Titel:
Zwangsgelder bei Verstoß gegen Maulkorbzwang
Normenketten:
BayVwZVG Art. 29, Art. 30, Art. 31, Art. 36, Art. 37
VwGO § 43
Leitsatz:
Für die Frage, ob ein angedrohtes Zwangsgeld (hier: Maulkorbpflicht) fällig geworden ist, ist es unerheblich, ob im Zeitpunkt des Verstoßes eine Gefährdung von Personen durch den Hund gegeben war bzw. ob das Tier zu diesem Zeitpunkt an der Leine geführt wurde. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Feststellungsklage, Zwangsgeldfälligstellung, Androhung eines erneuten Zwangsgeldes, Zwangsgeldhöhe, Anordnungen zur Hundehaltung, Hundehaltung, Maulkorbzwang, Maulschlaufe, Zwangsgeld, Höhe, Verdoppelung, Fälligstellung, fortgesetzte Weigerung, Ermessen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 08.08.2022 – 10 ZB 22.781
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22193
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich gegen die Fälligstellung eines angedrohten und die Androhung erneuter Zwangsgelder wegen nicht beachteter Anordnungen bezüglich ihrer Hundehaltung.
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Die Kläger waren Halter zweier Hunde, des Huskys „…“ und der Dogge „…“.
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Mit Bescheid vom 21.06.2018 verpflichtete der Beklagte die Kläger, ihren Husky „…“ innerhalb der geschlossenen Ortsteile im Gemeindegebiet des Beklagten, einschließlich des hauseigenen Grundstücks, an einer reißfesten Leine zu führen (Nr. 1 des Bescheids). Die Kläger wurden ferner verpflichtet, ihrem Hund der Rasse „Husky“ im gesamten Gemeindegebiet des Beklagten einen das Beißen sicher verhindernden Maulkorb anzulegen (Nr. 2 des Bescheids). Des Weiteren wurden die Kläger verpflichtet, für die Einhaltung der unter Nrn. 1 und 2 auferlegten Verpflichtungen auch dann zu sorgen, wenn von ihnen beauftragte Personen die tatsächliche Gewalt über den Hund ausüben (Nr. 3 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2 und 3 dieses Bescheids werde angeordnet (Nr. 4 des Bescheids). Falls die Kläger ihren Verpflichtungen aus Nrn. 1, 2 und 3 dieses Bescheides nicht nachkämen, werde bei Verstoß ein Zwangsgeld fällig und zwar bei Verstoß gegen die Anleinpflicht in Höhe von 100,00 EUR (Nr. 5.1. des Bescheids) und bei Verstoß gegen den Maulkorbzwang in Höhe von 75,00 EUR (Nr. 5.2. des Bescheids). Gegen diesen Bescheid vom 21.06.2018 legten die Kläger keinen Rechtsbehelf ein.
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In der Folgezeit stellte der Beklagte wegen diverser Verstöße gegen die Verpflichtungen aus Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 21.06.2018 mehrfach Zwangsgelder fällig und drohte für erneute Zuwiderhandlungen erhöhte Zwangsgelder an.
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Mit Schreiben vom 14.10.2020 stellte der Beklagte das (zuletzt angedrohte) Zwangsgeld von 1.200,00 EUR wegen Verletzung der Maulkorbpflicht zur Zahlung fällig. Weiter drohte der Beklagte in diesem Schreiben in Bescheidsform für künftige Verstöße erneut Zwangsgelder an, für einen Verstoß gegen die Anleinpflicht ein (unverändertes) Zwangsgeld von 200,00 EUR und für einen Verstoß gegen den Maulkorbzwang ein Zwangsgeld von 2.400,00 EUR. Eine von den Klägern gegen diese Zwangsgeldfälligstellung und die erneuten Zwangsgeldandrohungen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 20.04.2021 (Az.: B 1 K 20.1255) ab.
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Mit Schreiben vom 04.05.2021, zugestellt am 08.05.2021, stellte der Beklagte das im Bescheid vom 14.10.2020 angedrohte Zwangsgeld wegen Verletzung der Maulkorbpflicht zur Zahlung fällig. Die Kläger hätten gegen den festgesetzten Maulkorbzwang gemäß der dem Beklagten vorliegenden Zeugenaussage am 18.02.2021 wiederum verstoßen. Daher werde das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 2.400,00 EUR zur Zahlung fällig.
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Weiter drohte der Beklagte in diesem Schreiben vom 04.05.2021 in Bescheidsform erneut Zwangsgelder an. Falls die Kläger die Verpflichtung der Nrn. 1, 2 und 3 aus dem Bescheid vom 21.06.2018, wiederum nicht erfüllten, werde ein Zwangsgeld bei Verstoß gegen die Nr. 5.1. (Anleinpflicht) in Höhe von 200,00 EUR und bei Verstoß gegen die Nr. 5.2. (Maulkorbzwang) in Höhe von 4.800,00 EUR zur Zahlung fällig (Nr. 1). Die Kläger hätten die Kosten des Verfahrens zu tragen (Nr. 2). Für diesen Bescheid werde eine Gebühr von 30,00 EUR festgesetzt (Nr. 3). Die Auslagen betrügen 4,20 EUR (Nr. 4). Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG, weil die vorangegangene Androhung des Zwangsgeldes erfolglos geblieben sei. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG könnten Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt sei. Da die Androhung des Zwangsgeldes einen Leistungsbescheid i.S.d. Art. 23 VwZVG enthalte, könne das Zwangsgeld im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden, ohne dass es eines neuen Bescheids bedürfe.
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 07.06.2021, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhoben die Kläger Klage und beantragten,
den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2021 aufzuheben.
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Zur Begründung bringen die Kläger im Wesentlichen vor, dass die angesetzte Höhe des Zwangsgeldes unangemessen hoch sei. In der konkret gerügten Situation sei keine konkrete Gefährdung für Leib oder Leben einer Person ersichtlich. Der Hund sei an der Leine geführt worden, was schon eine erhebliche Sicherung gegen Beißübergriffe darstelle.
10
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 27.09.2021,
11
In der am 25.01.2022 durchgeführten mündlichen Verhandlung haben die Kläger erklärt, dass der Verstoß gegen die Maulkorbpflicht nicht zugegeben werde. Der Hund habe eine Maulschlaufe getragen (vgl. S. 3 oben des Sitzungsprotokolls). Das Gericht hat daraufhin zu dem in Rede stehenden Verstoß Herrn T. - den Geschäftsleiter des Beklagten - in der mündlichen Verhandlung als Zeugen gehört. Im Übrigen wird bezüglich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2022 auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichts- und Behördenakten des vorliegenden Verfahrens sowie des beigezogenen Verfahrens B 1 K 20.1255 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Auslegung des Klagebegehrens gemäß § 88 VwGO ergibt, dass die Kläger die Feststellung begehren, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 04.05.2021 mitgeteilte Fälligkeit des mit Schreiben/Bescheid vom 14.10.2020 angedrohten Zwangsgelds in Höhe von 2.400,00 EUR nicht eingetreten ist. Zudem begehren die Kläger die Aufhebung der weiter im Schreiben des Beklagten vom 04.05.2021 in Bescheidsform erfolgten erneuten Zwangsgeldandrohungen und der dazu ergangenen Nebenentscheidungen.
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Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der Beklagte hat zu Recht mit Schreiben bzw. Bescheid vom 04.05.2021 das angedrohte Zwangsgeld von 2.400,00 EUR fällig gestellt und für einen Verstoß gegen die Anleinpflicht ein (unverändertes) Zwangsgeld von 200,00 EUR und für einen (erneuten) Verstoß gegen den Maulkorbzwang ein Zwangsgeld von 4.800,00 EUR angedroht. Die Klage ist daher abzuweisen.
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a) Das im Bescheid des Beklagten vom 14.10.2020 angedrohte Zwangsgeld für den Fall eines (erneuten) Verstoßes der Kläger gegen die in Nr. 2 des Bescheids vom 21.06.2018 angeordnete Maulkorbflicht ist fällig geworden.
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Nach der durchgeführten mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger zu 1 den Husky „…“ am 18.02.2021 gegen 08:30 Uhr ohne Maulkorb auf öffentlichem Grund im Gemeindegebiet des Beklagten ausgeführt hat. Dies hat der glaubwürdige Zeuge T. in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgesagt (vgl. S. 4 f. des Sitzungsprotokolls). Herr T. hat die Begegnung mit dem Kläger zu 1 und seinen Hunden am 18.02.2021 widerspruchsfrei und detailgenau beschrieben. Anhaltspunkte dafür, dass die Aussage nicht dem tatsächlichen Geschehen entsprechen würde, sind nicht erkennbar. Der Zeuge T. hat damit seine Wahrnehmungen bestätigt, die er bereits in einer E-Mail an den zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten unmittelbar nach dem Vorfall am 18.02.2021 geschildert hat. Auch im Hinblick darauf, dass der Zeuge der Geschäftsleiter des Beklagten ist und seit längerer Zeit sicherheitsrechtliche Verfahren des Beklagten gegen die Kläger wegen deren Hundehaltung laufen, sieht das Gericht keinen Grund, an der Richtigkeit dieser ruhig und sachlich getätigten Aussage zu zweifeln.
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Zwar machen die Kläger geltend, dass der Husky zu dem in Rede stehenden Zeitpunkt eine Maulschlaufe getragen habe, so dass nicht gegen die Maulkorbpflicht verstoßen worden sei. Für das Gericht ergeben sich aber keine Zweifel am Verstoß der Kläger gegen die angeordnete Maulkorbpflicht am 18.02.2021. Aufgrund der Aussage des Zeugen T. steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Husky „…“ zu dem in Rede stehenden Zeitpunkt jedenfalls keine Maulschlaufe getragen haben kann, die dem gewöhnlichen Erscheinungsbild eines Maulkorbs nur annährend entspricht. Der Zeuge T. hat hierzu explizit ausgeführt: „Bei dem Aufeinandertreffen habe ich weder eine Maulschlaufe noch einen Maulkorb an den Hunden bemerkt.“ (vgl. S. 3 unten des Sitzungsprotokolls).
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Zudem hätte eine Maulschlaufe auch nicht ausgereicht, um der vom Beklagten angeordneten Maulkorbpflicht zu entsprechen. Dies hätte den Klägern auch aus anderen Verwaltungsstreitverfahren der Beteiligten bezüglich der Maulkorbpflicht klar gewesen sein müssen, so dass sie ihren Hunden am 18.02.2021 einen gewöhnlichen Maulkorb hätten anlegen müssen. Diese Feststellung hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Beschluss vom 03.04.2020 (Az.: 10 C 19.1978 und 10 C 19.1979) getroffen, mit welchem den Klägern die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten in den vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth geführten Verfahren B 1 K 18.1170 und B 1 K 19.205 versagt wurde.
20
Die Kläger haben damit gegen die in Nr. 2 des Bescheids des Beklagten vom 21.06.2018 verfügte und in Nr. 4 dieses Bescheids für sofort vollziehbar erklärte Maulkorbpflicht am 18.02.2021 verstoßen, so dass das im Schreiben/Bescheid des Beklagten vom 14.10.2020 angedrohte Zwangsgeld von 2.400,00 EUR fällig geworden ist. Hierfür ist es unerheblich, ob im Zeitpunkt des Verstoßes gegen die Maulkorbflicht am 18.02.2021 eine Gefährdung von Personen durch den Husky „…“ gegeben war bzw. ob der Husky zu diesem Zeitpunkt an der Leine geführt wurde.
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b) Die im Schreiben des Beklagten vom 04.05.2021 weiter in Bescheidsform vorgenommene erneute Androhung von Zwangsgeldern und die dazu getroffenen Nebenentscheidungen erfolgten rechtmäßig. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die im Schreiben bzw. Bescheid vom 04.05.2021 gegebene Begründung und macht sich diese zu eigen. Ergänzend wird hierzu ausgeführt, dass die vorgenommene Verdoppelung des Zwangsgelds bei einem (erneuten) Verstoß gegen die Maulkorbpflicht von 2.400,00 EUR auf 4.800,00 EUR angesichts der fortgesetzten Weigerung der Kläger, der angeordneten Maulkorbpflicht Folge zu leisten, jedenfalls vom Ermessensspielraum des Beklagten (Art. 31 Abs. 1 und 2 VwZVG) gedeckt ist und Ermessensfehler nicht erkennbar sind. Die Verdoppelung des Zwangsgelds erscheint auch dem Gericht als sachgerecht.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Als unterliegende Beteiligte haben die Kläger die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
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3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.