Titel:
Nachholung des Visumverfahrens
Normenketten:
VwGO § 123
AufenthG § 5 Abs. 2, § 10 Abs. 3, § 25 Abs. 5, § 28 Abs. 1 Nr. 3
GG Art. 6
Leitsatz:
Bei zögerlicher Mitwirkung im Verfahren der Urkundenüberprüfung und im Visumverfahren gebietet Art. 6 Abs. 1 GG nicht, das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Sichtvermerkverfahrens, dem gerade im Falle einer nicht hinreichend geklärten Identität eine besondere Bedeutung zukommt, gänzlich zurückzustellen; denn dies bedeutete keinen schonenden Ausgleich der familiären Belange des Ausländers und der gegenläufigen öffentlichen Interessen mehr. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zumutbarkeit der Nachholung eines Visumverfahrens für einen abgelehnten Asylbewerber bei unzureichender Mitwirkung, Eilrechtsschutz, Duldung, Visumverfahren, Asylbewerber, Trennung, Kind, unzureichende Mitwirkung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 09.12.2021 – W 7 E 21.1306
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22251
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der 1985 geborene Antragsteller, nigerianischer Staatsangehöriger, der nach eigenen Angaben am 15. Dezember 2014 in das Bundesgebiet eingereist ist, erfolglos Asylverfahren betrieben hat (ablehnender Bundesamtsbescheid vom 19.6.2017; Klageabweisung mit Urteil vom 4.5.2018, rechtskräftig seit 30.5.2018; im Rahmen des Asylverfahrens wurden keinerlei Identitätsdokumente vorgelegt) und Vater eines am... 2017 geborenen deutschen Sohnes (Vaterschaftsanerkennung; gemeinsames Sorgerecht B.v. 30.11.2017; laut Mitteilung des Standesamtes vom 15.3.2019 konnte im Rahmen eines im Wege der Amtshilfe durchgeführten Urkundenüberprüfungsverfahren des Generalkonsulats Lagos als Ergebnis der Echtheitsüberprüfung der nigerianischen Geburtsurkunde des Klägers vom 11.4.2001 die Identität nicht mit hinreichender Sicherheit ermittelt und der standesamtliche Geburtseintrag seines Sohnes daher nicht berichtigt werden) sowie Vater einer am ... 2019 geborenen Tochter (ebenfalls Vaterschaftsanerkennung und gemeinsame Sorgerechtserklärung), deren ukrainische Mutter über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG verfügt, verfolgt mit seiner Beschwerde das Rechtsschutzbegehren auf vorläufige Aussetzung der Abschiebung und Erteilung einer Duldung (im Hinblick auf eine am 30.12.2020 beantragte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG) unter Aufhebung des insoweit ablehnenden Bescheids des Antragsgegners vom 26. August 2021 und des ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2021 weiter. Nach Ablehnung der Erteilung einer am 21. Juni 2018 beantragten Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu seinem 2017 geborenen deutschen Sohn durch Bescheid vom 25. Februar 2019 wurde das nachfolgende Gerichtsverfahren (Az.: W 7 K 19.292) durch Vergleichsbeschluss vom 29. Juli 2019 beendet, der u.a. die Verpflichtung des Antragstellers zur Nachholung des Visumverfahrens und im Gegenzug die Zusage des Antragsgegners enthielt, dem Antragsteller bis 2 Wochen vor dem vereinbarten Vorsprachetermin bei dem Generalkonsulat in Lagos eine Duldung nebst Gestattung der Erwerbstätigkeit zu erteilen (längstens bis zum Ablauf von 18 Monaten nach Abschluss des Vergleichs). Auf eine Sachstandsnachfrage der Behörde teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 14. September 2020 mit, er habe den für den 27. Januar 2020 zugeteilten Termin im Generalkonsulat in Lagos storniert und unmittelbar am 30. Dezember 2019 eine neue Terminanfrage gestellt, nachdem seine Tochter A.N. am ... 2019 geboren worden sei. Mit Bescheid vom 26. August 2021 wurde die Erteilung einer weiteren Duldung versagt sowie die derzeit gültige Duldung widerrufen (Nr. 1 des Bescheides), die Erwerbstätigkeit nicht weiter gestattet (Nr. 2), der Aufenthalt auf den Regierungsbezirk U. beschränkt (Nr. 3) sowie der Antragsteller verpflichtet, alle drei Monate persönlich bei der Ausländerbehörde vorzusprechen (Nr. 4).
2
Das Verwaltungsgericht hat den auf vorläufige Aussetzung der Abschiebung gerichteten Eilantrag mit Beschluss vom 9. Dezember 2021 mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zu sichernder Anspruch auf Erteilung einer Verfahrensduldung im Hinblick auf einen Aufenthaltstitel nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bestehe für den Antragsteller nicht, da es an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum fehle (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) und die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegenstehe. Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Ausreise komme nicht in Betracht, da bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 a und Abs. 2 AufenthG nicht vorlägen. Dem Antragsteller sei die Nachholung des Visumverfahrens zumutbar, er habe sich bereits im gerichtlichen Vergleich vom 29. Juli 2019 hierzu bereit erklärt und verpflichtet. Der Antragsgegner sei bereit, den geschlossenen Vergleich bis zum 30. Juni 2022 zu verlängern, soweit der Antragsteller bereit sei, freiwillig auszureisen und das Visumverfahren nachzuholen. Die Geschäftsgrundlage des Vergleichs sei nicht deshalb entfallen, weil der Antragsteller Vater eines weiteren Kindes geworden sei. Das gescheiterte Urkundenüberprüfungsverfahren sei bereits seit März 2019 bekannt und liege im Verantwortungsbereich des Antragstellers. Den Interessen des Antragstellers und seiner Kinder könne durch die Erteilung von Besuchsvisa Rechnung getragen werden. Auch im Hinblick auf das Pariser Klimaschutzabkommen überwiege das öffentliche Interesse an der Nachholung des Visumverfahrens.
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Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.
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Die Prüfung der für die Begründetheit der Beschwerde streitenden Gründe ist im Grundsatz auf das in der Beschwerdebegründung Dargelegte beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Danach ergibt sich nicht, dass der Antragsgegner entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten wäre, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenüber dem Antragsteller zu unterlassen.
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Der Antragsteller trägt zur Begründung der Beschwerde unter weitgehender Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens vor, zwischen ihm und seinen Kindern, insbesondere seinem Sohn deutscher Staatsangehörigkeit, bestehe nachweislich eine schützenswerte Beziehung. Wäre der Antragsteller verpflichtet auszureisen und ein Visumverfahren nachzuholen, wären die Beziehungen zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern für unbestimmte Zeit unterbrochen. Dies deshalb, weil zunächst ein Urkundenbereinigungsverfahren mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre in Anspruch nehmen würde. Bekanntlich gebe es häufig gravierende Schwierigkeiten im Rahmen der Anerkennung von nigerianischen Urkunden. Dies zeige, dass die Nachholung des Visumverfahrens dazu führen würde, dass der Antragsteller aller Wahrscheinlichkeit nach mindestens 6-24 Monate von seinen Kindern getrennt wäre. Hinzu komme, dass der Antragsteller keine Rücklagen habe bilden können, weil er coronabedingt arbeitslos geworden sei. Aktuell könne der Antragsteller keine Rücklagen mehr bilden, weil er keine weitere Beschäftigungserlaubnis mehr erhalte. Zudem seien Arbeitgeber häufig nicht interessiert, Arbeitnehmer zu beschäftigen, die alle 12 Wochen eine Verlängerung der Beschäftigungserlaubnis beantragen müssten. Dem Antragsteller sei es daher unmöglich geworden, eine Flugreise nach Lagos (Hin- und Rückflug), den dortigen Lebensunterhalt und das Urkundenprüfverfahren zu finanzieren. Insoweit sei die Rechtsgrundlage des vor dem Verwaltungsgericht geschlossenen Vergleich im Verfahren Az.: W 7 K 19.292 entfallen. Damit würde es dem Antragsteller faktisch verwehrt, seinen Anspruch auf Familiennachzug jemals - zumindest aber in einem dem Kindeswohl entsprechenden Zeitrahmen - zu realisieren. Die Nachholung des Visumverfahrens sei unzumutbar i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, da sie zu einer längeren Trennung des Ausländers von seinen Kindern führen würde und die Dauer des Verfahrens nicht absehbar sei. Insoweit werde auf Rechtsprechung verwiesen, wonach es einem im Inland verbleibenden minderjährigen (deutschen) Kleinkind nicht zumutbar sei, dass die Nachholung des Visumverfahrens zu einer längeren Trennung des Ausländers von seinem Kind führen würde, die Dauer des Verfahrens nicht absehbar sei und eine besondere Härte für das Kind darstellen würde. Mangels Finanzmittel könnte die Wiedereinreise auch gänzlich unmöglich werden. Aufgrund der seit über einem Jahr anhaltenden pandemischen Lage sei es wenig angezeigt, ausschließlich zur Erteilung eines Sichtvermerkes derart riskante Reisebewegungen auf sich zu nehmen. Das Auswärtige Amt unterstütze das Bundesumweltministerium in den internationalen Klimahandlungen und sei auch Teil des Verhandlungsteams. Die deutschen Auslandsvertretungen würden weltweit für die deutschen und europäischen Positionen werben. Sie berichteten regelmäßig über klimapolitische Entwicklungen in ihren Gastländern. Des Weiteren fördere das Auswärtige Amt den Dialog mit Schlüsselländern über die Umsetzung des Übereinkommens von Paris. Auch hier spielten zahlreiche Auslandsvertretungen eine aktive Rolle, indem sie Projekte aus Mitteln des Klimafonds des Auswärtigen Amtes förderten. Jährlich im Vorfeld der internationalen Klimaverhandlungen veranstalte das Auswärtige Amt gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium und dem Deutschen Klima-Konsortium ein Briefing für Nichtregierungsorganisationen sowie für Interessierte aus Politik, Wissenschaft und Diplomatie. Im Rahmen der Abwägung des öffentlichen Interesses an der Nachholung eines Visumverfahrens sei die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommen zu berücksichtigen und zu erfüllen. Es könne daher nicht im öffentlichen Interesse liegen, dass Personen, die grundsätzlich einen Anspruch auf Familiennachzug hätten und die ohnehin wieder in die Bundesrepublik Deutschland einreisen würden, lediglich zur Erteilung eines Sichtvermerks eine Flugreise anträten, obwohl die Person selbst diese Flugreise ansonsten überhaupt nicht auf sich nehmen würde und wollte.
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Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2022 wird unter Vorlage einer Stellungnahme des Jugendamtes des Landratsamtes A. vom 19. Januar 2022 weiter ausgeführt, es sei unzutreffend, dass die Identität des Antragstellers nicht geklärt sei. Vielmehr habe er einen gültigen nigerianischen Reisepass vorgelegt. In Nigeria sei es üblich, dass Personen sowohl einen englischen als auch einen muttersprachlichen Namen führten. Bei Grundschülern werde in der Schule regelmäßig der muttersprachliche Name verwandt, weshalb es hier nicht verwunderlich sei, dass der Schulregistereintrag mit dem muttersprachlichen Namen A. E. erfolgt sei.
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Diese Rügen greifen nicht durch. Es ist kein auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerichteter Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) glaubhaft gemacht. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ergibt sich nicht, dass dem Antragsteller (vorläufig) eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu erteilen wäre. Ein durch eine einstweilige Aussetzung der Abschiebung zu sichernder Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG oder nach § 25 Abs. 5 AufenthG besteht nicht (1.). Ein Abschiebungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ergibt sich auch nicht aus den ausländerrechtlichen Schutzwirkungen nach Art. 6 Abs. 1, 2 GG (2.).
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Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es im vorliegenden Fall aus Rechtsschutzgründen (Art. 19 Abs. 4 GG) ausnahmsweise geboten wäre, dem Antragsgegner die Abschiebung des Antragstellers vorläufig zu untersagen, weil ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG (1.1.) oder nach § 25 Abs. 5 AufenthG (1.2.) durch eine Duldung im Wege einer einstweiligen Anordnung zu sichern wäre.
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Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anträge des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, welcher nach vergleichsweiser Beendigung des Rechtsstreits durch bestandskräftigen Bescheid vom 25. Februar 2019 abgelehnt wurde, und nach § 25 Abs. 5 AufenthG keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 AufenthG und damit kein vorläufiges Bleiberecht auslösen. Es widerspräche der durch §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 3 und 4 AufenthG vorgegebenen Systematik und Konzeption des Aufenthaltsgesetzes, denen zufolge für die Dauer eines Erteilungsverfahrens nur unter den in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG geregelten Voraussetzungen ein vorläufiges Bleiberecht besteht, darüber hinaus derartige „Vorwirkungen“ anzuerkennen und für die Dauer eines Erteilungsverfahrens regelmäßig eine Duldung vorzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2022 - 19 CE 21.2652 - juris Rn. 15 m.w.N.). Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ist nach Art. 19 Abs. 4 GG eine Ausnahme nur dann zu machen und kommt eine Verfahrensduldung in Betracht, wenn eine Aussetzung der Abschiebung notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich bereits gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Verfahrens aufrechtzuerhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zugutekommen kann (BVerwG, U.v. 18.12.2019 - 1 C 34/18 - BVerwGE 167, 211-235, Rn. 30).
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Eine mithin lediglich ausnahmsweise mögliche Verfahrensduldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG kommt nur in Betracht, wenn zweifelsfrei ein Anspruch auf Erteilung des Aufenthaltstitels besteht und die Sicherung der aufrechtzuerhaltenden Voraussetzungen durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
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1.1. Einem durch eine einstweilige Aussetzung der Abschiebung zu sichernden Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG steht - unabhängig vom Bestehen einer schützenswerten familiären Beziehung des Antragstellers zu seinem 2017 geborenen Sohn deutscher Staatsangehörigkeit - bereits die Titelerteilungssperre nach § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 3 AufenthG entgegen:
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Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels findet Satz 1 nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG keine Anwendung. Ein „Anspruch“ auf Erteilung eines Aufenthaltstitels i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG setzt einen strikten Rechtsanspruch voraus; ein Sollanspruch oder eine Ermessensreduzierung auf Null bei der Befugnis zu einer Ermessensentscheidung sind hingegen nicht ausreichend (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 - 1 C 16.17 juris Rn. 27 m.w.N.).
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Abgesehen davon müssen alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsnorm auf einen Aufenthaltstitel einschließlich der anwendbaren allgemeinen Vorschriften erfüllt sein (BVerwG, B.v. 16.2.2012 - 1 B 22/11 - juris Rn. 4). Ein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und bei dem alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, liegt nicht vor, wenn von der Erteilungsvoraussetzung „der Einreise mit dem erforderlichen Visum“ nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nur nach Ermessensausübung abgesehen werden kann (vgl. BayVGH B.v. 23.9.2016 - 10 C 16.818 - BeckRS 2016, 52295; Maor in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Stand: 1/2022, § 10 AufenthG Rn. 6).
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Das Absehen vom Erfordernis eines Sichtvermerkverfahrens stünde vorliegend selbst bei Anerkennung einer schützenswerten familiären Bindung des Antragstellers zu seinem 2017 geborenen Sohn nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Ermessen der Behörde mit der Folge, dass die Titelerteilungssperre nicht gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG überwunden werden kann.
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1.2. Auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Ausreise liegen nach summarischer Prüfung nicht vor:
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Zwar darf nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bei einem unanfechtbar abgelehnten Asylantrag ausnahmsweise vor der Ausreise des betroffenen Ausländers ein Aufenthaltstitel nach Maßgabe des Abschnitts 5 (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) und damit auch ein humanitärer Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 16.2.2012 - 1 B 22.11 - juris Rn. 4).
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Jedoch kommt auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Ausreise nicht in Betracht. Offen bleibt, ob § 25 Abs. 5 AufenthG als Auffangvorschrift für ein sich aus Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK ergebendes Ausreisehindernis herangezogen werden kann, wenn die Erteilungsvoraussetzungen der für die genannten Aufenthaltszwecke bestehenden Normen (hier: zum Familiennachzug, §§ 27 ff AufenthG) nicht erfüllt sind (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 30.7.2021 - 19 ZB 21.738 - juris Rn. 9; B. v. 9.7.2021 - 10 ZB 21. 1476 - juris Rn. 10, B.v. 30.10.2018 - 10 ZB 18.1780 - juris Rn. 7 m.w.N., bejahend nunmehr BayVGH, U.v. 7.12.2021, 10 BV 21.1821 - juris).
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Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist grundsätzlich erforderlich, dass die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2011 - 1 C 3.10 - juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 30.7.2021 - 19 ZB 21.738 - juris Rn. 10; B.v. 30.10.2018 - 10 C 18.1782 - juris Rn. 7; B.v. 24.1.2019 - 10 CE 18.1871, 10 C 18.1874 - juris Rn. 25; Maaßen/Kluth in Kluth/Heusch BeckOK, AuslR, Stand: 1/2022, § 25 AufenthG Rn. 148, Hailbronner, AuslR, Stand: 12/2021, § 25 AufenthG Rn. 155). Zwar kann nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in den übrigen Fällen der Erteilung eines (humanitären) Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 (also auch hinsichtlich des hier im Streit stehenden § 25 Abs. 5 AufenthG) von der Anwendung der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abgesehen werden. Auch insoweit ist jedoch eine Ermessensentscheidung erforderlich. Der Antragsteller hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass insoweit eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Denn grundsätzlich kann vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung eines Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei einer Einreise ohne das erforderliche Visum nur dann gewährt werden, wenn keine Zweifel am Anspruch auf die Titelerteilung oder der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens bestehen und keine tragfähigen Ermessensgesichtspunkte ersichtlich sind, die eine Ablehnung rechtfertigen können (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2020 - 10 CE 20.326 juris Rn. 18; VGH BW, B.v. 20.9.2018 - 11 S 1973/18 - juris Rn. 21). Auch unter Berücksichtigung etwaiger Schutzwirkungen aufgrund von Art. 6 GG ergibt sich vorliegend nicht, dass gemäß § 5 Abs. 2 Alt. 2 AufenthG vom Erfordernis des Sichtvermerkverfahrens abzusehen ist (vgl. nachfolgend 2.). Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass sich der Antragsteller bereits im gerichtlichen Vergleich vom 29. Juli 2019 zu einer Nachholung des Visumverfahrens verpflichtet hat, den für den 27. Januar 2020 anberaumten Termin beim Generalkonsulat in Lagos jedoch storniert hat. Soweit das Beschwerdevorbringen darauf abstellt, dass „die Rechtsgrundlage“ für den gerichtlichen Vergleich entfallen sei, ist den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts beizupflichten, dass mit der Geburt eines weiteren Kindes aus einer weiteren Beziehung die Geschäftsgrundlage des geschlossenen Vergleichs keineswegs entfallen ist, zumal zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs die Geburt des weiteren Kindes bereits erwartet wurde. An der Zumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens hat sich durch die Geburt eines weiteren Kindes nichts maßgeblich geändert. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die Rechtsgrundlage des am 29. Juli 2019 geschlossenen Vergleichs auch nicht dadurch entfallen, dass dem Antragsteller nunmehr mit streitgegenständlichem Bescheid vom 26. August 2021 die weitere Erwerbstätigkeit nicht mehr gestattet wurde. Entsprechend der vergleichsweisen Regelung vom 29. Juli 2019, wonach dem Antragsteller die Erwerbstätigkeit gestattet und er bei entsprechenden Einkünften zur Bildung einer monatlichen Rücklage in Höhe von 250 Euro bei einem Nettoeinkommen von 1400 Euro bis längstens 18 Monate nach Vergleichsabschluss verpflichtet wurde, hatte der Antragsteller mehr als zwei Jahre Zeit, die mit dem Vergleich intendierte Finanzierung der Nachholung des Visumverfahrens zu sichern.
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Abgesehen davon stellt sich eine (freiwillige) Ausreise des vollziehbar ausreisepflichtigen Antragstellers nicht i.S.v. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen (oder tatsächlichen) Gründen als unmöglich dar, weil es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie nach Art. 6 GG (bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) im konkreten Fall vereinbar ist, den Antragsteller selbst angesichts etwaig bestehender „einfachrechtlicher Ungewissheiten“ (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 50) auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen; eine insoweit zu Tage getretene fehlende Bereitschaft zur Mitwirkung in einem Visumverfahren und dadurch bedingte längere Wartezeiten bei der deutschen Auslandsvertretung in Nigeria, die zwangsläufig auch eine längere Trennungszeit zwischen Vater und Kind bedeuten würden (zu einer auch insoweit erforderlichen gültigen Prognose und der damit verbundenen Annahme der Zumutbarkeit einer Ausreise vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 64; vgl. nachfolgend 2.), ginge dabei angesichts des klaren und eindeutigen gesetzlichen Ausschlussgrunds gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG zulasten des Antragstellers.
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Ein Anspruch auf die beantragte Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1, 2 GG ist nicht glaubhaft gemacht.
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Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange seine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
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Eine Ausreise des Antragstellers zum Zwecke der Nachholung des Visumverfahrens zum Familiennachzug erweist sich nicht aus Gründen des Schutzes einer etwaig bestehenden familiären Bindung des Antragstellers zu seinen Kindern gemäß Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK als rechtlich unmöglich; eine Abschiebung ist nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich.
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Zunächst ist festzuhalten, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt vermitteln. Dies gilt auch für den Nachzug zu berechtigterweise in Deutschland lebenden Familienangehörigen. Allerdings sind die Ausländerbehörden verpflichtet, bei ihren Entscheidungen die bestehenden familiären Bindungen eines Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und sie entsprechend ihrem Gewicht in den behördlichen Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, B.v. 10.5.2008 - 2 BvR 588/08 - juris). Ebenso wenig wie Art. 6 GG gewährleistet Art. 8 Abs. 1 EMRK ein Recht des Ausländers in einen bestimmten Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Ein Staat ist vielmehr berechtigt, die Einreise von Ausländern in sein Hoheitsgebiet und ihren Aufenthalt dort nach Maßgabe seiner vertraglichen Verpflichtungen zu regeln (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte - EGMR -, U.v. 18.10.2006 (Üner) Nr. 46410/99 - juris). Maßnahmen im Bereich der Einwanderung können jedoch das Recht auf Achtung des Familienlebens berühren. Eingriffe sind unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft und müssen ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herstellen. Dabei ist eine Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip durchzuführen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 30.3.2010 - 1 C 8.09 - juris m.w.N. zur Rechtsprechung des EGMR).
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Die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG entfalten sich nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen; entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 - juris Rn. 87; B.v. 8.12.2005 - 2 BvR 1001/04 - juris Rn. 17 ff. m.w.N; B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 16.). Bei der vorzunehmenden Bewertung der familiären Beziehungen verbietet sich eine schematische Einordnung und Qualifizierung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, zumal auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung eines Umgangsrechts unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen Elternverantwortung ist und daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht. Nicht entscheidend ist, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt und ob die von einem Familienmitglied erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Der Annahme einer familiären Lebensgemeinschaft steht nicht entgegen, dass ein Elternteil nur ausschnittsweise am Leben teilnimmt und keine alltäglichen Erziehungsentscheidungen trifft. Der spezifische Erziehungsbeitrag eines Elternteils wird durch die Betreuung des Kindes durch den anderen Elternteil nicht entbehrlich. Die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt. Es kommt jedoch darauf an, ob die vorhandenen Kontakte in ihrer Bedeutung für das Verhältnis zum Kind dem auch sonst Üblichen entsprechen und auf diese Weise die Vater-Kind-Beziehung gelebt wird. Erforderlich ist daher, dass der Sorgeberechtigte nach außen erkennbar in ausreichendem Maße Verantwortung für die Betreuung und Erziehung seines minderjährigen Kindes übernimmt (BayVGH, B.v. 17.12.2018 - 10 C 18.2177 - juris Rn. 19; B.v. 28.7.2015 - 10 ZB 15.858 - juris Rn. 5). Es kommt darauf an, ob zwischen dem Ausländer und seinem Kind auf Grund des gepflegten persönlichen Umgangs ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, das von der nach außen manifestierten Verantwortung für die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes geprägt ist (VGH BW, U.v. 20.9.2018 - 11 S 240/17 - juris Rn. 80; U.v. 5.8.2002 - 1 S 1381/01 - juris, Rn. 19). Rechtliche Schutzwirkungen entfalten Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK nur dann, wenn im konkreten Einzelfall eine tatsächliche Verbundenheit zwischen dem Elternteil und seinem Kind besteht, die eine hinreichende Konstanz der Beziehung erwarten lässt und auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris Rn. 14).
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Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei ist grundsätzlich eine umfassende Betrachtung geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 48; B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris, Rn. 12). Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021, a.a.O. Rn. 48 m.w.N.).
26
Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (BVerfG, B.v. 22.12.2021 - 2 BvR 1432/21 juris Rn. 43; B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris LS 2a mit Verweis auf BVerfGK 13, 562 <567> und BVerfGK 13. 26 <27>).
27
Zur Beurteilung der Zumutbarkeit der Trennung des betroffenen Ausländers von seiner Familie bedarf es von Verfassungs wegen einer Begründung, warum insofern eine lediglich vorübergehende und keine dauerhafte Trennung in Aussicht steht (BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris LS 2c). Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BVerfG, B.v. 22.12.2021 - 2 BvR 1432/21 - juris Rn. 44; B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 48; B.v. 1.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 33). Einfachrechtliche Unwägbarkeiten bzw. Ungewissheiten über den Ausgang des Visumverfahrens (im vom Bundesverfassungsgericht zugrundeliegenden Fall die „hohen Hürden“ nach § 36 Abs. 2 AufenthG) müssen Eingang in die vom Verwaltungsgerichtshof anzustellende Prognose finden (BVerfG, B.v. 22.12.2021 - 2 BvR 1432/21 - juris Rn. 51; B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 53).
28
Nach diesen Maßgaben bleibt vorliegend unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens betreffend die Beziehung des Antragstellers sowohl zu seinem Sohn S. als auch der Tochter A. dahingestellt, ob eine aufenthaltsrechtlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft vorliegt bzw. glaubhaft gemacht ist. Ausweislich der Stellungnahme des Jugendamtes vom 19. Januar 2022 haben sich die Kindseltern des am ... 2017 geborenen Sohnes S. getrennt, als der Sohn ungefähr 8 Wochen gewesen sei; seit 2017 finde regelmäßig Umgang einmal die Woche sonntags zwischen 10:00 und 15:00 Uhr statt. Übernachtungen beim Kindsvater seien bislang nicht erfolgt. Nach dem Bericht der Kindsmutter sei der Antragsteller in viele Bereiche vom Leben des Sohnes integriert, so sei er bei der Auswahl der Kindertagesstätte und der damit verbundenen Besichtigung beteiligt gewesen und sei den Mitarbeitern dort bekannt.
29
Die am ... 2019 geborene Tochter des Antragstellers wohne mit der Kindsmutter knapp 4,5 km entfernt vom Antragsteller. Der Umgang mit A. finde fast täglich statt. Nach dem Bericht der Kindsmutter hänge das Kind an seinem Vater. Der Antragsteller beschäftige sich altersgerecht mit A., spiele mit ihr und mache Ausflüge. Teilweise nehme er hierbei auch den Sohn S. mit, damit Kontakt zwischen den Halbgeschwistern bestehe. Obwohl nach Auskunft der Kindsmutter der Antragsteller aktuell keine Unterhaltszahlungen leisten könne, beteilige er sich an Ausgaben für A. und kaufe Kleidung und Essen, sowie Geschenke für Weihnachten und Geburtstag.
30
Es sei bei der Sachbearbeiterin des Jugendamtes insgesamt der Eindruck entstanden, dass der Antragsteller seine Vaterrolle ausübe und am Leben seiner beiden Kinder aktiv beteiligt sei.
31
Nach der vorliegenden Stellungnahme beschränkt sich das Umgangsrecht hinsichtlich des Sohnes S. auf wenige Stunden wöchentlich; dies entspricht der familiengerichtlichen Vereinbarung vom 30. November 2017, wonach der Antragsteller (zunächst bis Ende Januar 2018 begleitet) ein Umgangsrecht im Umfang von zwei Stunden wöchentlich erhält. Hinsichtlich der Tochter A., mit der der Antragsteller ebenfalls nicht in häuslicher Gemeinschaft lebt, wird zwar ein täglicher Kontakt geschildert, der sich offenbar jedoch auch auf Besuchskontakte beschränkt. Der Senat lässt insbesondere im Hinblick auf Besuchskontakte im Umfang weniger Stunden wöchentlich offen, ob diese Besuchskontakte des Antragstellers in ihrer Bedeutung für das Verhältnis zum Kind dem auch sonst Üblichen entsprechen und auf diese Weise die Vater-Kind-Beziehung gelebt wird, insbesondere nach außen erkennbar in ausreichendem Maße Verantwortung für die Betreuung und Erziehung des minderjährigen Kindes übernommen wird.
32
Selbst bei Unterstellung eines hinreichenden Maßes an wahrgenommener Elternverantwortung seitens des Antragstellers würde sich aber weder aus Art. 6 GG noch aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergeben, dass eine (vorübergehende) Beendigung dessen Aufenthalts zur Durchführung des Visumverfahrens unzumutbar wäre:
33
In den Blick zu nehmen ist zunächst, dass die Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG dem Schutz wichtiger öffentlicher Interessen dienen. Die Pflicht zur Einreise mit dem erforderlichen Visum soll gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern. Die (nachträgliche) Einholung des erforderlichen Visums zum Familiennachzug ist auch nicht als bloße Förmlichkeit anzusehen. Dabei dürfen auch generalpräventive Aspekte Berücksichtigung finden, damit das Visumverfahren seine Funktion als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung wirksam erfüllen kann. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wirkt dem Anreiz entgegen, nach illegaler Einreise Bleibegründe zu schaffen mit der Folge, dieses Verhalten mit einem Verzicht auf das vom Ausland durchzuführende Visumverfahren zu honorieren. Die bewusste Umgehung des Visumverfahrens darf nicht folgenlos bleiben, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten. Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sind daher prinzipiell eng auszulegen (BVerwG, U.v. 10.12.2014 - 1 C 15/14, U.v. 11.1.2011 - 1 C 23/09 - jeweils juris). Entgegen dem Beschwerdevorbringen haben auch Klimaschutzbelange gegenüber diesen bedeutsamen öffentlichen Interessen zurückzutreten. Es ist mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG grundsätzlich vereinbar, einen Ausländer auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in das Bundesgebiet begehrt, regelmäßig hinzunehmen (BVerfG, B.v. 10.5.2008 - 2 BvR 588/08, B.v. 17.5.2011 - 2 BvR 5625/10 - jeweils juris; ebenso BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 47 und B.v. 22.12.2021 - 2 BvR 1432/21 - juris Rn. 43). In den Blick zu nehmen ist, wie lange ein Visumverfahren bei korrekter Sachbehandlung und gegebenenfalls unter zu Hilfenahme einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO voraussichtlich dauern würde und welche Auswirkungen ein derartiger Auslandaufenthalt des Ausländers für die Familie hätte (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 - 1 C 15/12 - juris). Diesbezüglich muss die Dauer des Visumverfahrens absehbar und insbesondere auch geklärt sein, ob die grundsätzliche Möglichkeit zum Familiennachzug besteht (vgl. BayVGH, U.v. 7.12.2021 - 10 BV 21.1821 - Rn. 40 m.w.N.; OVG SH, B.v. 3.1.2022 - 4 MB 68/21 - juris). Bei dieser Prognose sind - wie ausgeführt - nach neuester Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zudem „einfachrechtliche Unsicherheiten“ (bezogen auf den in Betracht kommenden familiären Aufenthaltstitel) ebenso zu berücksichtigen wie eine eventuell fehlende Mitwirkung des Betroffenen im Visumverfahren (BVerfG, B.v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 - juris Rn. 52 ff.). Eine fehlende Mitwirkung kann daher auch längere Wartezeiten rechtfertigen. Zudem würde es die Erkenntnisfähigkeit von Behörden und Gerichten überfordern, bei der Prognose über die Dauer des Visumverfahrens und der damit verbundenen Trennung des Ausländers von seinem in Deutschland aufenthaltsberechtigten Kind eine präzise Vorstellung davon zu entwickeln, mit welcher Trennungszeit tatsächlich im Falle der Duldungsversagung zu rechnen wäre, wenn der Ausländer nicht das in seiner Sphäre Liegende beiträgt, um das Verfahren zu betreiben und zu einem zeitnahen Abschluss zu bringen (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021, a.a.O. Rn. 59).
34
Eine schutzwürdige Eltern-Kind-Beziehung des Antragstellers zu seinen Kindern, insbesondere zum Sohn deutscher Staatsangehörigkeit, unterstellt, bestehen keine Zweifel an der grundsätzlichen Möglichkeit eines Familiennachzugs nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Für den Antragsteller bedeutet dies, dass er nach Einreise ohne das erforderliche Visum und nach erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens grundsätzlich - nicht anders als andere Ausländer - ein Sichtvermerkverfahren im Heimatland durchzuführen hat, um einen asylunabhängigen Aufenthaltstitel zu erlangen. Insofern steht anlässlich der Nachholung des Visumverfahrens grundsätzlich lediglich eine vorübergehende Trennung des Antragstellers von seinen Kindern im Raum. An dieser Verpflichtung des Antragstellers, die bereits im gerichtlichen Vergleich vom 29. Juli 2019 ihren Niederschlag gefunden hat, hat sich - wie ausgeführt - durch die Geburt der Tochter A. am 16. November 2019, die mithin bei Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Vergleichs am 29. Juli 2019 schon zu erwarten war, nichts Maßgebliches geändert.
35
In Anbetracht dessen, dass sich der Antragsteller (in Erwartung der Geburt der Tochter A.) am 29. Juli 2019 in einem gerichtlichen Vergleich ausdrücklich zur freiwilligen Ausreise und zur Nachholung des Visumverfahrens verpflichtet hat, einen für den 27. Januar 2020 erlangten Termin beim deutschen Generalkonsulat in Lagos jedoch storniert hat und auch trotz einer erneuten Terminanfrage vom 30. Dezember 2019 einen neuen Vorsprachetermin bei dem Generalkonsulat in Lagos bislang nicht nachweisen konnte, vielmehr das Visumverfahren offensichtlich nicht weiterbetreibt, überwiegt das öffentliche Interesse an der Beachtung des Visumverfahrens die (unterstellt) schutzwürdigen Interessen des Antragstellers und seiner im Bundesgebiet lebenden genannten Bezugspersonen. Dem Antragsteller, der mangels finanzieller Mittel befürchtet, den Anspruch auf Familiennachzug nicht in einem dem Kindeswohl entsprechenden Zeitrahmen realisieren zu können, kann zugemutet werden, sich für das Sichtvermerkverfahren in das Heimatland zu begeben, ohne dass die Grenze des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG erreicht würde.
36
Hinsichtlich der zu prognostizierenden Dauer des Aufenthalts im Heimatstaat zur Nachholung des Visumverfahrens ist zwar festzuhalten, dass bei fehlender Mitwirkung des Antragstellers im Rahmen der Identitätsklärung und weiterem Unterlassen von Vorbereitungshandlungen für die Durchführung des Visumverfahrens eine valide Prognose der Verfahrensdauer schwierig ist. Diese Schwierigkeiten sind jedoch allein auf in der Einflusssphäre des Antragstellers liegende Umstände zurückzuführen.
37
Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Ursache für die bislang nicht erfolgreich durchgeführte Urkundenbereinigung im Verantwortungsbereich des Antragstellers liegt, ist - unabhängig von der ins Feld geführten Üblichkeit mehrfacher Namensführung - nicht zu beanstanden. Im Rahmen des nach Einreise durchgeführten Asylverfahrens hat der Antragsteller keinerlei Identitätsdokumente vorgelegt; bei der Anhörung am 26. August 2016 hat er angegeben, keinerlei Personaldokumente in Nigeria besessen und die Heimat ohne Personalpapiere verlassen zu haben. Im Rahmen der mit der standesamtlichen Geburtsbeurkundung des Sohnes S. angestrebten Urkundenüberprüfung hat der Antragsteller eine unter dem Datum 11. April 2001 ausgestellte Geburtsurkunde sowie weitere Unterlagen vorgelegt. Mit diesen Unterlagen richtete das Standesamt am 24. Juli 2018 ein Amtshilfeersuchen an das Generalkonsulat Lagos zur Überprüfung der vorgelegten Urkunden. Ausweislich einer Auskunft des Standesamtes A. vom 12. April 2019 beruhte die Erfolglosigkeit des von der Deutschen Botschaft in Lagos in Amtshilfe durchgeführten Urkundenüberprüfungsverfahrens nicht nur aufgrund von Unstimmigkeiten wegen der Namensführung, sondern auch aufgrund von Unstimmigkeiten hinsichtlich der Form seiner Geburtsurkunde verglichen mit seinem Geburtsdatum und -ort.
38
Im Rahmen des vom Standesamt A. initiierten Urkundenüberprüfungsverfahrens teilte das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in seiner Stellungnahme vom 23. Januar 2019 mit, dass die Namensführung des Antragstellers E.A. aufgrund vertrauenswürdiger Schulregistereinträge bestätigt werden konnte. Belastbare dokumentarische Nachweise für das Geburtsdatum lägen jedoch nicht vor. Für die Namensführung N.O. lägen keine belastbaren dokumentarischen Nachweise vor; ferner erscheine das Geburtsdatum im Hinblick auf den Schulbesuch wenig glaubhaft. Die Identität der überprüften Person könne nicht mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden. Bei der eidesstattlichen Erklärung zur Namensänderung vom 12. März 2018 handle es sich um eine Fälschung, daher liege keine wirksame Namensänderung vor. Die inhaltlichen Angaben der am 11. April 2001 ausgestellten Geburtsurkunde hätten nicht durch Einsicht in entsprechende Registereintragungen bestätigt werden können. Die Urkunde stelle keinen wirksamen Geburtsnachweis nach nigerianischem Recht dar. Die Befragung von Familienangehörigen und Referenzpersonen habe ergeben, dass der Antragsteller Vater eines am ... 2009 geborenen Kindes sei; diese Angaben seien nicht näher überprüft worden.
39
Trotz des insoweit negativen Verfahrensergebnisses, eingegangen beim Standesamt A. im Februar 2019 wurden seitens des Antragstellers zwischenzeitlich ersichtlich keine weiteren Unterlagen beschafft oder beigebracht. Entgegen der am 15. Juni 2021 gegenüber der Ausländerbehörde geäußerten Absicht und dem Vorbringen des Antragstellers, wonach am 24. Juli 2021 unter Vorlage weiterer Unterlagen (Affidavit of fact der Schwester des Antragstellers vom 17.06.2021 sowie vom selben Tag datiertes Schulzeugnis des Antragstellers) gegenüber dem Standesamt der Stadt A. erneut die Berichtigung der Geburtsurkunden der Kinder beantragt worden sei, liegt nach Auskunft des Standesamtes an den Antragsgegner vom 3. September 2021 kein erneuter Antrag auf Urkundenbereinigung vor (vgl. S. 863 der Behördenakte).
40
Bei - wie vorliegend - zögerlicher Mitwirkung im Verfahren der Urkundenüberprüfung und im Visumverfahren gebietet Art. 6 Abs. 1 GG nicht, das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Sichtvermerkverfahrens, dem gerade im Falle einer nicht hinreichend geklärten Identität eine besondere Bedeutung zukommt, gänzlich zurückzustellen; denn dies bedeutete keinen schonenden Ausgleich der familiären Belange des Ausländers und der gegenläufigen öffentlichen Interessen mehr (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 8.7.2019 - OVG 3 N 147.17 - juris Rn. 8 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - juris Rn. 103). Wenn die durch die Nachholung des Visumverfahrens einhergehende Trennung des Antragstellers von seinen Kindern einen längeren Zeitraum als die reine Bearbeitungszeit des Visumverfahrens beansprucht, so beruht dies auf der eigenverantwortlichen Entscheidung des Antragstellers, ein zumutbar zu beseitigendes Hindernis für die Identitätsklärung durch die Beibringung weiterer Identitätsdokumente nicht zu beseitigen. Das im Bundesgebiet durchgeführte Urkundenbereinigungsverfahren blieb erfolglos, da die vorgelegten Urkunden nicht ausreichend waren, damit die deutsche Auslandsvertretung in Nigeria die Identität des Antragstellers bestätigen konnte. Der mit dem Beschwerdevorbringen geltend gemachte Verweis auf die Üblichkeit einer doppelten Namensführung vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass ausweislich des Urkundenüberprüfungsverfahrens der Botschaft sich die eine Namensänderung bestätigende Urkunde als Fälschung herausgestellt hat und die auf diesen Namen ausgestellte Geburtsurkunde nicht durch einen Registereintrag bestätigt werden konnte. Der in Berlin am 3. August 2017 ausgestellte Nationalpass des Antragstellers ist wegen der bestehenden Zweifel an der dieser Identität zugrundeliegenden Urkunde nicht geeignet, die Identität des Antragstellers i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG zu bestätigen. Im Falle einer ungeklärten bzw. nicht bestätigten Identität kommt dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung des Visumverfahrens jedoch ein noch größeres Gewicht zu, auch unter Berücksichtigung (unterstellter) familiärer Bindungen erweist sich in einem solchen Fall die Durchführung des Sichtvermerkverfahrens nicht als entbehrlich. Beruhen - wie vorliegend - Identitätszweifel auf der Vorlage einer gefälschten Urkunde über eine Namensänderung und einer nicht durch einen Registereintrag zu verifizierenden Geburtsurkunde, geht dies zu Lasten des jeweiligen Ausländers, da die Beibringung echter Identitätsdokumente allein in seinem Einflussbereich liegt und ihn insoweit die Unaufklärbarkeit seiner Identität nicht vom grundsätzlichen Erfordernis der Einholung eines Sichtvermerkverfahrens entheben kann. Nachdem der Antragsteller seit dem negativen Ausgang des Urkundenüberprüfungsverfahrens Anfang 2019 keine weiteren Aktivitäten zur Klärung seiner Identität unternommen hat, liegt die Verantwortung für ein etwaig im Heimatland noch durchzuführendes Urkundenüberprüfungsverfahren bei ihm selbst. Er hat daraus ggf. resultierende längere Bearbeitungszeiten hinzunehmen. In Anbetracht dessen, dass der Antragsteller nicht das in seiner Sphäre Liegende beiträgt, um das Verfahren zu betreiben und zu einem zeitnahen Abschluss zu bringen, übersteigt es die Erkenntnisfähigkeit von Behörden und Gerichten, eine zu erwartende Trennungszeit valide und exakt zu prognostizieren. Unterlässt es der Antragsteller über mehrere Jahre hinweg, nachdem er sich bereits in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet hat, sich zur Nachholung des Visumsverfahrens um einen Vorsprachetermin bei dem Generalkonsulat in Lagos zu bemühen, sodann einen nach einem halben Jahr anberaumten Termin storniert hat, jegliche Anstrengungen, sich um einen neuen Termin zu bemühen oder unter Vorlage weiterer Dokumente erneut ein Urkundenüberprüfungsverfahren anzustoßen, so trägt er selbst die Verantwortung für damit einhergehende zeitliche Verzögerungen.
41
Bei Vorlage weiterer Unterlagen zur Ausräumung der von der Botschaft 2019 beanstandeten Unstimmigkeiten in Namensführung und weiteren Identitätszweifeln könnte die Urkundenüberprüfung im Wege der Amtshilfe vom Inland aus erfolgen und im Fall der Erteilung einer Vorabzustimmung durch die örtlich zuständige Ausländerbehörde könnte bei Ausreise erst kurz vor dem Konsulatstermin die Verweildauer in Nigeria auf ein Mindestmaß der Bearbeitungszeit für das Visum begrenzt werden (vgl. die ebenfalls Nigeria betreffenden Feststellungen: BayVGH, U.v. 7.12.2021 - 10 BV 21.1821 - Rn. 34 ff.: Die Bearbeitungszeit eines vollständigen Visumsantrags bei gleichzeitiger Vorabzustimmung der Ausländerbehörde beträgt nach Auskunft des deutschen Generalkonsulats in Lagos „mindestens 5 Wochen“). Somit könnte bei zielführender Mitwirkung des Antragstellers die Verfahrens- und Abwesenheitsdauer auf einige Wochen bzw. einige Monate beschränkt werden. Aufgrund dessen sind die dem Antragsteller obliegenden Vorbereitungshandlungen für die Ausreise auch als zumutbar anzusehen. Selbst wenn ein Urkundenüberprüfungsverfahren in Nigeria durchzuführen wäre, dessen Dauer nach einer Auskunft der Visaabteilung der Auslandsvertretung vom 17. Februar 2021 „derzeit mindestens fünf Monate“ in Anspruch nehmen würde (vgl. BVerfG, B.v. 22.12.2021 - 2 BvR 1432/21 - juris Rn. 19), ist zu berücksichtigen, dass das für den Antragsteller bereits vom Bundesgebiet aus in Amtshilfe von der Botschaft durchgeführte Prüfverfahren wegen unzureichender Nachweise erfolglos verlaufen ist und der Antragsteller dennoch die Beibringung weiterer Unterlagen unterlassen hat. Zeitliche Verzögerungen, die auf der eigenen Untätigkeit und mangelnden Mitwirkung beruhen, vermögen ein Absehen von der Durchführung des Visumverfahrens nicht zu rechtfertigen.
42
Bei der Zumutbarkeit der Nachholung eines Visumverfahrens ist nach Auffassung des Senats auch zu berücksichtigen, dass die Umgangskontakte des Antragstellers mit seinen Kindern jeweils auf wenige Wochenstunden Besuchs- bzw. Spielzeit beschränkt sind, so dass sich durch eine vorübergehende Abwesenheit des Antragstellers das Lebensumfeld der Kinder nicht wesentlich ändern würde. Auf die Sicht der Kinder unter Berücksichtigung ihres Alters abstellend dürften die Kinder mittlerweile auch Kontaktaufnahmen über Telekommunikationsmedien erfassen können, zumindest könnten sie auf eine begrenzte Trennungszeit in Präsenz vorbereitet werden, zumal die Nachholung des Visumverfahrens seit nunmehr 2 ½ Jahren im Raum steht und der Antragsteller während dieses Zeitraums Duldungen mit der Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit erlangte, um die finanziellen Mittel für die Nachholung des Visumverfahrens zu erwirtschaften. Hinsichtlich weiterer familiärer Beziehungen des Antragstellers im Heimatland ist zu konstatieren, dass ihm offensichtlich an einem Kontakt bzw. einer Vater-Kind-Beziehung zu dem weiteren im Heimaltland lebenden und am ... 2009 geborenen Kind, das den sich aus dem Schulzeugnis des Antragstellers ergebenden Nachnamen des Antragstellers E. trägt (was wiederum entgegen dem Beschwerdevorbringen für eine Führung des angeblichen muttersprachlichen Namens des Antragstellers über dessen Grundschulzeit hinaus spricht), weniger gelegen ist als zu den im Bundesgebiet befindlichen Kindern. Bestehende familiäre Beziehungen des Antragstellers im Heimatland, beispielsweise auch zu seiner (die Identität bestätigenden) Schwester, sprechen für die Zumutbarkeit einer vorübergehenden Rückkehr zum Zwecke der Nachholung des Visumverfahrens, zumal insofern Unterstützung vor Ort erwartet werden kann.
43
Dass die Behörde im Hinblick auf die erkennbar fehlende Bereitschaft des Antragstellers, die im gerichtlichen Vergleich vom 29. Juli 2019 eingegangene Verpflichtung zur Nachholung des Visumverfahrens zu erfüllen, mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 26. August 2021 die Erteilung einer weiteren Duldung nebst Beschäftigungserlaubnis versagt hat, ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen hat der Antragsgegner zugesagt, sich mit einer Verlängerung des gerichtlichen Vergleichs bis Juni 2022 einverstanden zu erklären, so dass dem Antragsteller mithin wiederum genügend Zeit bliebe, bei zielgerichteter Mitwirkung die tatsächliche Trennungszeit auf ein Mindestmaß zu begrenzen.
44
Schließlich ist in den Blick zu nehmen, dass es auf der freien Entscheidung des Antragstellers beruhte, familiäre Beziehungen auf aufenthaltsrechtlich ungesicherter Basis gründen zu wollen, und die Beteiligten auch nicht schutzwürdig darauf vertrauen konnten, eine (unterstellte) familiäre Lebensgemeinschaft werde sich ohne gewisse verfahrensrechtliche Anstrengungen und Problemstellungen allein dadurch herstellen lassen, dass Fakten geschaffen werden. Selbst im Falle von Verzögerungen vor Ort wäre im Übrigen auch eine längere Trennung (durchaus auch im Einzelfall mehrere Monate insbesondere in Anbetracht der Mitwirkungsversäumnisse und der dargelegten weiterbestehenden Kontaktmöglichkeiten) zumutbar. Unvorhergesehenen längeren Verzögerungen könnte - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - auch durch die Erteilung von Besuchsvisa begegnet werden.
45
Zusammenfassend bedeutet dies: Es obliegt dem insoweit nunmehr untätigen und den geschlossenen Vergleich missachtenden Antragsteller alles dazu beizutragen, die Voraussetzungen für eine Visumerteilung vor der Ausreise schon vom Bundesgebiet aus soweit wie möglich herzustellen und soweit dazu erforderlich dem bislang vom Antragsteller - aus von ihm zu vertretenden Gründen - nicht erfolgreich betriebenen Urkundenüberprüfungsverfahren Fortgang zu geben. Insoweit behauptet der Antragsteller nunmehr, seine Identität sei geklärt, so dass es umso näherliegt, dass er nunmehr tätig wird. Falls er sich weiter einer Mitwirkung verweigert, ist es ihm zumutbar und mit dem Kindeswohl im vorliegenden Einzelfall auch in Anbetracht des hier nur eingeschränkten Maßes an wahrgenommener Elternverantwortung vereinbar, die Voraussetzungen für eine Visumerteilung in Nigeria zu bewerkstelligen unter Inkaufnahme einer körperlichen Trennung von seinen Kindern (bei Aufrechterhaltung medialer Kontakte und der Möglichkeit von Besuchen), die aller Voraussicht nach - selbst wenn sich nicht absehbare neue Hürden in Nigeria ergeben würden - jedenfalls nicht mehr als ein Jahr dauern wird (Bearbeitungszeit eines vollständigen Visumantrags wie ausgeführt mindestens 5 Wochen, Dauer des Urkundenüberprüfungsverfahrens wie ausgeführt mindestens 5 Monate).
46
Die Kosten der Reise für die Nachholung des Visumverfahrens im Herkunftsland begründen für sich allein regelmäßig keine besonderen Umstände i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG, die die Nachholung eines Sichtvermerkverfahrens unzumutbar machen (vgl. Nr. 5.2.3 AVwV AufenthG). Sie gehören zu dem normalen Risiko der nicht ordnungsgemäßen Einreise; als unzumutbar könnten sie allenfalls dann angesehen werden, wenn sie eine außergewöhnliche Höhe erreichten (vgl. OVG LSA, B.v. 25.9.2008 - 2 M 184/08 - juris Rn. 8). Die zu finanzierenden Reisekosten vermögen vorliegend keine besonderen Umstände zu begründen, die ein Absehen von der Einhaltung des Visumverfahrens nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG rechtfertigen könnten, zumal dem Antragsteller im gerichtlichen Vergleich vom 29. Juli 2019 ausdrücklich die Verpflichtung der Bildung von Rücklagen aus seiner Erwerbstätigkeit auferlegt wurde.
47
Ausgehend von der von Antragsgegnerseite für den Fall einer Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise zugesagten Verlängerung der Regelungen des Vergleichs bis Ende Juni 2022 und unter Würdigung der Einzelumstände der Ausübung des Umgangsrechts in Form von stundenweisen Besuchskontakten erscheint vorliegend die Dauer der Abwesenheit des Antragstellers aus dem Bundesgebiet als in zeitlicher Hinsicht mit den sich aus Art. 6 GG ergebenden aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen vereinbar.
48
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
49
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).