Inhalt

VGH München, Beschluss v. 28.03.2022 – 20 ZB 21.641
Titel:

Gebührenbemessung für amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchungen

Normenketten:
Lebensmittelüberwachungs-VO Art. 27 Abs. 2, Abs. 4, Anh. VI
VwGO § 124 Abs. 2
Leitsatz:
Bei der Gebührenbemessung für amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchungen nach Art. 27 Abs. 2 und 4 Lebensmittelüberwachungs-VO iVm Anhang VI Lebensmittelüberwachungs-VO dürfen auch die Kostenanteile für Löhne und Gehälter des Personals berücksichtigt werden, das zur Verwaltungsabwicklung und Gebührenerhebung der durchgeführten Kontrollen eingesetzt wird, soweit sie auf untrennbar mit der Durchführung der amtlichen Kontrollen verbundene, den Einsatz dieses Personals objektiv erfordernde Tätigkeiten entfallen. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fleischhygienegebühren, Grundsätze der Gebührenbemessung, Schlachttieruntersuchung, Fleischuntersuchung, Kostenanteil, Löhne, Gehälter, Personal, amtliche Kontrolle, Gebührenerhebung, VO (EG) Nr. 882/2004
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 07.12.2016 – 6 K 16.613
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22258

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 22.351,40 EUR festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor oder sind bereits nicht in einer § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt.
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1. Soweit mit dem Zulassungsantrag die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wurde, besteht diese jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Berufung aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, U.v. 19.12.2019 - C-477/18 u.a. - BeckRS 2019, 34415) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 3.9.2020 - 3 C 4.20 - BeckRS 20201, 32437) nicht mehr. Bei der Gebührenbemessung für amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchungen nach Art. 27 Abs. 2 und 4 i.V.m. Anhang VI der VO (EG) Nr. 882/2004 dürfen auch die Kostenanteile für Löhne und Gehälter des Personals berücksichtigt werden, das zur Verwaltungsabwicklung und Gebührenerhebung der durchgeführten Kontrollen eingesetzt wird, soweit sie auf untrennbar mit der Durchführung der amtlichen Kontrollen verbundene, den Einsatz dieses Personals objektiv erfordernde Tätigkeiten entfallen. Die Durchführung eines Berufungsverfahrens ist aus diesem Grund nicht mehr notwendig.
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2. Auch der Zulassungsgrund der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nach der Konkretisierung der Grundsätze der Gebührenbemessung durch die Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG nicht mehr vor, da sie die Rechtsunsicherheit über den Auslegungsgehalt des Art. 27 Abs. 2 und 4 VO (EG) Nr. 882/2004 i.V.m. Anhang VI beendet hat. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 1. April 2021 geltend macht, es sei in einer Tatsacheninstanz zu klären, inwieweit die streitgegenständliche Gebührenerhebung dem nunmehr durch die Rechtsprechung des EuGH präzisierten rechtlichen Maßstab entspreche, ergibt sich auch hieraus keine bereits in der Zulassungsbegründung angelegte tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache. Denn in Ergänzung zum Urteil des EuGH hat das BVerwG ausgeführt, das Kriterium der „Untrennbarkeit“ diene der Abgrenzung zu der im Urteil vom 17. März 2016 (EuGH, U.v. 17.3.2016 - C112/15 - BeckEuRS 2016, 500776) entschiedenen Fallkonstellation, in der es um die Grundausbildung des Verwaltungs- und Hilfspersonals ging, das erst nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung amtliche Fleischkontrollen durchführen durfte (BVerwG, a.a.O. Rn. 32). Mit dem Zulassungsvorbringen wurde nicht geltend gemacht, dass derartige allgemeine Ausbildungskosten in die Gebührenkalkulation der Beklagten eingeflossen seien. Soweit der Kläger allgemeinen verfahrensunabhängigen Klärungsbedarf aufwirft, wie im Lichte der neuen obergerichtlichen Rechtsprechung mit dem Kriterium der Untrennbarkeit umzugehen sei, kann sein Zulassungsvorbringen keinen Erfolg haben. Gegenstand des Zulassungsantrags ist das erstinstanzliche Urteil und nicht die der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegende Fallgestaltung.
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3. Die Anforderungen an die Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) werden nicht gewahrt. Zum geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ist erforderlich, dass der Rechtsmittelführer aufzeigt, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Der Rechtsmittelführer muss sich mit dem angefochtenen Urteil und dessen entscheidungstragenden Annahmen substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 63 m.w.N.). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind auch begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 - 20 ZB 11.1146 - juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - NVwZ-RR 2004, 542 - DVBl 2004, 838). Schlüssige Gegenargumente liegen in diesem Sinne dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Anhaltspunkte aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis nicht richtig ist (BVerfG, B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 - und B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546).
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„Darlegen“ im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert jedoch mehr als einen nicht näher spezifizierten Hinweis auf das behauptete Vorliegen eines Zulassungsgrundes. Es bedeutet vielmehr „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist deshalb unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 59 und 63). Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht.
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Das Verwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. März 2016 (C-112/15) auseinandergesetzt und ausgeführt, dass die Beklagte nach ihrer Kalkulation keine Personal- oder Ausbildungskosten für Personen berücksichtigt habe, die nicht - auch nicht mittelbar administrativ - mit der amtlichen Fleischkontrolle befasst seien. Gegenteiliges habe der Kläger nicht substantiiert aufgezeigt. Auch habe die Beklagte nicht die Kosten für die Grundausbildung des eingesetzten Personals, sondern als „Ausbildungskosten“ lediglich die zentral beim Personalamt veranschlagten Fortbildungskosten für die amtlichen Fleischkontrolleure angesetzt. Diese Feststellungen werden mit der Zulassungsbegründung nicht in Zweifel gezogen, weil nicht dargelegt wird, dass die Beklagte Kosten in die Gebührenbemessung einbezogen hätte, die diesen Kriterien widersprächen.
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4. Schließlich wird mit dem Zulassungsvorbringen auch ein Verfahrensfehler nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht dargelegt. Ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht im Sinne des § 86 Abs. 1 VwGO wird mit dem Zulassungsantrag lediglich behauptet. Damit werden die Darlegungsanforderungen des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO bereits nicht erfüllt. Mit dem Zulassungsvorbringen wird auch nicht geltend gemacht, dass das Verwaltungsgericht eine aktenwidrige, gegen die Denk- oder Naturgesetze, Auslegungsgrundsätze und Erfahrungssätze verstoßende oder sonst von Willkür geprägte Beweis- oder Sachverhaltswürdigung vorgenommen habe, welche ausnahmsweise einen Verfahrensmangel begründen könnte (vgl. Kautz in Fehling/Kastner/Störmer, VwGO, 5. Auflage 2021, § 132 Rn. 23 und § 124 Rn. 87; BayVGH, B.v. 20.1.2021 - 11 ZB 20.2407 - BeckRS 2021, 1659 Rn. 19). Das Verwaltungsgericht hat eine Rechtsauffassung vertreten und seiner Entscheidung zugrunde gelegt, die von der Rechtsauffassung des Klägers abwich. Darin liegt jedoch kein Verfahrensfehler im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 Satz 1 GKG.
10
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).