Titel:
Vergütung für Abwicklung einer Rechtsanwaltskanzlei
Normenketten:
BRAO § 55 Abs. 3
BRAO § 53 Abs. 10 (idF bis zum 31.7.2021)
Leitsätze:
1. Anhaltspunkt für die Bemessung der Abwicklervergütung ist das Gehalt, das für einen Angestellten oder freien Mitarbeiter in einer Anwaltspraxis bei Berücksichtigung regionaler Unterschiede bezahlt wird. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach dem statistischen Berichtssystem für Rechtsanwälte STAR 2020 betrug das durchschnittliche Bruttoeinkommen eines angestellten Vollzeitrechtsanwalts im Wirtschaftsjahr 2018 in Westdeutschland 78.000 EUR. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abwicklervergütung, Bruttoeinkommen, Rechtsanwalt
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 21.12.2022 – AnwZ (Brfg) 16/22
Fundstellen:
BRAK-Mitt 2022, 233
DStRE 2023, 957
LSK 2022, 22203
BeckRS 2022, 22203
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 16.12.2020, Aktenzeichen: BIV 60114480, wird dahingehend abgeändert, dass die dem Kläger auf seinen Antrag zu gewährende Abwicklervergütung gem. § 55 Abs. 3 i. V. m. § 53 Abs. 10 BRAO a.F. auf 151.475,10 Euro brutto festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 31% und die Beklagte 69%.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert beträgt 175.995,00 Euro.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um eine von der Beklagten festzusetzende klägerische Abwicklervergütung.
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Der Kläger, Fachanwalt für Steurrecht mit 20-jähriger Berufserfahrung und Mitinhaber der Kanzlei ... in Bayreuth, war mit Verfügung der Beklagten vom 10.04.2019 zum Abwickler der schwerpunktmäßig im Verkehrs- und Arbeitsrecht tätigen Kanzlei des am 17.03.2019 überraschend verstorbenen Rechtsanwalts O. G aus Bayreuth bestimmt worden. Die Abwicklerbestellung wurde durch Verfügung der Beklagten vom 08.10.2019 bis zum 10.04.2020 verlängert.
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Der Kläger sowie dessen Kanzleikollegen leisteten im Rahmen der Abwicklertätigkeit im Zeitraum vom 10.04.2019 bis 10.04.2020 insgesamt 1.731,05 Arbeitsstunden, wobei der Kläger selbst ca. 17% der aufgewendeten Stunden ableistete, den Rest der Abwicklertätigkeit an Mitarbeiter delegierte. Der weit überwiegende Anteil der Arbeit wurde laut dem dem Senat vorliegenden Kostenblatt „174/19/OG/11 Abwicklung - RAin C. J.“ - von der Fachanwältin J erledigt.
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Es waren 986 noch laufende Verfahren abzuwickeln; 60 Aufträge wurden auf den Namen der alten Kanzlei angenommen.
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Zum 31.12.2018 bestanden Fremdgeldverbindlichkeiten der abzuwickelnden Kanzlei in Höhe von insgesamt rund 230.000,00 Euro. Entgegen seiner anwaltlichen Verpflichtung hatte Rechtsanwalt G nämlich bei ihm eingegangene Fremdgelder häufig nicht unverzüglich an die Berechtigten ausgekehrt oder auf einem Anderkonto verwahrt, sondern diese Zahlungseingänge für Ausgaben im Zusammenhang mit seinem Kanzleibetrieb oder für private Ausgaben verwendet.
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Offenbar um seine Liquiditätssituation zu verbessern, rechnete Rechtsanwalt G bei fast jedem neuen Mandat alle möglicherweise im Mandat entstehenden Gebühren als Vorschuss ab, wobei häufig ein zu hoher Gegenstandswert angegeben wurde.
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Auf der anderen Seite hatte der Rechtsanwalt Mandanten, mit denen er befreundet oder gut bekannt war, nicht selten zugesagt, diesen keinerlei Kosten für seine anwaltliche Tätigkeit zu berechnen.
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In zahlreichen Fällen hatte Rechtsanwalt G2 seine Mandanten nicht vollständig oder überhaupt nicht über die einzelnen Schritte der Sachbearbeitung informiert. So kam es wiederholt vor, dass der Rechtsanwalt gerichtliche Verfahren im Namen von Mandanten betrieb, ohne dass diese hiervon überhaupt Kenntnis hatten.
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Die Aktenführung des Anwalts war vielfach unvollständig und unübersichtlich. So fanden sich häufig keine Angaben über die Kommunikation zwischen ihm und den Mandanten. Nicht selten ergab sich aus der Anwaltsakte nicht, ob Korrespondenz mit dem Gericht oder der Gegenseite überhaupt an den eigenen Mandanten weitergeleitet worden war. Absprachen zur Vergütung waren selten, Absprachen bezüglich eines Vergütungsverzichts niemals dokumentiert. In zahlreichen Mandaten musste deshalb im Rahmen der Abwicklung erst mühsam der Inhalt des Mandats und der Absprachen zwischen den Mandanten und dem Rechtsanwalt erarbeitet werden.
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Zum 25.03.2019 war vor dem Kläger bereits Frau Rechtsanwältin C. J., die in der abzuwickelnden Kanzlei als angestellte Rechtsanwältin tätig war, von der Beklagten zur Abwicklerin der Kanzlei des verstorbenen Rechtsanwalts bestellt worden.
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Bei Rechtsanwältin J. handelte es sich um eine angestellte Fachanwältin, die nicht Außensozia war. Es fand sich auch keine Vollmachtserteilung für Rechtsanwältin J. in Einzelakten.
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Nachdem die Rechtsanwältin mit der Aufgabe, die Kanzlei abzuwickeln, offenbar überfordert war, erlitt sie am 29.03.2019 einen Zusammenbruch und war zunächst arbeitsunfähig.
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Weil Rechtsanwältin J. und drei Rechtsanwaltsfachangestellte der abzuwickelnden Kanzlei Gs sich am 02.04.2019 bei der Kanzlei des Klägers persönlich vorgestellt und um Beschäftigung angefragt hatten, beschloss die klägerische Kanzlei ein Verkehrsrechtsreferat mit diesen Personen aufzubauen.
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Mit Schreiben vom 11.07.2019 informierte der Kläger die Beklagte über die problematische Gesamtsituation der abzuwickelnden Kanzlei. Mit Schreiben vom 04.10.2019 lehnte der Kläger gegenüber der Beklagten ab, eine Verlängerung der Abwicklertätigkeit zu beantragen. Mit Schreiben vom 08.10.2019 wurde der Kläger von der Beklagten dennoch erneut zum Abwickler bestellt.
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Das Bruttogesamtgehalt, das die Kanzlei im Kalenderjahr 2020 einem angestellten Rechtsanwalt bezahlte, betrug 113.405,91 Euro. Der von der Kanzlei des Klägers normalerweise verlangte Stundensatz beträgt 250,00 Euro.
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Eine Einigung über die Höhe der Abwicklervergütung mit dem Erben des verstorbenen Rechtsanwalts Gs ist bisher nicht erfolgt.
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Der Kläger beantragt zuletzt (Bl. 85 d.A.):
1. Der Bescheid des Vorstandes der Beklagten vom 16.12.2020, Aktenzeichen BIV 60114480, wird abgeändert.
2. Als Vergütung für die Tätigkeit des Klägers als Abwickler der Kanzlei des verstorbenen Rechtsanwalts G wird ein Betrag von 205.995,00 Euro festgesetzt. Dieser Betrag beinhaltet die gesetzliche Umsatzsteuer.
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Die Beklagte beantragt Klageabweisung und führt aus, bei der Festsetzung einer angemessenen Vergütung sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit eines Abwicklers eine Berufspflicht darstelle, die im Interesse des Berufsstandes und der Rechtspflege geleistet und von der Gemeinschaft der Rechtsanwälte des jeweiligen Bezirks bezahlt werde. Es sei daher bei der Vergütungsfestsetzung eine signifikante Reduzierung gegenüber dem Durchschnittshonorar eines Rechtsanwalts geboten. Als Orientierungswert diene das Gehalt, das für einen angestellten Rechtsanwalt oder einen freien Mitarbeiter in einer Anwaltskanzlei gezahlt werde. Sie habe in von ihr bereits zu entscheidenden Fällen mitunter zwischen 55,00 Euro und 75,00 Euro pro Stunde als Abwicklervergütung zugrundegelegt. Das durchschnittliche Monatsbrutto für einen angestellten Rechtsanwalt im Gerichtsbezirk Bayreuth betrage im Übrigen 4.500,00 Euro.
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Es stelle sich für die Beklagte überdies die Frage, ob der pauschal aufgeführte Zeitaufwand nur mit der Abwicklung des Nachlassaktenbestandes zu tun habe. Es sei genau zu prüfen, inwieweit in einzelnen Akten Abwicklungstätigkeit erforderlich gewesen sei.
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Möglicherweise hätten auch Akten an die angestellte Rechtsanwältin weitergegeben werden können.
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Die Kanzlei sei ordentlich organisiert, eine Kanzleistruktur sei vorhanden gewesen. Schwebende Mandate seien bearbeitet worden.
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Für die Ersterfassung einer Akte seien mithin zehn Minuten ausreichend gewesen.
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Es werde bestritten, dass es sich bei den geltend gemachten Arbeitsstunden um reine Abwicklertätigkeit gehandelt habe.
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In der öffentlichen Sitzung des Senats vom 21.02.2022 schlossen die Parteien einen bedingten Vergleich, der mit Schriftsatz der Beklagten vom 23.03.2022 widerrufen wurde.
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Obwohl den Parteien eine Schriftsatzfrist nicht nachgelassen war, trug die Beklagte mit Schriftsatz vom 23.03.2022 insbesondere vor, das durchschnittliche Bruttojahresgehalt eines angestellten Anwalts im Landgerichtsbezirk Bayreuth betrage zwischen 54.000 Euro und 60.000 Euro.
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Die Tätigkeit der seit 10 Jahren zugelassenen Rechtsanwältin J. sei von der Kanzlei des Klägers mit monatlich 4.052 Euro brutto vergütet worden.
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Mit Beschluss vom 25.01.2022 hat der Senat den Insolvenzverwalter über den Nachlass des O Gs beigeladen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst den umfangreichen Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll vom 21.02.2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die gem. §§ 112c BRAO, 42 Abs. 1, 1. Altern. VwGO statthafte Anfechtungsklage ist gem. § 112c BRAO i.V. m. §§ 74 Abs. 2, 75 VwGO form- und fristgerecht erhoben. Sie ist damit zulässig. Gem. Art. 15 BayAGVwGO war ein Vorverfahren nicht erforderlich.
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II. Die Klage hat auch in weitem Umfang Erfolg: Der Bescheid der Beklagten vom 16.12.2020, Aktenzeichen: BIV 60114480 ist dahingehend abzuändern, dass die dem Kläger auf seinen Antrag zu gewährende Abwicklervergütung gem. § 55 Abs. 3 i.V. m. § 53 Abs. 10 BRAO a.F. auf 151.475,10 Euro brutto festgesetzt wird.
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Grundlage für die Festsetzung der Abwicklervergütung durch die Beklagte sind §§ 55 Abs. 3, 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO a.F.. Nach diesen Vorschriften setzt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer auf Antrag des Vertreters die Vergütung fest, wenn sich die Beteiligten über die Vergütungshöhe nicht einigen.
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Gem. §§ 55, 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO a.F. ist eine angemessene Vergütung geschuldet.
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Der Begriff der angemessenen Vergütung i. S. v. § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO a.F. ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Nachprüfung durch den Senat unterliegt. Für ihre Festsetzung sind im Wesentlichen der Zeitaufwand, den der Abwickler für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt, seine berufliche Erfahrung und Stellung sowie die Schwierigkeit und Dauer der Vertretung von Bedeutung.
34
Anhaltspunkt für die Bemessung ist das Gehalt, das für einen Angestellten oder sogenannten freien Mitarbeiter in einer Anwaltspraxis bei Berücksichtigung regionaler Unterschiede bezahlt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2019, Az: AnwZ (Brfg) 52/19, zitiert nach BeckRS 2019, 30600, Rn. 6).
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a) Unbestritten hat der Kläger mit seinen anwaltlichen Mitarbeitern insgesamt 1.731,05 Stunden über einen Zeitraum von einem Jahr im Aktenbestand der abzuwickelnden Kanzlei bei 986 noch laufenden Verfahren gearbeitet.
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Vor dem Hintergrund der vom Kläger im Einzelnen geschilderten Bearbeitungs- und Abwicklungssowie Strukturmängel erscheint dem Senat eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer von 1 Stunde 45 Minuten pro Verfahren keinesfalls übersetzt, der Gesamtaufwand von 1.731 Stunden für die Abwicklung der Mandate schlüssig und plausibel. Der Senat teilt angesichts der detaillierten und nachvollziehbaren klägerischen Angaben zur Aktenführung, Mandatsführung und Mandatsabwicklung der abzuwickelnden Kanzlei, denen die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist, insbesondere nicht die Auffassung der Beklagten, die abzuwickelnde Kanzlei sei ordentlich organisiert gewesen.
37
Angesichts der vom Kläger plastisch geschilderten zahlreichen Missstände in der Mandatsbearbeitung und -abwicklung muss die Kanzleistruktur vielmehr als ungeordnet, die Organisation als mängelbehaftet und undurchsichtig bezeichnet werden.
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Der Kläger hat überdies Arbeitszeiten für Aktenbearbeitung, Prüfungen und Besprechungen sowie die Wahrnehmung von Gerichtsterminen im Einzelnen erfasst und stundenmäßig aufgeführt.
39
Dem allen ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Es bestand - auch in Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes - für den Senat keine Notwendigkeit - wie von der Beklagten anheim gegeben - die für jede Akte im Einzelnen aufgewendete Arbeitszeit des Klägers aufzuklären.
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Der Vortrag der Beklagten, es handele sich bei den vom Kläger entwickelten Tätigkeiten nicht um reine Abwicklertätigkeiten, erfolgt ins Blaue hinein:
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Angesichts der in der abzuwickelnden Kanzlei herrschenden Zustände besteht nämlich keinerlei Anlass für die von der Beklagten angedeutete Vermutung, der Kläger habe einen Teil des von ihm geltend gemachten Zeitaufwandes für den Aufbau des Verkehrsreferats unter Übernahme eines Teils des Aktenbestandes der abzuwickelnden Kanzlei in der eigenen Kanzlei genutzt.
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Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach dem „Abwicklerlexikon“ der Bundesrechtsanwaltskammer der Abwickler einen weit gefassten Pflichtenkatalog abzuarbeiten hat:
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So ist er den Mandanten gegenüber zur Erfüllung sämtlicher Anwaltspflichten aus dem Mandatsverhältnis verpflichtet, wie sie für den früheren Rechtsanwalt begründet waren. Er muss für ordnungsgemäße Rechtsberatung und Vertretung sorgen und ist verpflichtet, den Mandanten Auskunft, Einsichtnahme und Herausgabe der Handakten zu gewähren. Er hat vorrangig den Schutz und die Interessen der Mandanten zu beachten.
44
Nachdem es sich bei der in der abzuwickelnden Kanzlei Gs angestellten Fachanwältin Rechtsanwältin J. um keine Außensozia handelte und sich in den Einzelakten keine Vollmachtserteilung an Rechtsanwältin J. befand, war es auch nicht möglich, die Anzahl der abzuwickelnden Akten dadurch zu verringern, dass ein Teil dieser Akten ausgesondert und auf Rechtsanwältin J. übertragen worden wäre.
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b) Zwar ist ein Stundensatz für die Arbeit des Klägers grundsätzlich kein geeigneter Ansatzpunkt für die Vergütungsbemessung (vgl. AGH Brandenburg, Urteil vom 29.11.2010, Az: AGH I 1/10). Dennoch ist sowohl der Zeitaufwand (s.o. unter a)), den der Vertreter für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt, als auch das für den Abwickler zu erwartende Gehalt von wesentlicher Bedeutung für die Festsetzung der Vergütung (BGH, Beschluss vom 11.11.2019, Az: AnwZ (Brfg) 52/19, Rn. 6). Hierbei ist grundsätzlich vor der Ermittlung der Gesamtvertretervergütung zunächst eine monatliche Pauschalvergütung festzusetzen (vgl. BGH a.a.O., RN 19).
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Hinsichtlich der angemessenen monatlichen Pauschalvergütung des Klägers geht der Senat vom Durchschnittgehalt eines in Vollzeit in den westdeutschen Bundesländern angestellten Rechtsanwalts aus.
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Nach dem statistischen Berichtssystem für Rechtsanwälte STAR 2020 betrug das durchschnittliche Bruttoeinkommen eines angestellten Vollzeitrechtsanwalts im Wirtschaftsjahr 2018 in Westdeutschland 78.000,00 Euro (Quelle: www.brak.de/presse/zahlenundstatistiken/star/star-2020/durchschnittlischesbruttoeinkommenderangestelltenvollzeitrechtsanwaelte/).
48
Eine weitergehende Regionalisierung des durchschnittlichen Bruttoeinkommens war nicht veranlasst (vgl. zum Ganzen: BGH a.a.O., RN 25 bis 27):
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Insbesondere hat die Beklagte eine belastbare Erhebung zum im Landgerichtsbezirk Bayreuth durchschnittlich erzielten Bruttoeinkommen angestellter Rechtsanwälte mit aussagekräftiger Stichprobe und validen Daten für den Bezirk nicht vorgelegt.
50
Die Ausführungen der Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.03.2022 zum Bruttolohn der in der klägerischen Kanzlei angestellten Fachanwältin J sind in diesem Zusammenhang mangels validen, belastbaren und ausreichenden Datenmaterials unbehelflich.
51
Bei der Ermittlung der monatlichen Vergütungspauschale ist allerdings die zwanzigjährige Berufserfahrung des Klägers, seine Zusatzqualifikation als Fachanwalt für Steuerrecht und seine Position als Mitinhaber einer Kanzlei mitzuberücksichtigen.
52
Insoweit die Abwicklertätigkeit zum größten Teil von Rechtsanwältin J. vorgenommen wurde, handelt es sich bei ihr um eine Fachanwältin für den bei der Abwicklung in erheblichem Umfang zu bearbeitenden Bereich des Verkehrsrechts.
53
Weiter ist zu veranschlagen, dass die Vertretertätigkeit in Anbetracht der unübersichtlichen Akten- und Mandatsführung von überdurchschnittlicher Schwierigkeit war.
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Andererseits hat der Senat bei der Festsetzung der monatlichen Pauschale einzustellen, dass die monatliche Arbeitsbelastung mit 1.731,05 Stunden / 12 Monate = 144,25 Monatsarbeitsstunden um 17% unter der monatlichen Durchschnittsarbeitszeit von 173,9 Stunden lag und dass die Abwicklertätigkeit insoweit teilweise im Eigeninteresse des Klägers geschah, als dieser die Verkehrsrechtsabteilung der abzuwickelnden Kanzlei übernahm.
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Der Senat hält deshalb insgesamt eine Erhöhung der sich aus einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von 6.500,00 Euro (78.000 Euro / 12 Monate) ergebenden Monatspauschale um 50% für angemessen und ausreichend.
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Es ergibt sich somit eine erhöhte Monatspauschale in Höhe von (6.500,00 Euro x 1,5) = 9.750,00 Euro und mithin eine Jahresvergütung in Höhe von (9.750,00 Euro * 12) = 117.000 Euro. Diese ist zu erhöhen um einen Kanzleikostenanteil für den Anteil der selbständigen Tätigkeit des Klägers (vgl. BGH, a.a.O., RN 61) in Höhe von ca. 17% der 1.731 Arbeitsstunden, mithin für ca. 294 Stunden.
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Der Senat hält einen Kanzleikostenenteil in Höhe von 35,00 Euro pro Stunde, insgesamt also 10.290 Euro für angemessen (vgl. BGH, a.a.O., RN 61). Es ergibt sich mithin eine Nettovergütung in Höhe von insgesamt 127.290 Euro zzgl. 19% Umsatzsteuer hieraus in Höhe von 24.185,10 Euro, zusammen 151.475,10 Euro brutto.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, 52 Abs. 1 GKG:.
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Die Differenz zwischen der vom Kläger beantragten Vergütung und der von der Beklagten mit Bescheid vom 16.12.2020 zugesprochenen Vergütung beträgt: 205.995 Euro - 30.000 Euro = 175.995 Euro.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO: Nachdem der Kläger bei einem Streitwert von 175.995 Euro mit 121.475,10 Euro obsiegt, trägt die Beklagte 69% der Kosten des Rechtsstreits.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt aus §§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 167 VwGO i.V. m. 709 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor, §§ 112e BRAO, 124 Abs. 2 VwGO: Es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalls, der insbesondere keine besonderen tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist und in der der Senat nicht von der obergerichtlichen bzw. höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.