Inhalt

VG München, Urteil v. 07.04.2022 – M 12 K 20.6176
Titel:

Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen wegen Straffälligkeit

Normenketten:
AufenthG § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1a lit. b, § 58 Abs. 1, Abs. 3
ARB 1/80 Art. 7, Art. 13
GG Art. 6 Abs. 1
EMRK Art. 8
Leitsatz:
Gegen die Anwendung der ab 1.1.2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige bestehen auch mit Blick auf Art. 13 ARB 1/80 (sog. Stillhalteklausel) keine Bedenken. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung, Türkischer Staatsangehöriger, Gewaltdelikte, Türkei, Straftaten, Stillhalteklausel, Assoziationsabkommen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 12.08.2022 – 10 ZB 22.1511
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22190

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Tatbestand

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Der am … Januar 1989 in … geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
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Die Eltern des Klägers, türkische Staatsangehörige, und zwei jüngere Schwestern leben in Deutschland. Der Vater ist Arbeiter, die Mutter arbeitet als Küchenhilfe bei BMW. Der Kläger ist Mitglied in dem Motoradclub „...“ in …
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Der Kläger ist seit dem 17. März 2005 in Besitz einer Niederlassungserlaubnis.
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Am ... September 2015 heiratete der Kläger eine deutsche Staatsangehörige. Mit dieser hat er eine gemeinsame Tochter, die am ... September 2014 geboren wurde. Seine Ehefrau hat zudem eine weitere, am ... September 2008 geborene Tochter.
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Der Kläger schloss die Hauptschule mit einem teilqualifizierten Hauptschulabschluss ab. Anschließend machte er eine Ausbildung als Schreiner, die er aber wegen Alkohol- und Drogenproblemen abbrach. Danach war er für drei Monate geringfügig bei der Firma „...“ beschäftigt, wurde dort aber wegen Drogenkonsums entlassen. Es folgte eine dreimonatige Beschäftigung als PKW-Aufbereiter bei … über eine Leiharbeitsfirma. Im Alter von 20 Jahren begann der Kläger eine erneute Ausbildung zum Lackierer. Im zweiten Lehrjahr wurde ihm wegen Drogen- und Alkoholkonsums gekündigt. Im weiteren Verlauf war der Kläger bis zu seiner Verhaftung am 5. Mai 2015 bei … für ca. 2 Jahre beschäftigt. Nach Haftentlassung im Jahr 2016 arbeitete der Kläger erneut bei einer Firma als Lackierer, wo er wegen wiederholten Drogen- und Alkoholkonsums gekündigt wurde. Danach fand er eine Stelle bei …, wo er etwa fünf Monate arbeitete.
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Der Kläger konsumierte erstmals im Alter von 14 Jahren Marihuana, zunächst gelegentlich, später steigerte sich der Konsum. Mit 17 Jahren nahm er erstmals Kokain. Später nahm er nahezu täglich 1g Cannabis sowie an Wochenenden mehrere Konsumeinheiten Kokain. Den Kokainkonsum steigerte er bis zu einer täglichen Einnahme. Daneben konsumierte er auch immer wieder Dopingmittel, vorzugsweise verschiedene Anabolikapräparate. Gleichzeitig trank der Kläger regelmäßig Alkohol, zunächst tagsüber bis zu zwei Liter Bier sowie bis zu einer Flasche Wein täglich. An Wochenenden trank er zusätzlich Wodka, Whiskey und andere Spirituosen. Im Jahr 2016 begann er eine ambulante Drogentherapie, die aber wegen mehrfacher Rückfälle abgebrochen wurde.
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Strafrechtlich ist der Kläger im Bundesgebiet bisher wie folgt in Erscheinung getreten:
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1. Amtsgericht … vom … April 2008, gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, 3 Wochen Dauerarrest und Verpflichtung zur Teilnahme an einem Anti-Aggressions-Kurs
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2. Amtsgericht … vom … August 2009, versuchte Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, 10 Monate Jugendstrafe zur Bewährung
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Aufgrund dieser Verurteilung wurde der Kläger am 25. August 2009 ausländerrechtlich verwarnt.
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3. Amtsgericht … vom … November 2010, Nötigung in Tatmehrheit mit Beleidigung, 1 Jahr und 2 Monate Jugendstrafe zur Bewährung
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4. Amtsgericht … vom … Oktober 2011, vorsätzliche Körperverletzung, 180 Tagessätze
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5. Amtsgericht … vom … Oktober 2014, unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, 1 Jahr 4 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung. Die Strafaussetzung wurde mit Beschluss vom 14. Oktober 2019 widerrufen.
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Aufgrund dieser Verurteilung wurde der Kläger am 7. Januar 2015 ausländerrechtlich verwarnt.
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6. Landgericht … vom … Februar 2016, Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Arzneimitteln in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport, 1 Jahr 7 Monate Freiheitsstrafe. Mit Beschluss vom 22. November 2016 wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt. Die Strafrestaussetzung wurde mit Beschluss vom 17. Juli 2019 widerrufen.
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Aufgrund dieser Verurteilung wurde der Kläger mit Schreiben vom 19. September 2016 zur beabsichtigten Ausweisung angehört. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2016 wurde von der Ausweisung abgesehen und der Kläger erneut ausländerrechtlich verwarnt.
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7. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft … vom ... Mai 2018 wurde in einem Ermittlungsverfahren wegen versuchter Urkundenfälschung gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen.
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8. Landgericht … vom … Januar 2019, vorsätzliche Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung in vier tateinheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, 7 Jahr 9 Monate Gesamtfreiheitsstrafe.
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Hintergrund war, dass der Kläger am 27. Januar 2017 die Diskothek „...“ in … besuchte. Infolge des Konsums von Alkohol und Drogen war seine Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar erheblich vermindert. Gegen 3:45 Uhr kam es zu einer ersten Auseinandersetzung mit zwei unbekannten Männern auf der Tanzfläche des Clubs. Nach einem kurzen Gespräch versetzte der Kläger unvermittelt einem der beiden Männer einen wuchtigen Schlag mit der rechten Faust ins Gesicht, woraufhin dieser zu Boden stürzte. Unmittelbar danach versetzte der Kläger dem zweiten Geschädigten einen Faustschlag in das Gesicht; mit einem weiteren Faustschlag verfehlte er ihn nur knapp. Dieser taumelte daraufhin, fiel aber nicht zu Boden. In der Folge entwickelte sich zwischen den beiden ein Gerangel, im Rahmen dessen der Kläger dem zweiten Geschädigten noch mehrere Schläge gegen den Körper versetzte, bis dieser ebenfalls zu Boden ging. Anschließend wurde der Kläger von Sicherheitsmitarbeitern über den Hinterausgang aus dem Club nach draußen begleitet. Gegen 3:54 Uhr verschaffte sich der Kläger wieder unerlaubt über den Hinterausgang Zutritt zum Gelände, indem er die dortige Gittertüre eintrat. Auf dem Weg in den Club traf er den Geschädigten C., der sich zu dieser Zeit hinter der Gittertüre an der Treppe beim Rauchen befand. Der Kläger schubste den C. unerwartet wuchtig die Treppe im Außenbereich der Diskothek hinunter. Der Geschädigte stürzte dabei ungeschützt etwa zehn Stufen, davon im unteren Teil mit dem Rücken voran, hinab und kam erst am Ende der Treppe zum Liegen. Der Stoß die Treppe hinab war bei abstrakter Betrachtung geeignet, das Leben des C. zu gefährden. Durch den Sturz erlitt der Geschädigte eine Prellung des rechten Handgelenks und Schmerzen am linken Unterarm. Daraufhin eilte der Kläger zunächst weiter und schubste einen weiteren unbekannten jungen Mann nach hinten, wobei der Kläger zur Ausführung des Stoßes die linke Hand in das Gesicht des Mannes und die rechte Hand gegen dessen Oberkörper stieß. Dadurch fiel der unbekannte Geschädigte unkontrolliert nach hinten und stürzte zu Boden und erlitt ebenfalls Schmerzen. Während Sicherheitsmitarbeiter versuchten, den Kläger festzuhalten, konnte der Geschädigte C. wieder aufstehen und ging in Richtung des Klägers. Als dieser den C. erkannte, schlug er, obwohl er von Sicherheitsmitarbeitern festgehalten wurde, dem Geschädigten C. mehrmals mit dem linken Unterarm so kräftig in das Gesicht, dass dessen Kopf nach hinten geschleudert wurde und zog ihn an den Haaren. Als der Kläger schließlich losgelassen wurde, kam es mit weiteren unbekannten Besuchern zu einem Gerangel. Im weiteren Verlauf schlug der Kläger dem Geschädigten C. abermals mit der rechten Faust wuchtig in das Gesicht. Der Geschädigte ging aufgrund dieses Schlages unmittelbar zu Boden. Er erlitt eine Platzwunde an der Ober- und Unterlippe, die ärztlich versorgt werden musste.
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Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt in den Abendstunden des 30. Oktober 2017 besuchten der Kläger und die weiteren Angeklagten W. und A. zunächst gemeinsam die Diskothek „…“ in … Dort konsumierte der Kläger Alkohol und Kokain. In den frühen Morgenstunden des 31. Oktober 2017 begaben sie sich in die Diskothek „...“, in der der Kläger weitere alkoholhaltige Getränke zu sich nahm. Infolge des Konsums war die Steuerungsfähigkeit des Klägers nicht ausschließbar erheblich vermindert. Aus nicht näher bekannten Gründen kam es zu einem Streitgespräch zwischen dem Kläger, dem W. und einer weiteren unbekannten Person. Dabei schubste der W. diese nach hinten. In diese Auseinandersetzung griff der Geschädigte D. schlichtend ein, indem er die unbekannte Person ansprach und schließlich zur Seite brachte. Als sich der Geschädigte D. sodann wieder in Richtung des Klägers und des W. begab, ging der Kläger um 5:23 Uhr auf diesen zu und versetzte ihm unvermittelt mit der Faust oder dem Kopf einen Schlag gegen das Gesicht. Durch den Schlag prallte der Geschädigte nach hinten in Richtung des Geländers des erhöhten VIP-Bereichs, stürzte zu Boden und wurde sodann von weiteren Personen weggeführt. Unmittelbar darauf schlug der Kläger ohne erkennbaren Grund oder Anlass einem weiteren unbekannten Geschädigten mit der Faust mindestens zweimal kräftig in das Gesicht. Gleichzeitig kam der W., der das bisherige Geschehen beobachtet hatte, mit zwei Flaschen in der Hand hinzu und schlug dem unbekannten Geschädigten zunächst mit einer Flasche viermal in Richtung seines Gesichts. Die Schläge trafen dabei jeweils den Bereich der rechten Schulter. Die Verwendung der Flasche hatte der Kläger weder bemerkt noch billigend in Kauf genommen. Der unbekannte Geschädigte erlitt durch die Schläge mit der Faust und der Flasche Schmerzen und wich in den erhöhten VIP-Bereich zurück. In diesem Moment wurde der A. auf die Auseinandersetzung aufmerksam. In dem Willen, schlichtend in die Auseinandersetzung einzugreifen, eilte dieser zum Geschehen und versuchte erfolglos, den Kläger sowie den W. von weiteren Angriffen abzuhalten. Der W. stürmte sodann mit einem Satz die Stufen nach oben in den VIP-Bereich. Bei dem Sprung nach oben mit dem gestreckten Bein voraus versetzte der W. dem dort stehenden unbeteiligten Geschädigten V. einen Stoß mit dem beschuhten Fuß gegen den Bauch. Dem unbekannten Geschädigten versetzte er mit der rechten Faust einen Schlag in den Nackenbereich. Ebenso begab sich der Kläger entsprechend und in Ausführung des zuvor gefassten gemeinsamen Tatentschlusses auf den erhöhten Bereich und schlug auf den unbekannten Geschädigten zusammen mit dem W. mehrfach weiter mit den Fäusten ein. Dabei griff auch der A. in das Geschehen ein und begab sich zu diesem Zwecke ebenfalls auf den erhöhten VIP-Bereich. Dort versetzte er aufgrund eines mit den weiteren Mittätern spontan gefassten gemeinsamen Tatentschlusses dem unbekannten Geschädigten ebenfalls mindestens sechs kräftige Schläge mit der Faust auf den Rücken. Anschließend verlagerte sich die körperliche Auseinandersetzung, in die nunmehr mehrere Personen, unter anderem auch die Geschädigten S. V. und A. V., einbezogen waren, in die Mitte des oberen VIP-Bereichs, wobei der Kläger zumindest dem Geschädigten S. V. mit der Faust wuchtig in das Gesicht schlug. Gegen 5:25 Uhr gelang es den Security-Mitarbeitern schließlich kurzzeitig, die Beteiligten zu trennen. Der Kläger wurde in Richtung Ausgang begleitet. Auf dem Weg dorthin sah der Kläger erneut den Geschädigten D., drängte sich zu diesem und versetzte ihm erneut einen wuchtigen Schlag mit der rechten Faust gegen das Gesicht, woraufhin dieser zu Boden stürzte. Der A. eilte dem Kläger unterstützend zu Hilfe und trat mit einem beschuhten Fuß nach dem Geschädigten D. Unmittelbar im Anschluss wurden der Kläger sowie der A. von zahlreichen weiteren Personen festgehalten und abgedrängt. Um 5:29 Uhr befand sich der Geschädigte D. an einem Sperrgitter vor dem Haupteingang des Lokals, als sich der Kläger und der W. eilig vom Hinterausgang näherten. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend warf der Kläger zunächst einen unbekannten Gegenstand nach dem Geschädigten D., der sich jedoch duckte. Der Kläger schubste eine weitere Person kräftig mit der rechten Hand zur Seite. Als der Geschädigte D. zu flüchten versuchte, setzte der Kläger ihm nach und schlug ihm die Faust wuchtig in das Gesicht, sodass dieser zu Boden ging. Sodann trat und schlug der Kläger mehrmals nach dem auf dem Boden liegenden Geschädigten D., wobei der Kläger bei den Tritten Turnschuhe trug. Unterdessen packte der W. ein massives Sperrgitter, wuchtete dieses in Richtung des Geschädigten D. und traf diesen am Rücken. Anschließend packte der W. ein weiteres Sperrgitter und schlug es mit der Seitenkante gegen den Rücken des bereits am Boden liegenden Geschädigten D. Sodann packte der W. einen Hocker, hob ihn hoch und schmetterte ihn neben dem Geschädigten auf den Boden. Als der Geschädigte D. aufstehen wollte, setzten ihm der Kläger sowie der W. erneut nach, indem beide weiterhin in Ausführung ihres Tatplans mehrfach mit den Fäusten gegen den Kopf des Geschädigten schlugen und ihn traten, sodass dieser erneut zu Boden ging. In diesem Moment eilte der Geschädigte A. V. herbei und schlug nach dem W., um dem Geschädigten D. zu helfen. Dabei verlor der Geschädigte A. V. das Gleichgewicht und stolperte zu Boden. Während der W. von weiteren Personen abgedrängt und festgehalten werden konnte, rannte der Kläger zu dem Geschädigten A. V. und versetzte diesem zunächst einen Tritt mit dem rechten Fuß gegen die linke Hüfte, sodann zwei kräftige Schläge mit der linken Faust gegen den Körper und im Anschluss einen Haken mit der rechten Faust von unten gegen das Kinn, worauf dieser zu Boden ging. Sodann nahm der Kläger ein bis zwei Schritte Anlauf und versetzte dem Geschädigten A. V. einen wuchtigen Fußtritt gegen den Kopf. Im Anschluss versetzte er dem Geschädigten einen weiteren Fußtritt gegen den Kopf, den er von oben herab ausführte. Der Kläger ließ erst von dem Geschädigten A. V. ab, als er von dem A. und einer weiteren Person abgedrängt wurde. Sämtliche Geschädigte erlitten durch die jeweiligen Angriffe erhebliche Schmerzen. Der Geschädigte S. V. erlitt zudem eine horizontal verlaufende Riss-Quetsch-Wunde am Nasenrücken und am linken Nasenflügel, die zu einer bleibenden sichtbaren Nabe führte. Der Geschädigte A. V. erlitt eine Schwellung im oberen Stirnbereich, an der rechten Wange und am Hinterkopf sowie Schürfungen im Gesicht. Der Geschädigte D. erlitt einen Bruch des linken Jochbeins mit einem Bruch des linken Augenhöhlenbodens und eine Abschürfung der Hornhaut des linken Auges. Er musste vom 6. November 2017 bis zum 8. November 2017 stationär in einem Krankenhaus behandelt und mehrfach operiert werden. Durch welche Handlungen die Verletzungen entstanden sind, konnte aufgrund der Vielzahl der ausgehenden Körperverletzungshandlungen in der Hauptverhandlung nicht eindeutig aufgeklärt werden.
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Bei der Strafzumessung wurde hinsichtlich der Taten, die als gefährliche Körperverletzung gewertet wurden, nach umfassender Abwägung sämtlicher relevanten Umstände die Annahme eines minder schweren Falls verneint. Für den Kläger sprachen sein von Reue und Schuldeinsicht getragenes Geständnis, die Entschuldigung bei den vernommenen Zeugen sowie die Tatsache, dass bei dem Geschädigten C. keine erheblichen Verletzungen entstanden und die Vorfälle am 27. Januar 2017 und 31. Oktober 2017 nicht widerlegbar im Zusammenhang mit einer alkohol- und drogenbedingten Enthemmung zu sehen sind. Auch lagen die Taten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits längere Zeit zurück und bei den Geschädigten sind aus den Vorfällen keine bleibenden Schäden in physischer und psychischer Hinsicht entstanden. Zudem wurde berücksichtigt, dass keiner der Geschädigten ein Strafverfolgungsinteresse zeigte. Zulasten des Klägers wurde gewertet, dass in allen Fällen die maßgebliche Aggression zunächst von ihm ausging und sein Verhalten Ausgangspunkt der Auseinandersetzungen war. Zu seinen Lasten sprach ferner in allen Fällen die Rücksichtslosigkeit und erhebliche Brutalität der Tatbegehung. Allen Taten war gemein, dass die entsprechenden Handlungen keinem auch nur im Ansatz nachvollziehbarem Motiv folgten. In dem Verhalten kam ein Geltungsdrang des Klägers, eine Lust an der Verletzung anderer sowie eine erhebliche kriminelle Energie zum Ausdruck. Ebenfalls wurde strafschärfend gewertet, dass der Kläger bereits erheblich und einschlägig in Erscheinung getreten ist, dass er im Zeitpunkt der Taten unter zweifach offener Bewährung stand, eine hohe Rückfallgeschwindigkeit vorlag, sowie dass am 31. Oktober 2017 in zwei Fällen tateinheitlich mehrere Körperverletzungen durch Misshandlung mehrerer Personen begangen wurden. Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte erschien die Annahme von minder schweren Fällen fernliegend, woran auch das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB nichts änderte. Allerdings nahm die Strafkammer aufgrund des Vorliegens der verminderten Schuldfähigkeit beim Kläger in allen ihm zur Last liegenden Fälle eine Strafrahmenverschiebung nach Maßgabe der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vor. Bei der Strafzumessung im engeren Sinn berücksichtigte die Kammer zudem, dass der Kläger in allen Fällen aufgrund des Konsums berauschender Mittel enthemmt war. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde für die Dauer von 18 Monaten angeordnet, da festgestellt wurde, dass beim Kläger die eingeschliffene Neigung vorliegt, immer wieder Rauschmittel zu sich zu nehmen und der Rauschmittelkonsum den Alltag des Klägers erheblich beeinflusst.
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Der Kläger war aufgrund dieses Sachverhalts vom 17. November 2017 zunächst in Untersuchungshaft, anschließend bis 20. Januar 2021 in Strafhaft. Seit dem 21. Januar 2021 befindet sich der Kläger im BKH …
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9. Landgericht … vom … Juli 2019, falsche uneidliche Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung in drei tateinheitlichen Fällen. Unter Einbeziehung der mit Urteil des Landgerichts … vom … Januar 2019 verhängten Einzelstrafen wurde der Kläger nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren und 3 Monaten verurteilt.
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Hintergrund war, dass der Kläger in dem Strafverfahren 2 Ks 127 Js 120781/17 am dritten Hauptverhandlungstag am 12. April 2018 als Zeuge befragt wurde. Während der Zeugenvernehmung war der Kläger nicht gewillt, an der Aufklärung im Rahmen seiner Zeugenpflicht mitzuwirken. Nach Belehrung über die Wahrheitspflicht und die Folgen nicht wahrheitsgemäßer Angaben machte der Kläger bewusst und gewollt unrichtige Angaben. Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Kläger sprechenden Umstände hielt das Gericht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für angemessen. Unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts … vom … Januar 2019 wurde eine nachträgliche Gesamtstrafe gebildet.
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Mit Schreiben vom 10. Juli 2020 wurde der Kläger zur beabsichtigten Ausweisung angehört.
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Nach dem Führungsbericht der JVA … vom … Juli 2020 ist der Kläger bisher disziplinarisch einmal in Erscheinung getreten, weil er sich unerlaubt tätowiert hat. Von den Bediensteten werde der Kläger als natürlich und ungezwungen wahrgenommen. Er werde als ruhig, freundlich und sicher beschrieben. Er sei gut ansprechbar, höflich und erkenne Autorität an. Seit dem 2. Juni 2020 werde er in einem Unternehmerbetrieb beschäftigt. Vom 7. Januar 2020 bis 29. Mai 2020 habe er am Kurs zum nachträglichen Erwerb des qualifizierenden Mittelschulabschlusses teilgenommen. Der Kurs sei aber auf Wunsch des Klägers beendet worden. Eine eingehende Indikationsprüfung am 19. August 2019 habe ergeben, dass vorliegend eine Sozialtherapie für Gewaltstraftäter nicht angezeigt sei. Im Mittelpunkt der therapeutischen Bemühungen solle die Suchtmittelproblematik stehen, auch wenn kein schädlicher Gebrauch und keine Abhängigkeitserkrankung vorlägen. Vielmehr bestehe nach dem psychiatrischen Sachverständigen eine eingeschliffene Neigung, immer wieder Rauschmittel einzunehmen, weshalb eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet worden sei. Der Kläger habe Schulden von über 22.000 EUR. Besuch erhalte der Kläger regelmäßig von seinen Eltern, seiner Frau und seinen beiden Kindern. Mit diesen telefoniere er auch regelmäßig. Ebenso nehme er mit seiner Familie am hiesigen Familientag sowie am Eheseminar teil. Er erhalte zudem Besuch von Bekannten und weiteren Angehörigen. Der Kläger wolle seinen Wohnsitz wieder in … begründen.
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Mit Schreiben vom 29. Juli 2020 nahm die Ehefrau des Klägers Stellung. Sie halte weiterhin an ihrer Ehe fest. Sie habe den Kläger regelmäßig mit seinen Eltern im Turnus einmal im Monat in der JVA … besucht. In der JVA … besuche sie ihn wöchentlich. Die Kinder besuchten ihn regelmäßig einmal im Monat, da ihnen die lange Fahrt wöchentlich nicht zumutbar sei. Die Situation in … sei für die Kinder beängstigend. Alle drei Monate besuchten sie den „Familientag“ in der JVA. Dort könnten sie mit den Kindern spielen und als Familie essen. Einmal im Monat besuchten sie das Eheseminar. Die Bindung in der Ehe solle erhalten bleiben, um eine Wiedereingliederung so einfach wie möglich zu gestalten. Der Kläger habe ein sehr gutes Verhältnis zu dem Gefängnisgeistlichen und der Sozialarbeiterin aufgebaut. Sie habe den Eindruck, dass sich der Kläger aufgrund der langjährigen Haftstrafe gebessert habe. Er sei bedeutend ruhiger geworden. Der Verlust des familiären Lebens zeige ihm, dass er von weiterer Straffälligkeit abstinent sein sollte. Den qualifizierten Hauptschulabschluss habe er wegen des fehlenden Unterrichts während der Corona-Zeit nicht geschafft. Er habe aber einen Gabelstaplerschein gemacht und arbeite in der JVA … Die große Tochter hänge extrem stark an ihrem Vater und die emotionale Verbundenheit werde auch nicht durch die Inhaftierung und die einmonatigen Besuche gemindert. Sie wisse genau, dass ihr Vater Straftäter sei. Sie habe jedoch die Größe, in ihrem jugendlichen Alter ihrem Vater verziehen zu haben. Sie habe ihm die Versicherung abgerungen, dass dies das letzte Mal gewesen sei. Er versichere ihr bei jedem Besuch, dass dies nicht mehr vorkommen werde. Die kleine Tochter kenne ihren Vater fast nur in Haft und sei traumatisiert. Beide Kinder seien von der Inhaftierung schwer belastet und weinten, wenn sie abends Filme mit glücklichen Familien sähen, da sie nicht in derselben Situation seien. Dennoch hielten alle an dem Bestand der Familie fest. Im Falle einer Ausweisung des Klägers würden drei deutsche Staatsangehörige dazu verurteilt, das Bundesgebiet zu verlassen und in die Türkei zu ziehen. Der Kläger sei faktischer Deutscher, da er hier geboren und in die Schule gegangen sei. Er habe keinerlei Verbindungen mehr zur Türkei. Sie hätten kein familiäres Netzwerk in der Türkei, das sie unterstützen könne. Aufgrund der derzeitigen Situation in der Türkei, der Corona-Pandemie und der Wirtschaftskrise könnten sie sich dort kein Leben aufbauen. Sie sprächen auch kein Wort Türkisch. Die Kinder würden aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden. Seit Januar 2020 sei sie in Psychotherapie, da sie unter enormen Angstzuständen und Panikattacken leide. Die Therapie werde sich über Jahre ziehen, ein Abbruch des vertrauensvollen Verhältnisses zu dem Therapeuten habe starke Auswirkungen auf ihr psychisches Befinden. Der Kläger habe sich zur Absicherung der Familie bereits um eine Anschlussbeschäftigung gekümmert, da er auf eine Entlassung nach absolvierter Therapie hoffe.
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Mit Schreiben vom 21. September 2020 nahm die damalige Bevollmächtigte des Klägers Stellung und führte aus, laut dem Führungsbericht der JVA sei der Kläger nur einmal wegen einer unerlaubten Tätowierung in Erscheinung getreten. Ansonsten werde er als ruhig, freundlich und sicher beschrieben. Auch die JVA gehe davon aus, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen herkömmlichen Gewaltstraftäter handele, sondern dessen Suchtmittelproblematik im Vordergrund stehe, weshalb auch eine Unterbringung angeordnet worden sei. Er verfüge über gesicherte Sozialkontakte. Die gesamte Familie befinde sich im Bundesgebiet. Familiäre Bindungen im Heimatland habe er keine. Er könne sich zwar mündlich im Türkischen verständigen, könne aber keinerlei Sprachbeherrschung im schriftlichen Bereich vorweisen. Seine Familie habe keinerlei Besitz im Heimatland, sodass ihm bei einer Rückkehr Obdachlosigkeit drohe. Der Kläger sei im Bundesgebiet geboren und seit 1998 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und somit faktischer Inländer. Er habe seine gesamte schulische Laufbahn hier absolviert und sei zu keinem Zeitpunkt in einer türkischen Schule gewesen, um dort die Heimatsprache in Wort und Schrift zu lernen. Seit 2005 sei er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Aus der Akteneinsicht ergebe sich, dass bereits im Januar 2011 von einer Aufenthaltsbeendigung aufgrund des bestehenden ARB-Anspruchs abgesehen worden sei. Für Januar 2015 sei ein Aktenvermerk ersichtlich, dass wegen des deutschen Kindes von ausländerrechtlichen Maßnahmen abgesehen werde. Es werde nicht verkannt, dass sich der Kläger wiederholt strafbar gemacht habe. Bezüglich der Aufarbeitung des von ihm begangenen Unrechts werde auf beiliegendes Schreiben des Klägers verwiesen, aus dem ersichtlich sei, dass er nunmehr aufgrund der Inhaftierung und Drogenabstinenz seinen Werdegang reflektieren könne. Die Mitgliedschaft in der Rockervereinigung gründe sich wohl auch darauf, dass der Kläger die vermeintliche Geborgenheit in der Gruppe auch wohl aufgrund seiner Größe und seiner Abstammung mit niedrigem Bildungsniveau geschätzt habe. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Gruppierung sich offensichtlich aufgelöst habe, bestehe keine Wiederholungsgefahr mehr.
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Nach dem beigelegten Schreiben des Klägers stelle seine Familie das Wichtigste auf der Welt für ihn dar. Durch ständige „Ups and Downs“ habe er mit dem Konsum von Alkohol und Drogen begonnen. Diese hätten ihn aggressiv und aufbrausend gemacht. Dies und die Zugehörigkeit zu einer damaligen Randgruppe als türkischer Staatsangehöriger hätten seine Aggressivität im Gruppenzwang noch mehr herausgefordert. Er sei aufgrund seiner Körpergröße oft herausgefordert worden, unter Drogenkonsum habe er dann überreagiert. Er wolle seine Taten auf keinen Fall verharmlosen, er schäme sich eher dafür. Im nüchternen Zustand sei ihm klar, dass sein Verhalt sehr schlimm gewesen sei. Er würde dies gerne rückgängig machen. Da dies nicht möglich sei, habe er sich und seiner Familie geschworen, eine dauerhafte Therapie erfolgreich zu bestehen und nie wieder Drogen zu nehmen. Die Motorradgruppe „...“ in … sei aufgelöst worden. Nun könne er seiner Frau und seinen Kindern ein gerechter Ehemann und Papa sein. Er habe seiner Familie versprochen, keine Drogen mehr zu nehmen und keine Straftaten mehr zu begehen. Die absolvierten drei Jahre in Haft und die Trennung von der Familie seien das schmerzhafteste, was er je erlebt habe. Seine Schwestern hätten geheiratet und Kinder bekommen, welche er nur durch Fotos und Briefe kenne. Er hoffe auf eine letztmalige Chance, sodass er beweisen könne, dass er ein guter Vater, Ehemann und rechtschaffener Bürger sei. Während der Haftzeit seien ihm Konflikte verschiedener Herkunft begegnet, welchen er gelassen begegnet sei. Dies zeige eine neue Seite an ihm, die er zu schätzen gelernt habe. Er sei nun reifer, ruhiger und gelassener geworden. Für eine Integration habe er einen Hauptschulabschluss machen wollen, dies sei wegen der Corona-Pandemie nicht möglich gewesen. Er habe sich wieder einen Vollzeitarbeitsplatz gesucht. Dies zeige, dass er sich um ein geregeltes Leben bemühe, auch in der JVA. Er bitte darum, nicht abgeschoben zu werden und sich beweisen zu können, indem er die Therapie erfolgreich absolvieren und dann straffrei leben werde. Er entschuldige sich für sein damaliges Verhalten.
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Mit Bescheid der Beklagten vom 17. November 2020 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 1). Gegen den Kläger wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen, dessen Dauer unter der Bedingung der nachgewiesenen Straffreiheit und Drogensowie Alkoholabstinenz auf acht Jahre, andernfalls auf zehn Jahre ab Ausreise befristet wurde (Nr. 2). Ihm wurde die Abschiebung in die Türkei nach erfülltem Strafanspruch des Staates und Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht aus der Unterbringung bzw. Haft angedroht. Für den Fall der Entlassung aus der Unterbringung bzw. Haft vor Durchführung der Abschiebung wurde ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 3).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger besitze einen Anspruch gem. Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80, da jedenfalls die Mutter während eines Zeitraums von mindestens drei Jahren nach seiner Geburt ununterbrochen Teil des Arbeitsmarktes gewesen sei und der Kläger in dieser Zeit in häuslicher Lebensgemeinschaft mit ihr gelebt habe. Er könne sich somit auf den besonderen Schutz des § 53 Abs. 3 AufenthG berufen. Das persönliche Verhalten des Klägers stelle gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Er blicke trotz seines vergleichsweise jungen Alters bereits auf eine beachtliche strafrechtliche Karriere zurück. Er habe sich von Konfrontationen mit Polizei, Ausländerbehörde und Justiz gänzlich unbeeindruckt gezeigt und seine Straffälligkeit so lange gesteigert, bis er nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt worden sei. Somit habe er bis zu seiner Entlassung einen ganz erheblichen Teil seines bisherigen Lebens in Haft verbracht. Schon als junger Erwachsener mit 16 Jahren sei er durch Schlägereien und sein erhebliches Aggressionspotential aufgefallen. Seine Aggression habe sich auch gegen Menschen mit Behinderung und Mädchen gerichtet. Bemerkenswert sei, dass auch sein Vater teils an den gewalttätigen Übergriffen beteiligt gewesen sei. In den Jahren 2005 und 2006 sei er sechs Mal wegen Körperverletzungsdelikten, hiervon viermal wegen gefährlicher Körperverletzung kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten. Diese negative Entwicklung habe sich stetig fortgesetzt. Angesichts der Verurteilung vom 22. Februar 2016 habe die Beklagte zum wiederholten Male die Aufenthaltsbeendigung geprüft und den Kläger und seine Ehefrau zur beabsichtigten Ausweisung angehört. Schon damals habe die Ehefrau ähnliche Bedenken wie auch in ihrer aktuellen Stellungnahme geäußert. Die letzten beiden Verurteilungen hätten gezeigt, dass die kriminelle Lebensweise bereits derart in der Persönlichkeit und dem Alltag verhaftet sei, dass auch nicht damit zu rechnen sei, dass ihn die neuerliche Inhaftierung und Unterbringung von der Begehung weiterer Straftaten abhalten werde. Dem Urteil vom 23. Januar 2019 sei zu entnehmen, dass im Rahmen der Ermittlungen aufgefallen sei, dass viele polizeibekannte Mitglieder der ... Anträge auf Erteilung einer Besuchserlaubnis für die JVA gestellt hätten. Im Kontext dieses Verfahrens sei der Kläger auch begutachtet worden. Der Sachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, dass ein kontrollierter Konsum von berauschenden Mitteln vorliege. Der eigentliche Auslöser für die Eskalation sei nicht aufgeklärt worden. Fest stehe aber, dass es sich um einen Gewaltexzess handele, dem sich der Kläger - wie auch in der Vergangenheit - vollends hingegeben habe, und er durch nichts und niemanden einzubremsen gewesen sei. Bei ihm liege eine eingeschliffene Neigung vor, immer wieder Rauschmittel zu sich zu nehmen. Es bestehe aber keine psychische Abhängigkeit oder schädlicher Gebrauch i.S.d. ICD-10. Sein Verlangen nach Rauschmittelkonsum präge seinen Alltag in erheblichem Maße, was insbesondere daran erkennbar sei, dass er sich aufgrund des Konsums oftmals als unzuverlässig bei den ausgeübten Beschäftigungen gezeigt habe. Der Kläger habe Straftaten begangen, die das Gericht zum Anlass genommen habe, eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten zu verhängen. Strafgerichtlichen Entscheidungen lägen auch spezialpräventive Erwägungen zugrunde. Es fließe auch eine Prognose über die Gefährlichkeit des Täters ein. Eine Verurteilung zu einer so hohen Freiheitsstrafe sei deshalb auch hinreichender Gradmesser des im Rahmen des Verwaltungsrechts bestehenden Bedürfnisses vorbeugender Schutzmaßnahmen. Der Kläger blicke auf eine bald schon 16 Jahre dauernde strafrechtliche Karriere zurück, in der er in keinster Weise von seinen Fehlern gelernt habe. Seit vielen Jahre begehe er Straftaten, wohlwissend, welche Konsequenzen derartiges Verhalten nach sich ziehen könne. Schon als junger Mann sei er aufgrund seiner aggressiven Persönlichkeit wiederholt in Schwierigkeiten geraten. Anstatt sich aber eines Besseren zu besinnen und gezielt an der Problematik zu arbeiten, sei er den ... beigetreten. Es sei gemeinhin bekannt, dass man als Mitglied einer solchen Vereinigung verstärkt in Berührung mit Alkohol und Drogen kommen und auch in „Kämpfe“ und Rivalitäten verwickelt werden könne. Dies habe er bewusst in Kauf genommen, um das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit zu erleben. Es sei keineswegs davon auszugehen, dass er nur aufgrund der Zugehörigkeit zu den „...“ straffällig geworden sei. Es sei aber durchaus zu erwarten, dass diese nicht den Weg in eine straffreie Zukunft ebnen werde. Dass er angebe, die „...“ gebe es in … nicht mehr, führe nicht zu einem Entfall der Wiederholungsgefahr. Denn hierbei handele es sich nicht um einen willentlichen Ausstieg aus der Gruppe, sondern nur um einen „Abschied auf Zeit“. Denn die Gruppierung existiere derzeit nur deshalb nicht in ihrer bisherigen Form, weil immerhin ein nicht unwesentlicher Teil der Gruppierung aktuell für geraume Zeit inhaftiert sei. Auch während der Verhandlung habe weiterhin eine starke Identifikation mit der Gruppierung stattgefunden. Er habe szenetypische Zeitschriften angefordert und mittels Briefen mit einem anderen Mitglied kommuniziert. Dabei habe er in keinster Weise den Eindruck gemacht, er habe sich von seinen „Brüdern“ distanziert. In der Gesamtschau sei davon auszugehen, dass seine Loyalität den „...“ gegenüber größer sei als seine Loyalität gegenüber der eigenen Familie. Gerade die letzte Verurteilung belege, dass er zum Schutz seiner Freunde billigend in Kauf genommen habe, inhaftiert zu werden, wohlwissend, dass dies eine Trennung von seiner Familie bedeute. Auch unabhängig von einer Mitgliedschaft bei den „...“ bestehe eine ganz erhebliche Gefahr weiterer Gewaltstraftaten. Spätestens seit 2005 seien ihm erfolglos zahlreiche Hilfestellungen angeboten worden. Dass er nun erstmals eine stationäre Therapie absolviere, ändere angesichts des langjährigen massiven Konsums nichts an der konkret bestehenden Wiederholungsgefahr. Die Prognose sei ungünstig, da er schon früh und seitdem auch in hoher Frequenz strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Er verfüge über ein ausgesprochen hohes Aggressionspotential, das durch den Konsum von Betäubungsmitteln allenfalls verstärkt werde. Selbst wenn er tatsächlich therapiewillig sei, bestehe die konkrete Gefahr, dass er strafrechtlich wieder in Erscheinung treten werde. Die Rückfallquote auch bei erfolgreich abgeschlossener stationärer Therapie sei hoch, insbesondere bei vorangegangenem langjährigen Konsum. Zum jetzigen Zeitpunkt habe er die Therapie noch nicht einmal angetreten, ein erfolgreicher Abschluss sei also keinesfalls gesichert. Auch die gute Führung in Haft ändere nichts an der bestehenden Wiederholungsgefahr. Er habe sich schon einmal in Haft befunden und sich dort gut geführt, sei aber dennoch wieder straffällig geworden. Er sei offenbar nicht gewillt oder in der Lage, in Deutschland ein gesetzeskonformes Leben ohne Straftaten zu führen. Die zuletzt abgeurteilten Straftaten seien die bisherigen Höhepunkte der strafrechtlichen Karriere. Zusammenfassend sei die Beklagte der Auffassung, dass die vom Kläger verübten Straftaten im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln seien, eine erhöhte Wiederholungsgefahr bestehe und somit vom Kläger die ernsthafte Gefahr weiterer besonders schwerwiegender Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgehe. Seine Taten berührten ein Grundinteresse der Gesellschaft gem. § 53 Abs. 3 AufenthG. Durch sein Verhalten habe er vor allem das Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit verletzt. Dieses nehme in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein und löse entsprechende staatliche Schutzpflichten aus. Das Ausweisungsinteresse wiege besonders schwer, da der Kläger zuletzt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt worden sei, § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Auch § 54 Abs. 1 Nr. 1a Buchstabe b) AufenthG sei einschlägig. Sein Bleibeinteresse wiege ebenfalls besonders schwer, da er eine Niederlassungserlaubnis besitze und sich seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet aufgehalten habe, § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, und darüber hinaus mit seiner deutschen Ehefrau und der deutschen minderjährigen Tochter in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt habe, § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Aus spezialpräventiven Gesichtspunkten habe der Gesetzgeber insbesondere zur Bekämpfung von Schwerkriminalität die Ausweisung vorgesehen. Die Ausweisung entspreche Art. 8 Abs. 2 EMRK. Der Kläger sei in … geboren und aufgewachsen. Er lebe seit bald 32 Jahren im Bundesgebiet und habe auch die entscheidenden und prägenden Jahre seiner Jugend hier verbracht, sodass ihm der Status des faktischen Inländers zuerkannt werde. Allerdings stütze sich die Integration vor allem auf den langen Aufenthalt. Er habe zwar einen einfachen Hauptschulabschluss erreicht. Den Versuch, den qualifizierenden Abschluss in der Haft zu erreichen, habe er abgebrochen. Auch eine Ausbildung habe er aufgrund der andauernden Straffälligkeit nicht abschließen können. Letztlich sei ihm eine Integration, insbesondere beruflich, nicht gelungen. Seine berufliche Integration sei in der Türkei nicht schlechter einzuschätzen als im Bundesgebiet. In Anbetracht seiner Persönlichkeit und seinem fehlenden Durchhaltevermögen werde es ihm sowohl in der Türkei als auch in Deutschland schwer fallen, beruflich Fuß zu fassen. Zwar habe er sein Leben bisher in Deutschland verbracht; seine Bindungen in der Türkei seien vergleichsweise gering. Trotzdem habe er sich hier nicht so gut integrieren können, dass ihm eine Ausreise in das Land seiner Staatsangehörigkeit nicht zuzumuten wäre. Die Lebensverhältnisse in der Türkei seien denen im Bundesgebiet im Wesentlichen ähnlich. Als erwachsener Mann könne und müsse ihm zugemutet werden, sich eine eigene Wohnung zu suchen und für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen. Seine Eltern könnten ihn während der langjährigen Inhaftierung behilflich sein, die Modalitäten für eine Rückkehr zu klären. Es gebe keine Zweifel, dass er der türkischen Sprache mächtig sei. Es sei anzunehmen, dass er sich mit seinen Eltern zu Hause in der Muttersprache unterhalten habe. Etwaige Defizite, insbesondere in Schrift, könne er bis zu seiner Ausreise verbessern. Auch die Gebräuche und Lebensgewohnheiten dürften ihm aus Urlaubsreisen zumindest rudimentär bekannt sein. Er habe sich nachweislich jedenfalls zuletzt im Februar 2017 dort aufgehalten. Selbst unter Würdigung des langen Aufenthalts sowie der hier bestehenden familiären Bindungen gegenüber einer womöglich ungesicherten Situation im Heimatland träfen ihn die Folgen der Ausweisung zwar schwer, aber nicht unverhältnismäßig. Ihm sei aufgrund der von ihm ausgehenden massiven Gefahr zuzumuten, sich in der Türkei zurechtzufinden. Bei einer Rückkehr in sein altes Umfeld sei zu befürchten, dass er sein Leben alsbald nach seiner Entlassung so fortsetzen werde, wie er es vor der Unterbringung getan habe und dann auch wieder rückfällig werde. Er verfüge offenbar nicht über ein hinreichend tragfähiges und stabiles soziales Umfeld, welches ihn nachhaltig von der Begehung von Straftaten abhalten könne. Auch Art. 6 GG stehe der Ausweisung nicht entgegen. Er sei mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und habe mit ihr gemeinsam eine Tochter. Auch zu seiner Stieftochter pflege er eine enge Bindung. Es werde nicht verkannt, dass es für das Kindeswohl optimal wäre, beide Elternteile als Ansprechpartner um sich und greifbar zu haben. Dabei sei maßgeblich auf die Sicht des Kindes abzustellen und zu prüfen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit bestehe, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen sei. Es sei berücksichtigt worden, dass seine Ehefrau an der Ehe festhalte und angebe, er habe sich fürsorglich um die Kinder gekümmert und werde auch während der Inhaftierung von ihr und den Kindern besucht. Es sei aber auch zu sehen, dass seine Familie zum Zeitpunkt der Entlassung bereits seit geraumer Zeit gewohnt sein werde, nur eingeschränkt Kontakt zu ihm zu haben. Im Extremfall verbüße er die gesamte Freiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren und drei Monaten und müsse im Anschluss sogar noch weitere Freiheitsstrafen verbüßen, deren Strafaussetzungen zwischenzeitlich widerrufen worden seien. Im für ihn besten Falle werde er mit erfolgreichem Abschluss der Therapie aus der Maßregel entlassen. In jedem Fall jedoch werde er noch für längere Zeit nicht mit seiner Familie zusammenleben und sich somit auch nur eingeschränkt an der Erziehung der Kinder beteiligen können. Es sei auch zu sehen, dass das Wissen um seine Familie ihn nicht davon abgehalten habe, im Laufe mehrerer offener, teils einschlägiger Bewährungen erneut derart massive Straftaten zu begehen. Ihm sei aufgrund seiner Vorverurteilungen und der Schreiben der Beklagten nachweislich bewusst gewesen, dass ihm nun eine hohe Strafe und aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Ausweisung und Abschiebung drohe. Schon vor den aktuellen Verurteilungen sei es zu Problemen in der Ehe gekommen. Dennoch sei ihm die Ehe offenbar nicht wichtig genug gewesen, um diese Probleme nachhaltig aufzuarbeiten. Auch im Hinblick auf die letzten Taten sei die Familie für ihn wohl nachrangig gewesen. Seine Loyalität den „...“ gegenüber sei augenscheinlich größer als die Loyalität der eigenen Familie gegenüber. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass er als gutes Vorbild für ein Kind fungieren könne. Schon jetzt habe er der Ehefrau und der Tochter wie auch der Stieftochter ganz Erhebliches zugemutet. Nun habe er die Konsequenzen seiner massiven Delinquenz zu tragen. Er stehe in der Verantwortung, den Schaden für die Familie so gering wie möglich zu halten. Den Kontakt müsse er vom Heimatland aus pflegen, durch Briefe, Telefonate, Besuche im Ausland und auch mittels moderner Kommunikationsmittel. Aufgrund der drohenden Wiederholungsgefahr müssten im Fall des Klägers die privaten Belange zurückstehen. Darüber hinaus habe die Beklagte den Bindungen und dem langjährigen Aufenthalt im Rahmen der Befristung der Ausweisungswirkung auf acht Jahre Rechnung getragen. Zur Abmilderung etwaiger Härten bestehe die Möglichkeit, Betretenserlaubnisse für das Bundesgebiet zu beantragen. Die Abwägung der öffentlichen Interessen an einer Beendigung des Aufenthalts mit dem persönlichen Interesse an einem weiteren Verbleib ergebe unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiege. Mit der Ausweisung erlösche der Aufenthaltstitel. Wegen des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter, vor allem der körperlichen Unversehrtheit und der festgestellten Wiederholungsgefahr werde auch im Hinblick auf die familiären und persönlichen Bindungen im Bundesgebiet ein Zeitraum von acht Jahren für erforderlich gehalten, um dem hohen Gefahrenpotenzial Rechnung tragen zu können. Bedingung sei im Fall des Klägers, dass keine neuen Ausweisungsgründe durch ihn verwirklicht werden.
32
Mit Schriftsatz vom 27. November 2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Bayerisches Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2020 aufzuheben.
33
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid verstoße gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK.
34
Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2020 hat die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
35
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht … habe den Kläger u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung und falscher uneidlicher Aussage zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und 3 Monaten sowie Unterbringung gemäß § 64 StGB verurteilt. Der Kläger sei immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten. Insgesamt seien Arrest-, Jugend- und Freiheitsstrafen in einer Gesamthöhe von ca. 12,4 Jahren sowie eine Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen verhängt worden. Für eine erhebliche Wiederholungsgefahr sprächen die außerordentliche Schwere, Häufigkeit und Kontinuität der Delinquenz, die Hafterfahrung, das Bewährungsversagen, die dreimalige ausländerrechtliche Verwarnung, die Unterbringung gemäß § 64 StGB sowie die begrenzte wirtschaftliche Integration. Gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprächen im Wesentlichen der Aufenthalt im Bundesgebiet seit der Geburt, die Niederlassungserlaubnis, die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen und das 2014 geborene Kind. Insgesamt überwiegten die Ausweisungsinteressen deutlich.
36
Nach einer Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses … vom 22. November 2021 hat sich der Kläger schnell in den Stationsalltag einfinden und die Patientengemeinschaft integrieren können und sich kooperativ, auskunftsfreudig und sehr redselig präsentiert. Aufgrund authentisch wirkender Therapie- und Veränderungsmotivation sei der Kläger ohne Lockerungsstufe am 9. März 2021 auf die weiterführende Therapiestation F3 verlegt worden. Er habe sich auch hier schnell in die Patientengemeinschaft integrieren können und in kurzer Zeit den Status als Wortführer und Schlichter unter den Patienten erreicht. Er sei weiter in gutem Kontakt mit dem Behandlungsteam gewesen, habe sich respektvoll, transparent und angepasst gezeigt. Seinen Tagesablauf habe er selbstständig und sinnvoll gestaltet. Er habe seine Stationsdienste zuverlässig erledigt und an den vorgegebenen Therapieangeboten sowie an zusätzlichen freiwilligen Freizeitaktivitäten teilgenommen. Termine habe er stets zuverlässig eingehalten. Er habe sich absprachefähig gezeigt. In den regelmäßig geführten psychologischen und bezugspflegerischen Einzelgesprächen habe eine therapeutische Beziehung aufgebaut werden können. Der Kläger sei in der Lage gewesen, eigene Themen einzubringen, eigene Ziele zu benennen und diese adäquat zu bearbeiten. Eine intrinsische Veränderungsbereitschaft sei ersichtlich, vor allem ein drogenfreies, gemeinsames Familienleben zu erreichen. Der Kläger besuche weiterhin stationsinterne Therapiekonzepte, in welchen suchttherapeutische Inhalte mit Themenschwerpunkt Rückfallprophylaxe behandelt werde. Der Kläger verhalte sich respektvoll und korrekt gegenüber den übrigen Teilnehmern und habe die Inhalte angemessen auf sich und seine Situation übertragen und mit sinnvollen Beiträgen zu produktiven Gruppenprozessen beitragen können. Zusätzlich habe er am stationsinternen Anti-Aggressions-Training teilgenommen, welches er mittlerweile erfolgreich abgeschlossen habe. Am 15. April 2021 habe der Kläger die Lockerungsstufe A erreicht. Er habe seitdem an mehreren begleiteten Ausgängen teilgenommen. Währenddessen habe er sich absprachefähig und kooperativ verhalten. Seit dem 8. Juli 2021 befinde er sich in Lockerungsstufe B (unbegleitete Ausgang außerhalb des gesicherten Bereichs). Auch hier habe er weiterhin das gewohnte Verhalten gezeigt. Fluchttendenzen hätten nicht beobachtet werden können. Der Kläger habe einen intensiven (digitalen) Kontakt zu seiner Ehefrau, den gemeinsamen Kindern und seiner Familie während der unbegleiteten Ausgänge gepflegt. Zuletzt habe der Kläger am 4. Oktober 2021 die Lockerungsstufe C (stundenweise unbegleiteter Ausgang außerhalb des Maßregelvollzugs) erhalten. Die Ausgänge habe er vermehrt genutzt, um seine Familie in der zukünftigen gemeinsamen Wohnung zu besuchen, sowie Behördenangelegenheiten und Resozialisierungsbausteine zu bearbeiten. Der Kläger habe am 5. November 2021 eine externe Arbeitsstelle begonnen, welche er im Hinblick auf die Resozialisierung heimatnah ausgewählt habe. Bis dato seien keine Regelverstöße oder Rückfälle verzeichnet worden. Alle bisher durchgeführten Alkohol- und Drogenscreenings seien unauffällig. Zum aktuellen Zeitpunkt könne davon ausgegangen werden, dass der bisherige Therapieverlauf eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss der Therapie biete. Therapiemotivation und Abstinenzwille seien erkennbar. Eine Aussetzung der Maßregel könne zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht empfohlen werden. Der Kläger benötige weiterhin therapeutische Unterstützung.
37
Laut dem aktualisierten Führungsbericht der JVA … vom … Februar 2022 habe der Kläger während seines Verbleibs regelmäßig Besuche von seinen Töchtern, seiner Ehefrau, Bekannten sowie seinen Eltern und seiner Schwester erhalten. Ab dem 9. November 2020 bis zu seiner Verlegung Beginn 2021 habe er mehrmals wöchentlich die Möglichkeit der Videotelefonie über Skype genutzt. Zudem habe er wöchentlich Gebrauch von Telefonaten mit seiner Familie gemacht.
38
Nach der Stellungnahme des BKH … vom … März 2022 befinde sich der Kläger seit dem 23. Dezember 2021 in der Lockerungsstufe D1 (Beurlaubung zum Zwecke des Probewohnens, auch mit Übernachtung). Derzeit stehe ihm eine Übernachtung pro Woche zu. Diese nehme er in seinem sozialen Empfangsraum bei seiner Frau und den Kindern in … wahr. Er sei in einem externen Arbeitsverhältnis in … Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit sei es zu einem unerlaubten Nutzen eines Pkw durch den Kläger gekommen. Er habe gegen eine ausdrückliche vorherige Absprache gehandelt und somit einen Lockerungsmissbrauch begangen.
39
Mit Schreiben vom 6. April 2022 teilte das Bezirkskrankenhaus … mit, dass dem Kläger am 5. April 2022 bis auf Weiteres alle Lockerungen pausiert worden seien, sodass dieser derzeit auf Lockerungsstufe 0 geführt werde. Daher sei er nicht in der Lage, eigenständig zur Verhandlung zu erscheinen.
40
In der mündlichen Verhandlung vom 7. April 2022 erklärte der Kläger, er habe nun doch durch die Polizei vorgeführt werden müssen, da es in der Klinik eine Diskussion gegeben habe, bei der er sich in Tonfall und Lautstärke vergriffen habe, was zu einer Suspendierung seiner Sicherheitsstufe bis zum 10. April 2022 geführt habe. Außerdem sei seine Ehefrau in der neunten Woche schwanger. Der Abschluss der Therapie sei für August 2022 vorgesehen. Zurzeit arbeite er in einer Solarfirma. Von den „...“ habe er sich bereits in Haft distanziert und dazu auch Besuch von Mitgliedern erhalten. Er müsse dies aber auch privat klären. Zu einigen werde der Kontakt bestehen bleiben, da sie Familienangehörige seien. Darüber habe er in der Strafhaft nachgedacht.
41
Der Beklagtenvertreter setzte die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nr. 2 Satz 2 des streitgegenständlichen Bescheids auf sechs Jahre und in Nr. 2 Satz 4 auf acht Jahre fest.
42
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

43
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2020 in Gestalt der Änderung vom 7. April 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
44
Maßgeblicher Zeitpunkt zur rechtlichen Überprüfung der Ausweisung sowie der weiteren durch die Beklagte getroffenen Entscheidungen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 - 1 C 9.12 - juris Rn. 8).
45
1. Die in Nr. 1 des Bescheids vom 17. November 2020 verfügte Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig.
46
a) Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
47
Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
48
Dem Kläger kommt jedenfalls ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, da zumindest seine Mutter in Deutschland als Arbeitnehmerin beschäftigt war und der Kläger mehr als drei Jahre mit seiner Mutter in häuslicher Gemeinschaft lebte. Das einmal erworbene assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht ist auch weder durch die erreichte Volljährigkeit des Klägers noch durch die Inhaftierung entfallen (vgl. EuGH, U.v. 7.7.2005 - C-373/03 - NVwZ 2005, 1292).
49
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige auch mit Blick auf Art. 13 ARB 1/80 (sog. Stillhalteklausel) keine Bedenken bestehen, weil sich die materiellen Anforderungen, unter denen diese Personen ausgewiesen werden dürfen, nicht zu ihren Lasten geändert haben und jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28; B.v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 14; B.v. 11.7.2016 - 10 ZB 15.837 - Rn. 11 jeweils m.w.N.).
50
b) Es liegt eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, vor.
51
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind (vgl. zum Erfordernis etwa BVerwG, U.v. 26.2.2002 - 1 C 21/00 - juris Rn. 22). Bei der insoweit anzustellenden Gefahrenprognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m.w.N.). Dabei gilt für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 16 m.w.N.). Der Rang des bedrohten Rechtsguts bestimmt dabei die mögliche Schadenshöhe, wobei jedoch keine zu geringen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden dürfen (BVerwG, U.v. 10.7.2012, a.a.O. Rn. 18).
52
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe geht vom Kläger eine erhebliche Wiederholungsgefahr aus. Anlassgebend für die Ausweisung war, dass der Kläger mit Urteil des Landgerichts … vom … Juli 2019 wegen falscher uneidlicher Aussage unter Einbeziehung des Urteils des Landgerichts … vom … Januar 2019 wegen vorsätzlicher bzw. gefährlicher Körperverletzung in zahlreichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt worden ist. Das betroffene Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit nimmt in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen sehr hohen Rang ein und löst staatliche Schutzpflichten aus. Insbesondere die mehrfache Begehung von Körperverletzungsdelikten begründet eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris). Gerade bei den Körperverletzungsdelikten hat der Kläger ein erhebliches Aggressionspotential und eine niedrige Hemmschwelle bzgl. der Begehung von Straftaten gegen das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit anderer gezeigt. Der Kläger hat an zwei verschiedenen Tagen jeweils in einem Club eine Vielzahl anderer Gäste angegriffen und verletzt. Er war Ausgangspunkt gewalttätiger Auseinandersetzungen, an denen sich im Anschluss noch weitere Personen beteiligt haben. Dabei wurden auch Gegenständen als Waffen eingesetzt und ein Geschädigter die Treppe hinuntergestoßen, was eine erhebliche Verletzungsgefahr birgt. Selbst als andere Personen schlichtend eingriffen oder der Kläger vom Sicherheitspersonal aus dem Club begleitet wurde, hat er nicht etwa Einsicht gezeigt und von einer weiteren Tatausführung Abstand genommen, sondern die schlichtenden Personen angegriffen und sich einen Weg zurück in den Club gesucht, um erneut andere Gäste anzugreifen. Auch bei Berücksichtigung einer alkoholbedingten Enthemmung ist die Aggressivität und Intensität der Tatausführung mehr als beachtlich. Bereits zuvor ist der Kläger mehrfach strafrechtlich, teilweise auch einschlägig, in Erscheinung getreten und viermal zu einer Jugend- oder Freiheitsstrafe sowie einmal zu einer Geldstrafe verurteilt worden; unter anderem wurde der Kläger auch wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bzw. Beihilfe hierzu verurteilt. Der illegale Drogenhandel ist in Art. 83 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV als besonders schwere Kriminalität eingestuft worden und bedroht nicht nur die geistige und körperliche Gesundheit der Konsumenten, sondern belastet durch die verursachten Folgen auch die öffentliche Hand in besonderem Maße. Der Kläger weist eine beachtliche Rückfallgeschwindigkeit auf. Weder von den bisherigen Verurteilungen noch von den mehrfach ausgesprochenen ausländerrechtlichen Verwarnungen, von denen die letzte nur kurz vor der anlassgebenden Straftat erfolgt ist, hat sich der Kläger von der Begehung erneuter Straftaten abhalten lassen. Zudem stand er zum Tatzeitpunkt unter zweifach offener Bewährung. Sogar während der Untersuchungshaft wurde er wieder straffällig und hat eine falsche uneidliche Aussage getätigt. Zudem hat der Kläger nach den Feststellungen des Landgerichts … eine eingeschliffene Neigung, Alkohol und Betäubungsmittel zu sich zu nehmen. Er konsumiert nach eigenen Angaben seit dem Alter von 14 Jahren Cannabisprodukte und seit dem Alter von 17 Jahren Kokain. Zumindest die mit Urteil vom 29. Januar 2019 abgeurteilte Straftat wurde unter dem Einfluss von Alkohol und Betäubungsmitteln verübt. In Fällen, in denen Straftaten aufgrund einer bestehenden Suchtmittelproblematik begangen worden sind, geht die Rechtsprechung regelmäßig davon aus, dass die konkrete Wiederholungsgefahr erst entfällt, sobald der Kläger eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftigen drogen- und straffreien Verhaltens auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2014 - 10 ZB 13.71 - juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 17.12.2015 - 10 ZB 15.1394 - juris). Weder hat der Kläger die indizierte Therapie wegen seiner Suchtproblematik bislang abgeschlossen noch hat er sich auf längere Zeit in Freiheit bewährt. Vielmehr wurde der Kläger im geschützten Bereich des Maßregelvollzugs trotz der bislang gut verlaufenden Therapie wegen verbal aggressiven Verhaltens für einige Tage zurückgestuft. In der Gesamtschau ist weiterhin von einer erheblichen Wiederholungsgefahr auszugehen.
53
c) Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefahrenlage i.S.d. § 53 Abs. 1 AufenthG zu treffende Abwägung ergibt, dass das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt.
54
§ 53 AufenthG gestaltet die Ausweisung als Ergebnis einer umfassenden, ergebnisoffenen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. Sofern das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt, ist die Ausweisung rechtmäßig. In die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind die in §§ 54, 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen. Neben den dort explizit aufgeführten Interessen sind aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar. Die Katalogisierung in den §§ 54, 55 AufenthG schließt die Berücksichtigung weiterer Umstände nicht aus (BT-Drs. 18/4097, S. 49). Nach § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Die Aufzählung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien ist aber nicht abschließend (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Es sind für die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung maßgeblich auch die Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen (vgl. nur EGMR, U.v. 18.10.2006 - Üner, Nr. 46410/99 - juris; EGMR, U.v. 2.8.2001 - Boultif, Nr. 54273/00 - InfAuslR 2001, 476-481). Hiernach sind vor allem die Art und die Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthaltes in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die seit der Begehung der Straftat verstrichene Zeit und das seitherige Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen, die familiäre Situation des Ausländers, ob zu der Familie Kinder gehören und welches Alter diese haben, sowie die Ernsthaftigkeit der Schwierigkeiten, welche die Familienangehörigen voraussichtlich in dem Staat ausgesetzt wären, in den der Ausländer ausgewiesen werden soll, die Belange und das Wohl der Kinder und die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland zu berücksichtigen (VG Oldenburg, U.v. 11.1.2016 - 11 A 892/15 - juris Rn. 24).
55
(1) Es bestehen besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 und 1a Buchst. b) AufenthG, da der Kläger mit Urteil des Landgerichts … vom … Januar 2019 aufgrund von Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten verurteilt wurde.
56
Dem stehen besonders schwerwiegende Bleibeinteressen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG gegenüber. Der Kläger ist in Besitz einer Niederlassungserlaubnis und hat sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Zudem hat er bis zu seiner Inhaftierung mit seiner deutschen Ehefrau und seiner deutschen Tochter in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt und sein Personensorgerecht für die Tochter ausgeübt.
57
(2) Im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung nach § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände kann festgestellt werden, ob das Interesse an der Ausweisung das Bleibeinteresse überwiegt (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49). Vorliegend überwiegen die Ausweisungsinteressen die Interessen des Klägers an einem Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere sprechen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht gegen die Ausweisung des Klägers.
58
Nach der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG hat der Staat die Pflicht, die Familie zu schützen und zu fördern. Jedoch ergibt sich auch hieraus kein unmittelbarer Anspruch auf Aufenthalt (vgl. nur BVerfG, B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14). Vielmehr verpflichtet Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG die Ausländerbehörde wie auch die Gerichte, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Klägers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen bei der Entscheidung zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris - Rn. 16; BVerfG, B.v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14).
59
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Die Behörde darf nach Art. 8 Abs. 2 EMRK in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff wie durch die §§ 53 ff. AufenthG gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Da Art. 8 Abs. 2 EMRK eindeutig Ausnahmen von den in Art. 8 Abs. 1 EMRK zugesicherten Rechten vorsieht, kann aus Art. 8 Abs. 1 EMRK kein absolutes Recht auf Nichtausweisung abgeleitet werden (Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, Vor §§ 53-56 Rn. 106 ff.). Vielmehr bedarf es einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung, in die sämtliche Aspekte des Einzelfalls einzustellen sind.
60
Die Ausweisung von Ausländern, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist, kann den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzen (BVerwG, U.v. 29.9.1998 - 1 C 8/96 - juris Rn. 30). Dies kommt grundsätzlich für solche Ausländer in Betracht, die aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse bei gleichzeitiger Entfremdung von ihrem Heimatland so eng mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden sind, dass sie gewissermaßen deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt werden können, während sie mit ihrem Heimatland im Wesentlichen nur noch das formale Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (BVerwG, U.v. 29.9.1998 - 1 C 8.96 - juris; VGH BW, U.v. 13.12.2010 - 11 S 2359/10 - juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 3.7.2017 - 19 CS 17.551 - juris).
61
Eine Entfremdung vom Heimatland im Verlauf eines langjährigen Aufenthalts im Gastland eröffnet für sich allein aber noch nicht den verfassungs- und völkerrechtlichen Schutz faktischer Inländer. Auch der Umstand, dass ein Ausländer im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen ist, reicht hierzu nicht aus. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Ausländer im Bundesgebiet ein Leben führt, das durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen so geprägt ist und er faktisch so stark in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert ist, dass ihm das Verlassen des Bundesgebiets nicht zugemutet werden kann (BVerwG, U.v. 16.7.2002 - 1 C 8.02 - juris). Der besondere verfassungs- und völkerrechtlichen Schutz faktischer Inländer setzt damit voraus, dass sich der Ausländer in Deutschland nachhaltig integriert hat (VGH BW, B.v. 2.3.2020 - 11 S 2293/18 - juris).
62
Eine derartige Integration hat im Fall des Klägers nicht stattgefunden. Obwohl der Kläger in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, hier die Schule besucht, seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat und die Mehrzahl seiner Verwandten hier lebt, ist er nicht derart irreversibel in die deutschen Lebensverhältnisse eingefügt, dass eine Verweisung auf ein Leben in seinem Heimatland unzumutbar erscheint. Trotz seiner fast ausschließlichen Sozialisation im Bundesgebiet ist es angesichts der Vielzahl und Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten im Bereich der Körperverletzungs- und Betäubungsmitteldelikte und der von ihm auch weiterhin ausgehenden erheblichen Wiederholungsgefahr für den Kläger zumutbar, in das Land seiner Staatsangehörigkeit zu übersiedeln. In wirtschaftlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass der Kläger über keine gesicherte berufliche Position verfügt. Der Kläger hat zwar einen Schulabschluss erreicht, aber keine Berufsausbildung abgeschlossen. Zwei Ausbildungen hat er wegen Alkohol- und Drogenproblemen nicht beendet. Er war meist nur für kurze Zeiträume bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt, längstens bei BMW für ca. zwei Jahre. Eine wirtschaftliche Integration in Deutschland hat somit nicht stattgefunden. Auch eine besondere gesellschaftliche Integration ist nicht erfolgt. Vielmehr ist der Kläger seit dem Jahr 2008 kontinuierlich strafrechtlich in Erscheinung getreten und hat damit seine Missachtung der deutschen Gesellschafts- und Rechtsordnung zum Ausdruck gebracht. Zwar leben die Eltern und ein Großteil seiner Geschwister in Deutschland. Der Kläger ist jedoch als erwachsener Mann nicht mehr auf deren Beistand und Unterstützung angewiesen wie auch umgekehrt diese nicht auf den Kläger angewiesen sind. Diesen Bindungen kommt daher kein durchgreifendes Gewicht zu (BayVGH, B.v. 23.1.2020 - 10 ZB 19.2235 - juris). Den Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern kann der Kläger auch von der Türkei aus über moderne Fernkommunikationsmittel und Besuche aufrechterhalten.
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Das Gericht verkennt nicht, dass auch seine derzeit schwangere Ehefrau, seine leibliche Tochter und seine Stieftochter in Deutschland leben, zu denen der Kläger auch eine gute Beziehung und Kontakt pflegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BVerfG (K), B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris Rn. 14). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Tochter des Klägers ist bereits sieben Jahre und damit alt genug, um zu verstehen, dass die Trennung von ihrem Vater nur vorübergehend sein wird. Selbst die eheliche Lebensgemeinschaft mit seiner Frau und die familiäre Verantwortung gegenüber seinen Kindern konnten ihn nicht von der Begehung von Straftaten abhalten. Zumindest zur Zeit der anlassgebenden Straftaten war der Kläger bereits verheiratet und Vater. Dennoch hat er dann seine bislang schwersten Straftaten verübt. Er wusste, dass dies im Falle einer Verurteilung oder ausländerrechtlichen Konsequenzen eine längere Trennung von seiner Familie bedeuten kann. Es ist zudem davon auszugehen, dass sich sowohl seine leibliche Tochter wie auch die Stieftochter und seine Ehefrau bereits an ein Leben ohne den Vater bzw. Ehemann als ständige Bezugsperson gewöhnt haben, da der Kläger seit 2017 erst in Haft, dann in der Unterbringung war. Aufgrund der erheblichen Straftaten ist dem Kläger zuzumuten, den Kontakt zu seiner Familie von der Türkei aus weiterzuführen. Aus besonderen Gründen oder in Härtefällen kann auch eine Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 8 AufenthG beantragt werden.
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Eine Integration in die Türkei ist dem Kläger sowohl in wirtschaftlicher als auch sozialer Hinsicht zumutbar. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger die türkische Sprache in Wort und Schrift beherrscht und somit weder unüberbrückbare sprachliche noch kulturelle Hürden bei einer Rückkehr in das Land seiner Staatsangehörigkeit bestehen. Zum einen ist der Kläger bei seinen türkischen Eltern aufgewachsen, die ihm sicherlich auch die türkische Sprache und die türkischen Sitten und Gebräuche vermittelt haben. Der Kläger war auch zumindest zu Urlaubszwecken bereits in der Türkei. Eventuell bestehende sprachliche und kulturelle Hürden kann der Kläger mit einiger zumutbarer Anstrengung überwinden und sich in der Türkei integrieren, zumal sich die Lebensumstände in den größeren Städten der Türkei nicht derart erheblich von denen in Europa unterscheiden. Der Kläger ist jung, gesund und arbeitsfähig, so dass es ihm auch gelingen wird, sich in den türkischen Arbeitsmarkt zu integrieren, insbesondere angesichts seiner guten Deutschkenntnisse in den Tourismusgebieten. Die Ausweisung ist das Ergebnis einer sich stetig steigernden Delinquenz des Klägers, der sich die strafrechtlichen Verurteilungen in der Vergangenheit nicht zur Warnung hat dienen lassen. An der Verhinderung von Gewaltstraftaten besteht ein erhebliches öffentliches Interesse.
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(3) Vor diesem Hintergrund, unter Berücksichtigung der Vielzahl und Schwere der vom Kläger begangenen Taten und der von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr fällt die nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG zu treffende Gesamtabwägung zu Lasten des Klägers aus. Das Ausweisungsinteresse überwiegt das Bleibeinteresse. Die Ausweisung steht auch mit Art. 8 EMRK im Einklang, da sie gesetzlich vorgesehen ist (§ 53 Abs. 1 AufenthG) und einen in dieser Bestimmung aufgeführten legitimen Zweck, nämlich die Verteidigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und die Verhinderung von Straftaten, verfolgt. Die Ausweisung ist die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um den beabsichtigten Zweck durchzusetzen. Durch ein anderes, milderes Mittel kann der mit ihr verfolgte Zweck vorliegend nicht erreicht werden, zumal der Kläger in der Vergangenheit durch zahlreiche Geldstrafen und weitere Strafverfahren bereits mehrfach die Chance hatte, zu einem rechtstreuen Verhalten zurückzukehren. Im Ergebnis ist die Ausweisung des Klägers daher verhältnismäßig und rechtmäßig und zur Wahrung des mit ihr verfolgten Interesses unerlässlich.
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2. Das angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot von sechs Jahren unter der Bedingung der Straf- und Drogenfreiheit, andernfalls acht Jahren, ist nicht zu beanstanden.
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Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen, das mit der Ausweisungsverfügung angeordnet werden soll, § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Ermessen entschieden. Sie darf gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Frist soll in diesem Fall zehn Jahre nicht überschreiten. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen; es bedarf einer prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, zu überprüfen und gegebenenfalls zu verkürzen; dieses normative Korrektiv bietet den Ausländerbehörden und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2015 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56). Diese vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze (BVerwG, U.v. 14.5.2013 - 1 C 13.12- juris Rn. 32; U.v. 13.12.2012 - 1 C 14/12 - InfAuslR 2013, 141 Rn. 13 ff.; U.v. 14.5.2013 - 1 C 13/12 - NVwZ-RR 2013, 778 Rn. 32 f.) gelten auch im Rahmen der geänderten Fassung des § 11 AufenthG fort (BayVGH, B.v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 15.1854 - Rn. 50).
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Ausgehend davon ist die Befristung nicht zu beanstanden. Ermessensfehler im Sinne von § 114 VwGO sind nicht ersichtlich. Die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist ist vorliegend bedeutungslos, weil der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde. Die behördliche Entscheidung hält sich in dem von § 11 Abs. 5 AufenthG festgelegten Rahmen. Die Beklagte hat zutreffend das Gewicht des Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck sowie die familiären und persönlichen Bindungen des Klägers berücksichtigt. Angesichts des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter, insbesondere der körperlichen Unversehrtheit, und der hohen Wiederholungsgefahr wäre eine erheblich längere Frist zur Erreichung des Zwecks der Aufenthaltsbeendigung gerechtfertigt. Da sich die Frist an den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 6 GG und Art. 8 EMRK messen lassen muss, ist unter Berücksichtigung der familiären und persönlichen Bindungen des Klägers eine Frist von sechs Jahren unter der Bedingung der nachgewiesenen Straffreiheit und Drogensowie Alkoholabstinenz, andernfalls von acht Jahren, nicht zu beanstanden. Gegebenenfalls bestehende besondere Härten können durch die Ausnahmegenehmigung nach § 11 Abs. 8 AufenthG gemildert werden.
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3. Die Abschiebung unmittelbar aus der Haft bzw. Unterbringung ergibt sich aus § 58 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 AufenthG. In diesem Fall bedarf es keiner Fristsetzung nach § 59 Abs. 1 AufenthG. Die dem Kläger zur freiwilligen Ausreise gesetzte Frist für den Fall, dass er vor Durchführung der Abschiebung aus der Haft bzw. der Unterbringung entlassen wird, entspricht § 59 Abs. 1 AufenthG und ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
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II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).