Titel:
Einstweiliger Rechtsschutz gegen sicherheitsrechtliche Anordnungen der Haltungsuntersagung von Pyrenäenberghunden
Normenkette:
BayStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Art. 8 Abs. 1, Art. 18 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die umfassende Untersagung der Hundehaltung ist für den Betroffenen die einschneidendste denkbare Maßnahme zur Verhütung und Unterbindung einer von einer Hundehaltung ausgehenden Gefahr und daher in der Regel nur dann verhältnismäßig iSd Art. 8 Abs. 1 BayStVG, wenn sich der Hundehalter dauerhaft und hartnäckig weigert, einer bestehenden sicherheitsbehördlichen Anordnung nachzukommen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Vor Erlass einer solchen Haltungsuntersagung muss die Behörde deshalb grundsätzlich zunächst erfolglos Zwangsmittel zur Durchsetzung von Anordnungen zur Haltung von Hunden eingesetzt haben. Nur in Einzelfällen kann ausnahmsweise die Haltungsuntersagung als allein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr in Betracht kommen. Dies ist jedoch bei einer umfassenden Haltungsuntersagung nur dann der Fall, wenn von vornherein feststeht, dass der Halter nicht geeignet für die Haltung von Hunden ist. In einem solchen Fall ist jedoch im Bescheid genau zu begründen, weshalb die Haltungsuntersagung die einzig sinnvolle und erfolgversprechende Maßnahme ist und weshalb weniger einschneidende Maßnahmen nach Art. 18 Abs. 2 BayStVG nicht ausreichen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ebenso ist genau zu prüfen, ob es ausreicht, nur die Haltung des auffällig gewordenen Hundes zu untersagen, ob die Untersagung der Haltung von Hunden bestimmter Rassen oder einer bestimmten Größe erforderlich, aber auch ausreichend ist, oder ob die Gefahrenlage eine generelle Untersagung der Hundehaltung erforderlich macht. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die umfassende Haltungsuntersagung ist auch gerechtfertigt bei gravierenden Eignungsmängeln des Hundehalters. Entscheidend ist, dass das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten des Hundehalters darauf schließen lässt, dass dieser seiner Verantwortung im Hinblick auf das mit der Haltung eines auffälligen, insbesondere gefährlichen Hundes verbundene Risiko nicht gerecht wird. Gerechtfertigt ist eine (umfassende) Haltungsuntersagung auch bei einem deutlichen Aggressions- oder Gewaltpotenzial des Hundehalter. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
vorläufiger Rechtsschutz, Untersagung der Hundehaltung, Abgabeverpflichtung, Pyrenäenberghunde, Eignungsmängel, Hundehalter, Zwangsmittel, Verhältnismäßigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 08.08.2022 – 10 CS 22.1560, 10 C 22.1562
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22149
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,00 festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren wird abgelehnt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die ihm und seiner Lebensgefährtin gegenüber ergangenen sicherheitsrechtlichen Anordnungen der Haltungsuntersagung von Pyrenäenberghunden und von Hunden jeder Art.
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Auf dem Wohnanwesen des Antragstellers und auf weiteren Flächen befinden sich mehrere Pyrenäenberghunde. Aus einem vorangegangenen gerichtlichen Verfahren (Au 8 S 21.907) ist bekannt, dass diese Hunde des Öfteren freilaufend und unbeaufsichtigt auf öffentlichen Plätzen, auf Anwesen von anderen Anwohnern oder an der Staatsstraße herumlaufen. Der Eilantrag des Antragstellers und seiner Lebensgefährtin gegen die deshalb mit Bescheid vom 11. März 2021 erfolgte sicherheitsrechtliche Anordnung, für eine lückenlose hohe Einfriedung und eine Sicherung des Eingangstors gegen unbefugtes Öffnen zu sorgen, wurde mit Beschluss der Kammer vom 14. Mai 2021 abgelehnt, die Klage dagegen in der mündlichen Verhandlung am 7. September 2021 zurückgenommen (Au 8 K 21.906).
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Am 30. März 2022 kam es zu einem (weiteren) Vorfall, bei dem auf dem Grundstück des Antragstellers und seiner Lebensgefährtin ein dort gehaltenes Pony, nach Angaben der Antragsgegnerin von einem Pyrenäenberghund, verletzt worden ist.
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Daraufhin untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin mit Bescheid vom 8. April 2022 ohne vorherige Anhörung das Halten der Pyrenäenberghunde (Nr. 1 des Bescheids) sowie das Halten von Hunden jeder Art (Nr. 2). Des Weiteren wurden sie verpflichtet, die Pyrenäenberghunde bis spätestens 2. Mai 2022, 10:00 Uhr, an eine zuverlässige Privatperson oder ein Tierheim abzugeben und einen schriftlichen Nachweis darüber vorzulegen (Nr. 3). Für den Fall der nicht rechtzeitigen Abgabe der Pyrenäenberghunde würden die Hunde im Zuge der Ersatzvornahme entweder einer geeigneten Privatperson oder einem Tierheim übergeben und übereignet (Nr. 4). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2 und 3 wurde angeordnet (Nr. 5). In Nr. 6 des Bescheids wurde geregelt, dass der Antragsteller und seine Lebensgefährtin die Kosten der Ersatzvornahme zu tragen haben. Die Höhe der Kosten wurde je Hund und Tag bei einer geeigneten Privatperson oder einem Tierheim auf 50 EUR veranschlagt.
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Die Lebensgefährtin würde zusammen mit dem Antragsteller in deren Wohnhaus mit Garten, auf einer eingezäunten Weidefläche, in einem Stall und auf weiteren gepachteten Weideflächen Pyrenäenberghunde halten. Nach Angaben der anwaltlichen Vertretung würde es sich um insgesamt 14 adulte Hunde und 15 Junghunde handeln. Seit August 2017 sei es immer wieder zu Beschwerden der Nachbarn wegen lautstarkem Hundegebell gekommen. Das Amtsgericht ... habe beide Hundehalter im Bußgeldverfahren mit Urteil vom 11. April 2019 wegen Erregung von Lärm schuldig gesprochen. Am 5. Februar 2020 sei ein weiterer Bußgeldbescheid vom Landratsamt ... erlassen worden. Am 24. August 2020 habe ein Jagdpächter gemeldet, dass die Hunde Wildtiere vertrieben hätten. Am 26. Januar 2022 habe der Pfarrer der gegenüber dem Stall befindlichen Kirche mitgeteilt, dass Gottesdienste und Beerdigungen durch das langanhaltende Hundegebell gestört würden. Bei einem Ortstermin an der Hofstelle mit Stall habe sich die Schwester des Verpächters ebenfalls über den Hundelärm beschwert. Das Veterinäramt habe am 7. April 2022 mitgeteilt, dass die Unterbringung der Hunde in einem Stall nicht den Anforderungen der Tierschutz-Hundeverordnung gerecht werde. Am 30. März 2022 habe sich ein weiterer Anwohner über den Lärmpegel der 20 bis 25 im Stall untergebrachten Hunde beschwert und ein Lärmprotokoll vom 6. April 2022 vorgelegt. Nachdem die Hunde zwischen September 2020 und Februar 2021 mehrfach ausgebrochen seien, sei mit Bescheid vom 11. Februar 2021 die Anordnung einer höheren Einfriedung erlassen worden. Die gerichtlichen Verfahren seien erfolglos gewesen. Am 10. Februar 2022 sei es zu einem weiteren Vorfall mit einer Radfahrerin, die sich von zwei Pyrenäenberghunden verfolgt gefühlt habe, gekommen. Am 14. Februar 2022 hätten sich wieder drei Herdenschutzhunde auf der Straße befunden. Der Jagdpächter habe mitgeteilt, dass am 25. März 2022 eine trächtige tote Geiß mit Kehlbisswunden und Risswunden gefunden worden sei. Die Wunden seien augenscheinlich von wildernden Hunden zugefügt worden. Da der Jagdpächter die Hunde schon mindestens dreimal streunend angetroffen habe, habe er beim Antragsteller eine sogenannte Gefährderansprache durchgeführt. Die Vorfälle würden zeigen, dass die Hundehalter nicht für eine ordnungsgemäße Unterbringung sorgen würden. Ihnen würde jegliches Verantwortungsbewusstsein gegenüber Rechten Dritter fehlen. Die Lebensgefährtin des Antragstellers sei durch ein Urteil des ... zu einer empfindlichen Geldstrafe wegen Tiermisshandlung verurteilt worden. Der Antragsteller sei aufgrund von Tierquälerei zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Ihm sei mit Bescheid vom 26. August 2020 vom Landratsamt das Halten und Betreuen von Rindern und Schafen untersagt worden. Das Verfahren dagegen sei beim Verwaltungsgericht anhängig. Die Hundehalter hätten sich außerdem der Verpflichtung widersetzt, die Pyrenäenberghunde bei der Hundesteuerstelle anzumelden. Bei einer Kontrolle des Veterinäramts am 18. August 2021 habe sich der Antragsteller geweigert, die Hunde wegzusperren. Am 30. März 2022 sei ein von dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin gehaltenes Pony von den Hunden verletzt worden. Nachbarn hätten die Polizei davon verständigt. Diese hätte den Tierarzt des Veterinäramtes verständigt. Erst nach mehrmaliger Aufforderung hätten der Antragsteller und seine Lebensgefährtin die ca. 15 auf der Grundfläche freilaufenden Hunde eingesperrt. Nur unter Zuhilfenahme der Polizei habe der Tierarzt das Grundstück betreten können. Die Lebensgefährtin des Antragstellers habe zuerst versucht, die Polizei an einer fotografischen Dokumentation zu hindern. Der Antragsteller habe auch damit gedroht, alle Hunde wieder rauszulassen. Von den Tierbesitzern sei ein Tierarzt verständigt worden. Am 1. April 2022 habe ein Anwohner mitgeteilt, dass die Hunde mit den Vorderbeinen auf dem Zaun stehen würden. Die Haltung von bis zu 29 Pyrenäenberghunden in einem Wohnhaus würde keine sachgerechte Unterbringung darstellen und nicht die Bedürfnisse und Ansprüche dieser Hunderasse erfüllen. Das gesamte Verhalten zeige, dass die Hundehalter weder die erforderliche Zuverlässigkeit noch die Geeignetheit zum Halten von Pyrenäenberghunden besitzen würden. Dies zeige sich auch noch einmal deutlich in dem Verhalten des Antragstellers mit seiner Drohung, die Pyrenäenberghunde auf Polizeibeamte zu hetzen. In unmittelbarer Nähe des Wohnhauses würden sich ein Kindergarten und eine Sportanlage befinden. In der Stellungnahme des Veterinäramts vom 7. April 2022 sei verdeutlicht, dass der Erwerb einer speziellen Sachkunde durch den Herdenschutzhunde-Halter und die Überprüfung der Hunde selbst auf Schutzfunktion und Ungefährlichkeit für Unbeteiligte (Zertifizierung durch ein sachkundiges Gremium) eine wichtige Voraussetzung für eine verantwortungsvolle und rechtssichere Haltung von Herdenschutzhunden sei. Nachdem beim Vorfall vom 30. März 2022 ein Pony schwer verletzt und Polizeibeamten gedroht worden sei, bestehe Gefahr im Verzug. Deshalb habe auf eine Anhörung verzichtet werden können. Von den Hunden gehe eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus, da zu befürchten sei, dass diese in naher Zukunft wieder Leben, Gesundheit und Eigentum gefährden würden. Es liege die Gefahr der Verwirklichung eines Bußgeldtatbestandes wegen Lärmbelästigung vor. Das Bellen gehe regelmäßig deutlich über die Zumutbarkeitsschwelle hinaus, v.a. in der Nacht. Auch nach Erhalt von zwei Bußgeldbescheiden wegen unzulässigen Lärms seien der Antragsteller und seine Lebensgefährtin nicht bereit, an der untragbaren Situation etwas ändern zu wollen. Nachdem die rassetypischen Eigenschaften der Pyrenäenberghunde zu ausgeprägtem Bellverhalten führen würden und aufgrund der Tatsache, dass sich die Anzahl der gehaltenen Hunde immer weiter erhöhe, sei davon auszugehen, dass sich die Situation eher verschlechtern werde. Das Grundstück sei für die Haltung zudem nicht geeignet. Die Untersagung der Haltung eines Hundes bzw. überhaupt die Haltung von Hunden könne erfolgen, um konkrete Gefahren abzuwehren. Das Ausbrechen der Pyrenäenberghunde stelle eine konkrete Gefahr für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit dar. Der Straßenverkehr werde gefährdet. Es könne auch zu Fehlreaktionen von Spaziergängern oder Radfahrern kommen. Auch die Verletzung des Ponys durch Beißattacken und das getötete Reh würden das steigende Gefahrenpotenzial zeigen. Die Halter seien aufgrund der geschilderten Vorkommnisse für die Haltung von Hunden nicht geeignet. Trotz einer bestandskräftigen Anordnung würden die Hunde wiederholt ausbrechen. Die Nichteignung sei belegt durch die Verurteilung der Halter wegen Tiermisshandlung und Tierquälerei. Zudem würde keine rechtzeitige Anmeldung der Tiere zur Hundesteuerstelle vorliegen. Der aktuelle Bestand an Pyrenäenberghunden sei nicht mitgeteilt worden. Insbesondere falle die Drohung der Hundehalter gegenüber den Polizisten ins Gewicht. Aufgrund des Opportunitätsprinzips stehe der Behörde ein Entschließungs- und ein Auswahlermessen zu. Ein Einschreiten im öffentlichen Interesse werde für notwendig gehalten. Nach Abwägung aller Belange erwiesen sich beim Auswahlermessen die Anordnungen als erforderlich und ermessensgerecht. Die Anordnungen würden geeignete Maßnahmen darstellen. Eine anderweitige Unterbringung der Pyrenäenberghunde sei nicht geeignet. Dies belege das häufige Ausbrechen der Hunde. Es sei nicht erkennbar, dass die Hundehalter gewillt seien, das Ausbrechen nachhaltig zu verhindern. Eine Unterbringung im Außenbereich würde den Lärm durch das Hundegebell nicht verbessern. Nach den Angaben des Jagdpächters würden die Wildtiere im Wald aufgeschreckt und vertrieben. Eine Unterbringung im Innenbereich während der sensiblen Zeiten stelle kein geeignetes Mittel dar. Die Hunde seien eine Haltung im Freien gewöhnt. Auch eine nur zeitweise Unterbringung im Haus sei aus Tierschutzsicht äußerst kritisch zu sehen. Trotz der verhängten Bußgelder sei keine Abhilfe geschaffen worden. Die Haltungsuntersagung von Hunden jeder Art sei geeignet, weil die zahlreichen Vorfälle die Ungeeignetheit der Halter belegen würden. Würde lediglich die Haltung von Pyrenäenberghunden untersagt werden, bestünde die Gefahr, dass sich die Halter andere Hunderassen anschaffen würden. Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Hunden und allgemein mit Tieren sei nicht ersichtlich. Dies zeige gerade der Vorfall am 30. März 2022. Die Anordnungen seien auch erforderlich und angemessen. Die Maßnahmen seien notwendig, da es ihr um den Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen gehe. Der Eingriff in das Grundrecht des Eigentums und der allgemeinen Handlungsfreiheit sei hinzunehmen. Den Anwohnern seien die zahlreichen bereits über Jahre andauernden Ruhestörungen nicht mehr zuzumuten. Das Recht der Allgemeinheit auf Ruhe und insbesondere auch das Recht darauf, nicht in Angst um die eigene Gesundheit und die der Kinder leben zu müssen, gehe dem Recht der Hundehalter vor. Hinsichtlich des Übergriffs durch Beutegreifer sei nicht substantiiert vorgetragen worden. Ein Schutz der Viehherde sei auch auf andere Art und Weise möglich. Die insgesamt 70 Schafe und 40 Rinder würden nicht eine so große Anzahl der gehaltenen Herdenschutzhunde erfordern. Aus Internetrecherchen sei vielmehr bekannt, dass ein Handel mit den gezüchteten Pyrenäenberghunden betrieben werde. Eine Erlaubnis zur Züchtung von Hunden und eine Gewerbeanzeige würden nicht vorliegen. Der Antragsteller und seine Lebensgefährtin seien als Halter der Pyrenäenberghunde und als Inhaber der tatsächlichen Gewalt Zustandsstörer. Die sofortige Vollziehung werde im öffentlichen Interesse angeordnet. Würde die Anordnung unterbleiben, bestünde die Gefahr, dass in der Zeit zwischen dem Erlass des Bescheids und seiner Bestandskraft Menschen von den Pyrenäenberghunden gefährdet würden. Die Androhung der Ersatzvornahme sei erforderlich, weil bereits Anordnungen zur Hundehaltung getroffen und mit Zwangsgeldern bewehrt worden seien. Die Festsetzung des Zwangsgeldes sei nicht erfolgreich gewesen. Erst unter dem Eindruck des gerichtlichen Verfahrens sei die Erhöhung des Weidezauns vorgenommen worden. Da bereits ein anderes Tier durch die Pyrenäenberghunde schwer verletzt und ein weiteres Tier getötet worden sei, bestehe eine besondere Dringlichkeit bei der Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen. Die Androhung eines Zwangsgeldes als milderes Vollstreckungsmittel sei nicht geeignet. Es bestünde die Gefahr, dass dadurch weitere erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen und Menschen durch Beißattacken der Pyrenäenberghunde verletzt würden. Die Tatsache, dass Bußgelder keinen Erfolg gehabt hätten, lasse darauf schließen, dass ein Zwangsgeld als Zwangsmittel ebenfalls keinen Erfolg verspreche.
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Dagegen erhob der Antragsteller beim Verwaltungsgericht „Widerspruch“ mit den An trägen,
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I. festzustellen, dass im Widerspruchsverfahren die Hinzuziehung eines Anwalts notwendig ist,
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II. festzustellen, dass der Bescheid vom 8. April 2022 nichtig ist, hilfsweise diesen aufzuheben,
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III. im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Vollziehung des Bescheids in seiner Ziffer 4 einstweilig zu untersagen,
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IV. im Übrigen und nach § 80 Abs. 8 VwGO die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs wiederherzustellen, hilfsweise dies nach § 80 Abs. 5 VwGO zu tun,
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V. und ihm bei Bewilligung von PKH einen ihn vertretungsbereiten Anwalt beizuordnen.
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Rein vorsorglich werde auch die in der Rechtsmittelbelehrungerwähnte Klage erhoben mit dem Antrag, bei Bewilligung von PKH und der Beiordnung eines ihn vertretungsbereiten Anwalts die Nichtigkeit des Bescheids festzustellen, hilfsweise diesen aufzuheben.
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Die Untersagung der Haltung von Pyrenäen sei keine ordnungsrechtliche Angelegenheit, sondern eine zivilrechtliche. Der Bescheid sei nichtig, weil das von der Antragsgegnerin angewandte Landesrecht mit Bundesrecht kollidiere. Auf die pyrenäischen Hirtenhunde finde der erste Abschnitt der Bundesverordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere Anwendung. Die Pyrenäen seien Nutztiere im Sinne der Tierschutznutzverordnung. Die Rasse seien landwirtschaftliche Werkzeuge. Er werde tatsächlich zur Zahlung von Steuern für die Nutzung dieser Werkzeuge herangezogen. Der Steuerstreit sei noch nicht abgeschlossen. Er räume ein, Pyrenäen als Nutztiere mit Behirtungsauftrag zu verwenden. Die im Bescheid unbestimmt bezeichneten Pyrenäen seien ohne Behirtungsauftrag. Er halte keine Pyrenäen zusammen mit seiner Lebensgefährtin. Deshalb könne er auch die Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids nicht durchführen. Sofern die Regelung so ausgelegt werde, dass ihm allein die Haltung untersagt werde, sei die Vollziehung undurchführbar, weil nicht herausgestellt sei, ob er allein Pyrenäen halte, noch, welche Pyrenäen genau er halten könne. Es sei zwischen Eigentum an den Pyrenäen, dem Besitz, der Haltung ihrer Nutztierführer und ihrem Nutztiertrainer zu unterscheiden. Es sei festzustellen, wer die Pyrenäen gerade tatsächlich und wofür nutze. Ihm werde nicht untersagt, seine Grundfläche jemandem zu überlassen, der die Hunde tatsächlich zu eigen habe, sie halte, besitze, führe oder trainiere oder sie zum Hirteneinsatz auf seine Weiden verbringe. Es müsse unterschieden werden zwischen den Pyrenäen, die sich in der Aus- und Fortbildung immer mal wieder in ... aufhalten würden, und den Pyrenäen, die sich auf den verschiedenen Weidenflächen aufhalten würden. Soweit ihm jedwede Hundehaltung in Ziffer 2 untersagt werde, so begegne er dem, dass er seit Jahren keinen Hund halte. Nun wolle er sich einen Dackel anschaffen. Er erhebe gegen den Leiter des Ordnungsamtes Dienstaufsichtsbeschwerde und stelle einen Strafantrag wegen der Anordnung in Ziffer 3. Kein Tierheim würde die Pyrenäen aufnehmen. Eine Privatperson müsse ebenfalls entsprechend ausgebildet und geeignet sein. Auch Ziffer 4 sei auf die Begehung von Straftaten gerichtet. Er verstehe den Tenor so, dass im Wirkungsbereich der Antragsgegnerin alle Pyrenäen öffentlichrechtlichen Gewahrsams anheimfallen würden. Für die Handhabung der Ziffer 5 benötige er einen Anwalt. Er müsse die Hunde mindestens so lange halten, bis jemand anderes sie halten könne. Die Antragsgegnerin ziehe Vorgänge aus verschiedenen Gerichtsakten heran, um seine Ungeeignetheit belegen zu können. Das Schicksal der Pyrenäen werde von einem Nachbarstreit überschattet. Nachbarn seien auch mit dem Ordnungsamtsleiter verwandt. Bei dem Vorfall am 30. März 2022 sei nur eine Verletzung beim Pony gefunden worden, obwohl die Antragsgegnerin vortrage, dass zumindest eine nicht mehr kleine Anzahl Pyrenäen das Pony tatsächlich angegriffen hätte. Der Vortrag sei abwegig. Der privat herbeigerufene Tierarzt habe das Pony medizinisch versorgt und damit habe die Gefahr im Verzug geendet. Die öffentliche Gewalt habe so das vermeintliche Betretungsrecht verloren. Es habe sich um Hausfriedensbruch gehandelt und er habe in Notwehr gehandelt. Der Veterinäramtsleiter habe im Bestreben der Beweissicherung die medizinische Versorgung des Ponys durch den privat gerufenen Tierarzt verhindert. Der Veterinäramtsleiter habe das Pony nicht medizinisch versorgt, sondern mit nackten, zuvor nicht desinfizierten Fingern die Wunde des Ponys zu Fotografie-Pose gespreizt. Er stelle deshalb Strafantrag und erhebe Dienstaufsichtsbeschwerde. Jemand habe wohl die Umzäunung in Besitz von etwas überwunden, was bei einem Schlag gegen ein Pony die Verletzung durch eines Hundes Fangzahn vortäuschen hätte sollen. Der Pyrenäe würde den Menschen nicht angreifen und sich auch nicht wehren. Ein Mensch, der z.B. auch mit Ziel der Kosteneinsparung vorn an einen Besenstiel einen Nagel eingetrieben habe und das Pony damit schlage, bringe den Pyrenäen in ein Dilemma. Der Pyrenäe werde den menschlichen Aggressor nicht angreifen, müsse aber das Pony schützen. So bliebe ihm nur, das Pony mit seinem Körper zu schützen. So sei das Blut des Ponys in das Fell der Pyrenäen gekommen. Zudem habe er während des Anrufs von der Polizei kein Gebell im Hintergrund gehört. Auch der Veterinäramtsleiter habe sich über etwaiges Gebell nicht beschwert. Das behördliche Einschreiten am 30. März 2022 sei audiovisuell festgehalten. Dabei werde das Gericht sehen können, wie Rehe in der Nähe friedlich geäst hätten. Diese würden die Nähe der Pyrenäen suchen, weil sie dann darauf vertrauen könnten, dass Wölfe sich nicht heranwagen würden. Er könne Videoaufnahmen zeigen, in denen die Pyrenäen bellen, weil ein Radfahrer mit einem Hund vorbeigefahren sei. Die Pyrenäen könnten nicht zwischen Wolf und Haustier unterscheiden. Alles, was Reißzähne habe, sei zu verjagen. Dies geschehe durch Bellen. Er erkenne keinen Zusammenhang mit der Haltung von Rindvieh und der Haltung von Hunden.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Unter Bezugnahme auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid werde ergänzend ausgeführt, dass die Ponys trotz anderslautender behördlicher Anordnung weiterhin zusammen mit den Hunden gehalten würden. Des Weiteren habe die Lebensgefährtin des Antragstellers bei einem Betriebsbesuch am 10. Mai 2022 versucht, die Hunde gegen die Polizisten zu hetzen. Wegen der Unterbringung der Hunde im Wege der Ersatzvornahme sei man mit verschiedenen Stellen in Kontakt. Der Antragsteller sei generell nicht geeignet für die Haltung der Hunde. Aufgrund der bisherigen Vorfälle sei davon auszugehen, dass dieser nicht gewillt sei, den bisherigen Anordnungen Folge zu leisten. Zwar sei die Weide mit einem Zaun in Höhe von 1,20 m eingezäunt worden. Ob die auch angebrachten Elektrodrähte tatsächlich stromführend seien, habe nicht festgestellt werden können. Festzustellen sei jedoch, dass diese Maßnahme nicht geeignet sei, da ein weiteres Ausbrechen nicht verhindert worden sei. Trotz diverser Vorfälle habe der Antragsteller keine Maßnahmen getroffen, um das Ausbrechen zu verhindern. Die Ungeeignetheit ergebe sich zudem aus den Verurteilungen wegen Tiermisshandlung und Tierquälerei. Des Weiteren habe der Antragsteller beim Verwaltungsgericht das Verbot der Rinder- und Schafhaltung akzeptiert, so dass ein Einsatz als Herdenschutzhunde nicht möglich sei. Es werde klargestellt, dass die Haltung von einzelnen, nicht gefährlichen, kleinen (Schulterhöhe bis 30 cm) Hunden von der Haltungsuntersagung ausgenommen sei. Das Verbot erstrecke sich auf die Haltung von Hunden, die gefährlich seien und deren Harmlosigkeit nicht von vorneherein feststehe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch in den Verfahren Au 8 S 21.907, Au 8 K 21.906 sowie Au 8 K 21.1810 und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
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I. Die Anträge des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 23. April 2022 sind gem. §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er grundsätzlich eine gerichtliche Überprüfung des Bescheids vom 8. April 2022 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt und dafür Prozesskostenhilfe mit Anwaltsbeiordnung beantragt. Soweit er mit seinem Schriftsatz „Widerspruch“ einlegen will, ist dieser nicht statthaft. Da er sein Schreiben beim Verwaltungsgericht eingereicht und es auch an das Verwaltungsgericht adressiert hat sowie auf der letzten Seite nochmal klarstellt, dass er die in der Rechtsmittelbelehrungerwähnte Klage erheben will, sind seine Anträge als zulässige Anträge auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auszulegen Da die Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt der prozessual sicherste Weg (im Verhältnis zur Nichtigkeitsfeststellungsklage) ist, weil sie dem Kläger die Frage, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig oder nichtig ist, abnimmt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 26), ist zumindest im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von einer Anfechtungsklage auszugehen.
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Die so ausgelegten Anträge sind jedoch nicht erfolgreich.
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Hinsichtlich der getroffenen Anordnungen zur Haltungsuntersagung der Pyrenäenberghunde (Ziffer 1) und von Hunden jeder Art (Ziffer 2) sowie der Abgabeverpflichtung (Ziffer 3) wurde in Ziffer 5 die sofortige Vollziehung angeordnet. Insofern ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Soweit sich der Antragsteller in seinem Antrag Ziffer 3 auch gegen die angedrohte Ersatzvornahme in Ziffer 4 des Bescheides wendet, ist insoweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, da Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung von Gesetzes wegen sofort vollziehbar sind (vgl. Art. 21a VwZVG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).
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Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3a VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht prüft im Falle des § 80 Abs. 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung bzw. Wiederherstellung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, so verbleibt es bei der Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden öffentlichen bzw. privaten Interessen.
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1. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 5 des Bescheids ist knapp, aber noch ausreichend. Sie setzt sich hinreichend mit den Besonderheiten des Einzelfalls unter Berücksichtigung der typischen Interessenlage bei einer sicherheitsrechtlichen Haltungsuntersagung mit konkretem Bezug zum Antragsteller auseinander. Sie berücksichtigt insbesondere auch die Gesamtumstände des Einzelfalls und verfolgt das Ziel einer effektiven Gefahrenabwehr unter Abwägung u.a. des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit.
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2. Vorliegend ist die Anfechtungsklage nach summarischer Prüfung voraussichtlich er folglos, da sich der Bescheid hinsichtlich der Haltungsuntersagung der Pyrenäenberghunde weder als nichtig noch als rechtswidrig erweist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Interessenabwägung fällt somit zulasten des Antragstellers aus. Hinsichtlich der Haltungsuntersagung von Hunden jeder Art erweisen sich die Erfolgsaussichten als offen, die Interessenabwägung fällt jedoch insoweit ebenfalls zuungunsten des Antragstellers aus.
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a) Der Bescheid ist nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist. Ein Verwaltungsakt ist danach nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.
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Eine Kollision mit Bundesrecht liegt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht vor. Rechtsgrundlage für die Haltungsuntersagung ist Art. 7 Abs. 2 LStVG aus sicherheitsrechtlichen Gründen. Eine dem Art. 7 Abs. 2 LStVG vorgehende spezialgesetzliche Ermächtigung existiert im vorliegenden Fall nicht. Insbesondere stellt die Regelung in § 16a TierSchG keine speziellere Ermächtigungsgrundlage für die streitgegenständlichen Anordnungen dar. Diese Norm ermöglicht Anordnungen hinsichtlich angemessener Ernährung, Pflege und verhaltensgerechter Unterbringung und artgerechter Haltung. Das TierSchG enthält jedoch keine Rechtsgrundlage für Maßnahmen, die zwar in Zusammenhang mit einer Tierhaltung stehen, jedoch zum Schutz der Bevölkerung oder der öffentlichen Sicherheit getroffen werden müssen (VG München, B.v. 14.2.2003 - M 22 S 02.5381 - juris Rn. 39). Gleiches gilt für die vom Antragsteller zitierten Normen der Bundesverordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (TierSchNutzV) und der Bundestierschutz-Hundeverordnung. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob die Pyrenäenberghunde als landwirtschaftliche Nutztiere anzuerkennen oder dem „canis lupus familiaris“ zuzuordnen sind.
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b) Die im Bescheid verfügte Haltungsuntersagung für die Pyrenäenberghunde (Zif fer 1) und die Abgabeverpflichtung (Ziffer 3) sind nach summarischer Prüfung voraussichtlich rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die genannten Anordnungen sind Art. 7 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 LStVG.
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(a) Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
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Zwar wurde der Antragsteller vor Erlass des Bescheides nicht angehört. Die Antragsgegnerin konnte davon jedoch wegen Gefahr im Verzug gem. Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG absehen. Im Hinblick auf die aktuellen Vorfälle ist die Antragsgegnerin nachvollziehbar im Rahmen einer Ermessensentscheidung davon ausgegangen, dass ein schnelles Handeln erforderlich ist.
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Im Übrigen ist ein etwaiger Anhörungsmangel jedenfalls nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BayVwVfG unbeachtlich, da die Anhörung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit heilender Wirkung nachgeholt werden kann. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, inwiefern der nach dem Stand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu beurteilende Sach- und Streitstoff erwarten lässt, dass sich mit einer Nachholung der Anhörung der Tatsachenstoff mit Auswirkungen für die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts verändern wird. Ist dies - wie im vorliegenden Fall - nicht erkennbar, erscheint die Heilung eines etwaigen Anhörungsmangels letztlich nur als Formsache, die keine Gewährung von Eilrechtsschutz rechtfertigt (so auch OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 6.1.2022 - OVG 5 S 19/21 - juris Rn.3). Die Antragsgegnerin hat sich nicht nur auf die Verteidigung der getroffenen Verwaltungsentscheidung beschränkt, sondern ausführlich mit dem Vorbringen des Antragstellers auseinandergesetzt und eindeutig, umfassend und klar zu erkennen gegeben, dass sie sein Vorbringen unvoreingenommen zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Anordnungen aufrechterhalten bleiben (BeckOK VwVfG/ Schemmer, 49. Ed. 1.10.2020, VwVfG, § 45 Rn. 42.1).
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(b) Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
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Die Antragsgegnerin hat die Anordnungen auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG sowie auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt. Nach diesen Vorschriften können die Sicherheitsbehörden, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Anordnungen für den Einzelfall treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG), oder um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen (Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG).
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Ungeachtet der Begründung im streitgegenständlichen Bescheid unterliegt die von der Antragsgegnerin getroffene Einschätzung hinsichtlich der Gefahrenprognose in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2005 - 24 BV 04.2755 - juris Rn. 22).
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Unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes ist die von der Antragsgegnerin getroffene Gefahrenprognose gerichtlich nicht zu beanstanden.
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Der Antragsteller hat im Zusammenhang mit der Haltung seiner Hunde Ordnungswidrigkeiten im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG begangen. Seit August 2017 gab es Lärmbeschwerden der Nachbarn. Mit Urteil des Amtsgerichts ... (Az. ...) vom 11. April 2019 wurde aufgrund Zeugeneinvernahme und eines Lärmprotokolls über den Zeitraum von April 2018 bis September 2018 festgestellt, dass sich der Antragsteller und seine Lebensgefährtin der vorsätzlichen Lärmbelästigung gem. § 117 Abs. 1 OWiG schuldig gemacht haben. Es wurde jeweils eine Geldbuße in Höhe von 100,- € festgesetzt. Des Weiteren erließ das zuständige Landratsamt am 5. Februar 2020 einen Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße in Höhe von 200,- €. Dem zugrunde lagen Lärmbeschwerden von Anwohnern protokolliert über einen Zeitraum vom 14. Juli 2019 bis zum 24. September 2019 und nach wie vor auch zur Nachtzeit (Bl. 110 der Behördenakte). Weitere aktuelle Lärmbeschwerden sind aktenkundig von der Schwester des Verpächters des Stalles, des Pfarrers von der Kirche in Klingen vom 26. Januar 2022, der sich in der Nachtruhe gestört fühlt und von Störungen der Gottesdienste und Beerdigungen berichtet, und eines weiteren Anwohners, der ein Lärmprotokoll vom 6. April 2022 vorgelegt hat. Soweit der Antragsteller vorträgt, die Hunde in der Nachtzeit in seinem Wohnanwesen innerhalb des Gebäudes zu verwahren, verhindert dies offensichtlich nicht lautes Bellen der Hunde, die sich im Stall in der ...straße aufhalten, auch in der Nachtzeit.
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Lautes Hundegebell ist bereits aufgrund seiner Eigenart als ungleichmäßiges, lautes Geräusch dazu geeignet, das körperliche und seelische Wohlbefinden eines verständigen Durchschnittsmenschen zu beeinträchtigen. Belästigungen sind zudem erheblich, also nicht mehr geringfügig, wenn sie das übliche und zumutbare Maß übersteigen. Dies richtet sich nach Stärke, Häufigkeit und Dauer des Lärms sowie nach dem konkreten Zeitpunkt der Lärmimmission und deren Ortsüblichkeit (VG Augsburg, B.v. 19.11.2020 - Au 8 S 20.2142 - juris Rn. 50, 51). Aufgrund der zahlreichen über Jahre andauernde Beschwerden und auch im Hinblick auf die hohe Anzahl der Hunde ist der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 OWiG erfüllt und die Behörde konnte grundsätzlich entsprechende Anordnungen treffen, auch zur Verhütung zukünftiger Ordnungswidrigkeiten, da deren Eintritt hinreichend wahrscheinlich zu erwarten steht.
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Auch Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG ist vorliegend erfüllt. Es ist zum einen bereits davon auszugehen, dass von großen Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei umherlaufen oder durch eine nicht ausbruchsichere Unterbringung dieser Hunde in der Regel eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgeht (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2018 - 10 CS 18.1780 - juris Rn. 10; B.v. 11.2.2015 - 10 ZB 14.2299 - juris Rn. 5; U.v. 9.11.2010 - 10 BV 06.3053 - juris Rn. 25; U.v. 15.3.2005 - 24 BV 04.2755 - juris). Die Pyrenäenberghunde wurden bereits mehrfach herrenlos streunend beobachtet (vgl. Vorfälle vom 4. Dezember 2018, 22. Januar 2019, 1. Februar 2019, 16. April 2020 und 11. September 2020, bei denen Hunde des Antragstellers u.a. am Kindergarten, beim ... und an der Ortsverbindungsstraße beim Kreisverkehr gesichtet wurden). Die Hunde wurden des Weiteren am 14. Februar 2021 (acht streunende Hunde in Richtung des Kreisverkehrs), am 20. Februar 2021 (vor dem Kindergarten, innerorts in einem Pferdestall sowie am Kreisverkehr) und am 22. Februar 2021 (fünf Hunde im Ort, beim Reitstall, in den Gärten von Anwohnern und im Bereich der S. straße) gesichtet. Zu weiteren Vorfälle kam es u.a. am 10. Februar 2022, an dem sich eine Radfahrerin von zwei Hunden verfolgt fühlte, am 14. Februar 2022, an dem wiederum drei freilaufende Hunde auf der Straße gesichtet worden sind, und im März 2022, von denen der Jagdpächter berichtet hat. Des Weiteren kam es zu einem schweren Vorfall am 30. März 2022, bei dem das Pony des Antragstellers bzw. seiner Lebensgefährtin durch ein oder mehrere Hunde verletzt worden ist. Soweit der Antragsteller in seinem Antragsschriftsatz den Hergang bestreitet und behauptet, dass die Verletzung des Ponys auf andere Art und Weise erfolgt sei, wird dies als reine Schutzbehauptung gewertet. Nach den Aussagen des Nachbarn, der den Vorfall beobachtet hat, und den Stellungnahmen der nach dem Beißvorfall eingetroffenen Polizeibeamten und des Leiters des Veterinäramtes ist aufgrund der übereinstimmenden Schilderungen und der vorliegenden Tatsachen, wie blutverschmierte Hunde, davon auszugehen, dass das Pony von den Hunden gebissen worden ist. Vor allem aber zeigt das Verhalten des Antragstellers, dass weitere Gefahrensituationen sehr wahrscheinlich sind. So benutzt er die Hunde u.a., um andere Personen zu bedrohen. Kontrollen staatlicher Behörden versuchte er mehrmals zu verhindern, indem er sich weigerte, die Hunde wegzusperren, um den Zugang zu ermögliche. Bei dem Vorfall mit dem Pony am 30. März 2022 versuchte er ebenfalls wieder, eine Dokumentation zu verhindern, indem er zuerst die Hunde nicht wegsperren wollte, und dann sogar damit drohte, die Hunde wieder rauszulassen und, so nach den schlüssigen und übereinstimmenden Stellungnahmen der Polizeibeamten, äußerte, dass „danach nicht mehr alle vom Grundstück gehen könnten“. Wegen weiteren Vorfälle und Beobachtungen wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO analog auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen. Darauf, ob die Hunde des Antragstellers tatsächlich auch den Tod des Rehs verursacht haben, kommt es nicht an, da dieser Vorfall im Vergleich zu sonstigen Vorfällen nicht mehr entscheidend ins Gewicht fällt.
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Davon ausgehend ist die von der Antragsgegnerin vorgenommene Gefahrenprognose, dass es bei der vorliegenden Halter-Hund-Konstellation mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der besonders schutzwürdigen Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit von Menschen oder anderer Tiere kommen wird, gerichtlich nicht zu beanstanden.
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(c) Die auf Grundlage von Art. 7 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 LStVG getroffenen Entscheidungen in Form der Untersagung der Haltung der Pyrenäenberghunde sowie die Verpflichtung zur Abgabe dieser Hunde sind angesichts der Gesamtumstände des Einzelfalls auch ermessensgerecht und stehen im Einklang mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus Art. 8 Abs. 1 LStVG. Ein Hundehaltungsverbot nach dieser Regelung setzt voraus, dass der Halter nicht für die Haltung der Pyrenäenberghunde geeignet ist. Der Einschätzung der Antragsgegnerin, dass dies beim Antragsteller der Fall ist, ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, davon aus, dass die umfassende Untersagung der Hundehaltung für den Betroffenen die einschneidendste denkbare Maßnahme zur Verhütung und Unterbindung einer von einer Hundehaltung ausgehenden Gefahr und daher in der Regel nur dann verhältnismäßig i.S.d. Art. 8 Abs. 1 LStVG ist, wenn sich der Hundehalter dauerhaft und hartnäckig weigert, einer bestehenden sicherheitsbehördlichen Anordnung nachzukommen (BayVGH, B.v. 26.2.2014 - 10 ZB 13.2476 - juris Rn. 4 m.w.N.; für ein Pferdehaltungsverbot: B.v. 21.3.2014 - 10 ZB 12.740 - juris Rn. 11 m.w.N.). Vor Erlass einer solchen Haltungsuntersagung muss die Behörde deshalb grundsätzlich zunächst erfolglos Zwangsmittel zur Durchsetzung von Anordnungen zur Haltung von Hunden eingesetzt haben. Nur in Einzelfällen kann ausnahmsweise die Haltungsuntersagung als allein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr in Betracht kommen. Dies ist jedoch bei einer umfassenden Haltungsuntersagung nur dann der Fall, wenn von vornherein feststeht, dass der Halter nicht geeignet für die Haltung von Hunden ist. In einem solchen Fall ist jedoch im Bescheid genau zu begründen, weshalb die Haltungsuntersagung die einzig sinnvolle und erfolgversprechende Maßnahme ist und weshalb weniger einschneidende Maßnahmen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht ausreichen (BayVGH, B.v. 6.3.2015 - 10 ZB 14.2166 - juris Rn. 8; B.v. 29.9.2011 - 10 ZB 10.2160 u.a. - juris Rn. 13). Ebenso ist genau zu prüfen, ob es ausreicht, nur die Haltung des auffällig gewordenen Hundes zu untersagen, ob die Untersagung der Haltung von Hunden bestimmter Rassen oder einer bestimmten Größe erforderlich, aber auch ausreichend ist, oder ob die Gefahrenlage eine generelle Untersagung der Hundehaltung erforderlich macht (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2018 - 10 ZB 18.103 - juris Rn. 8 ff.).
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Die umfassende Haltungsuntersagung ist auch gerechtfertigt bei gravierenden Eignungsmängeln des Hundehalters (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Oktober 2019, Art. 18 Rn. 81a m.w.N.). Entscheidend ist, dass das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten des Hundehalters darauf schließen lässt, dass dieser seiner Verantwortung im Hinblick auf das mit der Haltung eines auffälligen, insbesondere gefährlichen Hundes verbundene Risiko nicht gerecht wird. Gerechtfertigt ist eine (umfassende) Haltungsuntersagung auch bei einem deutlichen Aggressions- oder Gewaltpotenzial des Hundehalters (vgl. Bengl/Berner/ Emmerig, LStVG, Stand Oktober 2019, Art. 18 Rn. 81a m.w.N.).
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In Anwendung dieser Grundsätze ist die von der Antragsgegnerin angeordnete Haltungsuntersagung gerichtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsteller bietet nicht die nötige Gewähr für eine verantwortungsbewusste Haltung und Vorgehensweise im Umgang Hunden. Dies ergibt sich bereits aus den oben ausgeführten Vorfällen. Gerade der Einsatz des Hundes als Waffe oder als Mittel der Einschüchterung gegenüber anderen Menschen ist Ausdruck der Verantwortungslosigkeit des Halters und rechtfertigt die sofortige Haltungsuntersagung. Denn darin liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen die Pflichten als Hundehalter (VG München, U.v. 24.6.2014 - M 22 K 13.4848 - juris Rn. 29 f.). Zwar hat der Antragsteller - soweit bekannt -tatsächlich seine Hunde noch nicht auf andere gehetzt, aber er hat sie offensichtlich zur Einschüchterung benutzt. Dies stellt eine besondere Verantwortungslosigkeit des Antragstellers dar und zeigt, dass er charakterlich nicht geeignet ist, die Hunde so zu halten, dass diese keine Gefahr für andere darstellen. Hinzu kommt das Verhalten des Antragstellers in verschiedensten Situationen, die zeigen, dass er uneinsichtig und nicht belehrbar ist. So zeigen die neueren Lärmbeschwerden, dass der Antragsteller trotz bereits verfolgter Verurteilung und eines Bußgeldbescheids nicht gewillt ist, für entsprechende Abhilfe zu sorgen. Auch hinsichtlich der sicherheitsrechtlichen Anordnung vom 11. März 2021, für eine ausbruchsichere Unterbringung der Hunde zu sorgen, ließ er es trotz negativem Ausgangs eines Eilverfahrens (Au 8 S 21.907) auf die Fälligstellung des Zwangsgelds ankommen. Die in der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren (Au 8 K 21.906) für ausreichend erachtete Erhöhung des Zaunes in Höhe von 1,20 m und eines stromführenden Gitternetzes oder einer sonstigen stromführenden Einzäunung, hat er dann zwar wohl fristgerecht umgesetzt, wobei von der Antragsgegnerin nicht festgestellt werden konnte, ob die angebrachten Elektrodrähte tatsächlich stromführend sind. Aber obwohl es danach zu weiteren Ausbrüchen der Hunde gekommen ist, hat er dies nicht zum Anlass genommen, weitere, effektivere Maßnahmen zu ergreifen. Mildere Mittel, die geeignet wären, die Gefahr abzuwehren, kommen somit nicht in Betracht.
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(d) Der Antragsteller ist richtiger Adressat der Anordnung nach Art. 9 Abs. 2 LStVG.
Da vorliegend, das Verhalten eines Tieres Maßnahmen nach dem LStVG notwendig macht, sind diese gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Dies sind die Lebensgefährtin und der Antragsteller als Halter der Pyrenäenberghunde. Dass andere Personen als Halter in Betracht kommen, hat der Antragsteller jedenfalls nicht substantiiert unter Vorlage entsprechender Nachweise geltend gemacht. Das Vorbringen ist somit als reine Schutzbehauptung zu werten. Im Übrigen war er auch Adressat der sicherheitsrechtlichen Anordnung vom 11. März 2021.
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(e) Damit erweist sich bei summarischer Prüfung auch die Ziffer 3 des Bescheides hinsichtlich der Abgabeverpflichtung als rechtmäßig. Wird die Haltung von (bestimmten) Hunden untersagt, ist zugleich auch nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG die Abgabe solcher Hunde innerhalb einer bestimmten Frist anzuordnen. Die Sicherheitsbehörde kann verfügen, dass der Halter die betreffenden Hunde an eine geeignete Person oder beispielsweise ein Tierheim übergeben muss. Die Behörde kann auch die Vorlage eines Nachweises der Abgabe fordern (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Oktober 2019, Art. 18 Rn. 82 m.w.N). Auch die gesetzte Frist erscheint angemessen.
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(f) Die Androhung der Ersatzvornahme i.S.v. Art. 32 VwZVG ist nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft. Das Verwaltungsgericht hat innerhalb der Grenzen des § 114 VwGO nur zu prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Antragsgegnerin hat insbesondere in nachvollziehbarer Weise begründet, dass als milderes Mittel eine Zwangsgeldandrohung (Art. 31, 36 VwZVG) nicht in Betracht kommt. Ein Zwangsgeld i.S.v. Art. 31 VwZVG lässt nach Aktenlage und dem sich daraus ergebenden, gegenwärtigen Sach- und Streitstand keinen Erfolg erwarten. Die Antragsgegnerin hat insoweit darauf abgestellt, dass bereits eine sicherheitsrechtliche Anordnung (Bescheid vom 11. März 2021) sowie die Fälligstellung eines entsprechenden Zwangsgelds erfolgten und nicht bewirken konnten, dass der Antragsteller seinen Pflichten nachkommt. Auch weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass im Hinblick auf die anderenfalls für bedeutende Rechtsgüter drohende Gefahr eine weitere Verzögerung, die mit einem Versuch, den Willen des Verpflichteten zunächst durch ein milderes Zwangsmittel zu beugen, verbunden ist, nicht in Kauf genommen werden kann.
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c) Ob die Haltungsuntersagung von Hunden jeder Art in Ziffer 2 des Bescheids rechtmäßig ist, erscheint zumindest zweifelhaft. Nach den obigen Grundsätzen unter b), auf die verwiesen wird, sind die Erfolgsaussichten insoweit offen. Fraglich ist dabei, ob dieses vollständige Haltungsverbot verhältnismäßig ist. Eine Gefahr besteht in der Regel nicht mehr, wenn es sich um sehr kleine und friedliche Hunde handelt (vgl. BayVGH, B.v. 29.03.2006 - 24 CS 06.600 - juris Rn. 58; B.v. 3.2.2009 - 10 CS 09.14 - juris 20). Kriterien für eine geeignete Einschränkung des Verbots sind jedoch nicht ohne weiteres ersichtlich (VG Bayreuth, U.v. 8.10.2019 - B 1 K 19.879 - juris Rn.32). Auch bei zunächst ungefährlich erscheinenden (beispielsweise kleinen) Hunden kann es prognostisch wieder zu Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kommen. Grundsätzlich kann jeder Hund eine gewisse Gefährlichkeit in sich bergen, v.a. wenn der Hundehalter nicht entsprechend verantwortungsvoll handelt (VG Ansbach, U.v. 20. 6.2006 - AN 5 K 06.00075 - juris Rn. 18). Die Beschränkung auf bestimmte, friedliche Hunderassen stellt deshalb nicht in allen Fällen ein hinreichend geeignetes Mittel der Gefahrenabwehr dar.
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Um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, hat die Antragsgegnerin insoweit mit Schriftsatz vom 1. Juni 2022 klargestellt, dass die Haltung von einzelnen, nicht gefährlichen, kleinen (Schulterhöhe 30 cm) Hunden von der Untersagung ausgenommen ist. Damit wird dem Antragsteller die Haltung eines Hundes ermöglicht, der nicht allein schon wegen seiner Größe eine Gefahr für die in Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG geschützten Rechtsgüter darstellt (so auch VG Bayreuth, B.v. 29.7.2021 - B 1 S 21.806 - juris Rn.54). Damit ist gewährleistet ist, dass der Antragsteller tatsächlich nur „harmlose“ Tiere halten kann.
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Da jedenfalls nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller überhaupt beabsichtigt, beispielsweise „sehr kleine und friedliche Hunde“ zu halten, scheint es im Hinblick auf das öffentliche Interesse, die Allgemeinheit vor Gefahren eines unzuverlässigen Hundehalters zu schützen, gerechtfertigt, das Interesse des Antragstellers an jedweder Hundehaltung bis zur Entscheidung dieser Frage in der Hauptsache zurückzustellen. Soweit der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nun erstmals vorträgt, sich eventuell einen Dackel anschaffen zu wollen, ist dies offensichtlich nicht tatsächlich ernst gemeint.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wurde der Streitwert halbiert (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs).
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II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da es an den hinreichenden Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung fehlt (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).
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Gemäß § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 - 1 BvR 1998/02 - NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (Eyermann, a.a.O., Rn. 38).
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Nach diesen Grundsätzen kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Eilver fahren nicht in Betracht, da nach den Ausführungen unter I., auf die Bezug genommen wird, der Eilantrag nicht erfolgreich ist.