Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.08.2022 – 10 ZB 22.1284
Titel:

Teilnahme per Videokonferenz

Normenketten:
VwGO § 93, § 100 Abs. 3, § 102a, § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 146 Abs. 2, § 166 Abs. 1
ZPO § 47, § 114
Leitsätze:
1. § 102a Abs. 1 VwGO hat als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung, dass die erforderliche Videokonferenztechnik vorhanden ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine unterlassene Verbindung nach § 93 VwGO begründet einen Verfahrensmangel nur, wenn dem angegriffenen Urteil als Folge der beanstandeten Unterlassung Mängel anhaften. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfeanträge, Beabsichtigte Zulassungsanträge, Befangenheitsantrag, Wartefrist, isolierter Prozesskostenhilfeantrag, Berufungszulassung, Befangenheit, Darlegungsanforderungen, Videokonferenz, unterlassene Verbindung
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 30.03.2022 – Au 6 K 21.2067
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22182

Tenor

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe − unter Beiordnung von Rechtsanwältin F. T., B. Markt 36, ... H. - für noch zu erhebende Anträge auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. März 2022 (Au 6 K 21.2067) werden abgelehnt.

Gründe

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Die Kläger, eine Familie bestandskräftig abgelehnter Asylantragsteller türkischer Nationalität, begehren isoliert - unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten − die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für noch einzulegende Anträge auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses ihre Klagen abgewiesen hatte, den Beklagten zu verpflichten, den Klägern zu 1) bis 3) eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, beziehungsweise ihn hilfsweise zu verpflichten, über die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Kläger zu 1) bis 5) vom 31. Mai 2021 zu entscheiden.
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1. Die Anträge der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die noch einzulegenden Zulassungsanträge sind zulässig, aber unbegründet.
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a) Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist der Fall, wenn der vorgetragene Rechtsstandpunkt der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei bei summarischer Prüfung wenigstens vertretbar erscheint (vgl. Reichling in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 45. Aufl., Stand: 1.7.2022, § 114 Rn. 28 m.w.N.).
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b) Gemessen an den vorstehenden Anforderungen bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung bei summarischer Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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aa) Der Senat verweist zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts vom 23. Mai 2022 (Au 6 K 21.2067).
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bb) Darüber hinaus ist Folgendes zu ergänzen:
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(1) Die Kläger haben im vorliegenden Fall die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sowie − der Sache nach − eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend gemacht.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die den Verfahrensablauf regelt. Das angefochtene Urteil des Erstgerichts muss auf dem Verfahrensmangel beruhen können. Speziell ein Gehörsverstoß ist nur dann anzunehmen, wenn der Betroffene alle ihm nach Lage der Sache gegebenen und zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, sich Gehör zu verschaffen (vgl. BVerfG, B.v. 10.2.1987 - 2 BvR 314/86 - BVerfGE 74, 220 <225> = juris Rn. 14 m.w.N.; BVerwG, B.v. 13.1.2022 - 5 PB 9/21 - juris Rn. 2; B.v. 30.1.2020 - 5 PB 2.19 − juris Rn. 3; B.v. 23.5.2019 - 5 PB 7.18 − juris Rn. 3 m.w.N.).
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Dabei gelten zwar für einen (isolierten) Prozesskostenhilfeantrag nicht dieselben Darlegungsanforderungen wie für den Zulassungsantrag selbst. Die Prozesskostenhilfe soll die Rechtsverfolgung in der Hauptsache nur ermöglichen, nicht aber vorwegnehmen. Auch die mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe verfolgte Gleichstellung Unbemittelter muss aber nur auf den Bezugspunkt eines Bemittelten gerichtet sein, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Prozesskostenhilfe ist danach zu versagen, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, B.v. 13.3.1990 - 2 BvR 94/88 u.a. − BVerfGE 81, 347 <357> = juris Rn. 26). Das Vorbringen muss daher hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes erkennen lassen (vgl. zu § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO: BVerwG, B.v. 8.9.2008 - 3 PKH 3/08 - juris Rn. 3 f.; B.v. 1.9.1994 - 11 PKH 4.94 - juris Rn. 6; vgl. zu § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO: VerfGH BW, B.v. 30.11.2016 - 1 VB 52/16 - juris Rn. 15).
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(2) Derartige Zweifel und auch ein Verfahrensmangel in dem vorgenannten Sinne sind nicht aufgezeigt und auch nicht anderweitig ersichtlich.
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(a) Nicht durchdringen können die rechtsanwaltlich vertretenen Kläger insbesondere mit der Rüge, das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts sei durch unzuständige Richter ergangen, „da diese mit Befangenheitsantrag vom 07.03.2022 wiederholt aus weiteren zusätzlichen Gründen − neben den im Befangenheitsantrag vom 30.01.2022 eingewandten - abgelehnt“ worden seien. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. März 2022 über die Ablehnung des Befangenheitsantrags betreffe lediglich den Befangenheitsantrag vom 30. Januar 2022, ungeachtet des Tenors „die Ablehnungsgesuche werden abgelehnt“. Der Tenor sei unbestimmt. Es sei nicht ersichtlich, welches Ablehnungsgesuch gemeint sei. Das Verwaltungsgericht habe in dem Beschluss vom 7. März 2022 nur das Ablehnungsgesuch vom 30. Januar 2022 mit den darin vorgetragenen Ablehnungsgründen verbeschieden, weil nur darauf Bezug genommen werde. Bis heute sei daher nicht über den Befangenheitsantrag vom 7. März 2022 entschieden.
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Ein Verfahrensfehler ist bei summarischer Prüfung damit nicht aufgezeigt. Die Klägerseite hat die Befangenheitsanträge und den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. März 2022 weder wiedergegeben noch vorgelegt noch sich mit den dort angegebenen Gründen auseinandergesetzt und dementsprechend auch nichts entgegengesetzt. Unterschiede zwischen den beiden Befangenheitsanträgen sowie daraus resultierende Lücken in dem Beschluss hat die Klägerseite lediglich behauptet, dafür jedoch keinerlei Anhaltspunkte benannt.
13
Ein Verfahrensfehler ist auch nicht anderweitig ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat mit dem Beschluss vom 7. März 2022 vorab und gesondert beide Ablehnungsgesuche abgelehnt. Der Tenor des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. März 2022 bezieht sich, worauf die Klägerseite selbst hinweist, auf „Die Ablehnungsgesuche“. Die Klägerseite blendet zudem die Gründe aus, in deren Lichte der Tenor auszulegen ist. In dem den Entscheidungsgründen vorangestellten Obersatz werden ausdrücklich beide Ablehnungsgesuche verbeschieden (vgl. VG Augsburg, Gerichtsakte, Bl. 125: „Sämtliche Ablehnungsanträge … sind nicht begründet und waren daher abzulehnen“). Dies setzt sich im Weiteren fort (vgl. Bl. 126 Rückseite: „den Befangenheitsanträgen“ sowie „Die Befangenheitsanträge“). Im Übrigen beantworten die in dem Beschluss vom 7. März 2022 angeführten Gründe in der Sache die Rügen der Klägerseite in den Befangenheitsanträgen, insbesondere auch hinsichtlich der geltend gemachten Sperrwirkung beziehungsweise Wartefrist, und decken diese ab (vgl. VG Augsburg, Gerichtsakte, Bl. 124 Rückseite: „Die … für die Entscheidung über die Ablehnungsanträge gegen die 6. Kammer zuständige 7. Kammer leitete die dienstlichen Stellungnahmen mit Verfügung vom 1. Februar 2022, ausgelaufen am 8. Februar 2022, an die Beteiligten weiter und gab Gelegenheit zur Äußerung“, vgl. auch sogleich unter II. 1. b) bb) (2) <b> u. VG Augsburg, Gerichtsakte 6 K 21.2602, Bl. 226 Rückseite).
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Gegen die nach Auffassung eines Beteiligten unrichtige Ablehnung eines Befangenheitsantrags ist im Übrigen gemäß § 146 Abs. 2 VwGO ein Rechtsmittel ausdrücklich ausgeschlossen, mit der Folge, dass es nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 512 ZPO nicht der Prüfung durch das Berufungsgericht unterliegt, es sei denn, die Entscheidung verstößt zugleich gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil sie objektiv willkürlich ist und deshalb zu einer vorschriftswidrigen Besetzung geführt hat (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2008 − 2 B 77.07 − juris Rn. 6; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 54 Rn. 28 m.w.N.; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 42. EL, Stand. Februar 2022, VwGO, § 124 Rn. 53 i.V.m. 59 m.w.N. Für die Annahme einer derartigen Ausnahme hat die Klägerseite nichts vorgetragen. Hierfür ist auch nichts anderweitig ersichtlich.
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(b) Gleichermaßen greift der Einwand der Klägerseite nicht durch, ein Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 ZPO liege darin, dass sie (gemeint wohl: die abgelehnten Richter - Anm. d. Senats) während des laufenden ersten Befangenheitsverfahrens aufgrund des Ablehnungsgesuchs vom 30. Januar 2022 „mit Verfügung vom 08.02.2022“ die Klägerseite zur Stellungnahme aufgefordert hätten, obwohl noch nicht über den Befangenheitsantrag entschieden worden wäre.
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Nach § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 ZPO hat ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Die Sperrwirkung tritt jedoch allein dann ein, wenn der Befangenheitsantrag gegen einen abgelehnten Richter einschließlich Begründung im anhängigen konkreten Verfahren wirksam angebracht und nicht offensichtlich missbräuchlich ist (vgl. BGH, B.v. 15.11.2018 - V ZB 71/18 - juris Rn. 7 m.w.N.). Im Übrigen sind Verstöße gegen § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 ZPO als geheilt anzusehen, so dass eine Verletzung der Wartepflicht ohne Folgen bleibt, wenn das Ablehnungsersuchen abgelehnt wird (vgl. BGH, B.v. 15.11.2018 - V ZB 71/18 - juris Rn. 7 m.w.N.).
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Ein Verfahrensfehler ist durch das klägerische Vorbringen bei summarischer Prüfung nicht aufgezeigt. Die Klägerseite hat im vorliegenden Fall den Befangenheitsantrag vom 30. Januar 2022 und die richterliche Verfügung vom 8. Februar 2022 nicht wiedergegeben und auch nicht vorgelegt. Dem Vorbringen ist damit schon nicht zu entnehmen, auf welche Gerichtspersonen sich das Ablehnungsgesuch konkret bezog, ob überhaupt eine abgelehnte Gerichtsperson die bemängelte Verfügung vom 8. Februar 2022 getroffen hat und um welche Verfügung es sich dabei handelte.
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Ein Verfahrensfehler ist auch nicht anderweitig ersichtlich. Abgelehnte Gerichtspersonen waren in die genannte richterliche Verfügung nicht involviert. Vielmehr hat die für die Entscheidung über die Ablehnungsanträge gegen die 6. Kammer zuständige 7. Kammer mit Verfügung vom 1. Februar 2022, ausgelaufen am 8. Februar 2022, die dienstlichen Stellungnahmen an die Beteiligten weitergeleitet und Gelegenheit zur Äußerung gegeben (s.o.). Schließlich kann das angefochtene Urteil auch nicht auf dem gerügten Verstoß beruhen, da ein solcher jedenfalls durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. März 2022, mit dem die Ablehnungsersuchen abgelehnt wurden, nachträglich geheilt worden ist (s.o).
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(c) Kein Erfolg beschieden ist auch den Rügen, die Richter hätten das rechtliche Gehör der Kläger durch (faktische) Ablehnung des Akteneinsichtsgesuchs vom 24. März 2022, durch Ablehnung des Antrags auf Teilnahme per Videokonferenz gemäß § 102a VwGO und durch die Ablehnung des schriftlichen Verfahrens gemäß § 101 Abs. 2 VwGO sowie des Antrags auf Schriftsatznachlass vom 24. März 2022 verletzt. „Durch diese mehrfachen Ablehnungen“ habe das Verwaltungsgericht „willkürlich und in Kenntnis der großen Entfernung der Kanzlei vom Gerichtsort“ die Möglichkeiten rechtlichen Gehörs und effektiven Rechtsschutzes faktisch ausgeschaltet.
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Die Klägerseite hat ihre gestellten Anträge und die daraufhin ergehenden Beschlüsse des Verwaltungsgerichts weder wiedergegeben noch vorgelegt noch sich inhaltlich mit den dort angegebenen Gründen des Verwaltungsgerichts (vgl. VG Augsburg, Gerichtsakte, Bl. 154 Rückseite, Bl. 162 Rückseite, Bl. 176 Rückseite, u. Bl. 206) auseinandergesetzt und diesen dementsprechend auch nichts entgegengesetzt. Das Vorbringen lässt nicht erkennen, worin - abgesehen von einer Ablehnung der Anträge als solcher, wobei der erstgenannte Beschluss ein stattgebender Beschluss ist − die Klägerseite Verstöße gegen die einschlägigen Verfahrensvorschriften erblickt. In dem Vorbringen der Klägerseite kommt die Auffassung zum Ausdruck, dass ein Beteiligter, stellt er mehrere Anträge, wenigstens mit einem Antrag durchdringen müsse. Einem Antrag kann jedoch nur dann Erfolg beschieden sein, wenn er zulässig und begründet ist. Die Ablehnung eines Antrags beziehungsweise die Ablehnung von Anträgen begründet für sich genommen keinen Verfahrensmangel im vorgenannten Sinn.
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Im Übrigen fehlt es insoweit bei summarischer Prüfung an den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Der ablehnende Beschluss des Verwaltungsgerichts über den Antrag auf Teilnahme per Videokonferenz fußt auf der Befugnisnorm des § 102a Abs. 1 VwGO, der als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung das Vorhandensein der erforderlichen Videokonferenztechnik hat (vgl. BVerwG, B.v. 7.4.2020 − 5 B 30/19 D - juris Rn. 31 m.w.N.). Diese Voraussetzung hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall verneint. Dies ist in der Sache auch nicht zu beanstanden. Nicht durchdringen kann die Klägerseite voraussichtlich mit der Rüge der faktisch verhinderten Akteneinsicht, weil sie jedenfalls nicht von allen verfügbaren prozessualen Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (s.o.). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht auf den Antrag der Klägerseite vom 24. März 2022 auf „Akteneinsicht in die Gerichtsakten“ hin mit Beschluss noch vom selben Tag - im Hinblick auf die demnächst bevorstehende mündliche Verhandlung in dieser Sache − Akteneinsicht in die Prozessakten in Papierform in den Diensträumen des Verwaltungsgerichts gemäß § 100 Abs. 3 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 87a Abs. 3 VwGO gewährt und damit dem Antrag entsprochen hat. Dass die gewährte Form der Akteneinsicht der Bevollmächtigten unmöglich oder unzumutbar ist, hat die Bevollmächtigte, die sechs Tage vor dem anberaumten Termin eine Vielzahl von zum Teil widersprüchlichen Anträgen gestellt hat, dem Verwaltungsgericht im Vorhinein nicht mitgeteilt und dargelegt. Eine bestimmte Form der Gewährung von Akteneinsicht hat sie nicht erwähnt (vgl. VG Augsburg, Gerichtsakte, Bl. 184 Rückseite „Antrag ganz … allgemein gehalten“). Sie hat auch ihren gestellten Antrag in der Folge nicht erläutert beziehungsweise modifiziert und auch keinen neuen konkret auf eine andere Form der Gewährung von Akteneinsicht gerichteten Antrag gestellt, um insoweit ihr Begehren klarzustellen. Letzteres ist in der konkreten prozessualen Situation angezeigt gewesen. Dies gilt auch eingedenk des Umstandes, dass es sich bei der Bevollmächtigten um eine außerhalb des Gerichtsbezirks ansässige Rechtsanwältin handelt. Dem Gebot, alle prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, hat sie nicht dadurch entsprochen, dass sie stattdessen am nächsten Tag (erneut) Befangenheitsantrag gestellt hat, da ihr dies die Akteneinsicht in der von ihr gewünschten Form nicht verschafft. Im Hinblick auf die ablehnenden Beschlüsse zu den Anträgen auf Übergang in das schriftliche Verfahren, Terminsaufhebung und Nachlass einer Schriftsatzfrist ist zu ergänzen, dass die Klägerseite schon nicht vorgetragen hat, dass der Beklagte das von Gesetzes wegen gemäß § 101 Abs. 2 VwGO erforderliche Einverständnis abgegeben hat. Dies ist auch nicht anderweitig ersichtlich (vgl. VG Augsburg, Gerichtsakte, Bl. 97 ff.).
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(d) Nicht durchdringen kann die Klägerseite mit dem Einwand, „Der Klägervortrag zu den Aufenthaltszwecken wegen Beschäftigung aus Abschnitt 4 des AufenthG wurde vollständig außer Acht gelassen“. Anhaltspunkte dafür, welchen konkreten Vortrag das Verwaltungsgericht, das das Vorliegen der Voraussetzungen weiterer Aufenthaltstitel im Erstverfahren als unsubstantiiert und nicht anderweitig ersichtlich erachtet hat, unzulässigerweise übergangen haben soll, ergeben sich daraus nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zunächst entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf seinen vorangehenden Beschluss vom 10. Januar 2022 (10 C 21.2544, 10 CE 21.2735 u. 10 C 21.2736). Im Übrigen ist die insofern getroffene Wertung des Verwaltungsgerichts bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden (vgl. UA S. 11 u. VG Augsburg, Gerichtsakte, Bl. 4 ff., 27 f., 48 ff., 72 ff., 102 ff. u. 109 ff.).
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(e) Ins Leere geht die Rüge, zu Unrecht sei die Verbindung des vorliegenden Verfahrens „mit der Klage vom 25.02.2022“ unterblieben, obgleich beide denselben Verfahrensgegenstand, nämlich die Aufenthaltserlaubnis der Kläger, beträfen.
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Die Entscheidung über eine Verbindung von Verfahren liegt nach § 93 Satz 1 VwGO im Ermessen des Gerichts („kann“). Dass eine Verbindung hier ausnahmsweise zwingend geboten sein könnte (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 3 m.w.N.), erschließt sich dem Senat nicht. Die Klägerseite hat weder den oder die Kläger benannt noch den Klageantrag oder die Klageanträge in jenem Verfahren und die hierzu vorgebrachten Gründe wiedergegeben noch die einschlägigen Schriftsätze vorgelegt noch ein Aktenzeichen angeführt. Dass die rechtsanwaltlich vertretenen Kläger insoweit im vorliegenden Verfahren eine Verbindung angeregt hätten, geht daraus ebenfalls nicht hervor.
25
Im Übrigen muss eine unterlassene Verbindung Auswirkungen auf die Richtigkeit des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts haben können (vgl. SächsOVG, B.v. 20.6.2016 - 3 A 195/16 - juris Rn. 19). Unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels müssen dem angegriffenen Urteil als Folge der beanstandeten Unterlassung Mängel anhaften (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.2007 - 9 B 53.07 - juris Rn. 4). Auch dazu hat die Klägerseite nichts vorgetragen. Derartige Mängel und Auswirkungen sind auch nicht anderweitig ersichtlich. In Bezug auf die Rüge einer unterlassenen Verbindung mit den Verfahren Au 6 K 22.376, Au 6 K 22.472, Au 6 K 22.469, Au 6 K 22.464 und Au 6 K 22.462 sowie die Rüge einer fehlerhaften Verbindung mit dem Verfahren Au 6 K 21.2602 gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend.
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(f) Nicht zum Erfolg führen ferner die übrigen Rügen der Klägerseite in dem Entwurf der Zulassungsbegründung. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zunächst entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf seine vorangehenden Beschlüsse vom 10. Januar 2022 (10 C 21.2544, 10 CE 21.2735 u. 10 C 21.2736) und vom 4. August 2022 (10 CS 22.1343, 10 CS 22.1345, 10 CS 22.1348, 10 CS 22.1350 u. 10 CS 22.1352). Im Übrigen gilt Folgendes:
27
(aa) Nicht durchdringen kann die Klägerseite mit dem Einwand, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei lückenhaft, da es sich nicht mit der aufgeworfenen Frage der Untätigkeit und dem Hilfsantrag der Kläger über die Verpflichtung zur Entscheidung über ihre Anträge vom 31. Mai 2021 befasst habe. Obgleich das Verwaltungsgericht entschieden habe, dass die Kläger weder einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch auf Verpflichtung zur Entscheidung über den Antrag vom 31. Mai 2021 hätten, habe es Letzteres in den nachfolgenden Ausführungen nicht begründet. Es habe die angegriffenen Bescheide nicht auf Ermessensfehler überprüft.
28
Das Verwaltungsgericht hat den Umstand, dass es sich um eine Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage handelt, im Rahmen der Zulässigkeit berücksichtigt (vgl. UA S. 7). Das Verwaltungsgericht hat sodann Haupt- und Hilfsantrag zusammen geprüft und, wie die Klägerseite selbst konzediert, auch über den geltend gemachten Hilfsantrag entschieden (vgl. UA S. 5 i.V.m. S. 7). Das Verwaltungsgericht hat bereits das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für die von Klägerseite näher geltend gemachten Anspruchsgrundlagen (vgl. UA S. 7 ff.) und dann auch für die weiteren von ihm als unsubstantiiert erachteten verneint (vgl. UA S. 11: „Voraussetzungen“).
29
(bb) Als gänzlich pauschal und unzutreffend einzustufen, nicht zuletzt auch aus den Gründen der vorgenannten Beschlüsse des Senats (s.o.), sind die (wiederholten) Einwände zu § 25 Abs. 4 und 5 AufenthG (vgl. i.Ü. auch UA S. 7 ff.) sowie zu der fehlenden psychologischen, linguistischen sowie soziologischen Expertise des Verwaltungsgerichts für die Beurteilung der Verwurzelung, wobei die Klägerseite diesbezüglich keine Beweisanträge gestellt hat und sich eine weitere Sachaufklärung auch nicht anderweitig aufdrängte, und dem behaupteten Versäumnis in Bezug auf Art. 8 EMRK (vgl. i.Ü. UA S. 10 f.).
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2. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.