Titel:
Keine Erteilung eines Fischereischeins auf Lebenszeit ohne vorheriges Bestehen der Fischerprüfung trotz einer Bescheinigung des Jagd- und Fischereiverbandes Magnitogorsk (Russland)
Normenketten:
BayFiG Art. 48, Art. 50
AVBayFiG § 3 S. 1 Nr. 5
BVFG § 10
AGVwGO Art. 15
Leitsätze:
1. Fischereiliche Befähigungsnachweise aus der ehemaligen Sowjetunion bzw. den Nachfolgestaaten sind nicht gleichwertig iSd § 3 S. 1 Nr. 5 lit. b AVBayFiG, da sie ohne den Nachweis einer den bayerischen Anforderungen gleichwertigen Qualifikation erteilt werden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Amtlichen Auskünften wie denjenigen des Instituts für Fischerei der Landesanstalt für Landwirtschaft kommt mit Blick auf ihre Funktion und Tätigkeit als Fachbehörde eine besondere Bedeutung zu. Ein Tatsachengericht kann sich grundsätzlich ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf ihre gutachterlichen Stellungnahmen, fachlichen Aussagen und Bewertungen stützen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fischereirecht, Erteilung eines Fischereischeins ohne vorheriges Bestehen der Fischerprüfung, Vertriebener, Gleichwertigkeit eines in Russland erworbenen fischereilichen Befähigungsnachweises (verneint), Kein fakultatives Vorverfahren bei der Versagung der Erteilung eines Fischereischeines für freizeitliche, nicht berufsmäßige Zwecke
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22017
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Erteilung eines Fischereischeins auf Lebenszeit ohne vorheriges Bestehen der Fischerprüfung.
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Im November 2020 beantragte der Kläger die Erteilung eines Fischereischeins auf Lebenszeit und legte dazu eine Kopie einer beglaubigten Übersetzung einer Bescheinigung des Jagd- und Fischereiverbandes Magnitogorsk in Russland vor.
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Mit Bescheid vom 26. April 2021, zugestellt am 30. April 2021, lehnte der Beklagte den Antrag ab und berief sich dazu auf Nr. 14.3.6 der Verwaltungsvorschriften zum Vollzug fischereirechtlicher Bestimmungen des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten vom 12. November 1999. Danach fehle es an der notwendigen Gleichwertigkeit des vorgelegten russischen fischereilichen Befähigungsnachweises. Dem Bescheid beigefügt war eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe entweder Widerspruch eingelegt oder unmittelbar Klage erhoben werden könne.
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Mit Schreiben vom 26. Mai 2021, bei dem Beklagten eingegangen am 27. Mai 2021, legte der Kläger durch seine Bevollmächtigten Widerspruch ein und berief sich dabei unter Bezugnahme auf die vorgelegte russische Bescheinigung auf die Gleichwertigkeit des fischereilichen Befähigungsnachweises. Das Landratsamt Altötting teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 10. Juni 2021 mit, dass gegen den Bescheid unmittelbar Klage zu erheben sei, da ein Vorverfahren gemäß Art. 15 Abs. 2 AGVwGO entfalle. In der Sache teile das Landratsamt die Rechtsauffassung des Beklagten. Unter dem 24. Juni 2021 leitete der Beklagte das Schreiben des Landratsamts an die Klägerbevollmächtigten weiter.
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Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2021, der bei Gericht am 30. Juli 2021 einging, ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigten Klage erheben. Er beantragt
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den Bescheid vom 26. April 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger den im November 2020 beantragten Fischereischein zu erteilen.
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Der Kläger erfülle die Voraussetzungen einer Erteilung des Fischereischeins ohne vorheriges Bestehen der Fischerprüfung. Er sei im Besitz eines gültigen Vertriebenenausweises und habe eine gleichwertige fischereilichen Befähigung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erworben. Dies ergebe sich aus der vorgelegten Bescheinigung Nr. … des Jagd- und Fischereiverbandes Magnitogorsk in Russland.
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Der Beklagte tritt der Klage entgegen. Er beantragt
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Es fehle am Erwerb eines gleichwertigen fischereilichen Befähigungsnachweises außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Er verweist hierzu auf Nr. 14.3.6 der Verwaltungsvorschriften zum Vollzug fischereirechtlicher Bestimmungen des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten vom 12. November 1999.
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Mit Beschluss vom 15. Februar 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig (1.), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg (2.).
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1. Die Klage vom 30. Juli 2021 wahrt die Klagefrist. Die Rechtsbehelfsbelehrungim Bescheid vom 26. April 2021 ist unrichtig erteilt worden, sodass die Klageerhebung innerhalb eines Jahres seit seiner Bekanntgabe am 30. April 2021 zulässig war (§ 58 Abs. 2 VwGO).
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Nach § 58 Abs. 1 VwGO muss die Rechtsbehelfsbelehrungüber den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist belehren.
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Die dem streitbefangenen Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung, die offensichtlich von einem Fall des fakultativen Widerspruchsverfahrens nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 AGVwGO ausging, war hinsichtlich des anzubringenden Rechtsbehelfs unrichtig. Vielmehr liegt ein Fall nach Art. 15 Abs. 2 AGVwGO vor.
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Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 AGVwGO erfasst das Landwirtschaftsrecht einschließlich des Rechts landwirtschaftlicher Subventionen. Zwar ist der Begriff des Landwirtschaftsrechts dort weit zu verstehen, wobei als Anhaltspunkt die entsprechende Definition in § 201 BauGB herangezogen werden kann (vgl. Oestreicher/Decker in: Praxis der Kommunalverwaltung, Art. 15 AGVwGO, Nr. 4.2.2). Danach ist Landwirtschaft insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei. Das hieran anknüpfende Landwirtschaftsrecht erfasst mithin die Gesamtheit aller Rechtsnormen, die die Landwirtschaft zum Gegenstand haben oder zu dieser in einem besonderen Sachzusammenhang stehen. Danach erstreckt sich der Tatbestand maßgeblich auf die Ausübung der landwirtschaftlichen Berufstätigkeit, auch in Gestalt der berufsmäßigen Binnenfischerei, nicht aber - wie hier - auf die bloß freizeitliche, nicht berufsmäßige Angelfischerei, deren Ausübung der Kläger anstrebt. Folglich greift hier Art. 15 Abs. 2 AGVwGO ein, wonach das Vorverfahren gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 VwGO entfällt und unmittelbar Klage zu erheben ist.
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2. Der Kläger hat gegen den Beklagte den von ihm geltend gemachten Anspruch, gerichtet auf Verpflichtung zur antragsgemäßen Erteilung eines Fischereischeins auf Lebenszeit ohne vorheriges Bestehen der Fischerprüfung, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweist sich der Ablehnungsbescheid vom 26. April 2021 als rechtmäßig.
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Nach Art. 48 Satz 1, Art. 50 Abs. 3 Nr. 5 BayFiG i.V.m. § 3 Satz 1 Nr. 5 AVBayFiG kann der Fischereischein von der zuständigen Gemeinde (Art. 49 Abs. 1 BayFiG) auf Lebenszeit ausnahmsweise auch ohne vorheriges Bestehen der Fischerprüfung oder einer gleichgestellten Prüfung an Vertriebene und Spätaussiedler erteilt werden, die urkundlich nachweisen können, dass sie einen gültigen Vertriebenenausweis oder eine Bescheinigung zum Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft nach § 15 BVFG besitzen und einen gleichwertigen fischereilichen Befähigungsnachweis außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach § 10 BVFG erworben haben.
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Der Kläger hat zwar durch Vorlage einer Kopie des Vertriebenenausweises vom 1. Oktober 1990 den insoweit erforderlichen Nachweis nach § 3 Satz 1 Nr. 5 lit. a AVBayFiG erbracht, indes fehlt es bei ihm am kumulativ notwendigen (urkundlichen) Nachweis einer gleichwertigen fischereilichen Befähigung, die er außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach § 10 BVFG erworben hat (§ 3 Satz 1 Nr. 5 lit. b AVBayFiG).
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Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass für den Erwerb eines gleichwertigen fischereilichen Befähigungsnachweises außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach § 10 BVFG das Bestehen einer Prüfung mit amtlichen Charakter und einem den hiesigen Anforderungen entsprechenden inhaltlichen Standard nachzuweisen ist. Die vom Kläger vorgelegte Kopie einer beglaubigten Übersetzung der Bescheinigung Nr. … des Jagd- und Fischereiverbandes Magnitogorsk in Russland vermag diesen Nachweis nicht zu erbringen.
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Zunächst wurde die vorgenannte Bescheinigung vom Kläger schon weder im Original noch zumindest in Kopie des Originaldokuments vorgelegt, sondern lediglich als Kopie einer beglaubigten Übersetzung zu den Akten gegeben. Nach § 3 Satz 1 Nr. 5 BayFiG bedarf es allerdings des urkundlichen Nachweises des gleichwertigen fischereilichen Befähigungsnachweises, der außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach § 10 BVFG erworben worden ist. Hiermit korrespondiert Nr. 9.5.1 Satz 4 der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug fischereirechtliche Bestimmungen des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 31. Januar 2022, BayMBl. Nr. 125 vom 23. Februar 2022 (und inhaltsgleich auch Nr. 10.4.1 Satz 4 der früheren Verwaltungsvorschriften zum Vollzug fischereirechtliche Bestimmungen des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten vom 12. November 1999, AllMBl. S. 939), wonach das Prüfungszeugnis bei der Antragstellung grundsätzlich im Original vorzulegen. Mithin bestehen bereits vor diesem Hintergrund nicht unerhebliche Zweifel an einer ausreichenden förmlich-urkundlichen Nachweisführung.
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Des Weiteren fehlt es hinsichtlich der Bescheinigung Nr. … wohl auch an einem Beleg dafür, dass es sich bei ihr überhaupt um ein amtliches Dokument und nicht lediglich um eine Bescheinigung einer privaten Organisation bzw. eines privaten Zusammenschlusses von Jägern und Fischern/Anglern ohne amtlichen Charakter handelt. Der Kläger hat hierzu nichts vorgetragen.
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Vorstehendes kann hier aber letztlich offenbleiben. Denn nach den aktuellen fischereifachlichen Erkenntnissen sind fischereiliche Befähigungsnachweise aus der ehemaligen Sowjetunion bzw. den Nachfolgestaaten nicht gleichwertig i.S.d. § 3 Satz 1 Nr. 5 lit. b AVBayFiG, da sie ohne den Nachweis einer den bayerischen Anforderungen gleichwertigen Qualifikation erteilt werden.
25
Dies ergibt sich aktuell aus Nr. 13.4.6.2 der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug fischereirechtliche Bestimmungen des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 31. Januar 2022. Inhaltlich stimmt diese fachliche Bewertung vollständig mit derjenigen in Nr. 14.3.6 Tiret 7 der zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses geltenden (früheren) Verwaltungsvorschriften zum Vollzug fischereirechtliche Bestimmungen des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten vom 12. November 1999 überein. Hierauf hat die Vertreterin der Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Fischerei, in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen und dazu erläutert, dass diese fachliche Bewertung der ständigen Erkenntnislage und Verwaltungspraxis ihrer Behörde (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 AVBayFiG) entspreche. Amtlichen Auskünften wie denjenigen des Instituts für Fischerei der Landesanstalt für Landwirtschaft kommt mit Blick auf ihre Funktion und Tätigkeit als Fachbehörde eine besondere Bedeutung zu. Ein Tatsachengericht kann sich grundsätzlich ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf ihre gutachterlichen Stellungnahmen, fachlichen Aussagen und Bewertungen stützen (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 8.10.2019 - 8 B 18.809 - juris Rn. 51). So liegt der Fall auch hier.
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Der Verweis des Klägers auf § 6 Abs. 1 Satz 2 AVBayFiG, wonach der Vorbereitungslehrgang mindestens 30 Stunden dauern müsse, und ausweislich der vorgelegten Bescheinigung diese Stundenzahl vom Kläger in seiner Ausbildung in Russland mit 86 Stunden deutlich überschritten worden sei, führt ebenso wie der Umstand, dass die in der Bescheinigung genannten Themen eine große Übereinstimmung mit den Sachgebieten der Fischerprüfung nach Art. 48 Satz 1 BayFiG aufweisen, vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Denn aus der vorgelegten Bescheinigung ergeben sich - unabhängig vom Inhalt und Ablauf der dortigen Ausbildung und ihrer Gleichwertigkeit - jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte über Art (schriftlich oder mündlich), Dauer und konkretem Inhalt und Ablauf der in Russland abgelegten Fischerprüfung. Es fehlen dazu beispielsweise Angaben zur Anzahl der gestellten Prüfungsfragen, zur Zuordnung der Prüfungsfragen zu den einzelnen Sachgebieten der Ausbildung, zur Anzahl des gesamten Fragenpools und zur Mindestanzahl der richtigen Antworten zum Bestehen der (schriftlichen oder mündlichen) Prüfung. Gerade auch vor diesem Hintergrund war eine weitere Aufklärung für den Beklagten und die Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Fischerei, hinsichtlich der Gleichwertigkeit der Fischerprüfung weder möglich noch geboten.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.