Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 28.04.2022 – RO 7 K 20.631
Titel:

Zwangsgeldbewehrte Beseitigungsanordnung - Halle im Außenbereich

Normenketten:
BayBO Art. 76
BauGB § 35
VwZVG Art. 19, Art. 29
Leitsätze:
1. Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 Alt. 1 BauGB) werden beeinträchtigt, wenn die Leistungsfähigkeit eines Schutzgebiets u.a. durch die Versiegelung und Errichtung von Gebäuden beeinträchtigt wird, der Lebensraum heimischer Tierarten u.a. durch die Errichtung von Gebäuden beseitigt bzw. durch eine Nutzungsänderung der Störungsdruck auf angrenzende Bereiche erhöht und die Vielfalt und Eigenart des typischen Landschaftsbereichs durch die Bebauung zerstört bzw. ins Gegenteil verkehrt wird. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. In der Regel entspricht es pflichtgemäßem Ermessen, gegen nicht bestandsgeschützte materiell rechtswidrige Baulichkeiten einzuschreiten, ohne dass es einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Denn dem Baurecht ist grundsätzlich Geltung zu verschaffen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klage gegen zwangsgeldbewehrte Beseitigungsanordnung, Bauliche Anlagen ohne Genehmigung im Außenbereich und Naturpark errichtet, Verstoß gegen Bauplanungsrecht (Flächennutzungsplan, natürliche Eigenart, Landschaft und Erholungswert, Entstehung/Verfestigung, Splittersiedlung, Verstoß gegen Naturparkverordnung, keine Befreiungslage), Ermessen (kein Vertrauenstatbestand, keine Änderung der Sach- und Rechtslage, keine Verwirkung), Zwangsgeldandrohung (einheitliches Zwangsgeld bei Beseitigung von mehreren Anlagen zulässig bei Zusammengehörigkeit und besonderen öffentlichem Interesse an vollständiger Beseitigung)
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 17.08.2022 – 15 ZB 22.1402
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22243

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine zwangsgeldbewehrte Beseitigungsanordnung hinsichtlich einer Halle und Nebengebäuden.
2
Bei einer Baukontrolle am 13. Oktober 2005 stellte das Landratsamt Tirschenreuth fest, dass auf dem Grundstück Fl.-Nr. 249 der Gemarkung T* … eine Halle (Grundfläche 17,75 m x 7,59 m) und Nebengebäude errichtet wurden. Die Halle dient als Unterstellraum für forstwirtschaftliche Geräte (Traktoren, Anhänger, Forstseilwinde), die vier Nebengebäude auf dem Grundstück werden in Form von zwei Holzlegen, einem Schuppen für Hasenställe und einer Voliere für Kleintierhaltung genutzt. Alle baulichen Anlagen liegen innerhalb der Schutzzone des Naturparks Steinwald.
3
Unter dem 24. November 2005 teilte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Tirschenreuth mit, dass Angaben zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht vorlägen. Der Kläger habe dem Amt auf schriftliche Anfrage hin mitgeteilt, dass er keine Land- oder Forstwirtschaft zu Erwerbszwecken betreibe.
4
Die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamts Tirschenreuth versagte mit Stellungnahme vom 4. Januar 2006 die naturschutzfachliche und -rechtliche Zustimmung zu den Gebäuden und forderte deren Beseitigung, da sich der Standort der baulichen Anlagen im Außenbereich und innerhalb des Geltungsbereichs der Schutzzone des Naturparks Fichtelgebirge befinde. Es sei ein Verstoß gegen Verbotsbestimmungen gegeben, da durch umfangreiche Rodung von Waldflächen, Abgrabungen, Errichtung von Gebäuden und die Schaffung einer ständigen Zufahrt zum benachbarten Wohnanwesen die Leistungsfähigkeit des Schutzgebietes dauerhaft beeinträchtigt sei. Außerdem seien der Waldbestand widerrechtlich beseitigt statt geschützt, der Lebensraum von heimischen Tierarten beeinträchtigt und die Vielfalt und Eigenart des typischen Landschaftsbereichs zerstört worden.
5
Mit Schreiben des Landratsamts Tirschenreuth vom 24. Januar 2006 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die von ihm errichteten Gebäude nicht genehmigungsfähig seien. Die baulichen Anlagen seien nicht privilegiert und würden als solche mehrere der in § 35 Abs. 3 BauGB aufgeführten Belange beeinträchtigen. Außerdem liege ein Verstoß gegen Verbotsbestimmungen der Naturparkverordnung vor. Der Kläger wurde zugleich mit dem Schreiben vom 24. Januar und danach mit weiteren Schreiben vom 16. Februar, 13. April und 8. Mai 2006 aufgefordert, eine Erklärung über die Beseitigung der von ihm errichteten Gebäude abzugeben. Für den Fall, dass er eine solche nicht abgeben sollte, wurde der Erlass einer förmlichen Beseitigungsanordnung angedroht.
6
Unter dem 26. April 2006 wies der Kläger das Landratsamt auf eine eventuelle Verpachtung der Gebäude an den Landwirt W* … hin.
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Das Landratsamt Tirschenreuth erließ mit Datum vom 13. September 2006 gegenüber dem Kläger folgenden Bescheid:
I. Sie werden verpflichtet, die auf dem oben genannten Grundstück errichtete Halle mit Nebengebäuden bis spätestens zwei Monate nach Unanfechtbarkeit dieses Bescheids vollständig zu beseitigen.
II. Sollte die Verpflichtung in Ziffer I. nicht erfüllt werden, so wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,- € zur Zahlung fällig.“
8
Zudem wurde Herr W* … verpflichtet, die Anordnung nach Ziffer I. des Bescheides zu dulden.
9
Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen an, dass das nicht privilegierte Vorhaben gegen die Schutzbestimmungen der Naturparkverordnung Fichtelgebirge verstoße und eine Befreiung nicht erteilt werden könne. Damit würden zugleich die Belange des in § 35 Abs. 3 BauGB genannten Naturschutzes und der Landschaftspflege beeinträchtigt, so dass auch eine nachträgliche Genehmigung nicht erteilt werden könne. Die Belassung der Anlagen führe zu einem eindeutigen Bezugsfall. Die Beseitigung sei auch angemessen, da weder die Herstellung rechtmäßiger Zustände durch Erteilung einer nachträglichen Baugenehmigung noch eine Duldung möglich sei. Die Beseitigung habe daher nach pflichtgemäßer Ermessensausübung angeordnet werden können. Die Zwangsgeldandrohung stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
10
Hiergegen legte der Kläger unter dem 4. Oktober 2006 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen.
11
Mit Bauantrag vom 19. Mai 2006 beantragte Herr W* … die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzung der durch den Kläger errichteten baulichen Anlagen. Hierzu teilte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Tirschenreuth unter dem 26. Juni 2006 mit, dass Herr W* … zwar einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb im Sinne des § 35 BauGB führe, die durch den Kläger errichtete Halle mit Nebengebäuden dessen Betrieb jedoch nicht diene. Der Bauzustand der Hofstelle sei ausreichend und die Gebäudeausstattung angemessen. Unbefriedigend sei die Ausstattung mit Unterstellmöglichkeiten für Maschinen und Geräte, da diese auf mehrere Stellplätze verteilt seien und häufig umgesetzt werden müssten. Ein vernünftiger Landwirt würde das Bauvorhaben nicht mit etwa gleichem Verwendungszweck und etwa gleicher Ausgestaltung und Ausstattung für den entsprechenden Betrieb errichten. Es seien bessere Standorte vorhanden als die über 1 km von der Hofstelle entfernt gelegenen Gebäude, die zudem nicht zentral zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen lägen und nur über eine relativ steile und im Winter nur eingeschränkt nutzbare Zufahrt erreichbar seien. Außerdem habe Herr W* … an bzw. neben der Hofstelle die Möglichkeit, ein entsprechendes Gebäude zu errichten. Die Stellungnahme gelte nicht für das als Holzlege bezeichnete Gebäude, da dieses für den forst- und landwirtschaftlichen Betrieb des Herrn W* … eine dienende Funktion haben könnte.
12
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 wurde der Bauantrag von Herrn W* … abgelehnt, weil das Vorhaben als sonstiges Vorhaben zu beurteilen sei und öffentliche Belange beeinträchtige sowie gegen Verbotsbestimmungen der Verordnung über den Naturpark Steinwald verstoße. Hiergegen legte Herr W* … unter dem 14. November 2006 Widerspruch ein.
13
Die Widersprüche des Klägers und des Herrn W* … wurden am 30. April 2007 der Regierung der Oberpfalz zur Entscheidung vorgelegt.
14
Unter dem 9. Mai 2007 reichte der Kläger eine Petition beim Bayerischen Landtag ein, die mit Schreiben des Landtagsamtes vom 23. Juni 2008 für erledigt erklärt wurde. Es folgte eine Petition des Herrn W* … unter dem 25. Juli 2008, die laut Schreiben des Landtagsamtes vom 3. April 2019 ebenso für erledigt erklärt wurde. Im Rahmen des Petitionsverfahrens nahm das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Tirschenreuth unter dem 14. September 2007 dahingehend Stellung, dass beim derzeitigen Waldbestand des Herrn W* … (1,8 ha) die Holzlege nicht zwingend betriebsnotwendig sei. In einer Stellungnahme des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 2. Juli 2013 wurde zu einem von Herrn W* … in Auftrag gegebenen Gutachten, wonach die Baulichkeiten auf dem streitgegenständlichen Grundstück (auch) dessen forstwirtschaftlichen Betrieb von inzwischen 6,34 ha Wald dienen, u.a. ausgeführt, dass ein vernünftiger Landwirt die Errichtung von Gebäuden in Waldnähe auf einer Pachtfläche bei einer Entfernung der Hofstelle von 1,4 km und dortigen eigenen Flächen nicht vornehmen würde.
15
Am 12. Februar 2020 stellte das Landratsamt Tirschenreuth im Zuge einer Ortsbesichtigung fest, dass die errichteten baulichen Anlagen unverändert vorhanden sind.
16
Mit Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz vom 16. März 2020 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Bauvorhaben im Außenbereich liege und keine Privilegierung gegeben sei. Der Versuch, über den Bauantrag des Pächters, den Baubestand zu legalisieren, sei gescheitert. Denn dessen Bauantrag sei mit Bescheid des Landratsamts vom 17. Oktober 2006 abgelehnt und der dagegen erhobene Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2020 zurückgewiesen worden. Durch die Gebäude würden massiv Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beeinträchtigt. Für eine Befreiung nach der Naturparkverordnung fehlten die tatbestandlichen Voraussetzungen, weil die Zulassung baulicher Anlagen dieser Art den Charakter des Naturparks verändern würde. Ferner lasse die Zulassung des Vorhabens auch die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten. Der Gefahr einer städtebaulichen Fehlentwicklung sei an exponierter schützenswerter Stelle gerade wegen der Bezugsfallwirkung entgegenzutreten.
17
Am 19. April 2020 hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten gegen den vorgenannten Bescheid des Landratsamts und den Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erhoben. Die Lagerhalle sei vom Kläger im Jahr 1993 errichtet worden. Zuvor habe der Kläger beim damaligen ersten Bürgermeister nachgefragt, ob der beabsichtigten Errichtung der Halle Gründe entgegenstünden, was verneint worden sei. Zur Bewirtschaftung der ca. 4,5 ha großen Waldfläche benötige der Kläger entsprechende Gerätschaften. Die Lagerhalle diene der Unterstellung dieser Gerätschaften. Die Holzlege sei 1991, der Schuppen mit Hasenställen und die Voliere 1990, die Lagerhalle 1993 und die weitere Holzlege im Jahr 2004 errichtet worden. Das unmittelbar südlich an das Grundstück Fl.-Nr. 249 der Gemarkung T* … angrenzende Grundstück Fl.-Nr. 250/3 sei mit einem Wohnhaus bebaut, das der Kläger als Zweitwohnsitz nutze. Die Baulichkeiten auf dem Grundstück Fl.-Nr. 249 der Gemarkung T* … würden nach wie vor vom Kläger für die Bewirtschaftung seines Waldes benötigt. Entgegen der Auffassung des Beklagten könnten die baulichen Anlagen nachträglich legalisiert werden. Die Lagerhalle mit ihren Nebengebäuden sei als sonstiges Vorhaben im Außenbereich bauplanungsrechtlich zulässig. Öffentliche Belange würden nicht beeinträchtigt, nachdem die Lagerhalle vor 27 Jahren errichtet worden sei. Die weiteren Baulichkeiten seien weitgehend nicht von bauplanungsrechtlicher Relevanz und seien ebenfalls schon, bis auf die zweite Holzlege, vor knapp 30 Jahren aufgestellt worden. Die Baulichkeiten seien zwischenzeitlich fester Bestand des unbewaldeten Teils auf der südlichen Seite des Grundstücks geworden. Die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege seien nicht in einer Weise beeinträchtigt, die die Ablehnung des Vorhabens rechtfertigen könnten. Die negative Bezugsfallwirkung sei bis heute nicht eingetreten. Die seit 30 Jahren bestehenden Baulichkeiten würden mittlerweile das Landschaftsbild prägen. Im Übrigen sei die Beseitigungsanordnung aus heutiger Sicht ermessensfehlerhaft. Es komme auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an. Zwischen der Beseitigungsanordnung von 2006 und heute liege ein Zeitraum von 14 Jahren. Selbst wenn man die Auffassung vertrete, dass für die Ermessensüberprüfung die letzte Behördenentscheidung maßgeblich sein solle, müsste die Bauaufsichtsbehörde zumindest gefordert sein, die Beseitigungsanordnung während eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unter Kontrolle zu halten. Die Grundlagen der Ermessensausübung im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids seien schon aufgrund des langen Zeitablaufs nicht mehr mit den aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Kriterien vergleichbar. Für die gebotene gerichtliche Überprüfung des Ausübungsermessens spreche auch die Tatsache, dass die von der Bauaufsichtsbehörde beanstandeten baulichen Anlagen über sehr lange Zeit hinweg bestünden, ohne dass der Beklagte Veranlassung zur Beschleunigung des Verfahrens gesehen habe. In derartigen Fällen müsse dies als Indiz dafür gewertet werden, dass das Gewicht der durch die Rechtswidrigkeit des Objekts bedingten Ordnungsstörung nicht allzu hoch sein könne. Die von der Bauaufsichtsbehörde beanstandeten Baulichkeiten bestünden seit rund 30 Jahren. Umso mehr müsse sich nun die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer (erneuten) Ermessensausübung damit auseinandersetzen, aus welchen Gründen sie nunmehr doch noch an der Beseitigungsanordnung festhalte.
18
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Landratsamts Tirschenreuth vom 13. September 2006 und den Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz vom 16. März 2020 aufzuheben.
19
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
20
Ergänzend zur Begründung in den angefochtenen Bescheiden wird vorgetragen: Das Vorhaben widerspreche neben den schon erwähnten Belangen auch dem Flächennutzungsplan der Gemeinde Pullenreuth, der eine Waldfläche vorsehe. Zudem beeinträchtige es die natürliche Eigenart der Landschaft. Wenn der Kläger darauf abstelle, dass die Gebäude schon sehr lange stünden und daher Teil der Natur geworden seien, könne er damit nicht durchdringen. Bauaufsichtliche Eingriffsbefugnisse könnten nicht verwirkt werden. Ferner hätten der Kläger und sein angeblicher Pächter alles nur Mögliche getan, um die Angelegenheit zu verschleppen. Der Kläger habe gar nicht oder verspätet auf behördliche Schreiben reagiert, eine Fristverlängerung von neun Monaten oder eine Duldung bis zum Ableben seines Vaters beantragt, Bürgermeister und Landrat eingeschaltet, um immer wieder Zeit zu gewinnen, einen Widerspruch eingelegt, ohne diesen zu begründen, und neben Herrn W* … Petitionen eingereicht. Solange eine Petition am Laufen sei, sei die Verwaltung nach den Vorgaben des Landtagsamtes strikt gehalten, keine Entscheidungen zulasten des Petenten zu treffen. Erfahre die Bauaufsichtsbehörde erst im Jahr 2005 von einem illegal ohne Genehmigung errichteten Vorhaben, das nach Aussage des Eigentümers 1993 errichtet worden sei, dann könne das nicht zulasten der Behörde gehen. Vielmehr müsse sich der Bauherr fragen lassen, warum er einen Schwarzbau errichtet habe. Auch die Ausführungen zum Zeitpunkt der relevanten Sach- und Rechtslage vermögen nicht zu überzeugen. Das vom Kläger angegebene „unter Kontrolle halten“ greife nur bei einer relevanten Änderung der Sach- und Rechtslage. Von einer solchen Änderung könne nicht ausgegangen werden. Im Übrigen würde die Ermessensentscheidung heute wie damals gleich ausfallen. Es entspreche in der Regel pflichtgemäßem Ermessen, formell und materiell illegale bauliche Anlagen zu beseitigen.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegten Behördenakten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
23
Der Bescheid des Landratsamts Tirschenreuth vom 13. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz vom 16. März 2020 (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24
1. Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung betreffend Halle und Nebengebäude ist Art. 76 Satz 1 BayBO, der zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 16. März 2020) Anwendung findet. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können, die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden.
25
Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung bestehen keine Bedenken, insbesondere handelte das Landratsamt Tirschenreuth als die nach Art. 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Hs. 1 BayBO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LkrO zuständige Behörde und es erfolgte vor Bescheidserlass unter dem 24. Januar, 16. Februar, 13. April und 8. Mai 2006 eine ordnungsgemäße Anhörung des Klägers i.S.v. Art. 28 BayVwVfG.
26
Die Beseitigungsanordnung erweist sich auch als materiell rechtmäßig.
27
Die streitgegenständliche Halle und die vier Nebenanlagen (zwei Gebäude für die Nutzung als Holzlegen, ein Gebäude für Hasenställe und eine Kleintiervoliere) wurden im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, weshalb der Tatbestand der Befugnisnorm erfüllt ist.
28
Unstreitig und unzweifelhaft befinden sich die genannten Anlagen im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gemäß § 35 BauGB. Sie sind auch städtebaulich relevante Vorhaben i.S.v. § 29 BauGB, da sie angesichts ihrer Außenbereichslage und Lage im Naturpark Steinwald die Belange des Umweltschutzes bzw. des Naturschutzes und der Landschaftspflege in § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB tangieren, zumal sie auch in einer nicht völlig unerheblichen Größe errichtet wurden.
29
Der Kläger kann sich nicht auf eine Privilegierung der streitgegenständlichen Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB berufen. Denn diese dienen nicht einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb. Dass der Kläger selbst einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb führt, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Anlagen einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb des Herrn W* … dienen. Dessen die Halle und Nebengebäude betreffender Bauantrag wurde nämlich vom Landratsamt Tirschenreuth mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 abgelehnt und der hiergegen erhobene Widerspruch von der Regierung der Oberpfalz mit Bescheid vom 16. März 2020 zurückgewiesen, ohne dass hiergegen Klage erhoben wurde. Damit ist der Bauantrag bestandskräftig abgelehnt, weshalb schon aus diesen Gründen eine privilegierte Nutzung durch Herrn W* … weder zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid) noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Raum steht. Im Übrigen haben die Fachbehörden der Land- und Forstwirtschaftsverwaltung in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass die streitgegenständlichen Anlagen nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des Herrn W* … dienen, da diese über einen Kilometer von der Hofstelle entfernt sind, nicht zentral zu den landwirtschaftlichen Flächen gelegen sind, die Zufahrt im Winter nur eingeschränkt möglich ist und die Situierung im Wald eine landwirtschaftliche Nutzung erheblich erschwert, weshalb ein vernünftiger Landwirt, der das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs beachtet, die Anlagen an dieser Stelle nicht errichten würde. Eine Privilegierung unter dem Blickwinkel der Forstwirtschaft kommt nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen der Land- und Forstwirtschaftsverwaltung schon deswegen nicht in Betracht, weil Herr W* … mit einer eigenen Waldfläche von nur 1,8 ha keinen eigenständigen forstwirtschaftlichen Betrieb führt (die weiteren Waldflächen im Eigentum des Klägers sind nicht an Herrn W* … verpachtet, sondern werden von diesem nur bewirtschaftet). Ein lediglicher Annex der Forstwirtschaft zum landwirtschaftlichen Betrieb vermag keine Privilegierung bei der Errichtung von forstwirtschaftlichen Anlagen zu vermitteln. Ungeachtet dessen haben die Forstwirtschaftsbehörden in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass ein vernünftiger Forstwirt die streitgegenständlichen Anlagen nicht an Ort und Stelle errichten würde, zum einen weil es bei der Verwirklichung auf Pachtflächen an der dauerhaften Zuordnung fehle, zum anderen weil die Entfernung zur Hofstelle nur gering ist und eine dortige Bebauung möglich ist. Daran ändert auch nichts der Einwand der Klägerseite, Herr W* … müsse über das streitgegenständliche Grundstück fahren, um zu den Waldflächen zu gelangen, weshalb eine Ortsnähe gegeben sei, zumal die Forstarbeiten nach der Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nur an relativ wenigen Tagen im Jahr erfolgen, ein Hin- und Rücktransport von Gerätschaften bzw. Holz somit auch zumutbar ist.
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Nach alledem stellen die streitgegenständlichen Anlagen ein sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB dar. Dieses sonstige Vorhaben beeinträchtigt öffentliche Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 BauGB, was zu dessen Unzulässigkeit und auf Tatbestandsebene zu einem Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Normen nach Art. 76 Satz 1 BayBO führt.
31
Das Vorhaben in Gestalt einer Halle und vier Nebengebäuden widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Denn er sieht eine Waldfläche vor und keine nicht privilegierte Nutzung als Halle für Gerätschaften bzw. Gebäude für Holzlagerungen, Hasenställe und Voliere für Kleintiere. Durch die Rodungen und die dadurch entstandene Lichtung hat die Darstellung des Flächennutzungsplans auch nicht seine Funktion verloren, nachdem bei Beseitigung der streitgegenständlichen Anlagen wieder das Entstehen einer Waldfläche möglich ist.
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Die nicht privilegierten Anlagen führen auch zu einer Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 BauGB), da diese mit der naturgegebenen (Waldfläche) bzw. bestimmungsgemäßen Nutzung (Forstwirtschaft) nicht vereinbar sind.
33
Mit den streitgegenständlichen Anlagen ist ferner die Entstehung bzw., wenn man die südöstliche Bebauung dazurechnet, die Erweiterung einer Splittersiedlung zu befürchten (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB).
34
Schließlich beeinträchtigen die zu beseitigenden Baulichkeiten die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 BauGB). Die baulichen Anlagen liegen in der Schutzzone des Naturparks Steinwald. Gemäß § 6 der Verordnung sind dort alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem in § 4 Nr. 3 der Verordnung genannten besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen, insbesondere alle Handlungen, die geeignet sind, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, das Landschaftsbild, den Naturgenuss oder den Zugang zur freien Natur zu beeinträchtigen. Die Untere Naturschutzbehörde hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Leistungsfähigkeit des Schutzgebiets u.a. durch die Versiegelung und Errichtung der streitgegenständlichen Gebäuden beeinträchtigt wird, der Lebensraum heimischer Tierarten u.a. durch die Errichtung der Gebäude beseitigt bzw. durch die Nutzungsänderung der Störungsdruck auf angrenzende Bereiche erhöht und die Vielfalt und Eigenart des typischen Landschaftsbereich (Naabrangen) durch die Bebauung zerstört bzw. ins Gegenteil verkehrt wurden. Dem hat der Kläger nichts Substantiiertes entgegengesetzt. Die Ausnahmetatbestände von den Verboten der Verordnung (vgl. § 8 der Verordnung) sind zweifelsfrei nicht einschlägig. Aufgrund der negativen Auswirkungen i.S.v. § 6 der Verordnung scheidet eine Erlaubnis der genehmigungspflichtigen Anlagen (vgl. § 7 Abs. Nr. 1 der Verordnung) nach § 7 Abs. 3 der Verordnung aus. Für eine Befreiung gemäß § 9 der Verordnung i.V.m. Art. 49 BayNatSchG a.F. bzw. § 67 BNatSchG fehlt es ganz offensichtlich an einem überwiegenden öffentlichen Interesse bzw. an überwiegenden Gründe des Wohls der Allgemeinheit; für eine unzumutbare Belastung des Klägers bestehen ebenso wenig Anhaltspunkte. Der Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 BauGB würde im Übrigen auch dann zur Unzulässigkeit der Bebauung führen, wenn sie - wie nicht - als privilegiert anzusehen wäre, da insoweit der Naturschutz Vorrang hat.
35
Aufgrund der dargestellten Unzulässigkeit der zu beseitigenden Anlagen können auch nicht anderweitig rechtmäßige Zustände hergestellt werden (Art. 76 Satz 1 letzter Halbsatz BayBO).
36
Gegen die Ermessensausübung bestehen keine Bedenken. In der Regel entspricht es pflichtgemäßem Ermessen, gegen nicht bestandsgeschützte materiell rechtswidrige Baulichkeiten einzuschreiten, ohne dass es einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Denn dem Baurecht ist grundsätzlich Geltung zu verschaffen, erst Recht, wenn Anlagen in besonders schutzwürdigen Bereichen wie im Naturpark illegal errichtet werden. Ausnahmen davon sind ebenso wenig ersichtlich wie mildere und gleichsam effektive Mittel als die Beseitigung der Schwarzbauten. Die Bauaufsichtsbehörde hat auch kein Vertrauen beim Kläger in den Fortbestand der streitgegenständlichen Anlagen gesetzt. Relativ zeitnah (September 2006) wurde nach Bekanntwerden der ungenehmigten Bebauung (Oktober 2005) die Beseitigungsanordnung erlassen. Auch im Zuge des Widerspruchsverfahren wurden keine Anhaltspunkte für ein Vertrauen auf den Fortbestand der Bebauung gesetzt. Die lange Dauer bis zur Entscheidung war vielmehr dem Abwarten bis zur Erledigung der vom Kläger bzw. Herrn W* … initiierten Petitionen zum Bayerischen Landtag geschuldet. Im Übrigen kommt eine Verwirkung nur von Rechten, nicht aber von bauaufsichtlichen Verpflichtungen in Betracht. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage seit Errichtung der Anlagen, des Erlasses des Ausgangs- und Widerspruchsbescheids und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist nicht erkennbar. Damals wie jetzt stellt sich die Bebauung als rechtswidrig dar. Die Gründe, bauaufsichtlich einzuschreiten, sind die gleichen. Dem Baurecht ist weiterhin Geltung zu verschaffen.
37
Der Kläger konnte jedenfalls als Eigentümer und damit als Zustandsstörer in Anspruch genommen werden (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 LStVG), so dass es keiner Erörterung bedarf, ob er auch Handlungsstörer ist.
38
Demzufolge ist gegen die Beseitigungsanordnung in Ziffer 1 des angegriffenen Bescheid nichts zu erinnern.
39
2. Gleiches gilt für die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids.
40
Die allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen liegt vor, indem die Vollstreckung der Beseitigungsanordnung auf deren Bestandskraft abstellt (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG).
41
Ebenso sind die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben. Das Zwangsgeld stellt ein Zwangsmittel i.S.v. Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 VwZVG dar, das an eine Handlungspflicht gemäß Art. 29 Abs. 1 VwZVG anknüpft. Die Zwangsgeldhöhe bewegt sich mit 2.000 € innerhalb des Rahmens von Art. 31 Abs. 2 VwZVG und es ist nicht ersichtlich, dass damit das wirtschaftliche Interesse an der vorzunehmenden Handlung überschritten wird. Gegen die festgesetzte Frist von zwei Monaten nach Unanfechtbarkeit der Beseitigungsanordnung (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) bestehen keine Bedenken. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese Zeitspanne für die Pflichterfüllung nicht ausreicht. Die Zwangsgeldandrohung stellt sich auch als hinreichend bestimmt dar. Es wird durch die Formulierung im Bescheidstenor deutlich, dass nur bei vollständiger Erfüllung der Verpflichtung in Ziffer 1 des Bescheids, also bei Beseitigung aller baulichen Anlagen, das Zwangsgeld von 2.000 € abgewendet werden kann. Nachdem die errichteten baulichen Anlagen auf dem Grundstück Fl.-Nr. 249 der Gemarkung T* … als zusammengehörig anzusehen sind und in ihrer Gesamtheit die Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB im Besonderen berühren, musste das Landratsamt auch nicht zwischen den einzelnen Gebäudlichkeiten differenzieren und abgestuft nach den Gebäuden einzelne Zwangsgelder anordnen. Dies widerspricht auch nicht dem Verhältnismäßigkeitsgebot, zumal die Zwangsgeldhöhe ohnehin im unteren Bereich liegt und an der Gesamtbeseitigung ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Ob der Pachtvertrag mit Herrn V* … zu einem Vollstreckungshindernis führt, bedarf keiner näheren Würdigung, da ihm gegenüber unter Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids die Duldung der Beseitigung angeordnet wurde.
42
3. Ziffer III und IV des Bescheids des Landratsamts Tirschenreuth vom 13. September 2006 beziehen sich auf Herrn W* … und enthalten keine belastende Regelungswirkung für den Kläger, weshalb dessen Klage, sollte sie auch als Angriff gegen diese Ziffern auszulegen sein, jedenfalls mangels möglicher Rechtsverletzung (§ 42 Abs. 2 VwGO) insoweit unzulässig wäre.
43
Die Klage war damit insgesamt abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils im Kostenpunkt auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.