Titel:
Aufschaltung einer Brandmeldeanlage auf Integrierte Leitstelle
Normenkette:
ILSG Art. 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 2
Leitsatz:
Die Direktaufschaltung aller Brandmeldeanlagen auf die Integrierte Leitstelle dient der schnellstmöglichen und zuverlässigen Brandmeldung im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr. Die Zwischenschaltung eines privaten Sicherheitsdienstes hätte demgegenüber Zeitverluste und zusätzliche Übertragungsrisiken zur Folge und ist auch angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht zulässig. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Brandmeldeanlage, Festhalle, Integrierte Leitstelle, Direktaufschaltung, Bestandsschutz, Verwirkung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Entscheidung vom 30.03.2020 – RN 4 K 19.1837
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22185
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 2. Mai 2018 weiter, mit dem angeordnet wurde, die Brandmeldeanlage für die Festhalle „…“ auf dem Grundstück Flurstücknummer … der Gemarkung S. an die Integrierte Leitstelle Passau aufzuschalten; ferner wurde ein Zwangsgeld angedroht.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn die Klägerin im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 30. März 2021 als unbegründet abgewiesen. Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Anordnung sei Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung und den Betrieb Integrierter Leitstellen (Integrierte Leitstellen-Gesetz - ILSG). Demgemäß seien Brandmeldeanlagen zur Feuerwehralarmierung, deren Errichtung nach einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift vorgeschrieben ist oder angeordnet wurde (notwendige Brandmeldeanlage), an die zuständige alarmauslösende Stelle aufzuschalten. Nach dieser Definition liege hier eine notwendige Brandmeldeanlage vor. Gemäß § 20 Abs. 1 der Verordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Versammlungsstättenverordnung - VStättV) müssten nämlich Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen von insgesamt mehr als 1.000 m² Grundfläche Brandmeldeanlagen mit automatischen und nichtautomatischen Brandmeldern haben. Des Weiteren sei in der der Klägerin unter dem 24. September 2008 erteilten Baugenehmigung eine Brandmeldeanlage für das Objekt angeordnet worden.
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Zuständige alarmauslösende Stelle nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 ILSG sei allein die Integrierte Leitstelle. Die Direktaufschaltung aller Brandmeldeanlagen im Bereich des Zweckverbands diene der schnellstmöglichen und zuverlässigen Brandmeldung im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr. Die Zwischenschaltung eines privaten Sicherheitsdienstes hätte demgegenüber Zeitverluste und zusätzliche Übertragungsrisiken zur Folge und sei deshalb auch angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht zulässig. Die Aufschaltung an eine privat organisierte Meldestelle sei demnach nicht ausreichend.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin vermöge das Gericht auch aus der Baugenehmigung vom 24. September 2008 und der Teilbaugenehmigung vom 30. April 2015 keinen Bestandsschutz zugunsten der Klägerin abzuleiten. Die Baugenehmigung enthalte die Bestimmung, dass der brandschutztechnische Nachweis nach § 14 der Bauvorlagenverordnung Bestandteil des Genehmigungsbescheides sei. In diesem werde ausgeführt, dass die Brandmeldeanlage an eine ständig besetzte Stelle aufzuschalten sei, damit eine automatische und manuelle Alarmierung der zuständigen Brandschutzdienststelle jederzeit gesichert sei; im Folgenden sei als ständig besetzte Stelle „Polizei, etc.“ genannt. Lediglich in der Brandschutzbescheinigung vom 20. Juli 2007 werde als ständig besetzte Stelle neben der Polizei auch ein „VdS-zugelassenes Wachunternehmen“ angeführt; diese Bescheinigung sei jedoch nicht Bestandteil der Baugenehmigung. Auch aus der (späteren) Teilbaugenehmigung bzw. aus dem dortigen Brandschutznachweis ergebe sich aufgrund der Formulierungen keine der streitgegenständlichen Anordnung entgegenstehende Regelung.
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Die streitgegenständliche Anordnung sei auch nicht unverhältnismäßig. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nur einen Vertrag mit der Firma E. Daten- und E. GmbH abgeschlossen habe, von der nicht ersichtlich sei, dass es sich um ein VdS-zugelassenes Wachunternehmen handeln würde. Eine durch diese Firma vermittelte Vereinbarung mit der Firma W. GmbH in S. (auf die sich die Klägerin im Verfahren berufen hatte) wäre selbst dann, wenn man zugunsten der Klägerin Bestandsschutz annehmen wollte, nicht ausreichend, um die in der Baugenehmigung angeordnete Auflage hinsichtlich der Aufschaltung der Brandmeldeanlage zu erfüllen.
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Zudem sei unter Brandschutzgesichtspunkten erforderlich, dass in jedem Fall bei einem Auslösen der Brandmeldeanlage eine Alarmierung der Feuerwehr erfolge, auch wenn dies dazu führe, dass bei einem Falschalarm Kosten entstünden, die von der Betreiberin zu übernehmen seien. Sinn und Zweck des Art. 2 Abs. 1 Satz 2 ILSG sei es nämlich, eine schnellstmögliche und zuverlässige Brandmeldung im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr zu gewährleisten und unnötige Zeitverluste zu verhindern. Das öffentliche Interesse an einem ausreichenden Brandschutz sei daher höher zu bewerten als eventuelle finanzielle Belastungen der Klägerin als Betreiberin der Brandmeldeanlage.
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In der Begründung des Zulassungsantrags wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen, dass sie hinsichtlich der Aufschaltung ihrer Brandmeldeanlage auf ein privates Wachunternehmen Bestandsschutz genieße. Sie trägt vor, durch die Anforderung in dem zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärten brandschutztechnischen Nachweis, dass durch die Brandmeldeanlage eine „ständig besetzte Stelle (Polizei, etc.)“ alarmiert werden könne, sei mangels einer exakten Definition die Aufschaltung an ein Privatunternehmen mit VdS-Zulassung nicht ausgeschlossen. Es sei auch keine Befristung bis zur Inbetriebnahme der Integrierten Leitstelle oder ein entsprechender Widerrufsvorbehalt ausgesprochen worden. Entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts sei die Brandschutzbescheinigung des Prüfsachverständigen sehr wohl ebenfalls Bestandteil der Baugenehmigung geworden. Hier werde als Beispiel für eine ständig besetzte Stelle auch ein VdS-zugelassenes Wachunternehmen genannt. Nach der Bescheinigung des Prüfsachverständigen sei dies also explizit zulässig und ausreichend. Gleiches sei in der späteren Teilbaugenehmigung von 2015 mit Brandschutznachweis und ebenfalls einer Brandschutzbescheinigung des Prüfsachverständigen erfolgt. Ferner sei ein Einschreiten seitens des Beklagten verwirkt, da die Aufschaltung auf ein privates, VdS-zugelassenes Wachunternehmen jahrelang bekannt gewesen sei, ohne dass dagegen eingeschritten worden sei.
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Das Verwaltungsgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Bestandsschutz dahingehend in Anspruch nehmen kann, dass sie ihre Brandmeldeanlange nicht an die Integrierte Leitstelle, sondern an ein privates, VdS-zugelassenes Wachunternehmen aufschalten darf.
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Unabhängig von dem genauen Bedeutungsinhalt der Baugenehmigung(en) ist nicht hinreichend dargelegt, dass die Klägerin von einer solchen, eventuell Bestandsschutz vermittelnden Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht hätte. Im Verwaltungsverfahren hat sie mehrmals geltend gemacht, man erfülle die Anforderung betreffend die Brandmeldeanlage durch einen langfristigen Vertrag mit der Firma W. in S., ohne weitere Nachweise vorzulegen. Beim Verwaltungsgericht wurde dagegen ein Vertrag mit einer Firma E. Daten- und Elektrotechnik in S. vorgelegt, der als Vertragsgegenstand nennt: „Die Notruf- und Serviceleitstelle (NSL) erbringt nach Aufschaltung der Meldeanlage des Auftraggebers die im Aktionsplan beschriebenen Dienstleistungen.“ Die Firma W. GmbH ist nicht erwähnt, es ist nicht ersichtlich, in welchem Zusammenhang sie mit der Brandmeldeanlage der Klägerin steht. Die Firma E. Daten- und Elektrotechnik ist unbestritten nicht „VdS-zugelassen“ (d.h. durch die VdS Schadenverhütung GmbH zertifiziert). Auf den Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass bisher eine Vereinbarung mit der Firma W. GmbH nicht beigebracht worden sei, führte die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. März 2021 aus, dass sie nur über einen „unmittelbaren Vertrag“ mit der Firma E. Daten- und Elektrotechnik verfüge. Diese wiederum stehe in einem Vertragsverhältnis mit der Firma W. Das Vertragsverhältnis mit einem VdS-zugelassenen Wachunternehmen werde daher der Klägerin durch die Firma E. Daten- und Elektrotechnik vermittelt.
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Die Klägerin konnte somit bereits in der ersten Instanz nicht belegen, dass sie tatsächlich ihre Brandmeldeanlage auf ein VdS-zugelassenes Wachunternehmen aufgeschaltet hat. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht darauf hingewiesen (UA S. 10), dass - selbst wenn man zugunsten der Klägerin einen entsprechenden Bestandsschutz bejahen wollte - dies nicht ausreichend wäre, um die in der Baugenehmigung angeordnete Auflage zu erfüllen. Auf diese Argumentation des Verwaltungsgerichts geht die Begründung des Zulassungsantrags nicht ein.
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Bezüglich des nach ihrer Meinung aus der Baugenehmigung von 2008 bzw. aus der Teilbaugenehmigung von 2015 abzuleitenden Bestandsschutzes wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihre Argumente aus der Vorinstanz, die das Verwaltungsgericht bereits zutreffend bewertet hat (UA S. 9-10), weshalb hierauf verwiesen wird. Auch der nunmehr erhobene Vortrag, die Formulierung des Klammerzusatzes bei „eine ständig besetzte Stelle (Polizei, etc.)“ schließe eine Aufschaltung der Brandmeldeanlage an ein Privatunternehmen mit VdS-Zulassung nicht aus, führt ebenfalls nicht dazu, einen entsprechenden Bestandsschutz bezüglich der Aufschaltung gerade an ein solches Privatunternehmen anzunehmen.
14
Eine „Verwirkung“ ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die zuständigen Behörden die bestehende Aufschaltung der Brandmeldeanlage einige Zeit geduldet haben, denn die Klägerin konnte nicht darauf vertrauen, dass dieser Zustand auf Dauer geduldet werde. Die Integrierte Leitstelle Passau hat am 1. Juni 2012 ihren Betrieb aufgenommen, und die zuständige Bauaufsichtsbehörde hat bereits mit Schreiben vom 26. Juni 2012 die Klägerin erstmals (formlos) aufgefordert, die Brandmeldeanlage an diese Integrierte Leitstelle aufzuschalten. Weitere Aufforderungen erfolgten durch Schreiben vom 9. August 2012 sowie durch Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 4. September 2013 und vom 27. Februar 2018. Der Beklagte hat somit nie ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gegeben, er werde den bestehenden Zustand auf Dauer hinnehmen. Auch aus dem von der Klägerin vorgelegten Protokoll über eine Ortseinsicht im Rahmen einer versammlungsstättenrechtlichen Überprüfung vom 20. Januar 2017 ergibt sich nichts Anderes. Hier ist lediglich als Tatsachenfeststellung festgehalten, dass die Brandmeldeanlage „abweichend von der Genehmigung“ nicht auf die Intergierte Leitstelle aufgeschaltet ist; festgehalten wird ferner (fälschlich), dass ein Vertrag mit der Firma W. GmbH existiere, obwohl die Klägerin später eingeräumt hat, dass ein solcher nicht existiere.
15
Soweit die Klägerin abschließend geltend macht, die streitgegenständliche Anordnung sei unverhältnismäßig, fehlen hierzu substantielle Angaben. Sie verweist pauschal auf „die Häufigkeit von Fehlalarmen und die damit zusammenhängenden, erheblichen Kosten, sowie die Problematik der Überbeanspruchung der Feuerwehren“. Woher diese Häufigkeit von Fehlalarmen bei der Aufschaltung auf die Integrierte Leitstelle rühren sollte, und warum dies bei der Aufschaltung auf ein privates Wachunternehmen weniger der Fall sein sollte, wird nicht nachvollziehbar dargelegt. Vielmehr dient die Direktaufschaltung aller Brandmeldeanlagen im Einzugsgebiet auf die Integrierte Leitstelle der schnellstmöglichen und zuverlässigen Brandmeldung im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr. Die Zwischenschaltung eines privaten Sicherheitsdienstes hätte demgegenüber Zeitverluste und zusätzliche Übertragungsrisiken zur Folge und ist deshalb auch angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht zulässig (so bereits BayVGH, B.v. 11.11.2009 - 15 CS 09.2374 - juris Rn. 10).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
18
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).