Titel:
Antrag auf Änderung eines Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7, § 80a Abs. 3, § 123
BauGB § 1 Abs. 3, Abs. 7, § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 2, § 10 Abs. 3, § 13 Abs. 2 Nr. 2, § 214 Abs. 1
BayBO Art. 75 Abs. 1
BayGO Art. 26 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Nachbar hat weder einen Anspruch auf Durchführung eines behördlichen Verfahrens noch einen generellen Anspruch auf Einhaltung des richtigen Verwaltungsverfahrens. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu der Frage, ob der mit der Auslegung verfolgte Hinweiszweck durch eine falsche Datumsangabe im Entwurf eines Bebauungsplans in Frage gestellt wird (verneint). (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zu der Frage, ob die Grenzen der unzulässigen Gefälligkeitsplanung überschritten sind (verneint). (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Nachbarn des Planänderungsbereiches besitzen regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die Festsetzungen des Plans nicht ohne Berücksichtigung ihrer Belange geändert werden. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
5. Bei Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften stellt die Verschattung eines Grundstücks regelmäßig keinen abwägungserheblichen Belang dar. Eine Verschattungsstudie kann aber möglicherweise dann erforderlich sein, wenn ein bestehender Bebauungsplan geändert werden soll, dessen Festsetzungen subjektive Rechte begründen. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Änderung einer einstweiligen Anordnung, Baurechtlicher Nachbarschutz, Änderung eines Bebauungsplan, Genehmigungsfreistellungsverfahren, öffentliche Auslegung, Anstoßwirkung, Gefälligkeitsplanung, Abwägungsgebot, Verschattung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 09.08.2022 – 15 CS 22.1364
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22208
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beigeladenen zu 2) und 3) gesamtschuldnerisch die Hälfte sowie die Beigeladene zu 1) die Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Beigeladenen zu 2) und 3) begehren die Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Juni 2020 (Az. RN 6 E 20.636).
2
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flur-Nr. …/70, Gemarkung … Das Grundstück der Antragstellerin Flur-Nr. …/70, das südlich daran angrenzende Grundstück Flur-Nr. …/72 (im Folgenden: Baugrundstück) sowie das Grundstück Flur-Nr. …/73, jeweils Gemarkung …, sind hängig und fallen sowohl von Süd nach Nord als auch von West nach Ost ab und grenzen im Westen an die Straße „D.“ an. Die Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „…“ der Beigeladenen zu 1), welcher in Form seiner 1. Änderung vom 16. Januar 2016 für das Grundstück der Antragstellerin als Bezugspunkt für die talseitigen und bergseitigen Wandhöhen (WH) jeweils die Höhe des nächstgelegenen öffentlichen Fahrbandrandes in Verlängerung der privaten Garagenzufahrt gemessen in Zufahrtsmitte bzw. Garagenzufahrtsachse festlegt. Der Bebauungsplan sieht für das Grundstück der Antragstellerin sowohl Carports als auch eine Tiefgarage mit einer festgelegten Zufahrt vor. Das Grundstück wurde durch die Antragstellerin mit einem Mehrfamilienhaus, einer Tiefgarage und Carports bebaut. Für das Baugrundstück legte der Bebauungsplan in Form seiner 1. Änderung folgende Festsetzungen fest: Einzelhaus mit max. zwei Wohneinheiten, zwei Vollgeschossen und einem an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin angeordneten Baufenster für eine Garage, WH an der Bergseite 6,20 m, WH an der Talseite 7,70 m und als untere Bezugspunkte jeweils die Höhe des nächstgelegenen öffentlichen Fahrbandrandes in Verlängerung der privaten Garagenzufahrt gemessen in Zufahrtsmitte bzw. Garagenzufahrtsachse, bergseitig -0,20 m und talseitig -1,70 m. In der Begründung des Bebauungsplans ist ausgeführt, der Wechsel der Firstrichtung und der Versatz bei benachbarten Gebäuden solle sicherstellen, dass auch für die tiefer gelegenen Gebäude gut nutzbare Freiräume entstünden.
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Mit der 2. Änderung des Bebauungsplans vom 16. Dezember 2019, öffentlich bekannt gemacht am 20. Januar 2020, wurden die Festsetzungen für das Baugrundstück (Parzelle 60) sowie das Grundstück Flur-Nr. …/73 (Parzelle 59) geändert. Mit Formblättern vom 3. Februar 2020 reichten die Beigeladenen zu 2) und 3) Bauvorlagen für das Vorhaben „Neubau zweier Mehrfamilienhäuser“ bei der Beigeladenen zu 1) zur Durchführung eines Genehmigungsfreistellungsverfahrens ein. Mit Schriftsatz vom 2. März 2020 beantragte die Antragstellerin bauaufsichtliches Einschreiten durch das Landratsamt Landshut, welches dieses mit Schreiben vom 9. März 2020 ablehnte.
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Am 20. April 2020 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage erhoben (Az. RN 6 K 22.111 (alt: RN 6 K 20.637)), über die noch nicht entschieden ist, und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht (Az. RN 6 E 20.636). Die Antragstellerin begehrt im Klageverfahren vom Antragsgegner bauaufsichtliches Einschreiten gegen das von einer Baugenehmigung freigestellte Bauvorhaben der Beigeladenen zu 2) und 3) auf dem Baugrundstück und dem Grundstück Flur-Nr. …/73. Mit Beschluss vom 18. Juni 2020, Az. RN 6 E 20.636, verpflichtete das Verwaltungsgericht Regensburg den Antragsgegner, die Bauarbeiten auf dem Baugrundstück durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Baueinstellungsverfügung vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache einzustellen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend das Bauvorhaben auf dem Grundstück Flur-Nr. …/73 wurde abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde der Beigeladenen zu 2) und 3) wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. September 2020 zurück (Az. 15 CE 20.1631). Auf die Beschlüsse, Az. RN 6 E 20.636 und 15 CE 20.1631, wird verwiesen. Mit Bescheid vom 25. Juni 2020 hat der Antragsgegner eine Baueinstellungsverfügung erlassen. Über die gegen den Bescheid am 27. Juli 2020 zum Verwaltungsgericht Regensburg erhobene Klage der Beigeladenen zu 2) und 3) ist noch nicht entschieden (Az. RN 6 K 20.1298). Mit rechtskräftigem Urteil vom 1. März 2021 erklärte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die 2. Änderung des Bebauungsplans „…“ (Deckblatt Nr. 2) der Beigeladenen zu 1) vom 16. Dezember 2019, ortsüblich bekannt gemacht am 20. Januar 2020, für unwirksam (Az. 15 N 20.2127). Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
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Die 2. Änderung des Bebauungsplans vom 20. Dezember 2021 wurde am 30. Dezember 2021 öffentlich bekannt gemacht. Die Änderung des Bebauungsplans tritt rückwirkend zum 20. Januar 2020 in Kraft. Bei der Aufstellung der Änderungssatzung wurde in der Bekanntmachung der Auslegung angegeben, dass der Entwurf in der Fassung vom 27. April 2021 ausgelegt werde. Tatsächlich hat es sich jedoch um den Entwurf in der Fassung vom 5. Juli 2021 gehandelt. Die in der Sitzung des Gemeinderats vom 20. Dezember 2021 beschlossene „redaktionelle Änderung“ der Begründung der 2. Änderung des Bebauungsplans wurde nicht umgesetzt. Auf die in der Sitzung beschlossene Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) an die Bevollmächtigte der Antragstellerin wird verwiesen.
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Mit diesem 2. Deckblatt änderte die Beigeladene zu 1) die Festsetzungen des Bebauungsplans für das Baugrundstück (Parzelle 60) dahingehend, dass ein größeres Baufenster unter Wegfall des Baufensters für die Garage festgesetzt wurde und sieben Stellplätze zwischen dem Baufenster und der Straße vorgesehen sind. Als Dachform wird ein Satteldach festgelegt. Es wurde eine größere Dachneigung zugelassen und die WH Bergseite 465,00 m ü. NHN, WH Talseite 466,15 m ü. NHN und Firsthöhe 469,90 m ü. NHN festgesetzt (Referenzhöhe für NHN-Höhen OK Kanaldeckel 457,401 m ü. NHN). Die Geltung der Abstandsregelungen gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO wurde angeordnet (ausgenommen abweichende Bauweise zwischen den Parzellen 59 und 60). Weiterhin sind drei Vollgeschosse mit fünf Wohneinheiten zulässig. Zur Begründung wird ausgeführt, dass durch das Deckblatt 2 die Gemeinde eine Nachverdichtung verfolge. Im überplanten Bereich der Parzellen 59 und 60 solle die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit jeweils maximal fünf Wohneinheiten an Stelle von zwei Einzelhäusern mit maximal zwei Wohneinheiten ermöglicht werden.
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Am 19. Januar 2022 haben die Beigeladenen zu 2) und 3) um Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Juni 2020, Az. RN 6 E 20.636, nachgesucht.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen: Der Antrag sei zulässig, da § 80 Abs. 7 VwGO auf Entscheidungen nach § 123 VwGO zumindest analog anzuwenden sei. Die Antragstellerin habe auch kein Bedürfnis an einer Baueinstellung mehr. Sie habe weder einen neuerlichen Normenkontrollantrag gestellt, noch habe sie aus eigenem Antrieb das Klageverfahren in der Hauptsache wiederaufgenommen. Der Sachverhalt habe sich zwischenzeitlich wesentlich geändert, sodass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Juni 2020 aufzuheben sei. Das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 2) und 3) habe sich selbst nicht verändert. Es entspreche nach Heilung des Bebauungsplanes nunmehr den Festsetzungen des gegenständlichen Bebauungsplanes und könne wie vorgesehen im Genehmigungsfreistellungsverfahren errichtet werden. Das Bauvorhaben verletze auch keine öffentlich-rechtlichen und nachbarschützenden Vorschriften. Folglich habe die Hauptsacheklage der Antragstellerin keine Aussicht auf Erfolg mehr. Damit seien auch der Anlass und jedenfalls ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Sicherung der Rechte weggefallen. Ein behördliches Vorverfahren zur Aufhebung der Baueinstellung sei entbehrlich, da dieses durch das Gericht zum Erlass der Baueinstellung verpflichtet worden sei. Die Antragsgegnerin habe auch bereits mündlich erklärt, vom Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg für die Dauer des Bestandes der Entscheidung nicht abzuweichen.
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Das Deckblatt 2 vom 20. Dezember 2021 sei wirksam. Die Heilung des vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gerügten Mangels der Unbestimmtheit der Festsetzung des Höhenbezugspunktes sei grundsätzlich im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens rückwirkend möglich gewesen. Die zulässige Gebäudehöhe sei nunmehr durch die Festsetzung einer maximalen Wandhöhe nach einer Höhenlinie NN festgesetzt worden. Die Bestimmung der zulässigen Gebäude- und Wandhöhe durch Festsetzung einer Höhenlinie NN sei hinreichend bestimmt.
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Es handle sich um keine Gefälligkeitsplanung. Die Änderung des Bebauungsplanes sei durch die Beigeladene zu 1) bereits 2018 mit dem evidenten und offenkundigen Ziel der Nachverdichtung beschlossen worden. Als die Änderung des Bebauungsplanes eingeleitet und letztlich am 16. Dezember 2019 beschlossen worden sei, sei die Beigeladene zu 1) noch selbst Eigentümerin der betroffenen Grundstücke gewesen. Der Beigeladene zu 2) habe das Grundstück erst im Jahr 2020 erworben. Das Grundstück hätte jedermann erwerben können. Die (jetzige) 1. Bürgermeisterin sei zu diesem Zeitpunkt noch in keiner Weise für die Beigeladene zu 1) tätig gewesen; auch nicht als Bürgermeisterin. Es könne im Weiteren dahinstehen, ob die Nachverdichtung für die Antragstellerin nachvollziehbar sei, es sei offenkundig der ausdrückliche Wille der Beigeladenen zu 1), an gegebener Stelle eine Nachverdichtung im Planungsgebiet zu ermöglichen. Bemerkenswert sei hierbei im Übrigen, dass der Gemeinderat in seiner Besetzung zwischen der Änderung des Bebauungsplans Deckblatt Nr. 2 und dem Verfahren zur Heilung des Deckblattes Nr. 2 anlässlich der im Mai 2020 stattgefundenen Kommunalwahlen umfassend neu besetzt worden sei. Dies zeuge von einem fundierten und nachhaltigen Willen der Beigeladenen zu 1) zur Nachverdichtung. Es liege weder eine der städtebaulichen Erforderlichkeit entgegenstehende Einzelfallentscheidung noch eine nicht hinzunehmende Intensivierung der Bebauungsmöglichkeit vor. Es werde nicht nur ein Grundstück überplant. Auch werde durch die Nachverdichtung die Errichtung von Mehrfamilienhäusern in einem Bereich ermöglicht, in welchem bereits mehrere Mehrfamilienhäuser errichtet worden seien. Das Überplanungsgebiet befinde sich zudem am Rande des Baugebietes, sodass nach Schließung der bei Überplanung noch bestehenden Baulücken der Straßenzug der Mehrfamilienhäuser dort zukünftig gut verträglich sei und einen stimmigen Abschluss des Baugebietes bilde. Die erfolgte Nachverdichtung lasse damit ein stimmiges Gesamtkonzept zur Nachverdichtung erkennen.
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Das Gebot der gerechten Abwägung sei nicht verletzt. Die Beigeladene zu 1) habe nunmehr eine sehr umfassende Abwägung auch der von der Antragstellerin vorgetragenen Aspekte vorgenommen. Ergebnis der Abwägung sei, dass die geplanten Festsetzungen zu Baufenster und Wandhöhe die Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Abstandsflächen gewährleisten würden. Das Interesse der Antragstellerin an einer Vermeidung weiterer Verschattung ihres Grundstückes müsse, so die Abwägung der Gemeinde, dem städtebaulichen Ziel der Nachverdichtung weichen. Die Beigeladende zu 1) habe zunächst darauf hingewiesen, dass dem von der Antragstellerin vorgelegten Beschattungsgutachten zu entnehmen sei, dass die Beschattung nicht in dem Umfang eintreten werde, wie schriftsätzlich behauptet, und zudem eine wesentliche Beschattung bereits durch die von der Antragstellerin gewählte massive Abgrabung des Hanges und den dann erforderlichen Stützmauern verursacht werde. Dies bedeute, dass die Beigeladene zu 1) auch berücksichtigt habe, dass Auswirkungen eines Schattenwurfes durch eine nachbarliche Bebauung maßgeblich durch die Entscheidung der Antragstellerin, ihren Baukörper durch massive Abgrabungen tief in den Hang zu setzen, vorbestimmt sei. Letztlich habe die Beigeladene zu 1) die privaten Belange dahingehend abgewogen, dass eine weitere Verschattung der nachbarlichen Bebauung auch und gerade unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften zum Abstandsflächenrecht verhältnismäßig sei. Bereits im Ausgangsverfahren sei die damals geltende Abstandsregelung von 0,5 H eingehalten worden, sodass das nun geltende Abstandsmaß von 0,4 H sicherlich eingehalten werde. Mit der Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächenregelungen sei dem Rücksichtnahmegebot genüge getan. Die Antragstellerin verkenne, dass hinsichtlich des Abstandsflächenrechts bereits der Gesetzgeber selbst eine Abwägung der nachbarlichen Interessen und privaten Belange vorgenommen habe. Weiter werde eine weitergehende Verschattung des Baukörpers der Antragstellerin durch das streitgegenständliche Bauvorhaben, insbesondere im Ausmaß der Betroffenheit, bestritten. Das vorgelegte Beschattungsgutachten sei widersprüchlich. So zeige die Ansicht Süd-Ost zum 21.03., dass eine Beschattung der Dachterrasse nicht gegeben sei, dagegen wolle der Grundriss eine Beschattung der Dachterrasse darstellen. Ausführungen, wie sich die vermeintliche Erhöhung der Beschattung im Jahresverlauf darstelle und ob hieraus eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung ableiten lasse, würden vollständig fehlen.
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Soweit die Antragstellerin sich allgemein auf den privaten Belang des Vertrauens auf das Fortbestehen des Bebauungsplanes berufe, sei weder ausgeführt, dass ein solches Vertrauen begründet, das im Vertrauen hierauf eine bestimmte Handlung vorgenommen worden sei und dass nunmehr eine Verletzung des Vertrauens vorliege, wodurch Nachteile entstehen würden.
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Das Bauvorhaben halte die Festsetzungen des Bebauungsplans ein. Soweit sich die Antragstellerin auf eine Verletzung des Gebotes der Konfliktbewältigung berufe, bleibe offen, welcher Konflikt zwischen der geplanten Nutzung und der Umgebungsnutzung überhaupt bestehen solle. Der Widerwillen der Antragstellerin gegen die Errichtung von Mehrfamilienhäusern auf dem Nachbargrundstück sei jedenfalls kein vom Bebauungsplan zu lösender Konflikt. Das Rücksichtnahmegebot und der Gleichbehandlungsgrundsatz seien durch die Beigeladene zu 1) nicht verletzt. Da eine Verletzung von Nachbarrechten nicht mehr gegeben sei, sei die einstweilige Anordnung aufzuheben.
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Die Beigeladenen zu 2) und 3) lassen beantragen,
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg, Az. Rn 6 E 20.636 vom 18.06.2020 wird aufgehoben.
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Das Landratsamt Landshut beantragt für den Antragsgegner, den Antrag vom 19.01.2022 abzulehnen.
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Der Antrag sei nicht statthaft. Darüber hinaus sei das Vorhaben weiterhin formell illegal. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg und der bauaufsichtlichen Anordnung habe die Vorlage der Bauunterlagen im Freistellungsverfahren unter Bezug auf den Bebauungsplan „… - Deckblatt 1“ der Beigeladenen zu 1) vom 3. Februar 2020 zugrunde gelegen. Dieser Bebauungsplan sei vom Bayerischen Verwaltungsgerichthof für unwirksam erklärt worden. In der Folge könnten nunmehr die vorgelegten Bauunterlagen vom 3. Februar 2020 im Freistellungsverfahren keine Wirkung entfalten, die der Planfertiger nach Art. 58 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Art. 64 Abs. 4 Satz 1 BayBO in Bezug auf das Deckblatt 1 unterschrieben habe. Für die Weiterführung der Bauarbeiten, mit vorher notwendiger Entscheidung des Landratsamtes Landshut über den Fortbestand der bauaufsichtlichen Baueinstellung mangle es an einer bauaufsichtlichen Zulassung im Sinne des Art. 55 Abs. 1 BayBO in Bezug auf den Bebauungsplan Deckblatt 2. In dieser neuen Vorlage hätten der Antragsteller und sein Planfertiger die Verantwortung im Sinne des seit 1. Februar 2021 geltenden Art. 79 Abs. 2 Nr. 1 BayBO für die Übereinstimmung der aktuellen Planungs- bzw. Bauabsichten zu übernehmen.
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Die Antragstellerin lässt beantragen,
1. Der Antrag der Beigeladenen zu 2. und 3. nach § 80 Abs. 7 VwGO vom 19 .01.2022 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18.06.2020 im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO (Az. RN 6 E 20.636) bleibt aufrechterhalten.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO sei schon nicht zulässig. Eine Abänderungsmöglichkeit wegen veränderter Umstände für den vorläufigen Rechtsschutz scheide aus, da § 927 ZPO in § 123 Abs. 3 VwGO nicht genannt sei. Daher verbiete sich auch eine Abänderungsmöglichkeit in alleiniger Analogie zu § 80 Abs. 7 VwGO, auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen.
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Jedenfalls sei der Antrag unbegründet. Es würden keine veränderten Umstände in Form einer abweichenden Sach- und Rechtslage, die eine Aufhebung des Beschlusses rechtfertigen würden, vorliegen. Der Anordnungsgrund wegen Eilbedürftigkeit bestehe nach wie vor. Der Anordnungsanspruch sei ebenfalls noch gegeben. Das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 2) und 3) verstoße gegen öffentlich-rechtliche und nachbarschützende Vorschriften, da das Deckblatt Nr. 2 des Bebauungsplans „…“ in der Fassung vom 20. Dezember 2021 unwirksam sei. Im sogenannten Freistellungsverfahren reiche es aus, wenn der Ausgang des Hauptsachverfahrens zumindest offen sei. Das Ermessen der Behörde sei im Rahmen des Art. 75 Abs. 1 BayBO in Richtung auf ein Einschreiten „intendiert“, wenn die Verletzung etwaiger Nachbarrechte durch das Vorhaben nicht ausgeschlossen werden könnten.
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Das Deckblatt Nr. 2 vom 20. Dezember 2021 sei nichtig, da die Planungsbefugnis der Gemeinde mangels Erforderlichkeit fehle. Das Deckblatt 2 verstoße gegen das Verbot, die städtebauliche Entwicklung ausschließlich durch Einzelentscheidungen zu verwirklichen. Zwar könne eine Nachverdichtung im Rahmen einer Änderungsplanung grundsätzlich eine den Anforderungen des § 1 Abs. 3 BauGB entsprechende planerische Konzeption darstellen, die Intensivierung der Bebauung auf einem Grundstück bei gleichzeitigem Festhalten an den Regelungen für die übrigen Grundstücke lasse aber ein auf eine geordnete städtebauliche Entwicklung ausgerichtetes Gesamtkonzept nicht erkennen, mit der Folge, dass die städtebauliche Erforderlichkeit - wie hier - fehle. Die ursprüngliche Grundkonzeption des Bebauungsplans habe nördlich und südlich des streitgegenständlichen Grundstücks eine versetzte/abgestufte Anordnung unterschiedlicher Bebauungsmöglichkeiten nach verschiedenen Haustypen vorgesehen. Darüber hinaus sei eine reine Gefälligkeitsplanung zugunsten eines Eigentümers unzulässig. Der beigeladenen Gemeinde gehe es nicht um eine Nachverdichtung, sondern ausschließlich um die wirtschaftlichen Interessen der Familie …, zu der auch die 1. Bürgermeisterin der beigeladenen Gemeinde gehöre. Um diese wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, nehme die Beigeladene zu 1) keine Rücksicht auf die berechtigen Interessen der Antragstellerin, deren Nachbargrundstück im Hang viel tiefer liege als das streitgegenständliche Grundstück der Beigeladenen zu 2) und 3) und der aufgrund der beabsichtigten Vergrößerung des Bauvorhabens der Beigeladenen zu 2) und 3) eine erhebliche Verschattung ihres erst vor ein paar Jahren errichteten Gebäudes drohe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb nur vier Jahre nach Inkrafttreten der ursprünglichen Bebauungsplanung (2015) im Jahr 2019 schon eine Nachverdichtung erforderlich sein sollte. Es gelte als ausgeschlossen, dass die Beigeladene zu 1) für einen nicht so gut vernetzten Bürger die entsprechenden Änderungen vorgenommen hätte. Im Änderungsverfahren, das letztlich mit dem Deckblatt 2 in der Fassung vom 16. Dezember 2019 geendet habe, sei von einer Nachverdichtung nichts zu lesen. Erst nach dem Hinweis des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Urteil vom 1. März 2021 argumentiere die beigeladene Gemeinde mit dem allgemeinen Belang einer Nachverdichtung.
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Das Gebot der gerechten Abwägung sei verletzt, da das Ergebnis der Abwägung der Beigeladenen zu 1) von vornherein festgestanden habe. Die Gemeinde hätte zunächst einmal zur planerischen Abwägung bereit sein müssen, woran es fehle, wenn sie sich bereits durch Vorentscheidungen gebunden habe. Der Gemeinderat der Beigeladene zu 1) habe - in welcher Zusammensetzung auch immer - bereits in der Sitzung vom 17. Dezember 2018 der formlosen Bauvoranfrage des Beigeladenen zu 2) zum streitgegenständlichen Grundstück zugestimmt, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Bebauungsplan lediglich eine Bebauung mit einem Einzelhaus vorgesehen habe. Von einer freien Abwägungsentscheidung könne damit keine Rede sein.
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Auch fehle es an einer Alternativenprüfung. Die grundsätzliche Pflicht zu einer Alternativenprüfung bestehe auch bei der Aufstellung/Änderung eines Bebauungsplans. Sie könne nicht nur zu dem Planentwurf als solchen, sondern auch zu Einzelfestsetzungen veranlasst sein. Eine Alternativenprüfung habe die Beigeladene zu 1) weder dahingehend vorgenommen, ob die Nachverdichtung an anderer Stelle möglich sei noch unter dem Gesichtspunkt, ob eine Bebauung mit geringerer Verschattung der Nachbargebäude möglich wäre.
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Es fehle auch an einer ordnungsgemäßen Ermittlung des Abwägungsmaterials durch die beigeladene Gemeinde. Eine Abweichung vom bisherigen Plan könne sich gegenüber Eigentümern, die auf ihrem Grundstück gemäß dem in Kraft getretenen Plänen Bauten errichtet haben, nachteilig auswirken. Das Vertrauen eines Eigentümers auf das Weiterbestehen des Bebauungsplans sei daher als privater Belang in der Abwägung zu berücksichtigen. Aufgrund der Besonderheiten des Falles (u.a. extreme Hanglage und nachbarschützendes Abweichen der Gemeinde im ursprünglichen Bebauungsplans von den gesetzlichen Abstandsflächenregelungen) hätte eine Verschattungsstudie erstellt werden müssen. Die Gemeinde habe trotz Vorbringens entsprechender Einwendungen seitens der Antragstellerin im Rahmen der Aufstellung des 2. Deckblattes für die Einholung einer Verschattungsstudie keine Erforderlichkeit gesehen und mithin die Besonderheiten der Hanglage nicht berücksichtigt. Statt die Belange der Antragstellerin zu ermitteln, seien diese mit Hinweis auf eine angebliche Nachverdichtung abgetan worden. Nachdem die Beigeladene zu 1) nur wenige Jahre zuvor die gesetzlichen Abstandsflächen als nicht ausreichend angesehen habe, könne es nicht sein, dass die nachbarschützenden Normen im Rahmen der Änderung des Deckblatts 2 ohne Einholung einer Verschattungsstudie aufgehoben würden. Da die Gemeinde die Nachteile, die die Antragstellerin träfen, weder ermittelt noch berücksichtigt habe, sei von einem Abwägungsausfall auszugehen.
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Den Nachbarinteressen der Antragstellerin komme hier objektiv eine sehr starke Gewichtung zu. Die Festlegungen des ursprünglichen Bebauungsplans in der Fassung vom 27. August 2015 seien hinsichtlich Zahl der Wohneinheiten je Gebäude, Zahl der Vollgeschosse, Grundflächenzahl, Wandhöhen, Firsthöhen, Dachneigungen, abgestufte Anordnung der Gebäude, Abstandsflächen sowie überbaubare Grundstücksfläche aufgrund der Hanglage drittschützend. Die sich aus dem ursprünglichen Bebauungsplan ergebenden Abstandsflächen sollten nach Nr. 4 des Textteils Vorrang gegenüber denjenigen nach Art. 6 BayBO haben. Die Beigeladene zu 1) habe im ursprünglichen Bebauungsplan aufgrund der extremen Hanglage eine von den gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften abweichende Regelung erlassen, um sicher zu stellen, dass auch für die tiefer liegenden Gebäude gut nutzbare Freiräume entstehen würden. Die beigeladene Gemeinde habe damit nachbarschützende Abstandsflächenregelungen im Sinne von Art. 6 Abs. 5 Satz 3 BayBO a.F. getroffen. Insbesondere sei die abgestaffelte Anordnung der Gebäude im Hang das Grundkonzept des Bebauungsplans, was sowohl der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil zum Normenkontrollantrag als auch das Verwaltungsgericht Regensburg im Beschluss, der in diesem Verfahren abgeändert werden soll, bestätigt hätten. Der damalige Bebauungsplanersteller habe sich offensichtlich Gedanken darüber gemacht, wie aufgrund der extremen Hanglage Nachteile für die darunterliegenden Grundstücke insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Belichtung, die für den Grundstückseigentümer von entscheidender Bedeutung sei, vermieden würden. Nachdem es die Gemeinde also bei der Aufstellung des ursprünglichen Bebauungsplans aufgrund der extremen Hanglage als erforderlich angesehen habe, nachbarschützende Abstandsflächenregelungen zu treffen, wolle sie nun mit dem Deckblatt 2 vom 20. Dezember 2021 die Geltung der gesetzlichen Abstandsregelungen anordnen. Es solle nunmehr eine Abstandstiefe von 0,4 H ausreichend sein, wohingegen die Gemeinde bei Aufstellung des Bebauungsplans die damals geltende (größere) gesetzliche Abstandstiefe von 1 H bzw. 0,5 H als nicht nachbarschützend ausgeschlossen habe. Die beigeladene Gemeinde verkehre damit ihr eigenes Abwägungsergebnis bei Aufstellung des ursprünglichen Bebauungsplans ins Gegenteil und verhalte sich in höchstem Maße widersprüchlich und treuwidrig. In diesem Zusammenhang könne es nicht ausreichen, wenn die Gemeinde darauf verweise, dass das gesetzliche Abstandsflächenrecht die Schutzzwecke Belichtung, Belüftung, Besonnung und Sozialabstand wahre.
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Mit der erneuten Änderung des Deckblatts Nr. 2 vom 20. Dezember 2021 hat die Beigeladene zu 1) zwar den Mangel der Unbestimmtheit geheilt, aufgrund dieser Bestimmbarkeit stehe aber damit auch die erhebliche Verschlechterung für die Antragstellerin fest. Die Änderungen gemäß Deckblatt Nr. 2 vom 20. Dezember 2021 würden sich für die Antragstellerin in erheblichem Umfang nachteilig auswirken. Die Änderungen würden zu einer erheblichen Verschattung des Gebäudes und der Terrassen auf dem Grundstück der Antragstellerin führen. Aufgrund der sehr ausgeprägten Hanglage führe allein schon die Verschiebung und Verlängerung des Gebäudes auf der Parzelle 60 in östlicher Richtung zu einer erheblich größeren Verschattung des Gebäudes und der Terrassen. In den beigefügten Verschattungsplänen seien die unterschiedlichen Festlegungen mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Verschattung des Gebäudes und der Terrassen der Antragstellerin gegenübergestellt (vgl. Bl. 102 f. d. Gerichtsakte). Bei der Terrassenfläche im Erdgeschoss würde sich die Verschattung am 21.03. um 12 Uhr von ca. 23% auf 53% mehr als verdoppeln. Am 21.12. um 12 Uhr hätte das Gebäude gemäß dem ursprünglichen Bebauungsplan auf dem Baugrundstück das Gebäude der Antragstellerin überhaupt nicht verschattet. Das geplante Gebäude würde dagegen die Dachterrassenfläche um ca. 30 - 36% am 21.12. um 12 Uhr verschatten. Im Erdgeschoss würden im mittleren Teil die Fensterflächen verschattet. Da im Winter die Sonneneinstrahlung auf Fensterflächen sehr relevant sei, sei auch diese Verschlechterung erheblich. Grundsätzlich führe bei einem flachen Einstrahlwinkel am 21.12. um 12 Uhr die geplante Verschiebung dazu, dass ein größerer Teil der Fassaden und Fensterflächen verschattet werde. Darüber hinaus habe die Antragstellerin auch nicht nur eine Momentaufnahme für einen Tag mit ihren Verschattungsplänen vorgelegt. Vielmehr würden die vorgelegten Verschattungspläne die Verschattung am 21. März und 23. September sowie am 21. Dezember zeigen, sodass eine Erhöhung der Verschattung im Jahresverlauf und eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung in Form einer erheblichen Verschlechterung der Beschattungssituation in jedem Fall glaubhaft gemacht worden sei. Auch wenn die Grundrisszeichnung zur Verschattungssituation am 21.03. um 12 Uhr tatsächlich missverständlich sein sollte, da der verschattete Bereich auf der Oberfläche des natürlichen Geländes dargestellt worden sei und die Dachterrasse im 2. OG tatsächlich nicht verschattet werde, liege dennoch eine erhebliche Verschlechterung vor. Die von der Antragstellerin vorgenommenen Abgrabungen führten nicht zu der erhöhten Verschattung. Die Verschattung durch den Geländeverlauf entlang der Grenze sei nicht relevant, da diese Verschattung im Bereich des Grünstreifens vor der Terrasse stattfinde. Dass bei den Terrassen im Erdgeschoss am 21.12. um 12 Uhr der westliche Teil bereits durch die Böschungskante des natürlichen Geländes verschattet werde, sei nie bestritten worden. Im mittleren Teil würde durch die Böschungskante zwar die Terrasse verschattet, nicht aber die Fensterflächen.
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Das Deckblatt 2 sei darüber hinaus rechtswidrig und nichtig wegen der Verletzung des Gebots der planerischen Konfliktbewältigung. Zum Gebot der planerischen Konfliktbewältigung gehöre auch das Gebot der sachgerechten Auswahl des Abwägungsmaterials. Das notwendige Abwägungsmaterial einer planerischen Abwägung müsse eher weit als eng abgegrenzt werden. Insofern habe die planende Gemeinde auch sachverständige Untersuchungen zu veranlassen und sich anbietende und ernsthaft in Betracht kommende Alternativen als Teil des Abwägungsmaterials einzubeziehen. Die Beigeladene zu 1) habe weder eine sachverständige Untersuchung der Verschattungsproblematik noch etwaige Alternativen einer Nachverdichtung an anderer Stelle bzw. eine nachbarschützende Version des Deckblatts 2 in Erwägung gezogen. Das Deckblatt 2 verstoße auch gegen das Gebot der Rücksichtnahme und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Auch verstoße das Deckblatt 2 gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es seien ausschließlich auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 2) und 3) die im ursprünglichen Bebauungsplan enthalten drittschützenden Abstandsflächen auf die gesetzlichen Abstandsflächen reduziert worden.
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Jedenfalls sei der Ausgang des Hauptsacheverfahrens zumindest offen, weil in nachbarrechtlicher Hinsicht gewichtige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Vorhabens bestehen würden, eine mehr als nur geringfügige Betroffenheit glaubhaft gemacht worden sei und die Folgen- bzw. Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin ausfallen müsse. Eine Verletzung etwaiger Nachbarrechte durch das Vorhaben könne nicht ausgeschlossen werden, sodass ein Einschreiten „intendiert“ sei.
28
Die Beigeladene zu 1) lässt beantragen,
Dem Antrag der Beigeladenen zu 2) und zu 3) auf Aufhebung des Beschlusses der erkennenden Kammer vom 18.06.2020, Az. RN 6 E 20.636, wird stattgegeben.
29
Der Antrag der Beigeladenen zu 2) und 3) sei zulässig. Der Beschluss sei aufzuheben, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nunmehr nicht (mehr) glaubhaft machen könne. Der gemachte Vorwurf der Gefälligkeitsplanung entbehre jeglicher Grundlage. Die neuerliche Planung der Beigeladenen zu 1) bezwecke in städtebaulicher Hinsicht eine Nachverdichtung. Sie werde von positiven städtebaulichen Zielen getragen. Die Zielsetzung habe die Beigeladene zu 1) auch aus der in unmittelbarer Umgebung befindlichen Bebauung mit Mehrfamilienhäusern abgeleitet, so dass die Änderung in einem städtebaulich sinnvollen Kontext zu dieser bereits vorhandenen Umgebungsbebauung stehe (vgl. Parzellen 61 und 66). Die angeführten Erwägungen zur Nachverdichtung, die in unmittelbarer Nähe bereits Vorbilder finde, enthalte hinreichend gewichtige städtebauliche Belange und rechtfertige damit den Erlass des Änderungsbebauungsplans. Insoweit seien keine „zwingenden“ Gründe erforderlich, es genüge vielmehr, wenn die Gemeinde eine im Einklang der Raumordnung und der (bisherigen) Ortsentwicklung stehende planerische Konzeption verfolge und es vernünftigerweise geboten sei, diese durch einen Bebauungsplan zu sichern und durchzusetzen. Eine (nicht erforderliche, also unzulässige) Gefälligkeitsplanung liege nicht vor. Die Gemeinde könne konkrete Bauanträge zum Anlass nehmen, ihre (bisherige) Bauleitplanung zu überarbeiten und dürfe dabei im Rahmen der Abwägung auch Wünsche der Grundeigentümer aufgreifen, dies allerdings unter der Voraussetzung, dass sie mit ihrer Planung auch städtebaulich legitime Zielsetzungen verfolge. An dieser Stelle sei auch nochmal explizit darauf zu verweisen, dass auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Nachverdichtung grundsätzlich als städtebaulich sinnvoll erachtet habe. Ein „Anspruch“ auf den Fortbestand des bisher geltenden Bebauungsplans sei durch das Recht der Gemeinde, Bauleitpläne aufzustellen, „sobald“ es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich sei, ausgeschlossen. Die Erwartung der Antragstellerin als Planbetroffener auf die Beibehaltung der bisherigen planerischen - auch drittschützenden - Festsetzungen stehe einer Planänderung nicht entgegen, sofern - wie vorliegend - ihre Belange im Rahmen der planerischen Abwägung zutreffend gewichtet und im Ergebnis abwägungsfehlerfrei weggewogen werden könnten. Abwägungsfehler seien nicht ersichtlich. Für die hier verfahrensgegenständliche Bauparzelle 60 (Baugrundstück) werde die Anwendbarkeit der Abstandsflächenregelungen der BayBO durch die Änderung des Bebauungsplans nunmehr ausdrücklich angeordnet (vgl. Ziff. 0.1.71 der textlichen Festsetzungen). Die gesetzlichen Abstandsflächen würden zum Grundstück der Antragstellerin eingehalten. Auch habe die Gemeinde die vorgelegten Verschattungspläne gewürdigt und auch eine größere Verschattung mit den städtebaulichen Zielsetzungen, Nachverdichtungsmöglichkeiten zu schaffen, rechtsfehlerfrei abgewogen.
30
Mit Schreiben vom 10. März 2022 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhoben (Az. 15 N 22.635).
31
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, der vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakten in den Verfahren RN 6 E 20.636, RN 6 K 20.637 sowie RN 6 K 20.1298 einschließlich der dort vorgelegten Behördenakten.
32
Der zulässige Antrag auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Juni 2020, RN 6 20.636, hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen des hier analog anzuwendenden § 80 Abs. 7 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht vorliegen.
33
1. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin und des Antragsgegners ist der Antrag zulässig.
34
Ist die einstweilige Anordnung erlassen worden, so kann der Beschluss geändert, insbesondere auch aufgehoben werden (Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, VwGO § 123 Rn. 77). Eine solche gesetzliche Abänderungsmöglichkeit ergibt sich zwar nicht aus § 927 Zivilprozessordnung (ZPO), da § 123 Abs. 3 VwGO ausdrücklich auf einzelne Bestimmungen des zivilprozessualen Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahrens, jedoch nicht auf § 927 ZPO und die dort vorgesehene Möglichkeit der Aufhebung oder Änderung einer Entscheidung wegen veränderter Umstände, verweist (NdsOVG, B.v. 24.04.2013 - 4 MC 56/13 - BeckRS 2013, 50120). Eine Änderung oder Aufhebung eines im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO ergangenen rechtskräftigen Beschlusses kann aber auf der Grundlage des analog anzuwendenden § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO erfolgen. Denn für das einstweilige Anordnungsverfahren fehlt es an einer unmittelbar anwendbaren gesetzlichen Regelung für die Aufhebung oder Änderung rechtskräftiger Entscheidungen, obwohl ein Regelungsbedürfnis nicht nur beim Aussetzungs-, sondern auch beim einstweiligen Anordnungsverfahren auch im Hinblick auf das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) besteht, wenn wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände eine erlassene einstweilige Anordnung oder deren Ablehnung sich als nicht (mehr) gerechtfertigt erweist (BayVGH, B.v. 15.04.2019 - 10 CE 19.650 - BeckRS 2019, 6729; BeckOK VwGO/Kuhla, 60. Ed. 1.7.2021, VwGO § 123 Rn. 182; NdsOVG, B.v. 24.04.2013 - 4 MC 56/13 - BeckRS 2013, 50120).
35
2. Der Antrag der Beigeladenen ist jedoch unbegründet.
36
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die von den Beigeladenen zu 1), 2) und 3) angeführten veränderten Umstände nicht geeignet, eine Änderung oder Aufhebung des Beschlusses herbeizuführen. Da die Beigeladenen zu 2) und 3) die Aufhebung des Beschlusses begehren, um auf dem Baugrundstück mit den Bauarbeiten fortzufahren, kann die Antragstellerin weiterhin wegen Eilbedürftigkeit einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Die Durchführung des ergänzenden Bauleitplanverfahrens lässt den Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht entfallen.
37
Ein Anordnungsanspruch ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn für das Hauptsacheverfahren bei summarischer Prüfung überwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Maßgeblich ist für diese Bewertung des Hauptsacheverfahrens die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden. Ein Anordnungsanspruch eines Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten auf dieser Grundlage kann deshalb vom Grundsatz nur dann angenommen werden, wenn das Vorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt und das behördliche Ermessen auf Null reduziert ist. Allerdings können nach der Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.1996 - 1 CE 96.2081 - NVwZ 1997, 923; VG Augsburg, B.v. 25.11.2002 - Au 4 E 02.1372 - BeckRS 2002, 19280) im Falle der Errichtung eines Bauvorhabens im sog. Freistellungsverfahren an die Reduzierung des Ermessens keine hohen Anforderungen gestellt werden. Denn die Freistellung eines Vorhabens von der Baugenehmigungspflicht darf mit Blick auf den aus Art. 14 GG folgenden Eigentumsschutz betroffener Nachbarn nicht dazu führen, den Rechtsschutz des Nachbarn zu verkürzen. Insoweit sind deshalb die zu § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO entwickelten Grundsätze anzuwenden. Danach reicht es für den Anordnungsanspruch aus, wenn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens zumindest offen ist, weil in nachbarrechtlicher Hinsicht gewichtige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Vorhabens bestehen und eine mehr als nur geringfügige Betroffenheit glaubhaft gemacht werden kann, und die Folgen- bzw. Interessenabwägung (§ 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO analog) zugunsten des Nachbarn ausfällt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach herrschender Meinung das Ermessen der Behörde im Rahmen des Art. 75 Abs. 1 BayBO in Richtung auf ein Einschreiten „intendiert“ ist, so dass auch deswegen ein entsprechender Anspruch des Nachbarn bereits dann bestehen kann, wenn die Verletzung etwaiger Nachbarrechte durch das Vorhaben nicht ausgeschlossen werden kann (Simon/Busse/Decker, 144. EL September 2021, BayBO Art. 75, Rn. 147 m.w.N.; VG München, U.v. 14.9.2005 - M 11 E1 05.2482 - juris).
38
Vorliegend ist auch unter Berücksichtigung der Durchführung des ergänzenden Bauleitplanverfahrens nach summarischer Prüfung der Ausgang des Hauptsacheverfahrens auf bauaufsichtliches Einschreiten bezüglich des Baugrundstücks (zumindest) offen. Es bestehen in nachbarrechtlicher Hinsicht gewichtige Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Vorhabens. Da durch die Ausführung des Vorhabens eine mehr als nur geringfügige Verletzung der Nachbarrechte der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden kann, fällt die Folgen- bzw. Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus.
39
2.1. Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners ist der Antrag nicht bereits deshalb unbegründet, weil die Beigeladenen zu 2) und 3) nach Änderung des Bebauungsplans nicht erneut ein Genehmigungsfreistellungsverfahren durchgeführt haben.
40
Regelmäßig entfallen die Voraussetzungen des Art. 58 BayBO, wenn die Gemeinde den der Freistellung zugrundeliegenden Bebauungsplan ändert oder aufhebt, sodass regelmäßig der Bauherr ein neues Freistellungsverfahren durchführen muss (Busse/Kraus/Taft, 144. EL September 2021, BayBO Art. 58 Rn. 154 ff.). In der streitgegenständlichen Sonderkonstellation hat sich das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 2) und 3) nicht verändert und entspricht durch die Änderung des Bebauungsplans den Festsetzungen des Bebauungsplans. Ob in diesem Fall, ggf. unter Berücksichtigung der rückwirkenden Inkraftsetzung, erneut ein Genehmigungsfreistellungsverfahren durchzuführen ist, kann jedoch dahinstehen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburgs, dessen Aufhebung die Beigeladenen begehren, gilt der Sicherung des im Hauptsacheverfahren, Az. RN 6 K 22.111 (alt: RN 6 K 20.637), seitens der Antragstellerin geltend gemachten Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten des Antragsgegners gegen die Beigeladenen zu 2) und 3). Grundvoraussetzung für einen Anspruch auf bauaufsichtsrechtliches Einschreiten ist, dass der Nachbar durch die Anlage in seinen Rechten verletzt wird, was einen Verstoß der Anlage gegen nachbarschützende Vorschriften erfordert. Erforderlich ist somit ein Verstoß des konkreten Bauvorhabens gegen drittschützende, d. h. gerade den das Einschreiten der Behörde erzwingen wollenden Nachbarn schützende Normen (Busse/Kraus/Decker, 144. EL September 2021, BayBO Art. 76 Rn. 487; BayVGH, B.v. 31.3.2004 - 1 ZB 03.452 - juris; BayVGH, B.v. 21.5.2001 - 1 ZB 00.3206 - juris). Die Antragstellerin ist nicht schon deswegen in ihren Rechten verletzt, weil die erneute Durchführung eines Genehmigungsfreistellungsverfahren evtl. notwendig wäre. Ein Nachbar hat weder einen Anspruch auf Durchführung eines behördlichen Verfahrens noch einen generellen Anspruch auf Einhaltung des richtigen Verwaltungsverfahrens (BayVGH, B.v. 2.9.2021 - 9 CE 21.1715 - BeckRS 2021, 25940; Busse/Kraus/Decker, 144. EL September 2021, BayBO Art. 76 Rn. 501). Es kann daher dahinstehen, ob ein erneutes Genehmigungsfreistellungsverfahren durchzuführen ist, da selbst wenn dies der Fall wäre, die Nichtdurchführung die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen würde und mithin ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten der durch eine einstweilige Anordnung gesichert werden könnte, darauf nicht gestützt werden kann. Ob ggf. der Antragsgegner allein aufgrund formeller Illegalität bauaufsichtliche Maßnahmen ergreifen könnte, z.B. eine Anordnung gemäß Art. 76 Satz 3 BayBO, die auch im Genehmigungsfreistellungsverfahrens in Betracht kommt (Busse/Kraus/Decker, 144. EL September 2021, BayBO Art. 76 Rn. 319), ist in der streitgegenständlichen Konstellation irrelevant.
41
2.2. Ob das Deckblatt Nr. 2 des Bebauungsplans „…“ in der Fassung vom 20. Dezember 2021 wirksam ist, kann im Rahmen der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung im Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden. Zwar weist die angegriffene Änderung des Bebauungsplans nach summarischer Prüfung weder beachtliche formelle Mängel auf (vgl. 2.2.1.) noch verstößt sie gegen das Gebot der Erforderlichkeit (2.2.2.). Dass der Beigeladenen zu 1) im Rahmen der Abwägung der berührten Belange beachtliche Mängel unterlaufen sind, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden (2.2.3.).
42
Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, die Gültigkeit bzw. Nichtigkeit eines Bebauungsplans festzustellen, da dies im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Aufgabe des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist. Das Verwaltungsgericht kann jedoch nicht verpflichtet sein, einen erkennbar unwirksamen Bebauungsplan anzuwenden und damit eine erkennbar unrichtige Entscheidung zu treffen. Das Verwaltungsgericht prüft daher inzident die Wirksamkeit des Bebauungsplans, wobei es nicht ungefragt in eine Fehlersuche eintritt (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.1989 - 4 B 149/89 - juris).
43
2.2.1. Die Änderung des Bebauungsplans ist in formeller Hinsicht wirksam zustande gekommen.
44
Der Bebauungsplan ist nicht wegen der Mitwirkung ausgeschlossener Gemeinderatsmitglieder unwirksam (Art. 49 Abs. 1 Gemeindeordnung (GO)). Nach gefestigter Rechtsprechung kommt es für die Wirksamkeit des Bebauungsplans nur darauf an, dass beim Satzungsbeschluss und der hierauf bezogenen Abwägung Ratsmitglieder mitgewirkt haben, für die kein gesetzliches Mitwirkungsverbot bestand (vgl. OVG RhPf, U.v. 10.6.2009 - 8 C 11319/08 - juris). Dass Gemeinderatsmitglieder, für die ein gesetzliches Mitwirkungsverbot bestand, im Verfahren zur Bebauungsplansänderung mitgewirkt, also an Beratungen oder Abstimmung teilgenommen haben, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
45
Die nicht den Geboten der Bestimmtheit und Normenklarheit genügenden Festsetzungen der Wandhöhen in der durch Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. März 2021 für unwirksam erklärten 2. Änderung des Bebauungsplans „…“ (Deckblatt Nr. 2) der Beigeladenen zu 1) vom 16. Dezember 2019 konnten in einem ergänzenden Verfahren geheilt werden. § 214 Abs. 4 Baugesetzbuch (BauGB) gestattet grundsätzlich auch die Behebung materieller Fehler, wie im vorliegenden Fall der Mängel der Bestimmtheit der Höhenfestsetzungen, ausgenommen sind nur Nachbesserungen, die geeignet sind, das planerische Gesamtkonzept infrage zu stellen (BayVGH, U.v. 2.10.2014 - 2 B 14.816 - BeckRS 2014, 59714 Rn. 31; OVG NW, U.v. 23.11.2016 - 7 D 2/15.NE - BeckRS 2016, 110609 Rn. 28 f.; EZBK/Stock, 143. EL August 2021, BauGB § 214 Rn. 231). Gemessen hieran konnten die Mängel der Bestimmtheit durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden. Die Grundzüge der bisherigen Planung wurden dadurch nicht berührt.
46
Dass in der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 BauGB die Entwurfsfassung des ausgelegten Bebauungsplans „…, Deckblatt Nr. 2“ fälschlicherweise als vom 27. April 2021 bezeichnet wurde, führt nicht zur Unwirksamkeit der Änderungsplanung. Bei der Auslegung des Entwurfs eines Bebauungsplans und der dazu gehörigen Hinweisbekanntmachung handelt es sich nicht um eine Satzungsverkündung, sodass die Bekanntmachung nicht den Vorschriften über die Bekanntmachung von Satzungen unterliegen (HessVGH, U.v. 29.5.1981 - IV OE 64/78 - juris; EZBK/Krautzberger, 143. EL August 2021, BauGB § 3 Rn. 42). Der mit der Bekanntmachung verfolgte Hinweiszweck wird durch die falsche Datumsangabe nicht in Frage gestellt. Die falsche Datumsangabe des Entwurfes war nicht geeignet, auch nur einzelne an dieser Bauleitplanung interessierte Bürger von der Erhebung einer Stellungnahme abzuhalten. Die Bekanntmachung konnte ihre Aufgabe, „dem an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Anregung und Bedenken bewusst zu machen und dadurch eine gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen“, trotz des falschen Datums erfüllen (EZBK/Krautzberger, 143. EL August 2021, BauGB § 3 Rn. 47a; BVerwG Urt. v. 6.7.1984 - 4 C 22.80 - juris). Sinn und Zweck der Bekanntmachung ist, dem Bürger bzw. der Öffentlichkeit bereits einen ersten informativen Hinweis zu geben. So konnte der Bekanntmachung unproblematisch entnommen werden, dass eine Änderung des Bebauungsplans „…“ beabsichtigt ist und dass und wo der Entwurf eingesehen werden kann. Durch den beigefügten Lageplan war auch für Außenstehende erkennbar, für welchen räumlichen Bereich der Bebauungsplan geändert werden soll. Im konkreten Einzelfall konnte ein ausreichender „Anstoß“ der von der Planung Betroffenen durch die Bekanntmachung erreicht werden (EZBK/Krautzberger, 143. EL August 2021, BauGB § 3 Rn. 47a f.). Allein durch die - offensichtlich - falsche Datumsangabe wurde die Anstoßwirkung nicht verfehlt. Das Datum der Entwurfsfassung spielt bei der Entscheidung des Bürgers, was Gegenstand des Planungsvorhabens der Gemeinde sein soll und ob die städtebauliche Planungsabsicht der Gemeinde sein näheres Interesse findet, keine Rolle. Anhaltspunkte, dass die falsche bzw. nicht aktuellste Entwurfsfassung ausgelegt wurde, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
47
Dass bei der Ausfertigung und Bekanntmachung der 2. Änderung des Bebauungsplans „…“ Fehler unterlaufen wären, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte, dass die zwingend notwendige Reihenfolge nicht eingehalten wurde. Bebauungspläne sind vor ihrer Bekanntmachung nach § 10 Abs. 3 BauGB grundsätzlich auszufertigen, wobei sich die an die Ausfertigung von Bebauungsplänen zu stellenden Anforderungen nach den landesrechtlichen Vorschriften richten (BVerwG, B. v. 24.5.1989 - 4 NB 10/89 - juris). Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 GO sind Satzungen auszufertigen und im Amtsblatt der Gemeinde amtlich bekanntzumachen. Die Ausfertigung muss zeitlich grundsätzlich vor der Bekanntmachung erfolgen, weil durch die eigenhändige Unterschrift des ersten Bürgermeisters oder seines Stellvertreters die Originalurkunde, die der Verkündung der Norm zugrunde zu legen ist, erst hergestellt und beglaubigt wird, dass die Satzung in ihrer vorliegenden Form vom Gemeinderat beschlossen worden ist (BayVGH, B.v. 6.7.2009 - 15 ZB 08.170 - juris). Hat die Gemeinde kein Amtsblatt, sind die Satzungen im Amtsblatt des Landkreises oder des Landratsamts, sonst in anderen regelmäßig erscheinenden Druckwerken amtlich bekanntzumachen; die amtliche Bekanntmachung kann auch dadurch bewirkt werden, dass die Satzung in der Verwaltung der Gemeinde niedergelegt und die Niederlegung durch Anschlag an den für öffentliche Bekanntmachungen allgemein bestimmten Stellen (Gemeindetafeln) oder durch Mitteilung in einer Tageszeitung bekanntgegeben wird (Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GO). Eine Gemeinde, die kein Amtsblatt im Sinne des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO hat, muss in der Geschäftsordnung oder durch Beschluss des Gemeinderats die Art der Bekanntmachung und das Amtsblatt oder regelmäßig erscheinende Druckwerk oder den Ort, an dem die Amtstafel (Gemeindetafel) aufgestellt ist, oder die Tageszeitung im Sinne des Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GO bestimmen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Bekanntmachungsverordnung (BekV)). Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Gemeinderats der Gemeinde Buch am Erlbach werden Satzungen dadurch amtlich bekannt gemacht, dass sie in der Verwaltung der Gemeinde zur Einsichtnahme niedergelegt werden und die Niederlegung durch Anschlag an den Gemeindetafeln bekanntgegeben wird. Vorliegend wurde der Bebauungsplan „…“ Deckblatt 2 am 30. Dezember 2021 von der 2. Bürgermeisterin ausgefertigt, da die 1. Bürgermeisterin persönlich beteiligt war (Art. 35, 39 Abs. 1 Satz 1 GO). Der Bebauungsplan wurde am gleichen Tag niedergelegt und die Niederlegung durch Anschlag bekanntgegeben. Es reicht aus, wenn die Ausfertigung am gleichen Tag wie die Bekanntmachung erfolgt (EZBK/Stock, 143. EL August 2021, BauGB § 10 Rn. 105). Wird der Bebauungsplan durch Anschlag an den Gemeindetafeln nach Art. 26 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 GO bekannt gemacht, so spricht die Übereinstimmung von Ausfertigungs- und Bekanntmachungsdatum noch nicht gegen eine Einhaltung der erforderlichen Reihenfolge (BayVGH, U.v. 30.6.2016 - 2 N 15.713 - juris; BayVGH, U.v. 15.5.2015 - 8 A 14.40029 - juris; BayVGH, B.v. 12.3.2012 - 15 ZB 10.2153 - juris).
48
Dass auf Seite 9, Absatz 1 der (endgültigen) Begründung zur Änderung des Bebauungsplans „…“, Deckblatt 2 der Satz „Es werden somit […] eingehalten.“ entgegen dem Gemeinderatsbeschluss vom 20. Dezember 2021 nicht gestrichen wurde, führt nicht zur Unwirksamkeit des Änderungsbebauungsplans. In der Gemeinderatssitzung vom 20. Dezember 2021 wurde der „[…] Bebauungs- und Grünordnungsplandeckblatt Nr. 2 […] mit Begründung einschließlich in der heutigen Sitzung beschlossenen redaktionellen Änderungen […] als Satzung beschlossen.“ In der mit „Original“ gekennzeichneten Begründung des Deckblatts 2 ist jedoch der oben genannte Satz weiterhin enthalten. Entgegen des missverständlichen Beschlusses der Gemeinde, weist die dem Bebauungsplan lediglich beizufügende Begründung (§§ 13, 1 Abs. 8, 9 Abs. 8 i.V.m. § 2 a BauGB; OVG RhPf, U.v. 10.6.2009 - 8 C 11307/08 - juris) keine Rechtsnormqualität auf, sondern dient lediglich der Erläuterung des Bebauungsplans (BayVerfGH, E.v. 21.3.2016 - Vf. 21-VII-15 - juris). Die Begründung ist dem Bebauungsplan nur beizufügen. Sie ist damit nicht Bestandteil des Bebauungsplans und auch nicht normativer Inhalt des Bebauungsplans (EZBK/Söfker, 143. EL August 2021, BauGB § 9 Rn. 288), sodass unabhängig davon, ob es sich um einen redaktionellen Fehler handelt oder nicht, die inhaltliche Abweichung der der Satzung beigefügten Begründung von der vom Gemeinderat beschlossenen Begründung nicht zur Unwirksamkeit der Begründung führt. Eine „inhaltlich fehlerhafte“ Begründung verletzt § 9 Abs. 8 i.V.m. § 2a BauGB nicht. Mängel der Begründung, insbesondere inhaltliche können aber darauf hindeuten, also Indiz dafür sein, dass Abwägungsmängel vorliegen, also die materiellrechtliche Seite berühren (BVerwG, B.v. 21.2.1986 - 4 N 1.85 - juris; EZBK/Söfker, 143. EL August 2021, BauGB § 9 Rn. 300). Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass durch die Nichtstreichung des Satzes § 9 Abs. 8 i.V.m. § 2a BauGB verletzt worden wäre, wäre der Fehler jedoch gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich, da die fehlerhafte Begründung insoweit einer unvollständigen gleichzustellen wäre.
49
2.2.2. Die planerische Konzeption der angegriffenen 2. Änderung des Bebauungsplans ist städtebaulich erforderlich (§ 1 Abs. 3, Abs. 8 BauGB).
50
Gemäß § 1 Abs. 3 BauGB ist die Gemeinde zur Bauleitplanung nur dann berechtigt, soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Festsetzungen in Bebauungsplänen dürfen nur aus städtebaulichen Gründen erfolgen (OVG RhPf, U.v. 10.6.2009 - 8 C 11307/08 - juris). Es ist grundsätzlich der Einschätzung der Gemeinde, ihren eigenen städtebaulichen Vorstellungen überlassen, ob, wie und wann sie einen Bebauungsplan aufstellt, ändert oder aufhebt. Maßgebend sind ihre eigenen städtebaulichen Vorstellungen (BVerwG, U.v. 17.9.2003 - 4 C 14.01 - juris). Solche städtebaulichen Gründe liegen dann nicht vor, wenn die Bauleitplanung nur im ausschließlich privaten Interesse Einzelner erfolgt (OVG RhPf, U.v. 10.6.2009 - 8 C 11307/08 - juris). Die Gemeinde darf die Bauleitplanung nicht vorschieben, um allein private Interessen zu verfolgen. Andererseits darf die Gemeinde hinreichend gewichtige private Belange zum Anlass einer Bauleitplanung nehmen und sich dabei an den Wünschen der Grundeigentümer orientieren, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie zugleich auch städtebauliche Belange und Zielsetzungen verfolgt, weil nur dadurch die Planung gestützt werden kann. Die Grenzen der unzulässigen Gefälligkeitsplanung sind erst dann überschritten, wenn die Planung ausschließlich den Zweck hat, private Interessen zu befriedigen. Nicht erforderlich sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. Mit Rücksicht auf die grundsätzliche Maßgeblichkeit der planerischen Konzeption der Gemeinde stellt das Merkmal der Erforderlichkeit „praktisch nur bei groben und bei einigermaßen offensichtlichen Missgriffen eine Schranke der Planungsbefugnisse dar“ (BayVGH, U.v. 29.9.2020 - 1 N 16.1258 - juris; BVerwG, B.v. 11.5.1999 - 4 BN 15.99, B.v. 30.12.2009 - 4 BN 13.09, U.v. 22.1.1993 - 8 C 46.91 - jeweils juris; EZBK/Söfker/Runkel, 143. EL August 2021, BauGB § 1 Rn. 33). Die Frage der Erforderlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB betrifft die generelle städtebauliche Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen schon die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung und ist auch nicht (schon) nach den Anforderungen des Abwägungsgebots zu beurteilen (EZBK/Söfker/Runkel, 143. EL August 2021, BauGB § 1 Rn. 31 ff.; BayVGH, U.v. 13.12.2021 - 15 N 20.1649 - juris).
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Gemessen hieran bestehen hinsichtlich der Erforderlichkeit der 2. Änderung des Bebauungsplans keine Bedenken. Zwar hat die Beigeladene zu 1) vorliegend das Konzept der Beigeladenen zu 2) und 3) zur Grundlage des Planaufstellungsverfahrens gemacht. Die Beigeladene zu 1) war aber nicht gehindert, sich bei der Änderung an diesen Wünschen zu orientieren, da sie damit zugleich auch städtebauliche Belange und Zielsetzungen verfolgt hat (OVG RhPf, U.v. 26.4.2017 - 8 C 11681/16 - juris). Ausweislich der Planbegründung (S. 3, 8) dient die Planung der Nachverdichtung unter Nutzung innerörtlicher Flächenressourcen. Damit verfolgt die Gemeinde ein legitimes Planungsziel. Soweit die Antragstellerin Zweifel hinsichtlich der Notwendigkeit einer Nachverdichtung äußert, insbesondere im Hinblick auf den geringen Zeitablauf seit Aufstellung des Bebauungsplans, zeigt sie schon deswegen keinen Verstoß gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz auf, weil die Planungsbefugnis nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht von dem Nachweis abhängt, dass hierfür ein durch spürbaren Nachfragedruck ausgelöstes unabweisbares Bedürfnis besteht. Der Plangeber darf regelmäßig innerhalb des von ihm verfolgten planerischen Konzepts auch ohne konkrete Analyse des aktuellen Bedarfs die planerischen Voraussetzungen schaffen, die es ermöglichen, im Vorgriff auf zukünftige Entwicklungen einer Bedarfslage gerecht zu werden, die sich erst für die Zukunft abzeichnet. Deshalb kommt es im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung grundsätzlich nicht darauf an, ob es in anderen Ortsteilen noch freie Bauplätze gibt, auf denen sich eine Wohnbebauung möglicherweise ebenfalls realisieren ließe (BayVerfGH, E.v. 18.2.2016 - Vf. 5-VII-14 - juris). Anhaltspunkte, dass das Ziel der Nachverdichtung lediglich vorgeschoben wird, sind nicht ersichtlich. Bereits im Planaufstellungsverfahren des (ursprünglichen) Bebauungsplans ist dem Schreiben der Regierung von Niederbayern vom 23. Januar 2015 zu entnehmen, dass sich die Bevölkerung in den vergangenen Jahren positiv entwickelt habe und auch für die Zukunft eine Bevölkerungszunahme prognostiziert sei. Nach dem Regionalplan für die Region Landshut gehört das Kleinzentrum Buch am Erlbach zu den bevorzugt zu entwickelnden Orten (vgl. S. 3 der Begründung des Bebauungsplans „…“, sowie Schreiben des Regionalen Planungsverbands Landshut vom 23. Januar 2015). Um die Planungsbefugnis zu begründen, sind „zwingende Gründe“ oder ein „akutes Bedürfnis“ nicht erforderlich (BayVGH, U.v. 13.12.2021 - 15 N 20.1649 - juris; EZBK/Söfker/Runkel, 143. EL August 2021, BauGB § 1 Rn. 32b). Soweit die Antragstellerin behauptet, dass das städtebauliche Ziel der Nachverdichtung erst nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichthofs seitens der Beigeladenen zu 1) vorgebracht wurde, ist zwar zuzugegeben, dass in der für unwirksam erklärten 2. Änderung des Bebauungsplans das Wort „Nachverdichtung“ nicht explizit genannt wird. Jedoch wurde bereits in der Begründung der unwirksamen 2. Änderung seitens der Beigeladenen zu 1) dargelegt, dass mit dem rechtswirksamen Bebauungsplan „…“ Baugrundstücke für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden, um der enormen Nachfrage an Wohnraum zu begegnen. Auch dass die Festsetzung des Bebauungsplans nur hinsichtlich des Baugrundstücks sowie des angrenzenden Grundstücks Flur-Nr. …/70 geändert wurden, stellt die Erforderlichkeit die Bebauungsplanänderung nicht in Frage. So mangelt es selbst dann nicht an der Erforderlichkeit, wenn auf Veranlassung und nach den Entwürfen eines Bauwilligen die Festsetzungen eines Bebauungsplans für ein einzelnes Grundstück geändert werden, wenn sich die Gemeinde letztlich durch Gründe der städtebaulichen Ordnung hat leiten lassen (VGH BW, U.v. 3.3.1983 - 5 S 1751.82 - juris). Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass Änderungen des Bebauungsplans nur für die Familie „…“ möglich seien, ist darauf hinzuweisen, dass die 1. Änderung des Bebauungsplans zur Realisierung eines genossenschaftlichen Wohnprojekts 2016 mit dem städtebaulichen Ziel der Nachverdichtung erfolgte.
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Da die 2. Änderung des Bebauungsplans mithin (zumindest) auch durch hinreichende städtebauliche Gründe getragen ist, liegt - obwohl die Änderung auch privaten Interessen dient und durch private Interessenträger angestoßen wurde - keine § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verletzende Gefälligkeitsplanung vor.
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2.2.3. Nach der im Eilverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist nicht auszuschließen, dass der Beigeladenen zu 1) im Rahmen der Abwägung der berührten Belange beachtliche Mängel unterlaufen sind.
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Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und die privaten Belange bei der Aufstellung von Bauleitplänen gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen; das Abwägungsgebot ist die zentrale Verpflichtung einer Bauleitplanung, um rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht zu werden, und betrifft sowohl den Abwägungsvorgang wie auch das Abwägungsergebnis. Eine gerechte Abwägung setzt zunächst eine zutreffende Ermittlung und Bewertung sämtlicher für die Abwägung erheblichen Belange voraus. Das Abwägungsgebot umfasst insbesondere die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BayVGH, U.v. 31.1.2013 - 1 N 11.2087; 1 N 11.2088; 1 N 11.2142 - juris). Die Ermittlung und Bewertung abwägungsbeachtlicher Belange obliegt grundsätzlich der Gemeinde; dies entspricht ihrer eigenverantwortlichen Zuständigkeit für die Aufstellung der Bauleitpläne (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Ob und inwieweit diese öffentlichen und privaten Belange zu ermitteln sind, beurteilt sich danach, inwieweit sie in der jeweiligen konkreten Planungssituation berührt sind. Die Grenzen der Abwägungsbeachtlichkeit privater Belange sind „tendenziell weit“ zu ziehen (EZBK/Söfker/Runkel, 143. EL August 2021, BauGB § 1 Rn. 112, 193, 254a, § 2 Rn. 147). Wird ein Bebauungsplan geändert, so ist zudem das Interesse der Planbetroffenen an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes abwägungserheblich. Zwar gewährt das Baugesetzbuch keinen Anspruch auf den Fortbestand eines Bebauungsplans. Änderungen des Bebauungsplans sind nicht ausgeschlossen. Die Nachbarn des Planänderungsbereiches besitzen jedoch regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die Festsetzungen des Plans nicht ohne Berücksichtigung ihrer Belange geändert werden (NdsOVG, U.v. 26.10.2011 - 1 KN 207/10 - juris).
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Die Ermittlungstiefe, d.h. die Intensität der Ermittlung der von der jeweiligen Bauleitplanung berührten Belange, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen. In Anlehnung an die Prüfintensität bei der Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4 Satz 3 BauGB) kommt es z.B. darauf an, was in der konkreten Planungssituation in angemessener Weise verlangt werden kann (EZBK/Söfker, 143. EL August 2021, BauGB § 2 Rn. 147). Bei Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften stellt die Verschattung eines Grundstücks regelmäßig keinen abwägungserheblichen Belang dar, weil die landesrechtlichen Regelungen im Interesse der Wahrung sozialverträglicher Verhältnisse eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung von Nachbargrundstücken gerade sicherstellen sollen. Eine Minderung der Besonnung durch ein neues oder verändertes Gebäude in der Nachbarschaft stellt eine typische Folge einer Nachbarbebauung dar und muss vorbehaltlich besonderer Ausnahmefälle von Grundstücksnachbarn grundsätzlich hingenommen werden (BayVGH, U.v. 31.3.2021 - 15 N 20.411; U.v. 25.2.2022 - 15 N 21.2219; B.v. 8.5.2019 - 15 NE 19.551 u.a. - jeweils juris). Eine Verschattungsstudie kann aber möglicherweise dann erforderlich sein, wenn ein bestehender Bebauungsplan geändert werden soll, dessen Festsetzungen subjektive Rechte begründen (BayVGH, U.v. 31.3.2021 - 15 N 20.411- juris).
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An diesen Maßstäben gemessen sind Abwägungsfehler nach summarischer Prüfung im vorliegenden Fall nicht auszuschließen. Zwar ist nicht ersichtlich, dass die Zustimmung der Beigeladene zu 1) zur formlosen Bauvoranfrage des Beigeladenen zu 2) eine unzulässige Vorwegbindung darstellt, d.h. die Zustimmung zu einer formlosen Bauvoranfrage bereits eine tatsächliche oder rechtliche Bindung darstellt, nach der die Gemeinde nicht mehr „abwägungsbereit“ gewesen wäre. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Planänderung gegen das Abwägungsgebot verstößt, weil ein alternativer Standort außer Acht gelassen wurde, obwohl dieser unter dem Gesichtspunkt der einschlägigen öffentlichen und privaten Belange eindeutig besser geeignet gewesen wäre und sich folglich geradezu aufgedrängt hätte. Unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Planungskonzepts des Bebauungsplans, dass die Bebauung im westlich der Haupterschließung liegenden Bereich durch Einfamilien- und Doppelhäuser geprägt ist und östlich der Haupterschließung und zur … Straße sich neben weiteren Einfamilienhäusern auch Geschosswohnungsbauten finden, sowie der Grundstücksgrößen, ist nicht erkennbar, welcher andere Standort zur Nachverdichtung sich aufdrängen würde (BayVGH, U.v. 24.5.2012 - 2 N 12.448 - BeckRS 2012, 54819). Es ist jedoch offen, ob die Beigeladene zu 1) die Auswirkungen der Planänderung auf das Grundstück der Antragstellerin gemäß § 2 Abs. 2 BauGB ausreichend ermittelt und bewertet hat.
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Bei dem seitens der Antragstellerin geltend gemachten Belang der zunehmenden Verschattung, handelt es sich grundsätzlich um einen abwägungsbeachtlichen Belang. Da es sich vorliegend um eine Änderung des Bebauungsplans gemäß § 1 Abs. 8 BauGB handelt sind die Auswirkungen der zu ändernden Festsetzungen auf das Grundstück der Antragstellerin grundsätzlich zu ermitteln und in die Abwägung einzubeziehen. Durch die Vergrößerung und Verschiebung der Baugrenzen nach Osten sowie die Erhöhung der zulässigen Wandhöhen ist die Antragstellerin mehr als nur geringfügig durch die Planänderung betroffen. Dies war der Gemeinde auch bekannt. Bei konkreter Betrachtung der Besonderheiten des Einzelfalls kann ohne weitere Ermittlungen im Hauptsachverfahren nicht ausgeschlossen werden, dass es sich vorliegend um einen Sonderfall handelt, bei dem ausnahmsweise trotz Anordnung der Geltung des Abstandsflächenrechts eine Verschattungsstudie erforderlich gewesen wäre. Die zu ändernden Festsetzungen betreffend das Baugrundstück hinsichtlich der Baugrenzen und der Gebäudehöhen dienen nach summarischer Prüfung nicht nur städtebaulichen oder sonstigen öffentlichen Interessen, sondern auch den nachbarlichen Interessen. Es wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 18. Juni 2020, Az. RN 6 E 20.636 Bezug genommen. In der Begründung des Bebauungsplans ist auf Seite 7 ausgeführt, dass der Wechsel der Firstrichtung und der Versatz - und damit die Anordnung der Baufenster - bei benachbarten Gebäuden sicherstellen soll, dass trotz der Hanglage auch für die tiefer gelegenen Gebäude gut nutzbare Freiräume entstehen. Nach summarischer Prüfung werden durch die 2. Änderung des Bebauungsplans Festsetzungen, die subjektive Rechte begründen, geändert, insbesondere da nicht nur die Abstandsflächen reduziert werden, sondern durch die Verschiebung und Vergrößerung der Baugrenzen auch der nach der Begründung des Bebauungsplans gewollte „Versatz“ der Gebäude zum Nachteil der Antragstellerin geändert wird. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die starren Regelungen des Abstandsflächenrechts besonderen örtlichen Situationen, wie hier der Bebauung im Hanggelände, nicht angemessen Rechnung tragen (Busse/Kraus/Hahn, 144. EL September 2021, BayBO Art. 6 Rn. 276), spricht vorliegend einiges dafür, dass grundsätzlich eine Verschattungsstudie erstellt hätte werden müssen.
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Dass seitens der Antragstellerin eine Verschattungsstudie vorgelegt wurde, ändert daran nichts. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Ermittlung der abwägungserheblichen Belange der Gemeinde obliegt. In Ermangelung verbindlicher normativer Vorgaben zur Beurteilung der Zumutbarkeit einer Verschattung, richtet sich die von § 2 Abs. 3 BauGB geforderte Ermittlungstiefe nach den Maßstäben praktischer Vernunft unter Beachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Von der Gemeinde muss daher zur Abschätzung der Zumutbarkeit einer planbedingten Verschattung eine in der konkreten Situation angemessene und aussagekräftige Ermittlung der maßgeblichen Umstände und deren Bewertung verlangt werden. Entscheidend ist‚ dass die abwägende Gemeinde diejenigen Kriterien erkannt und ihrer Abwägung zugrunde gelegt hat‚ die dem allgemeinen Kenntnisstand und allgemein anerkannten Prüfungsmethoden entsprechen (BayVGH, U.v. 18.7.2014 - 1 N 13.2501 - juris). Es kann dahinstehen, ob die seitens der Antragstellerin vorgelegten Verschattungspläne diesen Anforderungen genügen, da sich die Beigeladene zu 1) darauf zurückgezogen hat, die vorgelegten Verschattungspläne als fehlerhaft zu verwerfen.
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Zwar spricht grundsätzlich vieles dafür, dass seitens der Beigeladenen zu 1) weitere Ermittlung notwendig gewesen wären. Um jedoch abwägungsfähiges Material zu erhalten, muss der Ist-Zustand nach den Festsetzungen im Bebauungsplan mit dem nach Änderung der Festsetzungen maximal möglichen Baukörper, der das festgesetzte Baurecht - aus Sicht der Antragstellerin zu deren Nachteil - weitest möglich ausschöpft, gegenübergestellt werden (BayVGH, U.v. 31.1.2013 - 1 N 11.2087; 1 N 11.2088; 1 N 11.2142 - juris). Die Klärung, was überhaupt der Ist-Zustand ist und ob ein solcher Ist-Zustand sich im Hinblick auf die Festsetzungen zu den Wandhöhen auf dem Grundstück der Antragstellerin überhaupt hinreichend eindeutig bestimmen lässt, ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die Festsetzungen eines Bebauungsplans als Rechtsnorm im materiellen Sinn müssen grundsätzlich den aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Geboten der Bestimmtheit und Normenklarheit entsprechen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit begründet die Unwirksamkeit der Festsetzung, ohne dass es auf §§ 214, 215 BauGB ankommt. Die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit fehlt nicht schon dann, wenn die Festsetzung der Auslegung bedarf. Es ist ausreichend, wenn der Inhalt des Bebauungsplans durch Auslegung ermittelt werden kann, wobei die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut beschränkt wird. Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Plangebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Satzungstext einen Niederschlag gefunden hat (BayVGH, U.v. 15.6.2021 - 15 N 20.1650 - BeckRS 2021, 16241). Ob die Festsetzung des Bezugspunkts betreffend das Grundstück der Antragstellerin diesen Anforderungen genügt, ist fraglich. Der Bebauungsplan „…“ sieht auf dem Grundstück der Antragstellerin sowohl Carports als auch eine Tiefgarage mit festgelegter Zufahrt an der nördlichen Grundstücksgrenze (tatsächliche Zufahrt zur Tiefgarage nach Lichtbildern wohl an der östlichen Grundstücksgrenze) vor. Nach den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 7. September 2020, Az. 15 CE 20.1631 Rn. 20, auf die Bezug genommen wird, wurde bei Erteilung der Baugenehmigung an die Antragstellerin als Wandhöhenbezugspunkt am Fahrbandrand die Mitte der Zufahrt zu den Carports am Degelberg angesetzt. Der Frage, ob der Bezugspunkt am Fahrbahnrand bei der Zufahrt zu den Carports zutreffend gewählt worden ist und sich für die Parzelle 61 überhaupt hinreichend eindeutig bestimmen lässt, da sowohl eine Tiefgarage mit einer wesentlich tiefer liegenden Zufahrt als auch Carports vorgesehen sind, ist im Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen (BayVGH, B.v. 7.9.2020 - 15 CE 20.1631 - juris). Sollte der Bezugspunkt falsch gewählt worden oder die Festsetzungen zur Höhe nicht hinreichend bestimmbar sein, wäre zu klären, ob seitens der Antragstellerin ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der „Ist-Verschattung“ besteht. Auch der Frage, ob die Verschattung durch die Antragstellerin „verursacht“ worden sei, da sie so tief in den Hang gebaut habe, ist ggf. im Hauptsacheverfahren nachzugehen, insbesondere im Hinblick auf die textliche Festsetzung Nr. 5.2 des Bebauungsplans „…“ in Form seiner 1. Änderung vom 16. Januar 2016, die die Parzelle Nr. 61 bezüglich der Höhenbeschränkung von notwendigen Stützmauern explizit ausnimmt und die Errichtung von Stützmauern zur öffentlichen Verkehrsfläche im Norden sowie zum öffentlichen Grünzug im Osten bis zu einer Höhe von 3 m für zulässig erklärt.
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Die Nichteinholung einer notwendigen Verschattungsstudie wäre im Übrigen ein beachtlicher Abwägungsfehler gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Der Abwägungsfehler ist nach den Planunterlagen offensichtlich und es besteht die konkrete Möglichkeit, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre.
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2.3. Da durch die Ausführung des Vorhabens eine mehr als nur geringfügige Verletzung der Nachbarrechte der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden kann, fällt die Folgen- bzw. Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus. Bei der Folgen- und Interessenabwägung verkennt das Gericht nicht die gewichtigen Belange der Beigeladenen zu 2) und 3), insbesondere die finanziellen Folgen der weiteren Baueinstellung. Im Falle der unwirksamen Änderung eines Bebauungsplans ist jedoch der vorhandene Bebauungsplan unverändert weiter wirksam (EZBK/Söfker/Runkel, 143. EL August 2021, BauGB § 1 Rn. 253c-254b). Da das Bauvorhaben die dort festgesetzten nachbarschützenden Festsetzungen nicht einhält, kann eine Verletzung der Nachbarrechte der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden. Im Hinblick auf ggf. irreversible Folgen, wenn die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz von der in der Hauptsache abweicht, fällt die Abwägung zugunsten der Antragstellerin aus.
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Nach alledem ist der Antrag als unbegründet abzulehnen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 3 VwGO. Da der Antrag der Beigeladenen in der Sache keinen Erfolg hatte, war es sachgerecht, ihnen die Kosten des Verfahrens zu gleichen Teilen aufzuerlegen. Da sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner die Antragsablehnung beantragt und mithin obsiegt haben, sind sie an der Kostenlast nicht zu beteiligen.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5. und 9.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.