Titel:
Maßgeblicher Grundstücksbegriff für die Erschließungsbeitragspflicht
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 5
BayKAG Art. 5a
BauGB § 131 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Für die Frage, in welchem Umfang ein Grundstück zum Erschließungsbeitrag heranzuziehen ist, ist auf den Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht abzustellen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein unter einer Nummer im Grundbuch geführtes Buchgrundstück kann auch aus mehreren Flurstücken bestehen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erschließungsbeitragsrecht, Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht, Buchgrundstücksbegriff, Erschließungsbeitrag, Grundstücksbegriff, maßgeblicher Zeitpunkt, sachliche Beitragspflicht, Flurnummern, Aufwandsverteilung, mehrfach erschlossenes Grundstück
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22160
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin ist Eigentümerin der seit 3. März 2021 beim Amtsgericht ... im Grundbuch für ... Band ... Blatt ... im Bestandverzeichnis unter (BV)Nr. 3 Fl.Nr. ... (519 m²) und (BV)Nr. 4 Fl.Nr. ... (432 m²) vorgetragenen Grundstücke (Bl. 40/41 der Widerspruchsakte). Vorher waren die Flurstücke im Grundbuch ... Band ... Blatt ... gemeinsam unter der BVNr. 2 aufgeführt gewesen. Aufgrund eines entsprechenden Antrags der Klägerin war das ursprünglich 951 m² große (Stamm-)Grundstück Fl.Nr. ... vermessungstechnisch abgemarkt und mit Eintragungsverfügung des Grundbuchamts vom 18. September 2017 „als ein Grundstück“ in die unter der BVNr. 2 vorgetragenen Flurstücke ... und ... zerlegt worden (Bl. 14 bis 18 der Gerichtsakte). Das Grundstück ... grenzt mit seiner Westseide an die Erschließungsanlage „... (Stichweg)“ an. Das Grundstück ... liegt mit seiner Südseite an der eine eigene Erschließungsanlage darstellenden ... und mit seiner Westseite an dem Grundstück ... an. Die sachliche Beitragspflicht für die Erschließungsanlage „... (Stichweg)“ ist - unstreitig - mit Eingang der Rechnung des Amts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung ... vom 24. September 2019 bei der Beklagten am 2. Oktober 2019 entstanden.
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Die Beklagte hat die Klägerin mit Bescheid vom 25. November 2020 als Eigentümerin des aus den Flurstücken Fl.Nrn. ... und ... bestehenden und im Bestandsverzeichnis gemeinsam unter der Nr. 2 aufgeführten insgesamt 951 m² großen Buchgrundstücks für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage „... (Stichweg)“ zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 11.567,51 EUR herangezogen.
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Der von der Klägerin hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 8. Juni 2021 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde dargelegt, dass die zwei Flurstücke ... und ... bis zum 3. März 2021 im Grundbuch unter einer Nummer, danach aber nicht mehr zusammen als Nr. 2, sondern als Nr. 3 und Nr. 4 eingetragen gewesen seien. Die Heranziehung der Flurstücke zum Erschließungsbeitrag für die Erschließungsanlage „... (Stichweg)“ sei rechtmäßig. Maßgeblich sei der grundbuchrechtliche Grundstücksbegriff. Dieser verstehe unter einem Buchgrundstück einen katastermäßig abgegrenzten Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer besonderen Nummer eingetragen sei. Ein solches unter einer Nummer geführtes Buchgrundstück könne auch aus mehreren Flurstücken bestehen. Bei der Fl.Nr. ... handele es sich um kein selbstständiges Hinterliegergrundstück, sondern, da diese Flurnummer und das Flurstück ... im Grundbuch bis zum 3. März 2021 zusammen unter einer Nummer eingetragen gewesen seien, um die Teilfläche eines aus zwei Flurnummern bestehenden Anliegergrundstücks. Ein Buchgrundstück sei mit seiner gesamten Fläche an der Aufwandverteilung zu beteiligen. Dieser Grundsatz gelte auch für mehrfach erschlossene Grundstücke. Liege ein Grundstück an mehreren Anbaustraßen, sei dieses, wenn dem Grundstück die beitragsrechtlich relevante Nutzbarkeit durch jede dieser Straßen vermittelt werde, grundsätzlich durch jede dieser Straßen hinsichtlich seiner gesamten Fläche erschlossen. Da die zwei Flurstücke also noch nach dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht am 2. Oktober 2019 zusammen im Grundbuch unter einer Nummer eingetragen gewesen seien, habe die Beklagte zurecht das aus den beiden Flurnummern bestehende Buchgrundstück zu einem Erschließungsbeitrag herangezogen. Die Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 15. April 1992 biete eine ausreichende satzungsrechtliche Grundlage für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen. Die Wirksamkeit der Erschließungsbeitragssatzung werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass spätestens mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 8. März 2016 Erschließungsbeiträge in Bayern nach Landesrecht erhoben würden und demnach eine (neue) Erschließungsbeitragssatzung die in Art. 2 Abs. 1 Satz 2 KAG genannten Mindestregelungen enthalten müsse. Die Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten habe aufgrund dieser Neuregelung jedoch nicht ihre Gültigkeit verloren. Denn der Fortgeltung der Satzung stehe nicht entgegen, dass die im Zeitpunkt des Erlasses der Satzung gegebenen Voraussetzungen für die Beitragserhebung später geändert worden seien. Es sei anerkannt, dass das nachträgliche Erlöschen oder auch die nachträgliche Änderung einer gesetzlichen Ermächtigung ohne Einfluss auf den Rechtsbestand einer hierauf beruhenden ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung sei. Für den Rechtsbestand einer kommunalen Satzung gelte auch dann nichts Anderes, wenn die inhaltlichen Voraussetzungen der Ermächtigung später entfallen seien.
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Am 7. Juli 2021 ließ die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte hiergegen Klage erheben mit dem Antrag,
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den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 25. November 2020 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 8. Juni 2021 aufzuheben.
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Zur Begründung wurde dargelegt, dass sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2020 wende, mit dem sie für die Grundstücke Fl.Nr. ... und Fl.Nr. ... zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 11.567,51 EUR für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage „... (Stichweg)“ herangezogen worden sei. Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, soweit auch für das 432 m² große Grundstück Fl.Nr. ... ein Erschließungsbeitrag festgesetzt worden sei. Dieses Grundstück grenze nicht an die Erschließungsanlage an. Die Erschließung erfolge hier ausschließlich über die bereits seit langem erstmalig hergestellte .... Dem Grundstück fehle deshalb der für die Erhebung eines Erschließungsbeitrags erforderliche Erschließungsvorteil. Es sei zwar zutreffend, dass das Grundstück zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht am 2. Oktober 2019 im Grundbuch noch unter der Nummer des bisherigen Buchgrundstücks geführt worden sei. Tatsächlich sei jedoch die Teilung des Buchgrundstücks bereits am 18. September 2017 erfolgt. Seit diesem Zeitpunkt sei die Teilung des Grundstücks im Grundbuch ersichtlich gewesen. Die Teilung sei im Jahr 2017 erfolgt, weil die Klägerin damals geplant habe, das Grundstück an Bekannte zu veräußern, um diesen die Errichtung eines Doppelhauses zu ermöglichen. Die Klägerin habe das Gesamtgrundstück mit dem aus dem Jahr 1956 stammenden Haus im Jahr 2015 von ihrem Vater geerbt. Allerdings hätten die Bekannten der Klägerin nach der Grundstücksteilung Abstand von ihrer Kaufzusage genommen, weshalb das Grundstück Fl.Nr. ... im Eigentum der Klägerin und auch auf dem gleichen Grundbuchblatt verblieben sei. Gemäß § 4 Abs. 1 der Grundbuchordnung könnten mehrere Grundstücke desselben Eigentümers, deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt würden, auf einem gemeinschaftlichen Grundbuchblatt geführt werden, solange hiervon keine Verwirrung zu besorgen sei. Hieraus dürfe jedoch keine Erschließungsbeitragspflicht für ein Grundstück abgeleitet werden, welches durch die Erschließungsanlage keinen baurechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil habe. Bei dem Grundstück ... handele es sich bezogen auf die abgerechnete Erschließungsanlage um ein selbstständiges nicht gefangenes Hinterliegergrundstück. Dieses könne bei der Abrechnung der Erschließungsanlage „... (Stichweg)“ nicht berücksichtigt werden, da es eindeutig erkennbar auf die ... ausgerichtet sei. Es fehlten zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht Anhaltspunkte, die den Schluss erlauben würden, die abzurechnende Straße werde über das Grundstück Fl.Nr. ... vom Hinterliegergrundstück aus ungeachtet dessen direkter Anbindung an seine eigene Straße in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen. Die tatsächliche bisherige einheitliche Nutzung beider Grundstücke sei ebenso wie die noch vorhandene Eigentümeridentität als solche neutral und lasse nicht den Schluss zu, dass die abzurechnende Straße über das angrenzende Grundstück genutzt werde. Im Übrigen bestünden auch Bedenken gegen die Wirksamkeit der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 15. April 1992. Erst nach Erlass dieser Satzung sei 1994 die Gesetzgebungskompetenz für das Erschließungsbeitragsrecht auf die Länder übertragen worden. Bayern habe erst danach einschlägige Regelungen im Kommunalabgabengesetz erlassen. Diesen gesetzlichen Vorgaben werde die aus einer Zeit weit vor dem Erlass entsprechender gesetzlicher Regelungen stammende Satzung nicht gerecht. Sie sei in ihrem Inhalt mit der nunmehr geltenden Rechtslage nicht mehr vereinbar und könne deshalb auch keine ausreichende Grundlage für eine Beitragserhebung darstellen.
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Die Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 10. August 2021 gegen das Klagebegehren mit dem Antrag,
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Nach Mitteilung des Grundbuchamtes sei die Teilung des Grundstücks erst am 3. März 2021 eingetragen worden. Der von der Klägervertreterin vorgelegte Grundbuchauszug sei am 22. Dezember 2020 erstellt worden. In diesem heiße es „BVNr. 1 nach Zerlegung als ein Grundstück unter BVNr. 2 neu vorgetragen am 18.9.2017“. Dies bedeute jedoch gerade nicht, dass das Grundstück zu diesem Zeitpunkt bereits geteilt worden sei. Da folglich zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht die Flurstücke zusammen im Grundbuch unter einer Nummer eingetragen gewesen seien, seien sie rechtmäßig mit ihrer Gesamtfläche für den Erschließungsbeitrag herangezogen worden. Zudem herrsche hier in Bezug auf die Grundstücke Eigentümeridentität; diese würden auch wie ein einheitliches Grundstück genutzt. Die Mehrfacherschließung des Baugrundstücks sei gemäß § 5a der Erschließungsbeitragssatzung berücksichtigt worden. Dass eine tatsächliche Erschließung über die abgerechnete Anlage erfolge, sei keine Voraussetzung für das Heranziehen zu einem Erschließungsbeitrag.
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Mit Beschluss vom 20. September 2021 wurde der Rechtsstreit zu einer Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Das Gericht hat sodann am 9. November 2021 Beweis erhoben durch die Einnahme eines Augenscheins. Bei diesem Termin erklärten die Parteien zu Protokoll, dass sie auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichten. Mit Schreiben der Beklagten vom 31. Januar 2022 wurde dem Gericht die zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht am 2. Oktober 2019 führende vermessungsamtliche Rechnung vom 24. September 2019 vorgelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 25. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 8. Juni 2021, mit dem die Klägerin als Eigentümer des aus den Flurstücken Fl.Nr. ... und ... Gemarkung ... bestehenden insgesamt 951 m² großen (Buch-)Grundstücks für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage „... (Stichweg)“ zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 11.567,51 EUR herangezogen wurde, ist rechtmäßig. Die Klägerin wird durch den angegriffenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage des Erschließungsbeitragsbescheids vom 25. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 8. Juni 2021 ist Art. 5a KAG i.V.m. §§ 128 ff. BauGB sowie die Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen der Stadt ... (Erschließungsbeitragssatzung - EBS) vom 15. April 1992. Bedenken bezüglich der materiellen Rechtmäßigkeit der Erschließungsbeitragssatzung wegen des späteren Wechsels der Gesetzgebungskompetenz für das Erschließungsbeitragsrecht bestehen nicht (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 3.12.1958 - BvR 488/57 - BVerfGE 9, 3; BVerwG, U.v. 6.10.1989 - 4 C 11.86 - NJW 1990, 849; VGH BW, B.v. 5.10.1994 - 3 S 1619/94 - juris Rn. 5). Ergänzend wird hierzu auf die Ausführungen der Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2021 verwiesen.
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Die Klägerin wurde zurecht als Eigentümerin des aus den Flurstücken ... und ... bestehenden und zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht am 2. Oktober 2019 im Grundbuch für ... Band ... Blatt ... unter der BVNr. 2 vorgetragenen Buchgrundstücks zum Erschließungsbeitrag für die Erschließungsanlage „... (Stichweg)“ herangezogen. Das Buchgrundstück war zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage relevanten Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht ausweislich des vorgelegten Grundbuchauszugs noch nicht in zwei eigenständige Buchgrundstücke aufgeteilt. Die rechtlich maßgebliche Teilung durch das Grundbuchamt fand erst am 3. März 2021 statt. Ausgehend vom bürgerlich-rechtlichen (grundbuchrechtlichen) Grundstücksbegriff ist der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen (§ 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Für die Frage, in welchem Umfang ein Grundstück heranzuziehen ist, ist auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht abzustellen. Bei der Aufwandsverteilung ist zudem im Rahmen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Begriff des Grundstücks im Sinn des Grundbuchrechts auszugehen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 1.4.1981 - 8 C 5.81 - BayVBl 1981, 471; BayVGH, B.v. 5.2.2013 - 6 CS 12.2360 - juris Rn. 8; OVG NW, B.v. 7.1.2009 - 15 B 1609/08 - KStZ 2009, 78; VG München, B.v. 20.3.2018 - M 28 S 17.3377 - juris Rn. 21; VG Potsdam, U.v. 13.2.2015 - 12 K 683/13 - juris Rn. 28; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl. 2022, § 17 Rn. 6 ff.). Unter einem Buchgrundstück ist der katastermäßig abgegrenzte Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer besonderen Nummer eingetragen ist. Dieses unter einer Nummer geführte Buchgrundstück kann - wie hier - auch aus mehreren Flurstücken bestehen (so z.B. BayVGH, U.v. 5.2.2013 - 6 CS 12.2360 - BeckRS 2013,47565; ThürOVG, B.v. 19.11.2012 - 4 EO 626/11 - BeckRS 2013, 50165, VG München, B.v. 20.3.2018 - M 28 S 17.3377 - juris Rn. 21; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Januar 2022, Rn. 800; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 13 Rn. 7 ff.).
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Hiervon ausgehend handelt es sich bei dem Flurstück ... nicht um ein selbstständiges (Hinterlieger-)Grundstück, sondern, da dieses Flurstück und das Flurstück ... im Grundbuch von ... Band ... Blatt ... bis zum 3. März 2021 zusammen unter der BVNr. 2 eingetragen waren, um die Teilfläche eines aus zwei Flurstücken bestehenden (Anlieger-)Buchgrundstücks. Ein Buchgrundstück ist jedoch mit seiner gesamten Fläche an der Aufwandsverteilung zu beteiligen. Dieser Grundsatz gilt auch für mehrfach erschlossene Grundstücke (so z.B. BVerwG, U.v. 26.11.2003 - 9 C 2.03 - BayVBl 2004, 276). Damit wurde die Klägerin zurecht mit der Gesamtfläche der beiden Flurstücke von insgesamt 951 m² zum Erschließungsbeitrag herangezogen und - folgerichtig - die in § 5a Abs. 1 EBS für mehrfach erschlossene Grundstücke vorgesehene Zwei-Drittel-Ermäßigung gewährt.
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Ob das Flurstück ... auch als eigenständiges nicht gefangenes Hinterliegergrundstück beitragspflichtig wäre, bedurfte bei dieser Sach- und Rechtslage keiner Entscheidung. Zwar wären, wenn es sich bei den Grundstücken Fl.Nr. ... und Fl.Nr. ... bereits bei Entstehen der sachlichen Beitragspflicht um zwei Buchgrundstücke gehandelt hätte, beide im Eigentum der Klägerin gestanden und beide wurden nach dem Ergebnis der am 9. November 2021 durchgeführten Beweisaufnahme einheitlich zu Wohnzwecken genutzt (s. hierzu BVerwG, U.v. 12.11.2014 - 9 C 4.13 - NVwZ 2015, 528 Rn. 18 ff.). Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob allein deswegen, weil das Anliegergrundstück zur Erschließungsanlage hin keinerlei Abgrenzung, wie einen Zaun, Sockel oder Ähnliches besitzt, bereits ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erschließungsanlage „... (Stichweg)“ von dem Grundstück Fl.Nr. ... aus über Anliegergrundstück in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen werden wird (BayVGH, U.v. 20.10.2011 - 6 B 09.2043 - juris Rn. 18; Driehaus/Raden, a.a.O., § 17 R. 116 ff.), da diese bauliche Gegebenheit zwar eine freie Zugänglichkeit der Erschließungsanlage vom hinterliegenden Grundstück über das unmittelbar anliegende Grundstück aus ermöglicht, aber in seiner Aussagekraft für eine beitragsrelevante Inanspruchnahme der abgerechneten Erschließungsanlage gerade nicht mit der Situation einer angelegten Zuwegung vergleichbar erscheint.
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Da sonstige Punkte, die die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung nach sich ziehen könnten, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, konnte die Klage keinen Erfolg haben.
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Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 8. Juni 2021 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
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Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 u. 4 VwGO).