da der klägerische Zulassungsvortrag sich insoweit darauf beschränkt, auf die erstinstanzlichen Entscheidungen zu verweisen, ohne konkret aufzuzeigen, dass diese auf das verfahrensgegenständliche Urteil übertragbar sind. Sofern die grundsätzliche Bedeutung von Tatsachenfragen mit einer divergierenden untergerichtlichen Rechtsprechung begründet wird, erfordert dies aber die Darlegung, dass die fraglichen Gerichte von einer identischen Tatsachengrundlage und insoweit von einem identischen Prüfungsumfang ausgegangen sind, da sich anderenfalls eine abweichende Einschätzung der Sachlage nicht feststellen lässt. Nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass das Berufungszulassungsverfahren nicht auf eine im asylrechtlichen Zulassungsverfahren nicht stattfindende Rechtmäßigkeitskontrolle im Einzelfall hinausläuft (OVG B.-Bbg., B.v.15.3.2022 - OVG 6 N 35/22 - juris Rn. 30).
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Das klägerische Vorbringen hinsichtlich der Folgen der Preissteigerungen, der Energieknappheit, der Dürre, der gewaltsamen Konflikte und des Anstiegs der Zahl auf humanitäre Hilfe angewiesener Personen ist im Übrigen unsubstantiiert und beschränkt sich im Wesentlichen auf Mutmaßungen und Spekulationen, enthält jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sich die Wirtschafts-, Versorgungs- und Ernährungslage in Äthiopien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bereits derart verschlechtert hätte bzw. in absehbarer Zeit verschlechtern könnte, wie von der Klägerin befürchtet. Dass derzeit in Äthiopien landesweit eine Hungersnot herrschen würde oder alleinstehende Frauen überwiegend oder in großer Zahl von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen wären, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein aus dem berichteten Anstieg der Zahl auf humanitäre Hilfe angewiesener Personen auf mehr als 20 Millionen kann eine arbeitsfähigen, alleinstehenden Frauen ohne Unterhaltspflichten möglicherweise unabhängig von den individuellen Umständen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit drohende unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung oder eine Gefahr für die Gesundheit schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil hiervon zunächst vulnerable Bevölkerungsgruppen wie Familien mit mehreren Kindern, nicht arbeitsfähige, ältere oder kranke Personen sowie die unmittelbar vom Konflikt in der Region Tigray betroffenen Menschen besonders tangiert sind. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Bevölkerungsstruktur Äthiopiens mit einem Medianalter der Bevölkerung von 19,8 Jahren und einem Bevölkerungsanteil der 0- bis 14-Jährigen von rund 43% bei einer Einwohnerzahl von über 100 Millionen (vgl. https://www.indexmundi.com/de/athiopien/altersstruktur.html) vermag die im Zulassungsantrag referierte Zahl von mehr als 20 Millionen Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, eine alleinstehenden Frauen generell mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Gefahr für Leib und Leben nicht nahezulegen. Zudem blendet die Klägerin aus, dass die durch extrem schlechte materielle Lebensverhältnisse hervorgerufene Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auch durch die Inanspruchnahme von Hilfs- oder Unterstützungsleistungen Dritter (seien es private Dritte, seien es nichtstaatliche Hilfs- oder Unterstützungsorganisationen) abgewendet werden kann, wenn diese real bestehen und ohne unzumutbare Zugangsbedingungen hinreichend verlässlich und in dem gebotenen Umfang auch dauerhaft in Anspruch genommen werden können (BVerwG, U.v. 7.9.2021 - 1 C 3.21 - juris Rn. 25). Dass dies in Addis Abeba oder in Äthiopien landesweit, insbesondere außerhalb Tigrays, nicht im erforderlichen Umfang gewährleistet ist, wird nicht dargelegt.
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2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels in Form der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) ist ebenfalls nicht entsprechend den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt.
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Zwar schließt der Anspruch auf rechtliches Gehör das Recht eines Beteiligten ein, sich durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen (BVerwG, B.v. 21.12.2009 - 6 B 32.09 - juris Rn. 3). Erfährt das Gericht vor Beginn der mündlichen Verhandlung, dass der Prozessbevollmächtigte einer Partei den Termin wahrnehmen will, aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen aber nicht pünktlich erscheinen kann, so hat es zur Wahrung des rechtlichen Gehörs mit der Eröffnung der mündlichen Verhandlung zu warten, sofern und solange das mit dem Interesse an der Erhaltung der Tagesordnung zu vereinbaren ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.1985 - 9 C 84.84 - NJW 1986, 1057 = NVwZ 1986, 758). Erscheint ein (weiteres) Zuwarten mit Blick auf andere noch zur Verhandlung anstehende Sachen oder sonstige berufliche Verpflichtungen der übrigen Beteiligten oder der Richter nicht (mehr) vertretbar, muss der Termin zur Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 227 ZPO von Amts wegen aufgehoben oder verlegt werden, wenn der Prozessbevollmächtigte alles in seinen Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche getan hat, um den Verhandlungstermin rechtzeitig wahrzunehmen, hieran jedoch ohne sein Verschulden gehindert worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 10.12.1985 - 9 C 84.84 - NJW 1986, 1057 = NVwZ 1986, 758; U.v. 11.4.1989 - 9 C 55.88 - NVwZ 1989, 857 = NJW 1989, 2767 = NVwZ-RR 1990, 422, jeweils m.w.N.).
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Vorliegend war die durch einen Schaden an der Oberleitung der Bahn verursachte Verzögerung der Ankunft des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Ansbach um rund eine Stunde von diesem unverschuldet. Auf die Einhaltung der planmäßigen Beförderungszeiten regelmäßig verkehrender öffentlicher Verkehrsmittel durfte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Planung seiner Anreise zur mündlichen Verhandlung vertrauen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.1985 - 9 C 84.84 - NJW 1986, 1057 = NVwZ 1986, 758); auch nach den konkreten Umständen gebot die prozessuale Sorgfaltspflicht keine frühere Anreise zum Verhandlungstermin, zumal die Umsteigezeit nach der Planung des Klägerbevollmächtigten keinesfalls zu knapp bemessen war.
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Gleichwohl kann sich die Klägerin nicht durchgreifend auf eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör berufen, weil ihr Prozessbevollmächtigter es versäumt hat, die Wiedereröffnung der von ihm unverschuldet versäumten mündlichen Verhandlung zu beantragen.
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Die Berufung auf die Verletzung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die im konkreten Fall gegebenen prozessualen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, genutzt werden (BVerfG, B.v. 10.2.1987 - 2 BvR 314/86 - BVerfGE 74, 220/225 = NJW 1987, 1191; BVerwG, B.v. 21.7.2016 - 10 BN 1.15 - juris Rn. 8; U.v. 3.7.1992 - 8 C 58.90 - NJW 1992, 3185; BayVGH, B.v. 1.12.2015 - 13a ZB 15.30224 - juris Rn. 7; B.v. 5.2.2016 - 9 ZB 15.30247 - juris Rn. 21; VGH BW, B.v. 11.5.2017 - A 11 S 1002/17 - juris Rn. 7; Kraft in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 108 Rn. 115). Zu den verfahrensrechtlichen Befugnissen, von denen ein Rechtsanwalt erforderlichenfalls Gebrauch machen muss, um den Anspruch der von ihm vertretenen Partei auf rechtliches Gehör durchzusetzen, zählt auch die Stellung eines Antrags auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (BVerwG, U.v. 3.7.1992 - 8 C 58.90 - NJW 1992, 3185). Zwar steht die Wiedereröffnung einer bereits geschlossenen mündlichen Verhandlung im Ermessen des Gerichts (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Gleichwohl kann ein Wiedereröffnungsantrag ersichtlich ein taugliches prozessrechtliches Mittel sein, einen drohenden Verlust der Äußerungsmöglichkeit noch rechtzeitig abzuwenden. Denn das Institut der nachträglichen Wiedereröffnung soll den Parteien gerade die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte, namentlich durch mündlichen Vortrag zu dem erst aufgrund der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamtergebnis des Verfahrens, gewährleisten (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.1989 - 9 C 55.88 - NVwZ 1989, 857 = NJW 1989, 2767). Mit Blick auf diesen Zweck der in § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO getroffenen Regelung und deren Verknüpfung mit dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) kann sich das Ermessen des Gerichts zu einer Wiedereröffnungspflicht verdichten (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.1989 - a.a.O.; U.v. 3.7.1992 - 8 C 58.90 - NJW 1992, 3185). Vor diesem Hintergrund verhilft der Einwand, eines Antrags auf Wiedereröffnung habe es vorliegend wegen einer entsprechenden bereits von Amts wegen bestehenden Verpflichtung des Verwaltungsgerichts nicht bedurft, da sich nach Schluss der mündlichen Verhandlung herausgestellt habe, dass der Bevollmächtigte unverschuldet an der Teilnahme gehindert war (Zulassungsschrift S. 7), der Gehörsrüge nicht zum Erfolg. Denn durch einen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung veranlasst der Beteiligte das Gericht dazu, sich ausdrücklich mit diesem Begehren zu befassen und die entsprechende Entscheidung über die Wiedereröffnung entweder durch einen in § 104 Abs. 3 S. 2 VwGO vorgesehenen Beschluss oder, wenn die Wiedereröffnung abgelehnt wird, in den Gründen der Schlussentscheidung bekanntzugeben und die Gründe hierfür darzulegen (BVerwG, B.v. 25.1.2016 - 2 B 34.14 - NVwZ-RR 2016, 428/431). Einem Wiedereröffnungsbegehren des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dessen Verspätung auf einem offenbar unabwendbaren Zufall beruhte, hätte das Verwaltungsgericht zur Gewährung rechtlichen Gehörs vorliegend entsprechen müssen (vgl. BVerwG, U.v. 3.7.1992 - 8 C 58.90 - NJW 1992, 3185).
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Es ist aber nicht dargelegt, dass der erforderliche Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vom Klägerbevollmächtigten tatsächlich gestellt wurde oder dass ihm dies nicht mehr rechtzeitig möglich war. Als er am Terminstag gegen 14.55 Uhr vor dem Sitzungssaal des Verwaltungsgerichts auf die Klägerin, den Vorsitzenden Richter S. und die Dolmetscherin traf, war die mündliche Verhandlung in dieser Sache zwar bereits geschlossen. Ausweislich der Gründe des Beschlusses über den Antrag auf Protokollberichtigung vom 19. Juli 2022 teilte Vorsitzender Richter S. dem Klägerbevollmächtigten jedoch ausdrücklich mit, dass bislang keine Entscheidung verkündet, sondern lediglich ein Beschluss über die Zustellung einer Entscheidung getroffen worden sei; dem hat der Klägerbevollmächtigte im Zulassungsverfahren auch nicht widersprochen. Jedenfalls aber oblag es dem Klägerbevollmächtigten, sich von sich aus zu erkundigen, ob eine Entscheidung bereits verkündet worden war und sodann in Kenntnis der noch ausstehenden Verkündung die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu beantragen, um den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör zu wahren (BVerwG, U.v. 3.7.1992 - 8 C 58.90 - NJW 1992, 3185). Dem Zulassungsvorbringen zufolge hat der Klägerbevollmächtigte dem Vorsitzenden Richter S. gegenüber zwar geäußert, das könne er (der Richter) „nicht machen“ (Zulassungsschrift S. 3 und 7). Allerdings bleibt unklar, ob diese Äußerung als Antrag, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, oder nicht vielmehr lediglich als allgemeine Unmutsäußerung über das richterliche Verhalten und das Versäumen der mündlichen Verhandlung zu verstehen ist. Es kann jedoch von einem Rechtsanwalt erwartet werden, dass er der Absicht, ein Wiedereröffnungsbegehren gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO zu stellen, eindeutig und klar Ausdruck gibt, um damit den Anspruch auf rechtliches Gehör gegenüber dem Verwaltungsgericht geltend zu machen. Wie sich aus den Ausführungen auf S. 3 des Beschlusses über die Protokollberichtigung vom 19. Juli 2022 sowie aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils ergibt, in denen ein Antrag oder eine Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht angeführt werden, hat das Verwaltungsgericht die Äußerung des Klägerbevollmächtigten nicht als Stellung eines Antrags auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verstanden. Dies musste für die anwaltlich vertretene Klagepartei unter Zugrundelegung ihres Vorbringens, Vorsitzender Richter S. habe erklärt, es bleibe dabei, dass die mündliche Verhandlung geschlossen sei (Zulassungsschrift S. 3), auch naheliegen. In dieser Situation hätte es dem Klägerbevollmächtigten deshalb oblegen, einen ausdrücklichen und eindeutig formulierten Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO zu stellen, sodass die Klagepartei nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.
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Daher kann im Ergebnis auch offen bleiben, ob das Verwaltungsgericht das rechtliche Gehör verletzt hat, weil es mit Blick auf das zweite Telefonat des Klägerbevollmächtigten mit der Geschäftsstelle, in welchem dieser mitgeteilt habe, er säße nun im Zug und könne um 15 Uhr am Gericht sein, verpflichtet war, auf das Eintreffen des Klägerbevollmächtigten zu warten, oder weil es die Einlassungen der in der mündlichen Verhandlung nicht anwaltlich vertretenen Klägerin selbst als Vertagungsantrag hätte auslegen müssen. Denn sowohl unter Zugrundelegung des Zulassungsvorbringens als auch der Schilderungen des Vorsitzenden Richters S. in dem von ihm gefertigten Aktenvermerk und im Beschluss über die Protokollberichtigung war der Klägerbevollmächtigte jedenfalls im Zeitpunkt der Unterredung vor dem Sitzungssaal darüber informiert, dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte und eine Vertagung nicht erfolgt war, so dass er in diesem Zeitpunkt zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Klägerin den erforderlichen Antrag auf Wiedereröffnung hätte stellen können und müssen.
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3. Aus den genannten Gründen ist - unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin - mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO abzulehnen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts nach § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG rechtskräftig.