Titel:
Nachbareilantrag, Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Stellplatz, Statthaftigkeit bzw. Rechtsschutzbedürfnis, Versäumung der Klagefrist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (verneint), geltend gemacht: Übermittlungsverzögerungen, fehlendes Verschulden nicht glaubhaft gemacht, Versandschlusszeiten
Normenketten:
VwGO § 80a Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
BauGB § 212a
VwGO § 74 Abs. 1 S. 2
VwGO § 60
Schlagworte:
Nachbareilantrag, Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Stellplatz, Statthaftigkeit bzw. Rechtsschutzbedürfnis, Versäumung der Klagefrist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (verneint), geltend gemacht: Übermittlungsverzögerungen, fehlendes Verschulden nicht glaubhaft gemacht, Versandschlusszeiten
Fundstelle:
BeckRS 2022, 22006
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrem Antrag begehren die Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
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Die Antragsteller sind zu je ½ Eigentümer des Grundstücks … straße 94b, FlNr. …, Gemarkung … (im Folgenden: Nachbargrundstück). Unmittelbar südwestlich an das Nachbargrundstück angrenzend liegt das bislang unbebaute, 348 m² große Grundstück FlNr. …, Gemarkung … (im Folgenden: Baugrundstück).
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Bau- und Nachbargrundstück in ihrer heutigen Form sind - ebenso wie die Grundstücke FlNrn. …, … und … - durch Teilung des ursprünglich 852 m² großen Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … (* … straße 94) entstanden, welches zum damaligen Zeitpunkt im Eigentum der Beigeladenen stand und ursprünglich straßenseitig mit einem Wohngebäude bebaut war.
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Auf den heutigen Grundstücken FlNrn. …, … und … wurde, nach Beseitigung des Altbestands, zwischenzeitlich ein Reihenhaus errichtet. Das südwestlich gelegene, zum Baugrundstück hin ausgerichtete Reihenendhaus steht im Eigentum der Antragsteller.
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Vergleiche folgenden Auszug aus dem der Genehmigung zugrunde liegenden Lageplan, Maßstab 1 : 1000, der eine Darstellung des Vorhabens und der benachbarten Bebauung enthält:
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(Lageplan aufgrund Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu)
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Sowohl das Bauwie auch das Nachbargrundstück befinden sich in einem von der …-, der …-, der …- und der … straße begrenzten Geviert. Ein qualifizierter Bebauungsplan besteht für den Bereich nicht. Durch einfachen, übergeleiteten Bebauungsplan ist für das Geviert eine vordere Baulinie festsetzt.
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Mit Bescheid vom 11. Januar 2022 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen auf deren Antrag vom 12. Januar 2021, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 25. Januar 2021, hin eine Baugenehmigung für den Neubau eines rückliegenden Einfamilienhauses inkl. Stellplatz nach Plan-Nr. … mit verschiedenen Auflagen zu Kfz-Stellplätzen, zur Schnurgerüstabnahme, zum Nachweis über die Einhaltung des Schnurgerüsts sowie zum Nachweis über die Einhaltung der Gebäudeaußenmaße. Ferner wurden „die Dienstbarkeiten UR NR. 18 / 2019 S vom 10.01.2019, der Nachtrag UR Nr. 225 / 2019 S vom 05.02.2019, der Nachtrag und die Feststellung UR Nr. 808 / 2019 S vom 13.05.2019 und der Nachtrag UR Nr. 117/ 2020 S vom 28.01.2020 des Notars … … in …“ zum Gegenstand der Genehmigung gemacht. Die darin enthaltenen Abstandsflächenübernahmen zu den dienenden Grundstücken seien zwingend einzuhalten. Unter der Überschrift „Nachbarwürdigung“ wurde u.a. ausgeführt, das Bauvorhaben entspreche den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen seien. Den Nachbarn, die den Baueingabeplan nicht unterschrieben hätten, werde eine Ausfertigung des Bescheides förmlich zugestellt. Sie hätten die Möglichkeit, entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrunggegen den Bescheid Klage zu erheben. Ausweislich der in den Behördenakten enthaltenen Postzustellungsurkunden wurde den Antragstellern am 14. Januar 2021 jeweils eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung zugestellt.
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Mit von beiden Antragstellern unterzeichnetem Schreiben vom 11. Februar 2022 erhoben diese „Klage/Anfechtungswiderspruch“ zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 8 K 22.766). Gleichzeitig beantragten sie
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die Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Größe der Abstandsflächenübernahme sei nicht mit ihnen vereinbart worden. Beim Verkauf des Teilflächengrundstücks FlNr. … an die Antragsteller durch die Beigeladene seien die Vermessungsdaten noch nicht verfügbar gewesen, so dass die Größe der Abstandsflächenübernahme nicht ersichtlich gewesen sei. Der in der Baugenehmigung enthaltene Verweis auf den Nachtrag UR Nr. 117 / 2020 S vom 28. Januar 2020 zur Festlegung der Abstandsflächengröße sei von den Antragstellern nicht unterschrieben und somit nicht genehmigt worden. Trotz fehlender Unterschrift sei dieser Nachtrag durch die Bauherrin und deren Notar eingereicht worden. Da nicht alle für die Baugenehmigung erforderlichen Dienstbarkeiten vorlägen, könne diese nicht rechtswirksam sein. Durch die von der Beigeladenen neu definierte Größe der Abstandsflächenübernahme sei die Privatsphäre und Nutzbarkeit des Grundstücks der Antragsteller eingeschränkt. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung werde beantragt, um Zeit zu haben, mit der Beigeladenen eine für die Antragsteller akzeptable Größe der Abstandsflächenübernahme zu klären.
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Klage- und Antragsschrift sind - (allein) auf dem Postweg - am 15. Februar 2022 beim Verwaltungsgericht München eingegangen. Als „Empfänger“ der Sendung ist auf der zugehörigen Versandtasche handschriftlich zunächst „Bayerischer Verwaltungsgerichtshof“ aufgeführt, diese Angabe sodann aber - ebenfalls handschriftlich und in gleicher Stiftfarbe durch Überschreiben und Streichen in „Bayerisches Verwaltungsgericht München“ abgeändert worden. Darunter ist die Postfachadresse des Verwaltungsgerichts München aufgeführt. Die auf der Versandtasche aufgeklebte Einschreibenmarke trägt das Datum „12.02.2022“.
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Die Antragsgegnerin legte mit Schriftsatz vom 15. Juni 2022 die Behördenakten vor und beantragt
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den Eilantrag abzulehnen.
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Die Beigeladene beantragt durch ihren Bevollmächtigten im Verfahren M 8 K 22.766 die Klage abzuweisen und im Verfahren M 8 SN 22.767
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den Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO zurückzuweisen.
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Für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fehle den Antragstellern das Rechtsschutzbedürfnis, weil diese die Klagefrist versäumt hätten und die streitgegenständliche Baugenehmigung bestandskräftig geworden sei. Den Antragstellern sei die Baugenehmigung am 14. Januar 2022 förmlich zugestellt worden. Die Klagefrist sei daher am 14. Februar 2022 abgelaufen. Die Klage sei ausweislich des Eingangsstempels des Verwaltungsgerichts jedoch erst am 15. Januar 2022 erhoben worden. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil das drittschützende Abstandsflächenrecht durch das Vorhaben der Beigeladenen nicht verletzt werde. Die Antragsteller hätten im Kaufvertrag vom 11. Januar 2019 die Abstandsflächenübernahme zu Gunsten der Parzelle 4 der Beigeladenen mit übernommen und hätten bei Abschluss des Kaufvertrags diese Verpflichtung (§ 1 des Teilflächenkaufvertrags) auch gekannt. Die Antragsteller hätten auch die bereits eingetragenen Grundbuchbelastungen in Abteilung 2, zu denen die Abstandsflächenübernahme gehöre, im Kauvertrag ausdrücklich übernommen. Grundlage des Teilflächenkaufvertrags sei die notarielle Urkunde über die Bestellung von Dienstbarkeiten vom 10. Januar 2019, die bei der Beurkundung des Teilflächenkaufvertrags mit den Antragstellers vorgelegen habe und Inhalt des Teilflächenkaufvertrages geworden sei. Dort sei im Hinblick auf das herrschende Grundstück der Beigeladenen (Parzelle 4) unter § 3 explizit unter Beifügung eines Lageplans die Verpflichtung des dienenden Grundstücks (= Grundstück der Antragsteller) aufgenommen, die notwendige Abstandsfläche für das Bauvorhaben der Beigeladenen nach der BayBO zur Verfügung zu stellen. Die Grunddienstbarkeit sei am 31. Mai 2019 in das Grundbuch eintragen worden. Drittschützende Abstandsflächenregelungen im Hinblick auf die Antragsteller seien damit nicht verletzt. Es treffe nicht zu, dass die Abstandsflächenübernahme mit den Antragstellern nicht vereinbart gewesen sei. Auch die Größe der Abstandsflächenübernahme sei aus dem Lageplan der beiden vorgenannten Urkunden klar erkennbar. Im Übrigen sei die Größe auch dadurch definiert, dass eine lediglich fehlende Abstandsfläche nach der BayBO von den Antragstellern übernommen werde. Dies wisse offensichtlich auch der Antragsteller zu 2., der gegenüber dem Geschäftsführer der Beigeladenen erklärt habe, soweit dieser bereit sei, 15.000,00 € zu zahlen, würde er keine Klage erheben. Da der Geschäftsführer der Beigeladenen dies abgelehnt habe, werde offensichtlich nunmehr über das Rechtsmittel der Klage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO versucht, Druck aufzubauen.
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Mit Schreiben vom 15. März 2022, eingegangen bei Gericht am 17. März 2022, nahmen die Antragsteller zum Schriftsatz des Bevollmächtigten der Beigeladenen Stellung und wiesen darauf hin, dass die fehlende Vereinbarung und Genehmigung der Abstandsflächengröße Grundlage für ihre Klage sei. Die genauen Grundstücksgrenzen und Vermessungsdaten seien zum Notartermin nicht bereitgestellt worden. Es sei lediglich eine gesamte Grundstücksfläche von 197 m² im Kaufvertrag genannt worden, die nachträglich durch die vom Vermessungsamt … anerkannten Vermessungsdaten bestätigt werden solle. Ein Jahr später habe die Beigeladene die Größe der Abstandsflächenübernahme per Nachtrag mit den Antragstellern vereinbaren und genehmigen lassen. Dieser Nachtrag „UR Nr. 117 / 2020 S“ vom 28. Januar 2020 zur Festlegung der Abstandsflächengröße sei von den Antragstellern bis jetzt nicht genehmigt bzw. unterschrieben worden, weil jegliche Termine zur Abstimmung und Einigung ignoriert worden seien. Als Beweis würde hierzu der Brief von Notar … … vorgelegt, dass zur Wirksamkeit des Vertrags „UR Nr. 117 / 2020 S vom 28. 01.2020“ die Genehmigung der Antragsteller in notarieller Form erforderlich sei, und der genannte Nachtrag zur Festlegung der Abstandsflächengröße. Die Klageschrift sei am 12. Februar 2022 per Einschreiben verschickt worden. In der Regel werde ein Brief per Einschreiben innerhalb einer Ortschaft am nächsten Werktag zugestellt. Verzögerungen bei der Zustellung aufgrund der aktuellen Corona-Situation könnten die Antragsteller nicht beeinflussen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens M 8 K 22.766, auf den Inhalt der von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakten sowie das (schriftsätzliche) Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen verwiesen.
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. Januar 2022 bleibt ohne Erfolg.
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1. Der Antrag ist bereits unzulässig.
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Die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO) wurde nicht innerhalb der gesetzlichen Klagefrist erhoben (vgl. nachfolgend Ziffer 1.1.). Die Antragsteller haben bislang nicht glaubhaft gemacht (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO), dass sie ohne Verschulden verhindert waren, die Klagefrist einzuhalten und ihnen daher in der Hauptsache voraussichtlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (vgl. nachfolgend Ziffer 1.2.). Damit ist auch der Antrag gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO entweder bereits unstatthaft (vgl. hierzu: Buchheister in: Wysk, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Auflage 2020, § 80 Rn. 41; Bostedt in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, § 80 VwGO Rn. 127) oder es fehlt den Antragstellern hierfür das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2005 - 10 CS 05.346 - juris).
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1.1. Die Antragsteller haben die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO versäumt.
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Nach der genannten Vorschrift muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden, wenn - wie hier - dem Bescheid eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrungbeigefügt worden ist (vgl. § 58 Abs. 2 VwGO).
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Den Antragstellern wurde ausweislich der in den Behördenakten enthaltenen Postzustellungsurkunden am 14. Januar 2022 jeweils eine Nachbarausfertigung der streitgegenständlichen Baugenehmigung durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt und damit bekanntgegeben [Art. 1 Abs. 1, 5, Art. 3 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG), Art. 66 Abs. 1 Satz 4 Bayerische Bauordnung (BayBO), Art. 41 Abs. 5 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), §§ 180, 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)].
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Die Klagefrist begann damit gem. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am 15. Januar 2022 zu laufen und endete gem. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 14. Februar 2022.
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Der Eingang der allein auf dem Postweg versandten Klage beim Verwaltungsgericht München am 15. Februar 2022 war daher nicht fristgerecht.
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1.2. Dass den Antragstellern in der Hauptsache voraussichtlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO wegen unverschuldetem Fristversäumnis zu gewähren wäre, wurde von diesen bisher nicht im gebotenen Maße glaubhaft gemacht.
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War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 60 Abs. 1 VwGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (Art. 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO).
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1.2.1. Ein ausdrücklicher Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wahrung der Klageschrift wurde bei Gericht von den Antragstellern nicht gestellt. Es kann offenbleiben, ob im Schreiben der Antragspartei vom 15. März 2022, eingegangen bei Gericht am 17. März 2022, ein konkludenter Antrag auf Wiedereinsetzung gesehen werden könnte, da dieser jedenfalls nicht innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO gestellt worden ist.
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Das gerichtliche Schreiben vom 18. Februar 2022 über die Bestätigung des Klageeingangs enthielt den Hinweis, dass die Klage am 15. Februar 2022 eingegangen sei. Zu den Sorgfaltspflichten einer Antrags- und Klagepartei gehört es, diesen Hinweis auf den vom Gericht angenommenen Zeitpunkt des Klageeingangs daraufhin zu kontrollieren, ob bei Zugrundelegung dieses Zeitpunkts die Klagefrist gewahrt ist (Cybulka/Kluckert in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 60 Rn. 112), und zwar auch dann, wenn die Eingangsmitteilung keinen Hinweis auf die Fristversäumung enthält und unabhängig davon, ob das Gericht seinerseits in der Lage war, bei Absendung der Eingangsmitteilung die Verspätung des Rechtsmittels zu erkennen (OVG NW, B.v. 13.5.1998 - 8 A 2610/96 - juris Ls. 1, Rn. 14).
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Die Antragsteller hätten daher spätestens ab Zustellung dieses Schreibens erkennen können, dass die Klagefrist nicht eingehalten war. Diese Eingangsmitteilung ist den Antragstellern auch zugegangen, da sie diesen zusammen mit einer Abschrift des Beiladungsbeschlusses am 22. Februar 2022 zugestellt wurde. Sie haben darauf jedoch zunächst nicht reagiert, sondern erst mit Schreiben vom 15. März 2022, eingegangen bei Gericht am 17. März 2022 - und damit nach Ablauf der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist (zur Einordnung als Ereignisfrist: Czybulka/Kluckert in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 60 Rn. 110), geltend gemacht, die Klage- und Antragsschrift am 12. Februar 2022 zur Post gegeben zu haben, nachdem ihnen vom Gericht das Schreiben des Bevollmächtigten der Beigeladenen zugeleitet worden war, in dem dieser die Nichteinhaltung der Klagefrist gerügt hatte. Hinzu kommt, dass die Antragsteller die Klage- und Antragsschrift per Einschreiben versandt haben. Anhand der zugeteilten Sendungsnummer war es ihnen möglich, sich online zu jeder Zeit über den Sendungsstatus des Schriftstücks zu informieren.
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1.2.2. Selbst wenn die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag gewahrt worden wäre oder von Amts wegen eine Wiedereinsetzung geprüft würde (§ 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO), ist nach den bisher dargelegten Umständen kein Wiedereinsetzungsgrund erkennbar.
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Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt bei Nachholung der versäumten Rechtsmitteleinlegung dann in Betracht, wenn das mangelnde Verschulden zur rechtzeitigen Einlegung des Rechtsbehelfs glaubhaft gemacht wird oder gerichtsbekannt bzw. offenkundig ist (BVerwG, U.v. 16.5.2007 - 3 C 25/06 - juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 20.5.2016 - 22 C 16.736 - juris Rn. 5; Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 60 Rn. 120).
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Verschuldet ist die Versäumung einer Frist dann, wenn der Säumige die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten war (BVerwG, B.v. 25.5.2010 - 7 B 18/10 - juris Rn. 4; B.v. 8.4.1991 - 2 C 32/90 - juris Rn. 11 m.w.N.; BayVGH, B.v. 20.4.2022 - 23 ZB 19.2287 - juris Rn. 6; Hoppe in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 60 Rn. 9; Czybulka/Kluckert, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 60 Rn. 41). Der Maßstab der erforderlichen Sorgfalt bestimmt sich daher auch nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere kommt es darauf an, welche Anstrengungen im konkreten Fall zumutbar sind. Bei der Wiedereinsetzungsentscheidung dürfen die verfahrensrechtlichen und persönlichen Gegebenheiten des Einzelfalles nicht außer Acht gelassen werden. Die Beweislast liegt bei dem Betroffenen, der die Wiedereinsetzung begehrt (BVerwG, B.v. 25.5.2010 - 7 B 18/10 - juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 20.4.2022 - 23 ZB 19.2287 - juris Rn. 6). Die Anforderungen an die vom Einzelnen in diesem Zusammenhang zu beachtenden Sorgfaltspflichten dürfen angesichts der Bedeutung der Wiedereinsetzung für die Verwirklichung der verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsschutzgarantien nicht überspannt werden (BVerfG, B.v. 11.4.1991 - 2 BvR 1996/89 - juris Rn. 7; B.v. 11.2.1976 - 2 BvR 849/74 - juris Rn. 8; Czybulka/Kluckert, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 60 Rn. 42). Dabei entschuldigt mangelnde Rechtskenntnis eine Fristversäumnis nicht (vgl. BVerwG, B. v. 15.8.2017 - 4 B 38.17 - juris Rn. 6; B.v. 7.10.2009 - 9 B 83/09 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 26.6.2020 - 12 ZB 20.978 - juris; VG Köln, U. v.17.3.2021 - 26 K 3000/19 - juris Rn. 51). Vielmehr muss selbst ein juristisch nicht vorgebildeter Bürger bei ihm nicht geläufigen Rechtsfragen grundsätzlich juristischen Rat einholen (BVerwG, B.v. 13.1.1989 - 4 CB 24/88 - juris Rn. 4; Hoppe in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 60 Rn. 23).
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Die Antragsteller haben vorgetragen, die Klageschrift am 12. Februar 2022 per Einschreiben verschickt zu haben. In der Regel werde ein Brief per Einschreiben innerhalb einer Ortschaft am nächsten Werktag zugestellt. Verzögerungen aufgrund der aktuellen Corona-Situation könnten die Antragsteller nicht beeinflussen. Sie berufen sich mithin auf einen Beförderungsmangel der D. P. AG, der - läge er vor - ihnen nicht zuzurechnen wäre, soweit die Antragsteller die Postsendung den postalischen Bestimmungen entsprechend, d.h. richtig frankiert und adressiert, rechtzeitig so zur Post gegeben haben, dass diese bei störungsfreiem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht hätte erreichen müssen. Eine Wiedereinsetzung kommt daher insbesondere in Betracht, wenn eine Fristsache zu einem Zeitpunkt abgesandt wird, in dem bei der üblichen Beförderungsdauer mit einer rechtzeitigen Ankunft der Postsendung gerechnet werden darf (Czybulka/Kluckert in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 60 VwGO Rn. 63; vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 2 BvR 162.16 - juris Rn. 26 m.w.N.; BGH, B.v. 21.10.2010 - IX ZB 73.10 - juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 9.3.2018 - 11 ZB 17.2428 - juris Rn. 19).
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Stützt sich der Säumige auf eine Verzögerung der Briefbeförderung, genügt aber nicht die bloße Behauptung einer solchen, sondern es bedarf der Darlegung, wann, durch wen und wo der Brief bei der Post abgeliefert worden ist. Dies folgt aus § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO, der zudem verlangt, dass die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen sind (vgl. BVerwG, B.v. 28.10.2013 - 2 B 84/12 - juris Rn. 5 m.w.N.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 29.4.2021 - OVG 6 N 106/20 - juris Rn. 4).
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Die Antragsteller haben hier als Versandart das Einwurf-Einschreiben gewählt, welches nach summarischer Prüfung unter Zugrundelegung der Angaben auf dem Internetauftritt der D. P. AG in der Regel am Tag nach der Einlieferung zugestellt wird (vgl. unter https://www.deutschepost.de/de/e/einschreiben/haeufige-fragen.html). Nach den im Internet veröffentlichten Informationen der D. P. AG zum Einschreiben (https://www.deutschepost.de/de/e/einschreiben/haeufige-fragen.html sowie in dem ebenfalls zum Download bereitstehenden Flyer zum „Einschreiben national“) bestehen für den Versand eines Einschreibens zwei Möglichkeiten: zum einen die Abgabe in der Filiale, wo die Sendung durch ein Label mit einer individuellen Sendungsnummer als Einschreiben kenntlich gemacht wird und der Kunde einen Einlieferungsbeleg erhält, zum anderen die Einlieferung über einen Briefkasten, indem der Versender eine online erworbene Internetmarke oder einer vorab in einer Postfiliale erworbenen Einschreibemarke verwendet, diese auf die Sendung aufbringt und diese sodann in einen Briefkasten einwirft.
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Die Frankierung ist vorliegend ordnungsgemäß und ausreichend erfolgt. Das Gericht geht bei summarischer Prüfung ferner davon aus, dass es auch infolge der handschriftlichen Korrektur des Empfängers (von „Bayerischer Verwaltungsgerichtshof“ in „Bayerisches Verwaltungsgericht München“ mittels Durchstreichen der Buchstaben „shof“) bei Angabe des Postfachs des Verwaltungsgerichts München nicht zu einer Verzögerung im Briefzentrum gekommen ist. Der auf der Versandtasche, die zum Versand der Klage- und Antragsschrift verwendet wurde, aufgeklebten Frankierung (Einschreibenmarke) lässt sich darüber hinaus zwar entnehmen, dass die Sendung tatsächlich am 12. Februar 2022 bei der Post aufgegeben wurde, allerdings ist weder erkennbar noch vorgetragen noch glaubhaft gemacht, zu welcher Uhrzeit und bei welcher Postfiliale die Sendung eingeliefert worden ist, insbesondere ob die sog. Versandschlusszeit der jeweiligen Postfiliale eingehalten wurde. Die Versandschlusszeit ist der späteste Zeitpunkt, zu dem eine Sendung in der Postfiliale aufgegeben sein muss, um noch am gleichen Tag weiterbefördert zu werden. Ist sie überschritten, findet ein Transport der Sendung nicht mehr am gleichen Tag, sondern erst am nächsten Werktag statt, d.h. die aufgegebene Sendung bleibt dann bis zum nächsten Werktag in der Postfiliale - wie bei einem bereits vor dem Einwurf der Sendung letztmalig geleerten Briefkasten - liegen (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 29.4.2021 - OVG 6 N 106/20 - juris Rn. 5; vgl. zur Versandschlusszeit ebenfalls: BayVGH, B.v. 2.3.2020 - 22 ZB 18.893 - juris Rn. 17, 20; VG München, U.v. 31.7.2017 - M 7 K 17.2399 - juris Rn. 19 f.; VG Köln, U.v. 17.3.2021 - 26 K 3000/19 - juris Rn. 55). Damit ist offen - und insoweit von den Antragstellern nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden -, ob sie tatsächlich von einer Zustellung des Einschreibens am nächsten Werktag, mithin am Montag, den 14. Februar 2022, ausgehen durften.
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Für den Fall, dass die Antragsteller die Sendung mit einer sog. Internetmarke oder vorab erworbenen Einschreibenmarke selbst frankiert haben sollten, gilt nichts Anderes. Auch insoweit ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Klageschrift rechtzeitig vor der Leerungszeit am Samstag in einen Briefkasten der D. P. AG eingeworfen worden ist.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 VwGO.
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Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Sachantrag gestellt und sich somit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.