Inhalt

VGH München, Beschluss v. 19.08.2022 – 15 ZB 22.1400
Titel:

Nachbarklage gegen Neubau einer Praxis für Physiotherapie

Normenketten:
GG Art. 103 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 4, § 6, § 13
VwVfG Art. 37
VwGO § 86 Abs. 1, Abs. 2, § 101 Abs. 2, § 108 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
Leitsätze:
1. Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Die weitreichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Ermittlung und Bestimmung der Reichweite der näheren Umgebung sowie ihrer Prägung iSv § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB kann das erkennende Gericht grundsätzlich auch auf Lagepläne und Luftbilder abstellen. Lichtbilder und Lagepläne sind im Rahmen von § 86 Abs. 1 VwGO unbedenklich verwertbar, wenn sie die Örtlichkeiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird ein Beweisantrag bereits vor dem Verzicht auf mündliche Verhandlung oder gleichzeitig mit diesem gestellt, begibt sich der Beweisantragsteller der Möglichkeit zur Geltendmachung des Anspruchs auf Vorabentscheidung, sodass es eines gesonderten (ablehnenden) Beschlusses über einen Beweisantrag vor der Sachentscheidung nicht bedarf. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung (abgelehnt), Gebietserhaltungsanspruch, Bestimmtheit der Baugenehmigung, Abgrenzung faktisches allgemeines Wohngebiet, faktisches Mischgebiet / Gemengelage anhand von Luftbildern und sonstigen Aktenunterlagen, unterbliebene gerichtliche Inaugenscheinnahme trotz Beweisantrags im schriftlichen Verfahren
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 10.03.2022 – RO 2 K 21.1656
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22240

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich als Eigentümer der mit einem Wohnhaus bebauten FlNr. …10 der Gemarkung W. … gegen eine dem Beigeladenen mit Bescheiden des Landratsamts R. vom 28. Juli 2021 (Ausgangsbescheid) und 26. Oktober 2021 (Tekturbescheid) erteilte Baugenehmigung für den Neubau einer Praxis für Physiotherapie und (zuletzt) drei Wohneinheiten auf dem westlich angrenzenden Baugrundstück (FlNr. …2). Die genannten Innenbereichsgrundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
2
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die vom Kläger erhobene und als Anfechtungsklage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 28. Juli 2021 und den Änderungsbescheid vom 26. Oktober 2021 ausgelegte Klage im schriftlichen Verfahren (§ 101 Abs. 2 VwGO) mit Urteil vom 10. März 2022 mit der Begründung abgewiesen, eine Verletzung innerhalb des Prüfprogramms des Art. 59 BayBO liegender subjektiver Rechte des Klägers liege nicht vor. Die streitgegenständliche Baugenehmigung sei nicht in nachbarschutzrelevanter Weise unbestimmt. Eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs sei nicht erkennbar. Es könne dabei offenbleiben, ob das Baugrundstück und das Wohngrundstück des Klägers in einer sog. Gemengelage situierten, was einen Gebietserhaltungsanspruch von vornherein ausschlösse. Jedenfalls sei weder von einem faktischen allgemeinen Wohngebiet noch von einem faktischen Plangebiet nach §§ 2 - 3 BauNVO auszugehen. Unterstelle man einen nicht wesentlich störenden Charakter der umliegenden gewerblichen Nutzungen, läge allenfalls ein faktisches Mischgebiet vor. Bei Annahme eines faktischen Mischgebiets sei gem. § 13 BauNVO auch ein von der freiberuflichen Nutzung (Physiotherapiepraxis) geprägtes Gebäude bauplanungsrechtlich zulässig. Auf die Frage, ob es sich bei einer Physiotherapiepraxis um eine Anlage für gesundheitliche Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO handele, komme es folglich nicht an. Ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Weder verursache das streitgegenständlichen Vorhaben unzumutbare Immissionen noch gehe von ihm für das Klägeranwesen eine erdrückende Wirkung aus. Die Anforderungen des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts seien eingehalten.
3
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Der Beklagte und der Beigeladene verteidigen die angegriffene erstinstanzliche Entscheidung; der Beklagte hält den Antrag auf Zulassung der Berufung zudem wegen Verfristung für unzulässig. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
4
Der Zulassungsantrag ist fristgemäß gestellt und begründet worden, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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1. Entgegen der Angabe auf dem Zuleitungsschreiben des Verwaltungsgerichts vom 7. Juni 2022 an den Verwaltungsgerichtshof (auf das die Einlassung des Beklagten zur Frage der Zulässigkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung Bezug nimmt) ist das vorliegend angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. März 2022 laut Empfangsbekenntnis dem Bevollmächtigten des Klägers per EGVP tatsächlich erst am 22. April 2022 zugestellt worden (Bl. 157 der VG-Akte RO 2 K 21.1656). Nach einem Empfangsbekenntnis vom 14. April 2022 (Bl. 155 der VG-Akte) ist dem Bevollmächtigten des Klägers an diesem Tag per EGVP nur ein Zuleitungsschreiben des Verwaltungsgerichts (Bl. 145 der VG-Akte) zugegangen. Bei Zustellung des Urteils am 22. April 2022 erfolgten die Antragstellung (laut elektronischem Eingangsnachweis am 20. Mai 2022) innerhalb der Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO sowie die Antragsbegründung (laut elektronischem Eingangsnachweis am 22. Juni 2022) innerhalb der Zweimonatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO und damit jeweils rechtzeitig.
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2. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt, liegen aber nicht vor bzw. sind nicht in einer Weise dargelegt worden, die den gesetzlichen Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO genügt.
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a) Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
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Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen nur dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BayVGH, B.v. 27.8.2019 - 15 ZB 19.428 - juris Rn. 10 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen auf Basis des Vortrags des Klägers im Berufungszulassungsverfahren nicht vor.
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aa) Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, wonach ein Gebietserhaltungsanspruch verneint wird, ist nach Maßgabe der gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ausschlaggebenden Antragsbegründung nicht ernstlich zweifelhaft. Das gilt insbesondere, soweit der Kläger die Einordnung des Baugrundstücks und seiner näheren Umgebung als Gemengelage oder faktisches Mischgebiet als falsch rügt.
10
Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Der Anspruch ist eine Folge davon, dass Baugebietsfestsetzungen kraft Gesetzes dem Schutz aller Eigentümer der in dem Gebiet gelegenen Grundstücke dienen. Die weitreichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) hat jeder Eigentümer - unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung - das Recht, sich gegen eine schleichende Umwandlung des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen. Aus der Gleichstellung geplanter und faktischer Baugebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung durch § 34 Abs. 2 BauGB ergibt sich, dass in diesem Umfang auch ein identischer Nachbarschutz schon vom Bundesgesetzgeber festgelegt worden ist (BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 11 ff.; BayVGH, B.v. 24.2.2020 - 15 ZB 19.1505 - juris Rn. 6 m.w.N).
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Der die nähere Umgebung i.S. von § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB bildende Bereich reicht so weit, wie sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung kann sich aufgrund künstlicher oder natürlicher Trennlinien (Straßen, Schienenstränge, Gewässerläufe, Geländekanten etc.) ergeben oder kann je nach den Einzelumständen - ggf. auch ohne solche natürlichen oder künstlichen Trennlinien - dort zu ziehen sein, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit klar voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen. Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann. Bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung der Art der baulichen Nutzung bzw. der Ermittlung des Gebietscharakters kann der maßgebliche prägende Umgebungsbereich weiter zu ziehen sei als etwa bei der eher kleinräumig ausgerichteten Beurteilung des Nutzungsmaßes oder der überbaubaren Grundstücksfläche. Entscheidend ist, wie weit die wechselseitigen Auswirkungen im Verhältnis von Vorhaben und Umgebung im jeweiligen Einzelfall reichen (zum Ganzen mit zahlreichen weiteren Nachweisen: BayVGH, U.v. 26.10.2021 - 15 B 19.2130 - juris Rn. 45; U.v. 27.9.2021 - 15 B 20.828 - juris Rn. 29 sowie im Anschluss hierzu BVerwG, B.v. 4.1.2022 - 4 B 35.21 - juris Rn. 6).
12
Nach der vom Kläger nicht infrage gestellten Darstellung im Tatbestand der angegriffenen Entscheidung befindet sich nördlich des Baugrundstücks und des Klägergrundstücks - jenseits einer hier verlaufenden Stichstraße - ein Kino und südlich beider Grundstücke ein Heizkraftwerk und eine Schreinerei. Das Verwaltungsgericht hat u.a. unter Heranziehung vorliegender Luftbilder die Einstufung des Gebiets als faktisches allgemeines Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 4 BauNVO) abgelehnt und stattdessen - ohne sich diesbezüglich letztlich festzulegen - ein faktisches Mischgebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 6 BauNVO) oder eine Gemengelage angenommen (UA S. 10 f.). Hierbei hat es entscheidungstragend darauf abgestellt, dass bereits das südlich des Baugrundstücks gelegene gewerbliche Heizkraftwerk, die südöstlich gelegene Schreinerei sowie das nordöstlich gelegene Kino der vom Kläger vorgebrachten Annahme eines (faktischen) allgemeinen Wohngebiets entgegenstünden. Hierbei handele es sich um prägende, wohngebietsunverträgliche Nutzungen. Die genannten Anlagen lägen in der für die bauplanungsrechtliche Beurteilung nach § 34 BauGB maßgeblichen näheren Umgebung des Baugrundstücks. Sie befänden sich nach den vorliegenden Luftbildern (Bayern-Atlas) in einem Umkreis von weniger als 50 m um das geplante Gebäude. Aufgrund des quantitativen Erscheinungsbilds sei von einer prägenden Wirkung auf das Baugrundstück auszugehen. Trennende Elemente, die dem entgegenstünden, seien nicht ersichtlich. Zwischen dem Baugrundstück und dem schräg gegenüberliegenden Kino befinde sich nur eine Stichstraße, der angesichts der auf den Luftbildern erkennbaren Gleichartigkeit der Bebauung auf beiden Straßenseiten keine trennende Wirkung zukomme. Eine trennende Wirkung komme auch nicht einem südlich des Baugrundstücks verlaufenden Bach sowie den Bepflanzungen auf der Südgrenze der daran angrenzenden Grundstücke zu. Der schmale, auf den Luftbildern nicht erkennbare Bachlauf sowie die nicht geschlossenen Baumreihen zwischen der Wohnbebauung im Norden und den gewerblichen Anlagen im Süden stelle den Gesamteindruck einer prägenden Einwirkung auf die nördlich angrenzenden Grundstücke (einschließlich des Baugrundstücks) nicht infrage. Die Anlagen erschienen auch nicht als Fremdkörper, die nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst näheren, im Wesentlichen homogenen Bebauung herausfielen. Zwar schließe sich an das Baugrundstück in südöstliche Richtung offenbar Wohnbebauung an. Schon vor dem Hintergrund des quantitativen Erscheinungsbilds der genannten Anlagen fehle es aber am Gesamteindruck einer alleinigen Gebietsprägung durch diese Wohnbebauung. Die Schreinerei sei aufgrund der typischerweise gegebenen Betriebsabläufe als störender Handwerks- bzw. Gewerbebetrieb zu qualifizieren, der in einem allgemeinen Wohngebiet weder allgemein nach § 4 Abs. 2 BauNVO noch ausnahmsweise nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig sei. Aufgrund der typischerweise von einem gewerblichen Heizkraftwerk ausgehenden Emissionen liege auch insoweit ein störender und damit in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässiger Gewerbebetrieb vor. Ein Kino sei als Vergnügungsstätte i.S.v. § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu qualifizieren. Diese seien in allgemeinen Wohngebieten nach § 4 BauNVO nicht allgemein zulässig und könnten auch nicht ausnahmsweise als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden. Die von Teilen der Literatur befürwortete Qualifikation eines Kinos als wohngebietsverträgliche Anlage für kulturelle Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO scheitere daran, dass es sich nicht um eine Gemeinbedarfsanlage handele, auf die die Anwendung des § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO beschränkt sei. Aufgrund dieser gewerblichen Nutzungen im unmittelbaren Umfeld des Vorhabens und den Erkenntnissen aus den Akten sowie den vorliegenden Luftbildern (Bayern-Atlas) sei es ausgeschlossen, dass hier ein allgemeines Wohngebiet i.S.v. § 4 BauNVO vorliege. Auf die Frage, ob die (westlich des Baugrundstücks in Nord-Süd-Richtung verlaufende) D. … straße trennende Wirkung hat, komme es daher nicht mehr an. Einer Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten habe es vor diesem Hintergrund nicht bedurft.
13
Dem ist die Antragsbegründung nicht substantiiert entgegengetreten. Der Kläger begrenzt sich im Berufungszulassungsverfahren im Wesentlichen auf die knappe und pauschale Gegenbehauptung, dass die nähere Umgebung des Bauvorhabens und des Klägergrundstücks als allgemeines Wohngebiet einzustufen sei, weil im Rahmen einer unterbliebenen Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit durch das Gericht „deutlich geworden“ wäre, „dass die in der Nähe liegenden gewerblichen Nutzungen (Heizkraftwerk, Schreinerei, Kino) keineswegs prägend im Verhältnis zu Baugrundstück und Klägeranwesen“ seien. Diesen fehlten als „nichtwohnmäßig genutzten Fremdkörper-Vorhaben“ eine „Beziehungswirkung zu Bau- und Klägeranwesen“.
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Für die Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB ist grundsätzlich alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was tatsächlich vorhanden ist und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tritt. Außer Acht gelassen werden muss dabei allerdings, was die Bebauung nicht prägt, weil es nach Maßgabe einer Einzelfallbetrachtung ausnahmsweise nicht die Kraft hat, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, oder in ihr aufgrund ihrer Singularität als Fremdkörper erscheint (BVerwG, U.v. 15.2.1990 - 4 C 23.86 - BVerwGE 84, 322 = juris Rn. 13 ff.; U.v. 6.6.2019 - 4 C 10.18 - NVwZ 2019, 1456 = juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 27.9.2021 - 15 B 20.828 - juris Rn. 37 m.w.N.). Warum es sich bei den genannten gewerblichen Nutzungen im unmittelbarem Umfeld des Bau- und des Klägergrundstücks - wie der Kläger meint - um Fremdkörper ohne gebietsprägende Wirkung handele, wird in der Antragsbegründung aber nicht weiter ausgeführt.
15
Ebenso wenig wird mit Blick auf die Kritik des Klägers, eine gebotene gerichtliche Inaugenscheinnahme des Baugrundstücks und seiner Umgebung sei unterblieben, in der Antragsbegründung herausgearbeitet, warum das Gericht den Sachverhalt insbesondere in Bezug auf die räumliche Abgrenzung der näheren Umgebung i.S. von § 34 Abs. 1, 2 BauGB und ihrer Prägung nicht anhand der einschlägigen Luft- / Lichtbilder erforschen und beurteilen konnte. Zur Ermittlung und Bestimmung der Reichweite der näheren Umgebung sowie ihrer Prägung i.S. von § 34 Abs. 1, 2 BauGB kann das erkennende Gericht grundsätzlich auch auf Lagepläne und Luftbilder abstellen. Lichtbilder und Lagepläne sind im Rahmen von § 86 Abs. 1 VwGO unbedenklich verwertbar, wenn sie die Örtlichkeiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. Ist dies der Fall, so bedarf es auch unter dem Gesichtspunkt des Untersuchungsgrundsatzes [vgl. auch unten d) ] keiner Durchführung einer Ortsbesichtigung (vgl. BVerwG, U.v. 4.6.1996 - 4 C 15.95 - NVwZ-RR 1997, 271 = juris Rn. 30; B.v. 3.12.2008 - 4 BN 26.08 - ZfBR 2009, 277 = juris Rn. 3; B.v. 13.5.2014 - 4 B 38.13 - NVwZ 2014, 1246 = juris Rn. 13; vgl. auch BayVGH, B.v. 7.2.2020 - 15 CS 19.2013 - juris Rn. 30, 36 ff.; U.v. 26.10.2021 - 15 B 19.2130 - juris Rn. 45). Der Kläger führt im Zulassungsverfahren nicht näher aus, dass und warum die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Luft- / Lichtbilder in Bezug auf bestimmte, für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.2008 a.a.O.).
16
Die Antragsbegründung geht damit nicht konkret auf die insofern vom Verwaltungsgericht für die Gebietsprägung relevanten Detailerwägungen ein, um diese im Einzelnen zu entkräften. Die nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO geforderte Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Erstgerichts erfordert aber - was hier gerade nicht geschehen ist - eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss konkret dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und / oder Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat. Eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret bei der Berufung auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist eine substantiierte - und auch in sich schlüssige - Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen. Mit bloßer Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der schlichten Darstellung der eigenen Rechtsauffassung (BayVGH, B.v. 15.10.2019 - 15 ZB 19.1221 - juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 1.2.2021 - 15 ZB 20.747 - juris Rn. 32).
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bb) Soweit vom Kläger in der Antragsbegründung bestritten wird, „dass die mutmaßlichen gewerblichen Nutzungen tatsächlich alle so“ stattfänden, wird in der Sache lediglich pauschal „ins Blaue hinein“ vorgebracht, es sei denkbar, dass die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten gewerblichen Nutzungen im und mittelbaren Umfeld des Bau- und des Klägergrundstücks so tatsächlich womöglich nicht bestünden. Für einen hinreichend substantiierten, den Anforderungen des Darlegungsgebots (s.o.) genügenden Vortrag ist aber zumindest zu fordern, dass die von der Annahme des Erstgerichts abweichenden tatsächlichen Nutzungen konkret benannt werden. Dies wurde in der Antragsbegründung unterlassen.
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cc) Die Einwendung des Klägers, das Verwaltungsgericht habe eine trennende Wirkung der (westlich des Bau- und Klägergrundstücks verlaufenden) D. … straße verkannt, geht ins Leere. Im Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 10. März 2022 wird zwar ausgeführt, dass sich westlich des Baugrundstücks und getrennt durch die D. … straße gewerbliche Nutzungen sowie ein Supermarkt befänden. In den Entscheidungsgründen stützt das Gericht seine Rechtsansicht, dass das Baugrundstück und das unmittelbar benachbarte Klägergrundstück nicht in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet, sondern in einer Gemengelage oder einem faktischen Mischgebiet liegen, ausschließlich auf die umliegenden Nutzungen östlich der D. … straße und hebt dabei ausdrücklich hervor, dass es auf die Frage, ob die D. … straße trennende Wirkung hat, nicht ankommt (UA S. 10).
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dd) Soweit in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils nach Ablehnung eines faktischen Wohngebiets (s.o.) alternativ auf eine Gemengelage oder ein faktisches Mischgebiet abgestellt wird, bringt die Antragsbegründung keine weiteren Gegenargumente vor, die insofern ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung begründen könnten. Dass die ausgeübte Tätigkeit als Physiotherapeut einen freien Beruf darstellt, dessen Zulässigkeit sich in einem durch Bebauungsplan ausgewiesenen oder in einem gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit §§ 2 ff. BauNVO faktischen Baugebiet nach § 13 BauGB richtet, wird in der Antragsbegründung eingeräumt. Insofern ist die Subsumtion des Verwaltungsgerichts, wonach die Ausübung der Tätigkeit eines Physiotherapeuten im Fall der Annahme eines faktischen Mischgebiets gem. § 34 Abs. 2 i.V. mit § 6, § 13 BauNVO nicht nur in einzelnen Räumen, sondern auch in einem ganzen Gebäude bauplanungsrechtlich zulässig ist, folgerichtig. Bei alternativer Annahme einer Gemengelage ist - wie vom Verwaltungsgericht richtig herausgestellt wurde - ein Gebietserhaltungsanspruch von vornherein ausgeschlossen; Nachbarschutz begrenzt sich dann auf das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme (BayVGH, B.v. 22.1.2020 - 15 ZB 18.2547 - juris Rn. 7 m.w.N.; eine Einordnung des Gebiets als „faktisches urbanes Gebiet“ und damit eine Anwendung von § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 6a BauNVO als Maßstab der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Nutzungsart scheiden wegen § 245c Abs. 3 BauGB aus, vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2020 - 15 CS 19.2013 - juris Rn. 42 m.w.N.; U.v. 27.9.2021 - 15 B 20.828 - juris Rn. 33). Gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass das Rücksichtnahmegebot durch die angegriffene Baugenehmigung nicht verletzt wird, wendet sich der Kläger im Zulassungsverfahren nicht.
20
ee) Mit dem weiteren Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht einen Verstoß der Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot und damit gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG verneint, vermag der Kläger ebenfalls keine Fehlerhaftigkeit des Urteils vom 10. März 2022 dazulegen. Eine Baugenehmigung kann zwar Rechte eines Nachbarn verletzen, wenn sie unter Verstoß gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Fragen unbestimmt ist (hierzu jeweils m.w.N.: BayVGH, B.v. 30.7.2019 - 15 CS 19.1227 - juris Rn. 16; B.v. 14.9.2021 - 15 ZB 21.463 - juris Rn. 14; B.v. 6.12.2021 - 15 ZB 21.2360 - juris Rn. 9). Das Verwaltungsgericht führt aber auf den bereits erstinstanzlich bzw. im Rahmen eines Eilverfahrens erhobenen klägerischen Einwand hin in den Entscheidungsgründen näher aus, dass und warum die streitgegenständliche Baugenehmigung nach seiner rechtlichen Bewertung keinen Bestimmtheitsmangel erkennen lässt (UA S. 8 f.). Dem setzt die Antragsbegründung nichts Substantielles entgegen. Es bleibt bei einer unkonkreten Behauptung, das erstinstanzliche Gericht meine „zu Unrecht, dass eine Physiotherapiepraxisnutzung nicht genauer im Umfang und in der Dimension zu beschreiben wäre“. Was hier genau zu konkretisieren sei und warum das Unterlassen einer Nutzungskonkretisierung Nachbarrelevanz haben könnte, wird aber nicht näher erläutert.
21
b) Eine Zulassung der Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO scheidet ebenfalls aus. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache nur dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 - 15 ZB 16.673 - juris Rn. 42 m.w.N.; B.v. 14.9.2021 - 15 ZB 21.463 - juris 33; B.v. 14.4.2022 - 15 ZB 21.2827 - juris Rn. 19). Aus den voranstehenden Ausführungen zu a) ergibt sich hingegen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt bzw. nicht substantiiert dargelegt sind.
22
c) Die Berufung ist mangels Darlegung der diesbezüglichen Voraussetzungen ferner nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Der Kläger formuliert keine konkrete Frage, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, und legt demgemäß auch nicht dar, warum eine solche Frage für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 - 5 B 1.19 D - juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 25.3.2022 - 15 ZB 22.268 - juris Rn. 12 m.w.N.).
23
d) Schließlich greift die Verfahrensrüge des Klägers nicht durch. Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei einem schriftsätzlich gestellten Beweisantrag des Klägers nicht nachgekommen, wird kein Verfahrensfehler gem. § 124 Abs. 2 Nr. 5 wegen Verletzung des § 86 VwGO und / oder des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) begründet.
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aa) Sollte die diesbezügliche Einwendung implizit die Rüge umfassen, das Verwaltungsgericht habe nicht gesondert vorab (also vor der Sachentscheidung durch Urteil) über einen Beweisantrag entschieden, vermag dies eine Berufungszulassung wegen eines Verfahrensfehlers nicht zu begründen.
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Das Verwaltungsgericht war rechtlich nicht verpflichtet, gemäß § 86 Abs. 2 VwGO über einen schriftsätzlich gestellten Beweisantrag des Klägers auf gerichtliche Inaugenscheinnahme des Baugrundstücks und seiner Umgebung vor Erlass des Urteils durch Beschluss zu entscheiden. Nach dieser Vorschrift kann ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag nur durch einen Gerichtsbeschluss, der zu begründen ist, abgelehnt werden. Das Erstgericht hat allerdings vorliegend mit Einverständnis der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden. Zwar muss grundsätzlich auch im schriftlichen Verfahren über Beweisanträge vorab und so rechtzeitig entschieden werden, dass die Beteiligten sich im Falle einer Ablehnung auf die neue Verfahrenslage einstellen und ggf. neue Beweisanträge stellen können. Diese auf dem Rechtsgedanken des § 86 Abs. 2 VwGO sowie auf dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruhende Obliegenheit betrifft jedoch nur den Fall, dass bereits v o r der Stellung eines Beweisantrags auf mündliche Verhandlung verzichtet wurde. Anders verhält es sich, wenn der Beweisantrag bereits vor dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt war oder gleichzeitig mit diesem gestellt wird. In diesem Fall begibt sich der Beweisantragsteller der Möglichkeit zur Geltendmachung des Anspruchs auf Vorabentscheidung, sodass es dann eines gesonderten (ablehnenden) Beschlusses über einen Beweisantrag vor der Sachentscheidung mithin nicht bedarf (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 29.3.1979 - 7 B 27.78 - JZ 1979, 469 = juris Rn. 11; U.v. 30.5.1989 - 1 C 57.87 - NVwZ 1989, 1078 = juris Rn. 12; B.v. 6.9.2011 - 9 B 48.11 u.a. - NVwZ 2012, 376 = juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 4.11.2005 - 7 ZB 05.1999 - BayVBl 2006, 446 = juris Rn. 10 f.; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 60; Dawin/Panzer in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Februar 2022, § 86 VwGO Rn. 128). Vorliegend hat der Kläger in demselben Schriftsatz vom 21. Dezember 2021, mit dem er sein Einverständnis mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts ohne mündliche Verhandlung erklärte (§ 101 Abs. 2 VwGO), seine Rechtsansicht zur Gebietseinordnung und Gebietsprägung unter Beweisantragstellung („Beweis: richterlicher Augenschein im Rahmen eines Ortstermins“) vortragen lassen. Anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger mit weiterem Schriftsatz vom 10. Februar 2022 erneut den vom Beklagten angenommenen Gebietscharakter angezweifelt und hierzu einen „Augenscheinsbeweis angeboten“ hat. Der Senat kann offenlassen, ob hierin überhaupt ein echter Beweisantrag zu sehen ist, weil der Kläger auch in diesem Schriftsatz erneut ausdrücklich seinen Verzicht auf eine mündliche Verhandlung und sein Einverständnis mit einer gerichtlichen Entscheidung im schriftlichen Verfahren mitgeteilt hat und sich damit nach den voranstehenden Erwägungen jedenfalls erneut durch den Verzicht auf mündliche Verhandlung seines Rechts auf Vorabentscheidung nach § 86 Abs. 2 VwGO begeben hat.
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bb) Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung verlangt in derartigen Fällen der Entbehrlichkeit einer förmlichen Vorabentscheidung über einen Beweisantrag allerdings, dass aus den Entscheidungsgründen des Urteils ersichtlich sein muss, dass das Gericht die Ausführungen des Beteiligten zur Kenntnis genommen und seine Beweisanträge vorher auf ihre Rechtserheblichkeit geprüft hat (vgl. BVerwG, B.v. 10.4.1992 - 9 B 142.91 - NVwZ 1992, 890 = juris Rn. 3; B.v. 4.10.1993 - 6 B 35.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 319 = juris Rn. 7; B.v. 24.11.1994 - 8 B 176.94 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 12 = juris Rn. 3; B.v. 19.4.1999 - 8 B 150.98 - NVwZ-RR 1999, 537 = juris Rn. 5; OVG Berlin-Bbg, B.v. 27.5.2013 - OVG 2 N 90.10 - juris Rn. 3). Ob sich die eher knapp formulierte Verfahrensrüge des Klägers nach Maßgabe des Darlegungsgebots (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) überhaupt auf diese Frage erstreckt, kann dahingestellt bleiben, weil das Erstgericht die diesbezüglichen Anforderungen erfüllt resp. die Erheblichkeit einer Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme tatsächlich erwogen und sich damit in den Entscheidungsgründen auseinandergesetzt hat. Es hat im Urteil im Einzelnen darlegt, warum - auch ohne eine „Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten“ (UA S. 11) - allein aufgrund der „nicht bestrittenen gewerblichen Nutzungen im unmittelbaren Umfeld des Vorhabens und den Erkenntnissen aus den Akten sowie den vorliegenden Liftbildern (BayernAtlas)“ ein faktisches allgemeines Wohngebet ausscheide und entweder eine Gemengelage oder ein faktisches Mischgebiet anzunehmen sei.
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cc) Das Verwaltungsgericht hat auch die allgemeine Pflicht zur ordnungsgemäßen Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dadurch verletzt, dass es entgegen der schriftsätzlichen Anregung des Klägers keinen Beweis durch Inaugenscheinnahme des Baugrundstücks und seiner Umgebung zur Beurteilung der Umgebungsprägung erhoben hat. Um sich ein Bild davon zu verschaffen, wie weit die nähere Umgebung reicht, welche baulichen Anlagen und Nutzungen dort genau prägen und welche Konsequenzen sich hieraus für die Anwendung des § 34 Abs. 1 und / oder Abs. 2 i.V. mit §§ 2 ff. BauNVO ergeben, konnte das Verwaltungsgericht grundsätzlich unter Verzicht auf eine Inaugenscheinnahme auf vorhandenes Lichtbild- und Kartenmaterial zurückgreifen, ohne gegen § 86 Abs. 1 VwGO zu verstoßen [vgl. oben 2. a) aa) sowie die dort zitierte Rechtsprechung]. Es ist in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils (UA S. 10 f.) mit ausgiebiger Begründung davon ausgegangen, dass die verwerteten Licht- / Luftbilder im Zusammenschau mit sonstigen Erkenntnissen aus den Akten hinsichtlich der für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmale in Anwendung von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB hinreichend aussagekräftig sind. Die Antragsbegründung zeigt demgegenüber nicht substantiiert und konkret auf, inwiefern dem Erstgericht die Verwertung dieser Unterlagen verwehrt gewesen sein könnte bzw. warum der Sachverhalt in Bezug auf die Umgebungsprägung i.S. von § 34 Abs. 1 und / oder Abs. 2 BauGB nicht hinreichend anhand der einschlägigen Licht- und Luftbilder habe erforscht und beurteilt werden können.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da der Beigeladene im Zulassungsverfahren einen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).